Mit diesen 5 Falschbehauptungen manipuliert Hans-Werner Sinn in der Bild-Zeitung

Hans-Werner Sinn ist studierter Volkswirt und war lange Zeit Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. Man könnte meinen, dass jemand mit diesem Lebenslauf hochrangige Debatten mit anderen Ökonom:innen führt und seine Expertise gerade zu Krisenzeiten in der Regierungsberatung oder sonst wie zur Abwendung der aktuell drohenden Inflationsspiralen einsetzt.

Stattdessen entscheidet sich Professor Sinn leider, in die klebrigen Niederungen der Bild-Boulevardpresse vorzudringen und seine Thesen zwischen schlüpfrigen Bildchen und empörten Texten über schlüpfrige Bildchen unterzubringen. Kann man machen, weckt bei mir aber ähnliche Assoziationen als hätte Christian Drosten an einer Staffel Schwiegertochter gesucht teilgenommen, um darin die Natur von Escape-Mutationen zu beleuchten (und das wäre bestimmt trotzdem noch sehenswert gewesen).

Nun hat eine Veröffentlichung in einem Klatsch-Magazin für den Autor aber auch Vorteile: Quellen braucht er nicht und das Lektorat in der Rumpelpresse korrigiert an der Überschrift „Aufgedeckt:  Kommunistennazis haben Markus Söder entführt und durch einen, Roboter ersetzt“ maximal den Kommafehler. Wenn es einen guten Tag hat. Wer als Autor inhaltlich derartig freie Hand hat, kann auch den absurdesten Unsinn zu Papier bringen. Zum Beispiel das hier:

1. Grüne Energie sei gar nicht günstiger als konventionelle, denn  

„wenn die grüne Energie billiger wäre, dann würden die Menschen sie von ganz allein wählen. Tatsächlich muss der Staat sie erzwingen, indem er konventionelle Energien verbietet oder künstlich verteuert.“

Das ist nun gerade für einen Ökonomen beklagenswert unterkomplex argumentiert. Die Einteilung der unterschiedlichen Arten der Stromerzeugung in „grün“ und „konventionell“ wäre für einen Schulaufsatz in der dritten Klasse okay, tatsächlich soll es aber auch unter den konventionellen Kraftwerken große Unterschiede bzgl. der Erzeugungskosten geben:

Ein kombiniertes Erdgaskraftwerk (dessen Abwärme genutzt werden kann) lag 2019 weltweit bei Erzeugungskosten von etwa 56 US-Dollar pro Megawattstunde, Kohlekraft bei 109 US-Dollar, Kernkraft bei 155 US-Dollar und reine Gaskraftwerke bei 175 US-Dollar pro Megawattstunde. Und das war das Jahr 2019, bevor ein gewisser russischer Präsident mit Wachstumsschmerzen einen Krieg begonnen hat. Wie auch immer: Die teuerste Erzeugungsform war über 200 Prozent teurer als die billigste, was Sinns doch sehr pauschales Urteil fragwürdig macht.

Seine Behauptung ist so trennscharf als würde ich sagen, dass ein Fernseher gar nicht teurer ist als ein Smartphone, worauf mir mit der Materie vertraute Elektronikhänderinnen vermutlich ihren Produktkatalog um die Ohren hauen würden, an deren Inhalt man die Sinnlosigkeit meiner Aussage ablesen könnte.

„Grüne“ Energie kann durchaus günstiger sein als konventionelle, z.B. wenn ich relativ günstigen Onshore-Windstrom mit Atomstrom vergleiche (40 bis 80 Euro pro Megawattstunde vs. 130 Euro pro Megawattstunde). Anders sieht es aus, wenn ich Offshore-Windstrom an einem ungünstigen Standort mit Braunkohlestrom vergleiche (138 Euro / Megawattstunde vs. 46 bis 80 Euro / Megawattstunde). Ihr seht, warum ich Sinns Behauptung mindestens seltsam finde?

Der reine Preis, der ans Kraftwerk zu entrichten ist, mag mittels Braunkohleverbrennung tatsächlich vergleichsweise gering sein, aber dieser beinhaltet eben auch versteckte Kosten: Die Folgekosten der Klimawirkung dieser Stromerzeugung. Wir verbrauchen dann Strom, der auf der Rechnung mit 46 Euro/Megawattstunde wunderbar günstig aussehen mag, stellen aber auch gleichzeitig einen Schuldschein auf unsere Kinder aus, der vom Klima unerbittlicher eingelöst werden wird als von jedem Inkassobüro. Bei einem Kohlekraftwerk mit Wirkungsgrad von 35 Prozent sind das zusätzliche 235 Euro/Megawattstunde

Mit anderen Worten: Wir bezahlen für unseren Kohlestrom heute gerade mal 16 Prozent des tatsächlichen Preises und bürden den kommenden Generationen zusätzlich das Fünffache unserer eigenen Kosten auf. Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit kann eigentlich niemand mit einem Funken Anstand im Leib ernsthaft gut finden, weswegen es ein europaweites System für CO2-Zertifikate gibt, das diese künstliche Verbilligung des Kohlestroms immer weiter ausgleicht.

Hans-Werner Sinn nennt dieses Zertifikate-System in seinem Text nun eine erzwungene, künstliche Verteuerung und impliziert damit, es sei in irgendeiner Form unrechtmäßig oder würde jemanden benachteiligen. Dass fossile Brennstoffe in Deutschland zusätzlich zu diesen, den Verursachern nicht in Rechnung gestellten Klimaschäden, noch jährlich mit 37 Milliarden Euro gefördert werden, erwähnt er ebenfalls nicht. Es ist nicht verwunderlich, dass dieser gefährliche Unsinn nur noch in einem recht ehrlosen Boulevardblatt stattfindet.

2. Der Strom sei wegen der Erneuerbaren teuer

Seine Behauptung ist folgende:

„Schon heute hat Deutschland wegen des hohen Anteils der erneuerbaren Energien neben Dänemark die höchsten Stromkosten der Welt.“

Das Fünkchen Wahrheit in dieser Aussage ist, dass private Haushalte in Deutschland in der Tat mehr für Strom zahlen als Menschen in den meisten anderen europäischen Ländern. Die Behauptung, das läge an den Erneuerbaren, hängt aber ziemlich in der Luft:

Der Preis, der auf unserer privaten Stromrechnung steht, stammt ja nicht allein aus den reinen Kosten Erzeugungskosten des Stroms, diese machen nur etwa 44 Prozent aus. Weitere 25 Prozent des Preises entstehen durch Netzentgelte, damit finanzieren die Netzbetreiber die Infrastruktur, also das Stromnetze, die Umspannwerke und all solche Dinge, die wir auch ohne Erneuerbare bräuchten.

Auch die Kosten für die neuen Stromtrassen SuedLink und SuedOstLink zum Transport von Windstrom in den Süden werden darüber auf uns alle umgelegt. Aktuell werden die Baukosten auf 15 Milliarden Euro geschätzt, für die unser aller Stromkosten leicht ansteigen: Je ungleichmäßiger wir Erneuerbare installieren und je mehr solcher Hochspannungstrassen wir stattdessen brauchen, desto stärker steigen unser aller Netzentgelte im Strompreis. Sollte Bayern sich also weiterhin weigert, selbst Windkraft zuzubauen, dann tragen einen Teil der dadurch entstehenden Mehrkosten wir alle.

Einen Teil der Netzentgelte müssen wir tatsächlich den Erneuerbaren zurechnen, da wir für ihren Einsatz ein robusteres Netz brauchen als im bisherigen System. Laut dieser Studie des Fraunhofer Instituts ISI sind die gestiegenen Netzkosten aber zum größten Teil strukturbedingt und nicht EE-bedingt.

Der dritte Teil sind mit 30% Steuern und Abgaben. Diesen Anteil beeinflussen die Erneuerbaren seit dem Wegfall der EEG-Umlage am 01. Juli 2022 gar nicht mehr, er bedeutete auch bei reinem Kohle-Atommix die gleiche Belastung für Haushalte.

So, das ist aber nur ein Strompreis. Es gibt daneben natürlich auch noch Gewerbekunden und Industriekunden, für die ganz andere Preise und teilweise Sonderregeln gelten, wodurch Sinns Aussagen erneut kläglich pauschal erscheinen.

Die Behauptung, Erneuerbare machten den Strom teuer, ist nun insofern perfide, dass gerade an Tagen mit guter Wind- oder Solareinspeisung der Börsenstrompreis in Deutschland rekordverdächtig niedrig ist. Am 04. Juli hatten wir zum Beispiel ordentliche Sonneneinstrahlung, der Day-Ahead-Strompreis sank in der Folge auf 172 Euro pro Megawattstunde während der französische Markt für 432 Euro / Megawattstunde anbot.

Ein deutscher Betrieb kann an Tagen mit viel Wind- und Solarstromeinspeisung ganz besonders günstigen Strom einkaufen, hier im Diagramm schön zu sehen:

Je mehr Wind- und Solarstrom im Netz war, desto niedriger war der Börsenpreis. Dieser Zusammenhang ist so berechenbar, dass manche energieintensive Unternehmen ihre teuren, aber zeitlich flexiblen Betriebsprozesse mittels schlauer Algorithmen an Zeiten anpassen, an denen viel Windstrom im Netz ist. Sie sparen damit heute schon siebenstellige Eurobeträge.

3. Erdöl einsparen sei sinnlos, weil es dann jemand anders kauft

Auch die nächste Behauptung von Sinn lässt seinen Nachnamen nicht gerade als optimale Wahl erscheinen: 

„Und ob der Umweltnutzen überhaupt kommt, ist mehr als fraglich, wenn Europa allein handelt, wie es das mit seiner rabiaten Politik zur Zurückdrängung der Verbrennungsmotoren tut. Damit das hierzulande nicht mehr verbrannte Erdöl zu einer Entlastung der Atmosphäre führt, müsste es Europa auf seinem Territorium lagern und versiegeln – ein absurder und teurer Gedanke.

Tatsächlich gibt Europa die nicht mehr gekauften Mengen für die Weltmärkte frei. Die Tanker liefern sie nun eben nach China und andere Länder, die sich nicht zur CO2-Einsparung verpflichtet haben. Wie sich empirisch zeigen lässt, gelangt dort ziemlich genau so viel mehr an CO2 in die Luft, wie wir einsparen. Wir ruinieren die deutsche Automobilindustrie, fördern unsere fernöstlichen Konkurrenten und helfen der Umwelt nicht einmal ein bisschen.“

Ich weiß, das klingt anmaßend, aber Professor Sinn scheint irgendwann vergessen zu haben, wie Märkte, Angebot und Nachfrage funktionieren und auch länger nicht mehr in irgendeine Zeitung geguckt zu haben.

Europa handelt in Bezug auf die Elektrifizierung seines Verkehrssektors alles andere als alleine. Auch außerhalb von Europa legen immer mehr ökonomisch einflussreiche Staaten Ausstiegsdaten für Verbrennertechnik fest, elektrifizieren ihre Busflotten und definieren Verbotszonen in dicht besiedelten Gegenden.

Für das Jahr 2035 haben die Autohersteller selbst bereits so klare Ausstiegsdaten definiert, dass sie zusammen 84 Prozent der Marktanteile ausmachen. Und gerade China, das Professor Sinn gerne als Ersatzmarkt für Erdöl ins Spiel bringt, hat eine höhere E-Auto-Quote in seinen Neuzulassungen als Deutschland und exportiert vermehrt E-Autos nach Europa.

Diese Entwicklung leugnet ja nicht mal mehr die Erdölbranche selbst. Darren Woods, Chef des größten US-Erdölkonzerns ExxonMobil, geht davon aus, dass 2040 weltweit keine neuen Verbrennerautos mehr zugelassen werden. Sinns seltsame Idee, dass Europa Erdöl einkaufen und im Boden verbuddeln muss, damit niemand anders es verbrennt, ist ähnlich grotesk wie die Vorstellung, dass der Verkauf von VHS-Kassetten in den 90ern trotz der Einführung der DVD gleich hoch geblieben wäre, weil einfach irgendwer anders sie kauft.

Dieser Mumpitz ist so weit weg von jeder wirtschaftlichen Realität, er hätte auch Teil der aktuellen Franz-Josef-Wagner-Kolumne sein können. Was Sinn hier eigentlich meint: Sollte Europa kein Erdöl mehr kaufen, so würde Erdöl aufgrund der sinkenden Nachfrage (theoretisch) billiger und andere Länder könnten es sich eher leisten. Nun verhält sich der Erdölmarkt aber selten nach normalen Marktgesetzen, weil das OPEC-Kartell die Fördermenge gerne mal künstlich knapp hält, um den Preis hoch zu halten.

Hinzu kommt: Die Elektrifizierung des Verkehrssektors ist ein globales Phänomen. An wen soll das Erdöl denn stattdessen verkauft werden? Selbst in Afrika entstehen aktuell Firmen, die robuste E-Motorräder mit Wechselakkus herstellen, große E-LKW drängen auf den Markt, die globale Batterieproduktion bricht jährlich Rekorde. Verbrennungsmotoren werden schlicht verdrängt werden, auch oder eher ganz besonders in China, das bei der Batteriefertigung richtig weit vorne ist und sich weltweit entsprechende Rohstoffvorkommen sichert.

Seine Behauptung, die chinesischen Mehremissionen entsprächen genau denen, die wir hier einsparen, entbehrt jeder Grundlage. Um das zu prüfen, müsste geklärt werden, wer genau „wir“ ist und welcher Zeitraum gemeint ist, aber selbst wenn wir einen Zeitraum fänden, in dem sich die chinesischen Emissionen in genau dem Maße erhöhen wie „unsere“ sich verringern, hätte das drölfzig Ursachen, von der Stromproduktion über die Zementherstellung, die Landwirtschaft, den Bausektor usw.

Die Idee, dass unsere und die chinesischen Emissionen sich quasi in einem exakten Gleichgewicht befinden, weil ein paar findige chinesische Trader jedes Fass Öl aufkaufen, dass wir in Europa nicht mehr brauchen, ist wirklich vollkommen abwegig. Schon allein aufgrund der Tatsache, wie viel Öl hier per Pipeline ankommt, das sich nicht mal eben nach China umleiten lässt, ohne den Kostenvorteil komplett zu verlieren.

Grundsätzlich hat Professor Sinn sich wohl festgelegt, dass elektrische Antriebe Teufelszeug sind, so dass ich etwas Sorge habe, ob er konsequenterweise bei sich zu Hause diverse Sonderanfertigungen nutzt. Wer weiß, vielleicht hat er sich Rasierapparat, Mixer und Ventilator auf ganz kleine Diesel-Aggregate umbauen lassen, damit diese nicht mit schändlichen Elektromotoren angetrieben werden wie in dieser Renault-Werbung, und er läuft morgens mit einer ganz kleinen Benzinkanne durch die Wohnung und füllt alle nach? So klingt das zumindest in Behauptung 4:

4. Mit E-Autos würden wir abhängiger von anderen Ländern:

„Aber wir werden doch vom Ausland unabhängiger, wenn E-Autos mit selbst gemachtem Grünstrom fahren? Nicht einmal diese Behauptung stimmt, denn wenn die Stromproduktion mit Hilfe von Wind- und Sonnenstrom ausgedehnt wird, damit auch der Verkehr elektrisch wird, brauchen wir auch mehr konventionelle Kraftwerke, um die manchmal wochenlangen Dunkelflauten ausfüllen zu können. Da Deutschland aus der Kohleverbrennung und der Atomkraft zugleich aussteigt, müssen Gaskraftwerke diese Arbeit leisten. Damit jedoch vergrößern die E-Autos die Abhängigkeit von Russland.“

Ja, doch, diese Behauptung stimmt sehr wohl, weil Professor Sinn schon wieder nicht gerechnet hat. Was er meint, ist: Wenn wir in Zukunft noch mehr Strom benötigen, weil ein paar Millionen E-Autos rumfahren, dann erhöht sich die Last im Netz. Für diese Last setzen wir zukünftig sinnvollerweise stark auf Wind- und Solarkraft, müssen dann aber auch vorsorgen für den Fall, dass beide punktuell mal keinen Strom liefern.

In Zukunft werden wir dafür verschiedene Speicher nutzen (wie genau habe ich hier erklärt), aber solange es diese Speicher nicht gibt, müssen eben andere Kraftwerke auf Abruf bereits sein. Diese können dann in den seltenen Fällen einspringen, in denen wirklich weder Wind noch Sonne verfügbar sind.

Der Witz ist nun: Wir HABEN bereits eine Menge Kraftwerke, die zur Reserve im Land stehen. Heute schon. Selbst nach dem kommenden Atomausstieg Ende 2022 werden wir noch 89 Gigawatt Kraftwerksleistung haben, die unabhängig vom Wetter Strom erzeugen kann (Kohle, Gas, Öl, Biomasse, Wasserkraft).

Selbst wenn also in Winter mal mehrere Tage kaum Wind wehen sollte und wir noch keine Speicher installiert haben, dann können wir immer noch locker genug Strom erzeugen. Üblicherweise verbraucht Deutschland bei solchen Wetterlagen um die 70 Gigawatt (das ist etwas weniger als im Schnitt, weil Strom dann teuer ist).

Dieser Verbrauch würde natürlich mit E-Autos steigen, bei einer Flotte von 10 Millionen E-Autos um etwa 3 Gigawatt im Schnitt, wir bräuchten also 73 Gigawatt. Was mit einem Kraftwerkspark von 89 Gigawatt immer noch vollkommen problemlos machbar ist.

Hinzu kommt: Bis wir 10 Millionen E-Autos im Land haben, haben wir auch Speicher. Beziehungsweise: E-Autos SIND Speicher. Wir können es in Zukunft preislich attraktiv gestalten, sie bei viel Wind- und Sonnenstrom zu laden, und bei hohem Strombedarf wieder Strom zurückzuspeisen. Die gesetzliche Regelung dazu wurde bereits in die Wege geleitet.

Bis dahin wird vermutlich auch der Erdgasbezug nicht mehr nennenswert über Russland laufen, aber selbst wenn das in 5 Jahren immer noch der Fall wäre UND wir keine Speicher gebaut hätten, dann bräuchten wir dieses Erdgas nur an den wenigen Zeiträumen im Jahr, an denen für mehrere Tage weder Wind weht noch Sonne scheint – was nun mal recht selten der Fall ist.

Phasen mit nur 15% Strom aus Sonne und Wind machen pro Jahr etwa 232 Stunden oder 10 Tage aus. Würden wir also an allen anderen Tagen mit Sonne und Wind versorgt und würden an diesen 10 Tagen Dunkelflaute unsere 10 Millionen E-Autos mit 100 Prozent Strom aus russischem Gas versorgen, wäre der Bedarf nach Energieimporten immer noch ein winziger Bruchteil von dem als wenn alle diese Autos immer (!) mit Import-Erdöl funktionieren.

5. Mit Erneuerbaren ließe sich kein grüner Wasserstoff herstellen

Im genau Wortlaut sagt er:

„Richtig ist, dass langfristig grüner Wasserstoff während der Dunkelflauten für die Stromproduktion eingesetzt werden kann. Aber auch der lässt sich nicht gut aus Wind- und Solarstrom herstellen, weil der zu flatterhaft ist. Der Wasserstoff wird deshalb aus den  vielen neuen Atomkraftwerken kommen, die Frankreich gerade zu bauen beschlossen hat“

Okay. wow. Allein über den Absatz könnte ich einen eigenen Artikel schreiben, weil er so hardcore konfus Dinge durcheinanderwirft. Wasserstoff lässt sich selbstverständlich aus Wind- und Solarstrom herstellen. Wie wichtig eine möglichst gleichmäßige Stromversorgung für Elektrolyse (Herstellung von Wasserstoff) ist, lässt sich nicht pauschal sagen, da es unterschiedliche Verfahren gibt.

Es wird entscheidend sein, wie diese Verfahren in den kommenden Jahren verbessert werden können, und zwar nicht nur für Energiespeicherung, sondern für alle wirtschaftlichen Anwendungen, die wir nicht ökonomisch sinnvoll elektrifizieren können. Für die Schifffahrt, den Flugverkehr, Hochöfen oder die Landwirtschaft werden wir synthetische Kraftstoffe benötigen.

Witzig: Sinn widerspricht hier vermutlich unbeabsichtigt den Verfechtern von E-Fuels in PKW, auf deren Seite er sich ja vermutlich eigentlich wähnt: Die größte Anlage für PKW-E-Fuels entsteht gerade unter der Federführung von Porsche in einer recht windigen Region in Chile. Surprise: Dort wird Wasserstoff mittels Windstrom hergestellt. Hält Hans-Werner Sinn diese Investition von 70 Millionen Euro für Unfug? Damit sollen doch Verbrennungsmotoren angetrieben werden, Sinns große Leidenschaft… wäre auch interessant, was Porsche dazu sagt.

Stattdessen formuliert Sinn in überzeugtem Indikativ, der grüne Wasserstoff werde aus den vielen französischen Kernkraftwerken kommen, die gerade neu gebaut werden. Echt? Französische Kernkraftwerke sollen Wasserstoff für die Puffer-Stromproduktion herstellen, welche Frankreich aber aufgrund der Grundlastfähigkeit von Kernkraftwerken gar nicht braucht? Wer hat sich den grotesken Plan ausgedacht, Tingeltangel-Bob?

Abgesehen von der ökonomisch haarsträubenden Unsinnigkeit, die eher verlässliche Leistung von Kernkraftwerken zusätzlich mit noch teurerem Wasserstoff abzusichern, überschätzt Sinn hier auch maßlos, wie viel die neuen Kraftwerke beitragen werden. Emmanuel Macron hat den Bau von bis zu (!) 14 neuen Meilern angekündigt. Selbst wenn es 14 werden, so wurde bislang nirgends näher erläutert, Wie viel Leistung diese dann erbringen werden. Aber sie müssen halt perspektivisch die jetzigen 56 Kernkraftwerke ersetzen.

Es kann natürlich sein, dass die neuen Kraftwerke das sogar schaffen, indem sie jeweils deutlich mehr Leistung erbringen als die alte Generation von Reaktoren, aber auch Frankreich will gleichzeitig weg von Öl und Gas. Diese Energieträger decken aktuell jedoch zwei Drittel des französischen Energieverbrauchs.

Das klingt zwar nach mehr als es ist, weil fossile Brennstoffe ineffizienter in der Nutzung sind als elektrische Maschinen, aber es dürfte dennoch ein paar hundert Terawattstunden zusätzlichen Strombedarf bedeuten. Die Idee von Hans-Werner Sinn ist also, dass 14 Kernkraftwerke in Zukunft den gesamten Strombedarf Frankreichs wuppen, alle heutigen Erdöl- und Erdgasverbraucher mit versorgen und zusätzlich noch gigantische Mengen grünen Wasserstoff herstellen.

Seid alle gespannt auf nächste Woche, da veröffentlicht die Bild Hans-Werner Sinns vermutlich ähnlich gut durchdachte Immobilientipps, laut denen ihr ganz viel Geld spart, indem ihr mit eurer 7-köpfigen Familie, einer Gruppe von Zirkusartistinnen und 30 aufgenommenen Straßenhunden gut für 300 Euro kalt in einer 3-Zimmer-Wohnung unterkommt. In der Münchner Innenstadt.

Ja, schade, das war nichts. Bitte im Hinterkopf behalten, was für grundsätzliche Verständnisprobleme Sinn hier offenbar hat, wenn er sich das nächste mal zu komplexen Energiethemen äußert.

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So bekommen wir das Benzin wieder günstiger

Nein, teures Benzin macht keinen Spaß, da sind wir uns einig. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens ein Auto besessen, und das fing bereits in jungen Jahren an. Meine Oma traf damals eine weise Entscheidung: Sie akzeptierte früher als viele andere Menschen, dass ihre Fahrkünste eigentlich nicht mehr ausreichen (obwohl sie noch 10 Kilometer lange Deichwanderungen unternahm) und verschenkte Ihren alten Opel E-Kadett mit Schrägheck an ihren 19-jährigen Enkel. An mich.

Fortan war ich fast überallhin mit 120 PS unterwegs. In die Schule, zu Freunden und zu meinem Nebenjob, um das Auto zu finanzieren. Das gestaltete sich aufgrund der Wartung schwieriger als ich dachte und so stand ich oft mit den letzten 5 Mark an der Tankstelle, damit die Tanknadel knapp über den Bereich kletterte, in dem die Warnleuchte wieder erlosch. Im Jahr 2000 stieg der Preis für einen Liter Superbenzin auf über einen Euro und selbst für mich als vergleichsweise nichtsnutzigen BWL-Student ohne lebenswichtige Fahrtziele wirkte das auf einmal bedrohlich. Ich war wütend. Aber auf wen überhaupt?

Ich war wütend über hohe Benzinpreise. Aber auf wen eigentlich?

Vermutlich auf die Falschen, denn vom Mineralölmarkt hatte ich keine Ahnung und so waren als Schuldige nur irgendwelche sinistren Behörden denkbar, die mir böswillig das Benzin teuer machen. Das Schöne an dieser Auffassung ist, dass irgendein Schurke dahintersteckt. Nennen wir ihn einfach Dr. Doom und sind sauer auf ihn. Dieser Blödmann! Sitzt da in seiner Geheimfestung und spielt mit Rohstoffpreisen – weiß der gar nicht, dass ich kein Geld für so einen Quatsch habe?

Das Schlechte an dieser Auffassung ist, dass sich das Problem kaum lösen lässt:

Im Jahr 2004 kostete der Liter Superbenzin erstmals über 1,10 Euro, im Jahr 2005 über 1,20 Euro und im Jahr 2007 über 1,30 Euro. Dann kam endlich 2009, puh, da sank er dann wieder unter 1,30 Euro. Hatte Dr. Doom endlich ein Einsehen? Nein, es war Weltfinanzkrise. Menschen fuhren schlicht weniger Auto und Benzin war erst mal nicht mehr so gefragt. Danach stieg der Preis wieder stark an – zwar nicht stetig, aber unter 1,30 Euro kam er nie mehr nennenswert.

Aber warum ist das so? Laut Social-Media-Kommentaren sind es meist entweder Robert Habeck oder Christian Lindner, die jeden Morgen das Benzinpreis-Glücksrad drehen. Manch andere vermuten dahinter wiederum die Merkel-Diktatur und haben nicht mitbekommen, dass die gar nicht mehr Bundeskanzlerin ist. Der Witz an der Sache ist nur: Benzin ist mitnichten nur in Deutschland teurer geworden. Genau die gleichen Anschuldigungen treffen aktuell Emmanuel Macron oder Jo Biden, denn auch französische und US-amerikanische Tankstellen erzielen derzeitig Rekordpreise pro Liter Sprit.

Nun belegen die USA ihre PKW-Kraftstoffe mit einem absoluten Witz an Steuern und dennoch sind selbst Kolumnisten liberaler Blätter wie der Washington Post erbost, dass Jo Biden ihnen den US-amerikanischen Traum stiehlt, mit ihrem gottgegebenen Hummer H2 von Boston nach San Diego zu fahren. Es scheint also gar nicht am deutschen Steuersystem zu liegen, vielmehr werden weltweit die Erdölprodukte teuer. Was uns zur sträflich vernachlässigten Frage führt, warum manche Produkte überhaupt teuer werden.

Also klar, wenn die Herstellung teurer wird, wird auch das Produkt teurer. Würde jemand Clemens Tönnies zwingen, die Menschen in seinen Fabriken fair für das Zersägen von Schweinen zu entlohnen, würde deren Wurst am Ende vielleicht doch mehr kosten als Katzenfutter. Aber Erdölförderung ist ja genauso teuer wie früher, trotzdem kostet der Liter Rohöl heute 75 Prozent mehr als vor einem Jahr und 130 Prozent mehr als vor 3 Jahren (der Wert von 2020 ist pandemiebedingt kein guter Vergleich). Betrug? Verschwörung? Skandal?

Nein, das ist die Wirkung von Angebot und Nachfrage. Ich weiß, einige rollen jetzt mit den Augen, daher mal ein Beispiel ganz ohne Finanz-Blabla und Fachausdrücke: Ich bin mal zu einem Depeche-Mode-Konzert gepilgert, weil ich über Connections an einen Platz auf der Gästeliste gekommen war. Dachte ich zumindest. Wie immer war ich viel zu spät und als ich an der Commerzbank-Arena ankam, spielte bereits deutlich hörbar die Vorgruppe. Da ich etwas grenzdebil nach dem richtigen Einlass suchte, war ich schnell von zwei dieser klebrigen Ticket-Spekulanten umringt. Die Typen, die Konzerte großer Bands leerkaufen, um dann bei echten Fans das Doppelte für ein Ticket zu verlangen. Eklig.

Hat Robert Habeck Depeche-Mode-Tickets auf dem Schwarzmarkt teuer gemacht? Unwahrscheinlich…

Der Vorverkaufspreis lag eigentlich bei ca. 80 Euro, so dass diese Aasgeier in der Regel 150 bis 200 Euro verlangen konnten. Warum? Na weil verzweifelte Menschen mit Dave-Gahan-Tattoo im Intimbereich das zu zahlen bereit waren – wenn denn genug davon auftauchten. Nun habe ich kein solches Tattoo und war auch nicht verzweifelt, denn ich stand ja auf der Gästeliste. Oder anders: Das Angebot war größer als die Nachfrage. Die Typen fingen also schnell an, angesichts meines Desinteresses im Preis immer weiter runterzugehen, denn in einer halben Stunde würde ihre Ware nur noch hübsches Altpapier sein. 120 Euro. 90 Euro. 50 Euro.

Ich fand dann den richtigen Einlass und die Frau dort sagte mir, sie habe keine Ahnung von einer Gästeliste und sie müsse jetzt auch gleich schließen, das Konzert finge ja ohnehin gleich an. Ich also zurück zu den Aasgeiern in der Absicht, ein 50-Euro-Ticket zu erstehen. Mein Pokerface war aber wohl nicht das beste und so verkaufte der gewiefte Ticketfuzzi mir das Ticket für 70 Euro. Der letztendliche Preis hatte also kaum etwas mit den tatsächlichen Kosten der Veranstaltung zu tun. Hätte ich mich etwas geschickter angestellt, hätte ich nur 50 Euro bezahlt und wäre noch ein Reisebus voller Fans ohne Ticket angekommen, wären es über 200 Euro gewesen.

Und so ist das prinzipiell auch mit den Benzinpreisen (wenn auch deutlich komplexer und mit einem Haufen anderer Einflussfaktoren): Wer dieser Tage einen Verbrennungsmotor benutzen will, steht auf dem globalen Markt wie einer der Depeche-Mode-Fans mit Intimtatoo da, denen man aktuell jeden noch so absurden Preis abverlangen kann. Wenn hingegen niemand mehr Erdöl bzw. ein Konzertticket haben will, dann fällt der Preis ins Bodenlose, zuletzt geschehen am 20. April 2020: Der Preis für Erdöl war kurz negativ. Wolltet ihr an diesem Tag ein Barrel Erdöl an den Mann oder Frau bringen, musstet ihm/ihr nicht nur das Öl sondern auch 30 US-Dollar dafür geben. Verrückt, nicht wahr?

Der Tag, an dem Erdöl auf einem minus 30 Dollar pro Barrel kostete

Schuld daran war ein winziges Stück Biomasse, das auf den Namen SARS-CoV-2 hört und dazu geführt hatte, dass die Menschen im April 2020 kaum noch Auto fuhren, kaum noch in Flugzeuge stiegen und auch sonst alle Aktivitäten stark herunterfuhren, die in jedem anderen Jahr das Verbrennen großer Erdölmengen bedingt hätte. Die Lager waren alle randvoll und niemand war mehr in der Lage, nennenswerte Mengen aufzukaufen.

Das Betreiben einer Raffinerie war zu dieser Zeit also wirklich kein Zuckerschlecken, und in der Folge musste ein Teil davon stillgelegt werden oder es wurde Personal abgebaut, um die Produktion zu reduzieren, so dass die weltweite Raffinerieleistung im Jahr 2021 zum ersten Mal seit 30 Jahren sank. Weniger Raffinerien bedeutet logischerweise weniger Benzin und Diesel.

Im Jahr 2021 fuhren fast alle Staaten ihre Corona-Maßnahmen zurück und so sprang die Nachfrage wie bei einem Jojo sprungartig wieder an. Die Menschen wollen jetzt all ihre verschobenen Reisen machen, tausende Frachtschiffe sind wieder unterwegs, um die Lücke wieder aufzufüllen, so dass die Öl- und Spritnachfrage aktuell weltweit höher ist als vor der Pandemie.

Dazu komm, dass der Preis von Rohöl zwar den Preis von Benzin beeinflusst, aber dieser Einfluss kann schwanken – zum Beispiel wenn eigentlich genug Öl da ist, aber nicht genug Raffinerien, die daraus Benzin herstellen können. Wenn die Preise sich voneinander entfernen, nennt sich das „Crack Spread“, also zu deutsch Crackspanne (Cracken ist das Verfahren, mit dem aus Erdöl Benzin, Diesel, Kerosin usw. gemacht wird). Dieser Crack Spread ist aktuell sehr hoch, hier der Wert der New Yorker Börse:

Abweichung von Öl- und Benzinpreis (Quelle)

Der Wert steigt bereits ab November 2021, also lange bevor der Ukrainekrieg losgeht. An dem Tag, an dem Russland seinen wahnsinnigen Angriffskrieg auf die Ukraine startet, schießt der Crack Spread so richtig nach oben und liegt heute beim ca. vierfachen Wert verglichen mit November 2021.

Auch das ist wenig verwunderlich, denn die EU importiert aus Russland nicht nur Rohöl, sondern auch große Mengen Diesel. Auch von diesen Importen wollen wir aus naheliegenden Gründen so schnell wie möglich loskommen und so sinken auch die russischen Dieselexporte um mehrere 100.000 Tonnen pro Monat. Aber nicht nur aus Russland kommt weniger Kraftstoff, auch China hat seine Exporte stark reduziert.

Benzin ist aktuell überall teuer, oft teuer als in Deutschland

Der Effekt ist der Gleiche als wenn ihr zur Konzerthalle kommt und da steht jetzt nur noch ein Ticketverkäufer mit einem einzelnen Ticket und ihr seid 20 Leute, die es alle haben wollen: Die Ware ist knapp, der Preis steigt. Und das tut er weltweit: Die Biden-Administration hat bereits mehrfach die Betreiber von US-Raffinerien aufgefordert, ihre Produktion wieder zu erhöhen. Für einen Liter Benzin musstet Ihr am 06. Juni 2022 folgende Preise zahlen:

Frankreich: 2,12 Euro
Spanien: 2,08 Euro
Dänemark: 2,55 Euro
Österreich: 2,00 Euro
Schweiz: 2,08 Euro
Niederlande: 2,25 Euro
(Quelle)

Aber wo landet die ganze Kohle? Bei den Raffinerien, die die Krise von 2020 gut überstanden haben. Ihre Margen steigen gerade gewaltig:

Es würde den Benzinpreis also schnell stabilisieren, wenn einfach mehr Raffinerien Benzin herstellten, nur bauen Raffinerien sich nicht mal schnell neu. Das sind riesige Industrieanlagen mit Baukosten in Milliardenhöhe (Milliarden, nicht Millionen). Die Konzerne, die einen Teil ihrer Anlagen stillgelegt haben, haben jetzt natürlich besonders viel davon, den Betrieb wieder aufzunehmen und werden das vermutlich auch versuchen.

Dazu müssen sie aber wieder Personal finden, sie müssen teures Rohöl am Markt kaufen, das aus europäischer Sicht wegen des starken Dollarkurses noch etwas teurer ist, und all das hat seine Vorlaufzeiten. Ob und wenn ja wie schnell das geht, kann euch ohne Glaskugel wohl niemand seriös beantworten. Es kann also gut sein, dass die Preise erst mal hoch bleiben.

Die Spritpreisbremse wirkt. Die Wirkung von Angebot und Nachfrage wirkt noch stärker

Unpopular Opinion: Die Spritpreisbremse von Christian Lindner kann aktuell wenig dafür, dass der Benzinpreis in Deutschland nun fast wieder genauso hoch ist wie vor der Bremse, weil gleichzeitig die Preise einfach weltweit in ungeahntem Ausmaß steigen. Ohne Bremse wäre er vermutlich einfach noch höher.

Was können wir also tun? Am Angebot können wir wenig ändern, da Deutschland weder über Ölvorkommen verfügt noch über unausgelastete Raffinerien. Worauf wir aber Einfluss haben: Die Nachfrage. Würden die Welt ihren Spritverbrauch auch nur um ein paar Prozent verringern, hätte das schon eine Wirkung und die Preise würden ein Bisschen sinken.

Und hier kommen wir dazu, warum die Spritpreisbremse wirklich eine unglaublich blöde Idee war: Sie animiert Menschen dazu, wieder mehr zu verbrauchen. Das ist dann Anfang Juni vielleicht ganz schön, weil ihr pro Tankfüllung 15 Euro spart, aber langfristig kann das ein grandioser Bumerang werden: Es ist ja nicht plötzlich mehr Benzin da als vorher, nur weil der Staat mit Steuermilliarden beispringt. Trotzdem verbrauchen wir mehr.

Folge: Wie verschärfen den Engpass noch, was den Preis erneut steigen lassen dürften. Das ist so als wenn ihr eine schmerzhafte, eitrige Wunde habt, die dringend behandelt werden muss. Aber weil euch der Weg zur Arztpraxis zu lästig ist, ballert ihr euch einfach 1,2 Gramm Ibuprufen in die Blutbahn. Vorteil: der Schmerz lässt sofort nach. Nachteil: Die Wirkung ist irgendwann wieder weg und dann ist alles noch schlimmer.

Mehr Benzinverbrauch: Die dümmste Idee seit verbleitem Benzin

Viel klüger wäre es hingegen, wenn wir unseren Verbrauch verringern. Ja, manche Leute sind aufs Auto angewiesen, aber nicht alle. Der deutsche PKW-Fuhrpark ist zum Januar 2022 erstmals auf 48,5 Millionen angewachsen, die Wiesbadener Straßen sind an einem Sonntagmorgen voller Autos mit einem einzelnen Mensch darin und der Hang, sich Automodelle mit der Windschnittigkeit eines Kühlschranks auf Rädern zu kaufen, steigt nach wie vor.

Dieses Verhalten ist nichts anderes als eine Wette auf stabile Spritpreise. Tja, Wette verloren, würde ich sagen. Und das nicht allzu überraschend: Der globale Ölpreis ist den Launen eines Erdöl-Oligopols unterworfen und die Kurve der letzten 20 Jahren sieht aus wie eine richtig fiese Achterbahn:

Unter Anderem deswegen reden weitsichtige Leute seit Jahren gebetsmühlenartig auf ihre Mitmenschen ein: Fossile Rohstoffe sind nicht nur eine Katastrophe für Klima und Gesundheit, sie sind auch endlich. Selbst wenn wir die Dinger CO2-neutral verbrennen könnten: Sie sind immer ein Risiko für die Versorgungssicherheit, weil die Vorkommen weltweit sehr ungleich verteilt sind und weltweite Krisen wie Pandemien und Kriege die Förderung einbrechen lassen können.

Endlich bedeutet auch: Es wird in Zukunft immer schwerer und teurer und oft auch umweltschädlicher, die verbliebenen Vorkommen zu nutzen. Die Benzinparteien in Deutschland argumentieren gerne mit der Freiheit des Autofahrens, aber tatsächlich sind Erdölprodukte ein Weg in massive Abhängigkeiten. Wir Deutschen haben es nun aber tatsächlich geschafft, unsere Abhängigkeit in den letzten Jahren auch noch zu erhöhen, obwohl es Alternativen dazu gibt.

Besonders bizarr, dass hier gerne mit der Krankenpflegerin argumentiert wird, die 40 Kilometer zur Arbeit fahren muss und jetzt an der Zapfsäule ziemlich im Regen steht. Die Spritpreisbremse mildert die Auswirkungen zwar aktuell etwas ab, aber das zu horrenden Kosten und ohne Langfristwirkung. Gleichzeitig fahren gutbetuchte Manager in 120.000-Euro-Autos herum und bekommen von uns allen den 10-Liter-Verbrauch ihrer riesigen Gefährte teilfinanziert, was das Problem am Ende nur noch verschärft.

Ihr wollt der Krankenpflegerin helfen? Dann spart Benzin.

Wenn diese Krankenpflegerin euch wirklich am Herzen liegt und ihre Tankrechnung sinken soll, dann senkt den Verbrauch. Robert Habeck kann da nicht viel machen und Christian Lindner auch nicht. Aber wir:

Fahrt keine unnötigen Strecken, fahrt nicht mit 180 über die Autobahn, fahrt kleine Autos oder noch besser elektrische Autos. Oder noch besser: Gar keine Autos. Ja, das können nicht alle, schon klar. Wenn ihr Verbrennerauto fahren müsst (herzliches Beileid), dann ermutigt aber doch nicht andere, auch eins zu fahren. Ihr schneidet euch damit ins eigene Fleisch, denn ihr verknappt damit Benzin und Diesel.

Das verstehe ich grundsätzlich nie an der Debatte: Wer wirklich Auto fahren muss, weil deutsche Verkehrspolitik in den letzten 30 Jahren die Perspektive hinter dem Lenkrad eingenommen hat, genießt meine Solidarität. Aber hey, ihr habt doch nur Nachteile, wenn außer euch NOCH mehr Leute mit dem Auto fahren.

Die Menschen beschweren sich über hohe Spritkosten, wenig Parkplätze und zu viele Staus (verständlicherweise) und vergessen dabei ständig, dass jedes Auto mehr diese Probleme verschärft: Ob ich in einer Stadt einen Parkplatz abschaffe oder ein weiteres Auto zulasse, hat den gleichen Effekt. Ob eine Raffinerie zusätzlich Benzin für 10 PKW produziert oder 10 Menschen ihr Auto abschaffen hat den gleichen Effekt.

Seid froh über Leute, die aufs Rad umsteigen, seid froh über Leute, die jetzt mit 9-Euro-Ticket ihr Gegend erkunden oder mit E-Roller. Ihr steht nämlich gerade mit 48,5 Millionen anderen vor einer imaginären (echt großen) Konzerthalle und versucht, ein Ticket von Leuten zu ergattern, die möglichst viel Geld damit verdienen wollen. Was ist da wohl besser? Wenn sich 500.000 überlegen, auf das Konzert zu pfeifen oder wenn 500.000 dazukommen?

Genau. Und weder Herr Habeck noch Herr Lindner können das ändern.

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Die Welt ist einen der schlimmsten Klimaleugner überhaupt losgeworden. Wo ist die Party?

Okay, sorry wegen des Ohrwurms, aber: Celebrate good times, come on! Dedededemmdemmdemmdemmdä! Yahoo! Dedededemmdemm… usw. Im restlichen Artikel sind Fragmente anderer Lyrics eingestreut, damit ihr meinen Blog mit einem anderen Lied im Kopf wieder verlasst. Vorerst gilt jedoch: Yahoo!

Ich weiß, das ist in der deutschen Medienlandschaft kaum zur Geltung gekommen, so dass sich viele von euch jetzt fragen, wovon zum Geier ich rede. Ich rede von einem Mann namens Scott. Das ist Scott:

Scott mag Kohle so sehr, dass er sie mit ins Parlament bringt und da stolz rumzeigt. Ich werde euch jetzt ein paar schaurige Geschichten über ihn erzählen, die wirklich zum Verzweifeln wären, wenn er nicht vorletzte Woche mit fliegenden Fahnen von der politischen Weltbühne abgestürzt wäre. Das ist zwar ein harter Spoiler, aber so lässt sich das ja alles viel besser ertragen.

Scott wurde 1968 geboren, hat Wirtschaftsgeografie studiert, mit 16 Jahren seine Frau kennengelernt und ist Vater von zwei Töchtern. Missbräuchliche Verwendung von Social Media hält er für das Werk des Teufels. Er denkt, er könne Menschen per Handauflegung helfen und ging davon aus, dass er gewählt wurde, um Gottes Werk zu verrichten.

Wir können nur spekulieren, ob Gottes Plan demnach eine Erdüberhitzung jenseits der 4 Grad Celsius beinhaltet oder ob Gott wohl plante, höchstselbst einzuschreiten, bevor die ersten Kipppunkte ausgelöst werden. Aus Scotts Sicht schien Gott jedenfalls kein gesteigertes Interesse daran zu haben, ob Scott sich selbst darum kümmert, dass die 12t-größte Volkswirtschaft des Planeten ihre Klimaemissionen nennenswert senkt. Wie praktisch für Scott.

Wie unpraktisch für Scotts Töchter, die sich später mit horrenden Klimafolgekosten herumschlagen dürfen. Ebenfalls unpraktisch, dass sie das mit ihrem Vater wohl kaum vernünftig werden besprechen können, da dieser dem Irrglauben anhängt, die Prognosen zu den Folgen der Erderwärmung seien alle maßlos übertrieben. Oder zumindest hing er diesem Irrglauben lange an, bis sein Land in den letzten 2 Jahren von heftigen Buschbränden und Flutkatastrophen heimgesucht wurde.

Das brachte die Bevölkerung seines Landes ins Grübeln, ob Scott wirklich geeignet ist für das Amt des Premierministers bzw. für überhaupt irgendein Amt, in dem die eigene Weitsicht die eines brünftigen Hirschs übersteigen sollte. Und so wählte das Volk von Australien Scott „I believe in miracles” Morrison, auch „Scomo“ genannt, am vorletzten Sonntag in die Wüste, wo er hoffentlich bleibt. Das ist aus Klimasicht eine wirklich gute Nachricht.

Die bizarre Klimapolitik Australiens, die ihren Namen nicht verdient

Nun wäre es etwas unfair, Scott Morrison alleine die Schuld zu geben, Australien hat sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich unmöglich aufgeführt, was Klimapolitik und internationale Verhandlungen angeht: Es ist 1996, meine… nee, stop, es ist 1997. 1997 traf sich die Weltgemeinschaft in Kyoto und einigte sich erstmals darauf, in Zukunft Klimaemissionen zu reduzieren. Die Vereinigten Staaten erklärten sich bereit, 7 Prozent zu reduzieren, Japan 6 Prozent, Deutschland 21 Prozent, und zwar verglichen mit dem Ausstoß von 1990.

Klingt jetzt mal wieder totaaal unfair, wir armen Deutschen! Nun war das aber gar kein so krasses Ziel, weil 1990 eine gewisse Wiedervereinigung dafür sorgte, dass ehemalige DDR-Betriebe geschlossen wurden und die Kohleverstromung in den neuen Bundesländern stark zurückging. Von 1990 bis 1995 sanken die ostdeutschen Emissionen um unglaubliche 45 Prozent, während die westdeutschen leicht anstiegen.

Nach 1995 musste dann auch in Westdeutschland und in so ziemlich jedem anderen wohlhabenden Land effektiv eingespart werden. Nur für Australien wurde (als einziges Industrieland) das Ziel definiert, die Emissionen um 8 Prozent zu erhöhen. Ja, richtig gelesen, während bereits allen klar war, dass die Weltgemeinschaft gemeinsam an diesem Ziel arbeiten muss, hat Australien ein paar Fossil-Lobbyisten mit zum Weltklimagipfel genommen und für sich die Extrawurst durchgesetzt, die ohnehin schon auf hohem Niveau liegenden Emissionen nochmal zu erhöhen.

Aber nicht nur das, die australischen Fossilfuzzis bestanden darauf, eine spezielle Klausel in den Vertrag aufzunehmen, den „Australia Clause“. Dieser besagte, dass Australien mehr Emissionen verursachen kann, je stärker seit 1990 die Landrodungen zurückgegangen waren. Ein recht offensichtlicher Trick, da das Jahr 1990 als absoluter Höchstwert in die australische Landrodungsstatistik einging:

Quelle: tinyurl.com/db4ccvek

Genau so könnte jemand sich bereiterklären, in Zukunft weniger zu rauchen, indem er zum Stichtag 8 Packungen Lucky Strike wegballert und die Menge ab denn zu reduzieren gedenkt. Die Folge: Die Landrodungen nicht berücksichtigt stiegen die australischen Emissionen zwischen 1990 und 2012 um entsetzliche 28 Prozent (!).

Australiens Klimaziel war eine Erhöhung der Emissionen

Es war also nicht nur eine Extrawurst, es war eher ein Extra-Wurstsalat. Nun könnte man annehmen, dass ein Land auf so ein Abkommen nicht sonderlich stolz ist und anschließend entsprechend wenige Worte darüber verliert. Darauf angesprochen würde ich wohl betreten zu Boden blicken, an den Bändeln meines Hoodies rumnesteln und irgendwas Unverständliches vor mich hinmurmeln. Nicht so in Australien, wo der ehemalige Umweltminister Greg Hunt sich wiederholt mit vor Stolz geschwellter Brust zeigte, dass Australien sein Ziel erreicht hat und andere nicht (kein Scheiß):

We are one of the few countries in the world to have met and beaten our first round of Kyoto targets and to be on track to meet and beat our second round of Kyoto targets.

Ja, ganz toll, Greg! Und ich habe gestern gegen ein paar 4-jährigen im Scrabble gewonnen und dann im Wettrennen eine sedierte Traumapatientin besiegt, was bin ich nur für ein krasser Dude! Aber nur fast so krass wie ihr, die ihr eure Emissionen NUR um 28 Prozent erhöht habt, wenn man stagnierende Landrodungen nicht berücksichtigt. Hey, Deutschland hat gerade einen Tankrabatt gestartet, was den Erdölverbrauch voraussichtlich nur um ein paar Prozent erhöht, wollt ihr uns dafür nicht den eurasisch-pazifischen Umweltpreis verleihen?

Ja, das klingt zynisch, aber nichts ist zynischer als australische Klimapolitik: Im Jahr 2012 haben sich alle Staaten in Doha getroffen und sich in fröhlicher Runde auf die Schultern geklopft angesichts der Ziele, die erfüllt wurden. Gut die Ziele waren nicht geeignet, um das Weltklima in Sinne der jungen Generation zu stabilisieren, aber hey, Ziel ist Ziel. Alles ist lustiger, wenn ihr Ziele einfach unter der Prämisse eines maximalen Spaß-Faktors definiert: Das Ziel eurer Haushaltsführung könnte z.B. lediglich sein, dass es aufgrund von Verschmutzung nicht zu größeren Rattenpopulationen im Vorratsschrank kommt.

Wenn Samantha und Ralf das nächste mal zu Besuch kommen, werden sie euch vermutlich darauf ansprechen, dass sich im Spülbecken eine undefinierbare Masse aus Töpfen, Essensresten und Schimmelansammlungen in unterschiedlichen Farben befindet, aber die können euch gar nichts. Ihr lauft schnell ins Arbeitszimmer und holt euer laminiertes Dokument mit eurem Ziel raus, reibt es dem hochnäsigen Ralf unter die Nase und wedelt damit demonstrativ in Richtung Küche: „KEINE RATTEN! ZIEL ERFÜLLT“.

Ja, das klingt absonderlich, aber das wäre ja immerhin nur ein Unglück lokaler Natur, das sich mit ordentlich Chlorbleiche lösen ließe. Wir haben aber die globale Klimapolitik lange dieser kruden Logik unterworfen, die über weit mehr entscheidet als den Gestank in eurer Küche. Das Ganze wird jetzt noch etwas bekloppter, wenn Australien ins Spiel kommt, denn deren Ziel war ja eben eine weitere Zunahme der Emissionen oder ins Beispiel übertragen, dass die Rattenpopulation eben nur eine gewisse Maximalgröße annimmt. Ja, verrückt. Wer in aller Welt wählt solche Leute?

Die Welt kam also in Doha zusammen und zeigte sich gegenseitig die Bilder ihrer mehr oder weniger geputzten Küchen und die Länder mit den schmutzigsten Küchen hatten die tatsächlich mehrheitlich etwas sauberer bekommen. Australiens Küche hingegen sah aus, als hätte darin über Jahre eine WG mit Anti-Putz-Challenge gehaust, in die nun noch eine Bombe eingeschlagen ist.

Das war aber irgendwie okay, denn laut Ziel hätte sie sogar noch dreckiger sein können. Küche im komplett hinüber, Ziel erfüllt. Nein, nicht nur erfüllt: Im Rahmen ihrer eigenen Unlogik von Kyoto hatte Australien das Ziel sogar übererfüllt. Und Staaten, die ihre ohnehin schon lahmen Ziele übererfüllt hatten, konnten sich dafür „Kyoto carryover credits“ anrechnen lassen. Da kommt also eine Preisjury in der Küche der Chaos-WG und sagt „Boah, sieht das hier ekelhaft aus. Aber hey, wir hatten etwas noch schlimmeres erwartet, also ist hier ein Pokal für euch und jetzt macht euch erst mal locker, wo ihr das Ziel übererfüllt habt.

Australien bestand auf einer Reihe von Sonderregelungen

Nun war den vernünftigen Menschen bei den Verhandlungen des Pariser Klimaabkommens dann schon klar, was für eine destruktive Wirkung diese Credits gehabt hätten und so verzichteten fast alle Staaten darauf, besagte Credits überhaupt für ihre neuen Ziele anzurechnen (Der Einsatz wäre laut Schätzungen einer zusätzliche Erderwärmung um 0,1 Grad Celsius gleichgekommen). Alle bis auf Australien.

Und hier kommen wir wieder zurück zu Scott Morrison: Dieser saß Ende 2020 mit den Vertreter:innen verschiedener pazifischer Inselstaaten zusammen, die ihn angesichts der Bedrohung durch einen steigenden Meeresspiegel dazu drängten, einen Ausstiegspfad für Australiens Fossilwirtschaft zu nennen. Und was antwortete Scott Morrison angesichts dieser überaus berechtigten Forderung?

Andere Länder hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Reduktionsziele von Paris noch mal verringert, feste Ausstiegsdaten für netto-Null CO2 festgelegt und begonnen, ihre Energiewirtschaft umzubauen. Australiens Premierminister war das aber alles zu ambitioniert – da hätte ja wirklich was machen müssen – und so versprach er feierlich, dass Australien seine Anstrengungen jetzt mal so richtig in Schwung bringt, indem es… seine Kyoto Carryover Credits nicht benutzen würde.

Besagte Credits, deren Daseinsberechtigung ohnehin fragwürdig war und die auch kein anderes Land benutzt hat. Wow. Das ist so zynisch, dass ich es nicht mehr in die Rattenmetapher eingebaut bekomme. Die Idee, die Klimazile von Paris mit Hilfe dieser Carbon-Credit-Geschichte zu erfüllen, entpuppt sich nämlich als eine ähnlich effektive Maßnahme wie die Idee, Amokläufe in den USA durch Thoughts and Prayers zu verhindern: Sowohl die Amokläufe als auch die Emissionen bleiben auf sehr hohem Niveau.

Scott Morrison agiert hier ist also in australischen Maßstäben fast schon konsequent, aber aus Sicht von Staatsoberhäuptern wie Fidjis Regierungschef Frank Bainimarama, dessen 900.000 Menschen zählendes Volk bereits Teile seines Inselstaates als unbewohnbar aufgeben musste, ist es schamlose Ignoranz. Im Meeting dachte er vermutlich: Warum hast du mir das angetan?

Bevor das jetzt zu anti-australisch daherkommt: Auch in Down Under gibt es eine Menge vernünftiger Menschen, denen das Ausmaß dieses Wahnsinns schmerzlich bewusst ist. Die Regierungen der australischen Bundesstaaten haben für sich längst Netto-Null-Ziele definiert und organisieren ihre Energiewende, ohne auf die australische Bundesregierung zu warten.

Zudem fußt dieser Artikel hier auf einer Menge Informationen aus australischen Medien, denen ihre Regierung mehr als peinlich ist. Unbedingt empfehlenswert sind hierzu die hervorragend recherchierten (und echt lustigen) Videos von The Juice Media und der Twitter-Account von Ketan Joshi, der auf seinem Blog die bezeichnende Einleitung formulierte:

„It’s never easy to explain the sheer horror of where Australia’s government sits on climate.”

Die Kritik ist also bitte als Kritik an der Regierung, der Fossillobby und allzu fossilfreundlichen Medien zu verstehen, für die Scott Morrison aber eine Art Galionsfigur war. Unvergessen sein peinlicher Auftritt im Jahr 2017, als er im Repräsentantenhaus ein Stück Steinkohle hervorholte, dazu überflüssigerweise erklärte „This is coal. Don’t be afraid, don’t be scared“, um sich abschließend in einen Lobgesang hineinzusteigern, dass die australische Wirtschaft nur mit Kohle wettbewerbsfähig sei. Parallelen zu deutschen Parteien sind möglich.

Scott Morrisons Klimapolitik oder der Traum der Kohlelobby

Was er sonst noch so gemacht hat? Oh, einiges…

All das führt dazu, dass Australien mit 15,3 Tonnen CO2 die höchsten Pro-Kopf-Emissionen aller OECD-Staaten hat, noch mehr als die Vereinigten Staaten und Kanada. Im Climate Performance Index landete Australiens Klimapolitik auf dem allerletzten Platz und für 2021 war es das einzige Land, das in diesem Index nicht einen Punkt sammeln konnte.

Im Jahr 2020 emittierte Australien immer noch 400 Megatonnen CO2. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei 640 Megatonnen CO2 und das Vereinigte Königreich bei 330 Megatonnen CO2:

Quelle: https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions#co2-and-greenhouse-gas-emissions-country-profiles

Klingt gar nicht so schlimm? Nun, in Deutschland leben 83 Millionen Menschen, in UK 67 Millionen und in Australien gerade mal 25 Millionen. Das ergibt folgende Emissionen pro Person:

Quelle: https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions#co2-and-greenhouse-gas-emissions-country-profiles

Autsch. Als hätte die Klimagöttin von diesem unwürdigen Gewiesel die Nase voll gehabt, wurde Australien in den letzten Jahren von mehreren Katastrophen getroffen, deren Wahrscheinlichkeit durch die globale Erwärmung stark steigen:

Die Buschbrände von 2019/2020 dürften den meisten noch in Erinnerung sein, als in Australien eine Fläche ungefähr so groß wie Deutschland einer Serie ungewöhnlich heftiger Waldbrände zum Opfer fiel. Scott Morrison, der während dieser stressigen Katastrophe etwas Entspannung in einem Urlaub auf Hawaii gesucht hat, reagiert so: Australien müsse sich in Zukunft besser an die Klimaveränderung anpassen.

Australiens Emissionen/Person die höchsten aller Industriestaaten

Was hierzulande im Zuge des Ukrainekriegs weniger Aufmerksamkeit bekommen hat, ist, dass Australien im Frühjahr 2022 ebenfalls mit einer Jahrhundertflut zu kämpfen hatte. 22 Menschen starben, zehntausende mussten fliehen, der Schaden geht in die Milliarden. Reaktion Scott Morrison: Australien wird in Zukunft schwerer bewohnbar sein (getting harder to live in). Motto: Ich muss durch den Monsun. Erkennt ihr das Muster?

Normalerweise nutzen Leute wie Morrison solche Gelegenheiten gerne, um sich im Krisengebiet als Macher zu inszenieren. Wenn den Menschen aber zunehmend klar wird, dass es außer ein paar warmer Worte für sie keine Hilfe gibt, werden derartige PR-Aktionen zu extrem peinlichen Situationen:

Hier will Morrison einer von den Bränden heimgesuchten Anwohnerin die Hand schütteln, die das ganz offensichtlich nicht will, woraufhin er einfach ihre Hand nimmt und wie einen toten Fisch hin und her schüttelt. Auch nach der dreißigsten Wiederholung kann ich mir die 10 Sekunden nicht angucken, ohne das Gesicht vor Fremdscham zu verziehen.

Hier passiert das gleiche mit einem wirklich nicht begeisterten Feuerwehrmann.

Okay, genug gejammert, denn das Schöne ist ja: Der Typ und seine Partei finsterer Klimadämonen wurde abgewählt. Der neue Premier ist Anthony Albanese von der Labour Party und es ist anzunehmen, dass er eine Menge Dinge besser macht als Morrison, legt aber in Bezug auf Kohleförderung und Erdgasprojekte eine gewisse Olafscholzigkeit an der Tag. Diese ist vielleicht auch der Grund ist, warum bei dieser Wahl über 30 Prozent der Stimmen an kleinere Parteien jenseits der großen beiden Parteien Labour und Liberal ging, die seit 1968 den Premierminister/die Premierministerin stellen.

Das Online-Medium „The Conversation” fragt bereits, ob das das Ende der 2-Parteien-Landschaft in Australien bedeutet, denn die australischen Grünen und die unabhängigen Kandidat:innen konnten die Anzahl ihrer Sitze von 6 auf 16 erhöhen. Es könnten stürmische Zeiten anbrechen für Fossilfuzzis und Klimaverharmlosung, so dass auch der neue Premier sich unangenehme Fragen wird anhören müssen, wenn das nächste Megafire durchs Land zieht.

Dass es auch anders geht, zeigt der Bundesstaat South Australia: Dieser versorgte sich im letzten Dezember bereits für fast eine ganze Woche rein mit Solar- und Windstrom. Damit das klappt betreibt er bereits entsprechende Speicher, z.B. die ehemals größte Lithium-Ionen-Batterie der Welt, durch die das Netz in South Australia zum stabilsten des Kontinents wurde.

Wir dürfen gespannt sein, welche CO2-Ziele Australien uns beim nächsten Klimagipfel präsentiert. Dieser findet im November 2022 in Ägypten statt und wir sollten alle die Augen aufhalten, ob Australien ernst macht oder uns wieder erklärt, dass in jede ordentlich Küche ein paar Ratten gehören😉

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In eigener Sache: Es wird ein Buch!

Liebste Community, es gibt Neuigkeiten!

Um meinen Dank adäquat auszudrücken, müsste ich hier eigentlich jeden Monat einen Danke-Post schreiben, aber da ich mich immer so schlecht kurzfasse, würde das zu Lasten der anderen Texte gehen und das will ja auch niemand. Also erst mal vielen Dank für eure unfassbare und nachhaltige Unterstützung, ohne die mein kleines Blog-Projekt immer noch ein kleines Blog-Projekt wäre.

Mittlerweile ist es schon ein mittelgroßes Blog-Projekt, was einerseits wahnsinnig viel Spaß macht, mir aber andererseits auch vor Augen führt, wie viele Fake-News und Quatsch-Artikel ich gar nicht behandeln kann. Meine Tage begrenzen sich leider sehr störrisch auf 24 Stunden und meine Experimente zum Erschaffen meines eigenen Klons für den Papierkram sind gänzlich gescheitert, also bekomme ich täglich Nachrichten, Mails, Markierungen auf Twitter, Facebook und Instagram und allerlei Anfragen, die ich alle nicht beantworten kann. Und das frustriert mich.

In den allermeisten geht es um meine Artikelreihe How to Energiewende, die Verkehrswende oder pflanzliche Ernährung. Oft kommt die Frage, ob ich vielleicht ein laminiertes Heft für die wichtigsten Themen machen kann, ob ich bei euch vor Ort einen Vortrag halten kann usw., denn meinen Blog liest nur ein Bruchteil der deutschsprachigen Bevölkerung. All diese Themen werden in den kommenden Jahren vermutlich auch noch heißer diskutiert als jetzt gerade und meine Reichweite ist gefühlt zu begrenzt. Die Idee ist daher: Ein Buch muss her!

Ist nicht mal meine Idee, ich bin schon oft gefragt worden, was das alberne Bloggen soll, das ginge doch auch als Buch. Und ich antwortete „Ja, gute Idee, ich muss nur noch ganz kurz diesen Quatsch im Internet widerlegen!” und vergesse das Ganze dann im nächsten Schreib-Tunnel. Aber jetzt habe ich auch einen Verlag, eine Idee, ein Cover und einen Titel: „Weltuntergang fällt aus“:

Das ist der vorläufige Entwurf, weil die Art, wie hier am Ende U und S in die Anzeige sinken, physikalisch nicht möglich ist 🙂

Nein, das soll kein Versuch werden, unsere Krisensituation zu verharmlosen, es soll nur einfach einen positiven, Mut machenden Blinkwinkel einnehmen und Leute ansprechen, die mit den (sehr berechtigten) Warnungen nicht mehr erreichbar sind – und das sind viele. Ferner gibt es auch eine ganze Menge Leute, die all die Warnungen sehr ernst nehmen und in der Folge in eine Angststarre verfallen, was weder angenehm noch sonderlich hilfreich ist.

Für all diese Menschen möchte ich gerne darlegen, dass die Klimakrise nicht nur ein Risiko ist, sondern dass die richtige Reaktion darauf auch eine riesige Chance für eine bessere Welt wäre: Eine Welt ohne fossile Brennstoffe, ohne Mega-Ställe voller Frankenstein-Hühnchen, mit lebenswerten Städten und Dörfern, in denen der Mensch wieder im Mittelpunkt steht. Und ja, ich weiß, dass das etwas pathetisch klingt, aber das ist eine potentielle Zukunft.

Und hier kommen wir zu Euch: Ich schreibe dieses Buch gerade, werde dafür aber bis Mai weniger klassische Artikel bringen können (es sei denn, bei der Klon-Nummer gibt es einen Durchbruch, fingers crossed!).

Mit anderen Worten: Ihr finanziert die ganze Nummer mit euren Spenden mit, und damit sich das auch für Euch gut anfühlt hier mein Vorschlag: Alle, die mich regelmäßig unterstützen, bekommen ein Exemplar gratis zugeschickt und erhalten damit ungefähr den Gegenwert von 3 Monaten Unterstützung in Höhe von 7 Euro. Ist jetzt blöd für die unter Euch, die mehr spenden als 7 Euro – wollt Ihr vielleicht… zwei Bücher? Oder eine Heizdecke dazu? Oder eine Widmung? Ich würde ja auch eine Zeichnung oder sonstwas anbieten, aber meine Gemälde haben bislang keine sonderlich hohen Auktionswerte erzielt.

Wie klingt das für Euch? Ich bin da ganz offen für Vorschläge und möchte wirklich, dass sich das für alle gut anfühlt. Ach so, und ein paar Artikel und Facebook-Korrekturen wird es natürlich auch noch geben, aber eben weniger.

Was die Grünen mit dem höheren Benzinpreis zu tun haben

Ja, wir schreiben den März 2022 und es gäbe angesichts eines Angriffskriegs mitten in Europa inkl. entsprechend vieler Kriegsflüchtlinge, einer hausgemachten Energiekrise und einer dennoch fortschreitenden Erderwärmung eine Menge wichtigerer Dinge zu besprechen. Stattdessen geht es hier nun aber um vergleichsweise profane Benzinpreise, denn zum Krieg schreiben mal lieber all die Leute, die sich schon länger mit Russland und Osteuropa beschäftigen als ich.

Zu Energiekrise und Erderwärmung schreibe im Moment zudem ein Buch (daher auch etwas wenig Artikel im Moment), in dem das alle schon vorkommt. Also mache ich, was meinen Followern aktuell am meisten hilft: Einen Faktencheck zur Frage, wie stark die Grünen eigentlich gerade das Benzin verteuert haben. Es ist nämlich so: Jeden Morgen noch vor seinem ersten Kaffee bereitet Robert Habeck im Wirtschaftsministerium eine Liste mit den für den Tag geltenden Spritpreisen vor.

Ja, das ist angesichts des Ernstes der Lage sehr albern formuliert, aber die vielen tausend Kommentare, laut denen die jetzt hohen Preise den Grünen anzulasten sind, die scheinbar wie angekündigt alles teurer machen, sind genau genommen nicht viel ernstzunehmender. Ganz grundsätzlich: Nur weil jemand das Wirtschaftsministerium leitet, kann er/sie nicht einfach die Preise für Produkte privatwirtschaftlicher Unternehmen bestimmen. Robert Habeck kann weder die Spritpreise festlegen, noch die Preise für Milchschnitte, Tischtennisbälle oder Klobürsten. Oder wie stellen die Leute sich das vor?

Ja klar, Robert Habeck setzt sich morgens eine Krone auf, kommt in einer Runde mit seinen Staatssekretär:Innen zusammen, die nach einem ausgeklügelten Verfahren überlegen, was ein guter Preis wäre. Wer schon mal Das Schwarze Auge oder andere Rollenspiele gespielt hat, kennt vielleicht diese 20-seitigen Würfel. Die gewürfelten Werte werden in mehreren Runden zusammenaddiert, daraus dann die jeweiligen Quersummen gebildet und quadriert, und dann für den Dieselpreis durch Pi und für Benzin durch die Eulersche Zahl geteilt. Das faxen die dann an Aral, Shell, Esso und Jet und dann ist erst mal Zeit für eine Runde Tischfußball.

Was Wirtschafts- und Finanzministerium machen können, sind Rahmenbedingungen ändern, die dann einen Einfluss auf die Preise haben. Die Entscheidung, welche konkrete Zahl nun aber auf der Preistafel eures Benzin-Fachgeschäfts angezeigt wird, liegt in der Privatwirtschaft IMMER beim Unternehmen. Dieses Unternehmen ist in erster Linie daran interessiert, Geld zu verdienen. Gerade bei Mineralölkonzernen, die bei der Beschaffung ihres Rohstoffs nicht gerade zimperlich vorgehen, solltet ihr jetzt bei der Preisgestaltung keine soziale Verantwortung erwarten.

Hinzu kommt: Die Grünen sind erst seit Dezember 2021 an der aktuellen Regierung beteiligt, in dieser Zeit wurden noch gar keine Gesetze eingeführt, die irgendeinen Einfluss auf die Preise hätten. Ich weiß, dass viele Menschen in Deutschland ins Autosystem gedrängt werden und nun angeschmiert sind, aber dann ärgert euch auch bitte über die Leute, die das verbockt haben.

Ihr könnt hohe Spritpreise gerne ätzend finden, aber der Ärger darüber kanalisiert sich aktuell ein bisschen oft an Leuten, die damit wenig bis gar nichts zu tun haben. Der Staat bereichere sich hier auf Kosten der Autofahrer:Innen, lese ich ständig. „Melkkuh der Nation!!1!“, „Wut bei den Autofahrern groß“ und allerlei Hasstiraden auf die Grünen. Nur hat euch niemand gezwungen, ein Erdöl-Auto zu kaufen. Schon gar nicht die Grünen, die versuchen doch seit Jahren, die Erdölautos loszuwerden (ausgenommen Winfried Kretschmann).

Hartnäckig hält sich die Legende, die Grünen hätten das Benzin teurer machen wollen und jetzt sei es so weit. Ha! Ja, die Grünen halten das Verbrennen von Benzin für keine so gute Idee, aber müssen wir echt darüber reden, dass die mit den Preiserhöhungen nichts zu tun haben? „Korrelation“ ist ein Begriff? Nur weil A und B zeitlich zusammen auftreten, heißt das nicht, das A nun B verursacht hätte oder umgekehrt: Zwischen 1999 und 2009 starben in den USA relativ mehr Menschen an den Bissen von Giftspinnen, je länger das Finalwort des nationalen Buchstabierwettbewerbs war.

Ähnlich wenig Kausalzusammenhang findet sich zwischen der aktuellen Regierung und den Tankstellenpreisen: Die Steuern auf Benzin und Diesel sind genau dieselben wie noch letztes Jahr unter CDU und SPD. Der Preis setzt sich neben den reinen Produktionskosten zusammen aus Energiesteuer, Umsatzsteuer und CO2-Abgabe, und da ist der Vorwurf der „staatlichen Bereicherung“ wirklich hart lächerlich:

  • Die Umsatzsteuer wird tatsächlich nach dem Betrag erhoben. Der Staat verdient also an einem Liter Diesel für 2,40 Euro doppelt so viel Umsatzsteuer wie an einem Liter Diesel für 1,20 Euro. Tanke ich nun aber für 20 Euro mehr und kaufe im Gegenzug für 20 Euro weniger Orangensaft als sonst, nimmt der Staat genauso viel Umsatzsteuer ein.

Diese Abgaben kann nun jeder gerne für zu hoch halten, aber bitte bedenken: Diese Abgaben waren unter Angela Merkel, Peter Altmaier und Olaf Scholz exakt dieselben wie heute. Der Liter Diesel hätte vor einem Jahr genau das gleiche gekostet wie heute, wenn die Erdölkonzerne dieselben Preise abgerufen hätten. Die Grünen haben also, um mal die Frage in der Überschrift zu beantworten, gar nichts damit zu tun.

Ein sehr oft geteiltes Bild in den sozialen Medien ist aktuell die Gegenüberstellung von Rohöl- und Dieselpreis mit scheinbar sensationellem Inhalt: Der Rohölpreis lag 2008 schon mal deutlich über dem heutigen Wert, die Kosten für Diesel-Kraftstoff aber weit unter dem heutigen. Für viele Menschen im Internet DER Beweis, dass die hohen Tankkosten kaum etwas mit dem Krieg zu tun haben, sondern das Ergebnis sinistrer Mächte sein müssen:

Oft ist es ergänzt um die Schlussfolgerung, dass Benzin nun im Einkauf günstiger sei und der Preis folglich nicht am Konflikt liegen könne.

Nun ist es so: Selbstverständlich beeinflusst der Rohölpreis auch die Kosten für Produkte, die aus Rohöl gewonnen werden, aber eben nicht in Echtzeit und auch nicht 1 zu 1. Damit aus Erdöl so wunderbar stinkige Substanzen wie Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl werden können, muss das Erdöl über den halben Planeten transportiert und anschließend in einer Raffinerie veredelt werden (nennt sich Cracken). Das Erdöl, aus dem das aktuell an Tankstellen erhältliche Benzin hergestellt wurde, wurde also lange vor der jetzigen Krise gefördert (Öl fließt mit ca. 5 km/h durch Pipelines, also z.B. zur PCK-Raffinerie in Brandenburg 1,5 Monate).

Im Jahr 2008 lag der Ölpreis tatsächlich sehr hoch, und das hatte seine Gründe: Venezuela setzte aufgrund eines Rechtsstreits seine Verkäufe an ExxonMobil aus, die irakischen Erdölfelder war vom Krieg und Anschlägen geschwächt, nigerianische Gewerkschaften gingen in den Streik und fast zeitgleich legten schottische Pipeline-Arbeiter ihren Job nieder. Die Folge: Erdöl wurde teurer.

Aber warum wird überhaupt irgendwas teurer, nur weil weniger davon da ist? Die Kosten für die Herstellung sind doch die exakt gleichen, sollte der Preis nicht der gleiche sein? Die Erdölpumpen sind sowieso schon installiert, die Pipelines Jahrzehnte alt, die Öltankerkapitäne verdienen genau wie die Menschen in den Raffinerien den gleichen Lohn. Willkommen in der wunderbaren Welt von Angebot und Nachfrage:

Wenn viele Meschen ein Produkt wollen, dann steigt seine Nachfrage. Wenn Firmen im Zuge dessen viel davon herstellen, steigt das Angebot. In freien Märkten entwickelt sich daraus eine Größe, durch die sich Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht befinden: Der Preis. Mit steigender Nachfrage steigt der Preis, mit steigendem Angebot sinkt er.

Das könnt ihr an allen möglichen Produkten beobachten: Aufgrund der Chipkrise konnte Sony letztes Jahr weniger Playstation 5 herstellen als das Unternehmen vorhatte. Als dann an Weihnachten 2021 weniger in den Läden waren als Menschen kaufen wollten, stieg der Preis auf Verkaufsplattformen wie Ebay entsprechend an, obwohl die Herstellung einer Playstation ähnlich viel kostete wie vor Weihnachten.

Oder erinnert sich noch jemand an Fidget Spinner? Im Frühjahr 2017 waren sie weltweit schlagartig so populär, dass Eltern verzweifelt von Spielwarengeschäft zu Spielwarengeschäft pilgerten und dort unter Tränen anboten, eine Hypothek auf ihr Haus aufzunehmen, solange ihr Kind nur eines der begehrten Objekte mit in die Schule nehmen konnte. Bis zu 10 Euro waren locker drin, obwohl es sich einfach nur um ein Kugellager mit etwas Plastik drum rum handelte. Jetzt, 5 Jahre später, sind die Lagerbestände voll und der Hype vorbei, mit 50 Cent seid ihr dabei.

Beim Preis für ein Produkt spielt also nicht nur eine Rolle, wie viel die Herstellung kostet, sondern vor allem was Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen. Eine 3-Zimmer-Bude im Zentrum von München kostet nicht 1.500 Euro Kaltmiete, weil sie im Vergleich zum Jahr 2005 größer oder schöner geworden ist, sondern weil Menschen diesen Preis jetzt bezahlen. Würde eine gute Fee dort nun spontan zehntausende ähnliche Wohnungen erscheinen lassen und diese für 500 Euro im Monat vermieten, würden auch die anderen Wohnungen schlagartig billiger werden.

Und solche Preisänderungen funktionieren sogar, wenn noch gar keine Veränderung des Angebots stattgefunden hat, sondern allein eine glaubwürdige Aussicht auf eine Veränderung vorliegt. An der Börse kann ein Unternehmen von einem auf den anderen Tag Milliarden Euro weniger wert sein, allein aufgrund von entsprechenden Annahmen der handelnden Menschen. Das Unternehmen hat dann nicht eine Maschine weniger, den gleichen Personalbestand und die gleichen Auftragsbücher. Es zählt der psychologische Umstand, dass Menschen den Wert geringer einschätzen.

Andersrum sind viele Menschen davon ausgegangen, dass Schrottanleihen für US-Immobilien ein super-cleveres Investment sind und haben dafür viel zu viel Geld bezahlt. Als dann irgendwann allen schlagartig klar wurde, dass diese Produkte überbewertet sind, „platzte“ die Blase, siehe auch die Entstehung der Weltfinanzkrise von 2007/2008 und den grandiosen Film „The Big Short“ von Adam McKay, dem Regisseur von „Don‘t Look Up“.

Und jetzt zurück zu Erdöl: Hier ist die Preisentstehung grundsätzlich fragwürdiger, denn es gibt nur ein paar Länder und Anbieter weltweit (nennt sich Oligopol), die über nennenswerte Reserven verfügen. Damit der Preis nicht allzu stark sinkt, sprechen sie sich ab und vereinbaren in der OPEC bzw. OPEC+, wie viel Erdöl insgesamt gefördert wird. Das Ziel ist ganz offiziell, eine Preisbildung zu normalen Marktbedingungen zu verhindern, indem das Angebot meist begrenzt und somit den Preis künstlich hoch gehalten wird.

Übrigens: Würden das mehrere Unternehmen in Deutschland mit einem anderen Produkt tun, würden sie sich wegen Kartellbildung strafbar machen. Mögliches Bußgeld gegen Verantwortliche bis zu eine Million € und gegen die Unternehmen bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes.

Es gibt also eine Menge Ursachen dafür, dass Öl- und Benzin- bzw. Dieselpreise sich ändern, auch in Friedenszeiten. Und genau das ist auch letztes Jahr schon passiert: Der Ölpreis hat sich zwischen Januar 2021 und Dezember 2021 fast verdoppelt, während der Benzinpreis verglichen damit recht stabil blieb: Kostete Benzin im Jahr 2020 im Schnitt 1,29 Euro, stieg dieser Wert nur recht moderat um 23 Cent auf einen Durchschnitt von 1,52 Euro für das Jahr 2021 – also nur um 18 Prozent.

Während Öl also fast 100% teurer wurde und Benzin nur um 18 Prozent war Facebook trotzdem nicht voller Charts und Grafiken, die spitzfindig auf diesen Unterschied hinwiesen. Niemand kam auf die Idee, dass die Grünen gerade das Benzin günstiger machen als der Rohölpreis nahelegt. Aber jetzt, wo sich das gleiche Schauspiel nur mit anderen Vorzeichen abspielt, wittern alle die große Polit-Verschwörung dahinter und dass der Staat sich bereichern wolle. Was wollte der Staat dann 2021? Sich künstlich arm machen?

Ja, der Benzinpreis steigt gerade stärker als wir mit dem Erdölpreis erklären können. Damit haben aber nicht die Grünen etwas zu tun, sondern im Zweifelsfall die Raffinerien der Mineralölkonzerne. Malte Kreutzfeldt von der taz hat hier recht plausibel berechnet, dass die Preissteigerung sich mit Steuern und Rohölpreisen allein nicht erklären lässt. Wir können also zumindest mutmaßen, dass das generell knappere Benzin wie bei den Fidget Spinnern höhere Preise ermöglicht.

Das gilt übrigens nicht nur für westliche Konzerne: Deutschlands viertgrößte Raffinerie, die PCK-Raffinerie in Brandenburg, die 95 Prozent des Sprits für Berlin herstellt, gehörte laut letzter Freigabe des Bundeskartellamts zu 92 Prozent dem staatlichen russischen Rosneft-Konzern (Aufsichtsratsvorsitzender: Gerhard Schröder).

Für die aktuellen Preise gibt es also vermutlich mehrere Gründe, von denen einer der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist, durch den die Raffinerien nun ihre Gewinne steigern können. Dass Benzin auf lange Sicht teurer werden und ggf. sogar auf einen Preis über 2 Euro / Liter klettern kann, war aber bereits letztes Jahr auch ohne Krieg ein denkbares Szenario:

„Dennoch stellten bereits im Juni einige Experten den Verbrauchern deutliche Preissteigerungen in Aussicht. Sie warnten, dass der Benzinpreis auf bis zu zwei Euro steigen könnte.“

Ja, Benzin war in absoluten Zahlen noch nie so teuer, aber der Grund, dass das in Deutschland derartige Wellen schlägt, ist vermutlich eher unsere immer stärker gefestigte Abhängigkeit von Erdölautos. Bereinigt um Lohnerhöhungen und den Umstand, dass heute sparsamere PKW-Modelle zur Verfügung stehen, müsste der Liter Benzin laut Gernot Sieg, Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, erst auf 2,40 Euro steigen, um wieder das Preisniveau von 2012 zu erreichen.

Setzen wir das deutsche Median-Einkommen ins Verhältnis zu unseren Tankstellenpreisen, befinden wir uns in Europa nahe am unteren Drittel:

Dass jetzt Menschen von Benzin geradezu abhängig sind und auf Erhöhungen empfindlich reagieren, ist verständlich. Aber das liegt nicht nur an der reinen Höhe, sondern auch aus unserer selbstverschuldeten Ausweglosigkeit, auf die Schnelle keine Alternative zu haben. Wenn Tulpen auf einmal drastisch teurer würden, oder Netflix oder Gelee-Bananen, naja, dann kauft man halt Petunien, wechselt zu Disney+ und… okay, schlechtes Beispiel, an Gelee-Bananen kommt nichts ran.

Wer sein Leben am Auto ausgerichtet hat und jetzt darauf angewiesen ist, kann nicht mal eben schnell wechseln (die aktuellen Lieferzeiten von E-Autos sind entsprechend lang). Und ja, ich habe „Autokorrektur“ von Katja Diehl gelesen. Ich weiß, dass viele Menschen im Auto eigentlich gar kein Auto wollen, Häme liegt mir daher fern. Es gibt dennoch ein paar Abers.

Aber 1: Hey, Autofahrer:Innen seid nicht die einzigen, die von höheren Energie- und Mobilitätskosten betroffen sind. Ja, Benzin kostet jetzt 70 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, aber Erdgas ist in dieser Zeit 590 Prozent (!) teurer geworden. Heizöl kostet ca. das Dreifache verglichen mit letztem Jahr, ÖPNV-Preise sind zwischen 2000 und 2018 um 79 Prozent gestiegen. In all diesen Fällen heißt es bislang: Das ist der Markt, deal with it.

Aber 2: Nur 20 Prozent der Autofahrten in Deutschland haben Arbeit oder Ausbildung als Ziel. Die meisten Fahrten (knapp 40 Prozent) finden in der Freizeit und im Urlaub statt. Wer einen Pendelweg von 100 km / Tag hat und ein sparsames Auto fährt, muss selbst bei 50 Cent Spritpreiserhöhung mit 50 Euro Mehrkosten im Monat rechnen. Das ist sicher ärgerlich, kann aber auch durch das eigene Verhalten in der Freizeit abgefedert werden.

Aber 3: nicht mal die Hälfte der prekär Verdienenden haben überhaupt ein Auto.

Lange Rede kurzer Sinn: Ja, jetzt ist alles teurer als noch vor ein paar Jahren und das ist für viele Menschen echt bitter. Aber hey, immerhin wird euch die Wohnung nicht von russischen Panzern in Stücke geschossen, das ist ja auch was. Ärger über teure Energiepreise ist nachvollziehbar, ich ärgere mich auch, aber bitte nicht vergessen, wer Adressat dieses Ärgers sein sollte.

Dass fossile, endliche (!) Rohstoffe irgendwann richtig teuer werden können, davor wurde in den letzten Jahre immer öfter gewarnt, nicht zuletzt von den Grünen. An Robert Habeck wird jetzt die undankbare Erwartung gerichtet, innerhalb von wenigen Wochen ein träges Tankschiff zu wenden, das über die letzten Jahrzehnten von allen anderen mit voller Kraft in die falsche Richtung gesteuert wurde.

Dass die Erdöl-Staaten und Mineralölkonzerne die Preise unter sich ausmachen und jetzt von unser aller Notlage profitieren, ist kein Geheimnis. Das verhindern wir aber nicht durch Spritpreisbremsen, sondern indem wir aus dem Erdöl-System rauskommen.

Nehmt also bitte euren Zorn und nutzt ihn dazu, uns alle aus diesem Klammergriff zu befreien. Macht euch von Ölkonzernen unabhängig. Stärkt Verkehrslösungen ohne Auto und wenn irgendwo über eine Straßenbahn oder einen Radweg abgestimmt werden soll, dann stimmt mit „ja, verdammt!“. Fahrt elektrisch, fahrt mit dem Rad und wenn das alles nicht geht, dann spart einfach Benzin. Jeder Liter, den wir weniger benötigen, muss nicht aus Russland importiert werden.

An der Tankstelle stehen und mit zum Himmel gereckter Faust auf die Grünen schimpfen mag sich im ersten Moment gut anfühlen, löst euer Problem aber ähnlich nachhaltig als wenn ihr euch die Haare orange färbt. Außerdem sähe gelb-blau ja auch besser aus.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

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Mit diesen Tricks rechnet eine Studie von 2010 die Klimabilanz von Hafermilch schlecht

Laut Bauernverband Schleswig-Holstein ist Kuhmilch jetzt sogar klimafreundlicher als Hafermilch. In einem Facebook-Post machte der einschlägig bekannte Verband auf eine Rechnung aufmerksam, laut der die Klimawirkung von Hafermilch sogar zehnmal so hoch wie Kuhmilch sei.

Der Fairness halber: Die Rechnung selbst stammt nicht vom Bauernverband, sondern von Dr. Malte Rubach, Autor der beliebten Klassiker „Gesund mit Kaffee“, „Plädoyer für Milch“, „Essen im Ernstfall – Crashkurs Gesundheitsvorsorge“ und „Kaffee-Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit“. Dieser wurde vom Blog „Das PResstaurant“ (sic) interviewt und erklärt darin:

„Auf den ersten Blick sind die pflanzlichen Drinks natürlich klimaschonender. Berücksichtigt man jedoch ihren Nährstoffgehalt, ergibt sich ein anderes Bild. Da müsste man schon sehr viel Haferdrink trinken, um auf denselben Nährstoffgehalt wie bei Kuhmilch zu kommen – und es würden immer noch Nährstoffarten fehlen, die der pflanzliche Drink eben nicht liefert. Dann wäre die Klimawirkung von Haferdrink zehnmal so hoch wie die von Kuhmilch.“

Dr. Rubach bezweifelt also gar nicht, dass die Produktion von einem Liter Kuhmilch mit höheren Klimaemissionen verbunden ist als die Produktion eines Liters Hafermilch. Aus seiner Sicht sind ein Liter Kuh- und Hafermilch aber gar nicht vergleichbar, weil in der Kuhmilch mehr Nährstoffe vorhanden sind und ein Mensch davon entsprechend weniger benötigt.

Grundsätzlich ist die Überlegung durchaus berechtigt: Ein Kilo Feldsalat verursacht zum Beispiel nur 270 Gramm CO2-Emissionen, ein Kilo Gnocchi hingegen 1.000 Gramm CO2. Wäre es nun fair, die Gnocchi pauschal klimaschädlicher zu nennen? Naja, das Kilo Gnocchi enthält beruhigende 1.500 Kilokalorien, das Kilo Salat hingegen nur 124 Kilokalorien, Eine Kilokalorie Salat verursacht also 2,2 Gramm CO2 und eine Kilokalorie Gnocchi 0,7 Gramm CO2. Ist also doch der Feldsalat klimaschädlicher als die Gnocchi?

Nein, auch das kann man so pauschal nicht sagen, denn erstens kann ich ja nicht den ganzen Tag nur Gnocchi essen und zweitens wäre es nach dieser Logik am klimaschonendsten, einen Becher Pflanzenöl mit 4 Esslöffeln Zucker zu sich zu nehmen oder einfach eine Flasche Schnaps (zusätzlicher Toilettenpapierbedarf nicht eingerechnet). Entscheidend ist daher eigentlich eher, wie viel CO2 wir für die Ernährung eines ganzen Tages emittieren und dass bei direkten Vergleichen Nahrungsmittel gewählt werden, die sich gegenseitig ersetzen können, anstatt zum Beispiel Gummischlümpfe versus Haferflocken.

Dr. Rubach meint nun, dass genau das auf Kuhmilch und Hafermilch nicht zutrifft – wobei er ulkigerweise allerdings immer „Haferdrink“ sagt. Er möchte das mit der schwedischen Studie „Nutrient density of beverages in relation to climate impact“ aus dem Jahr 2010 belegen, die verschiedene Getränke auf ihren Nährstoffgehalt hin untersucht, dabei aber mehrere Fehler macht. Auf Basis der Ergebnisse hat er dieses Diagramm erstellt:

Auf der Y-Achse sind die Emissionen pro Nährstoff dargestellt und auf der X-Achse … Ja, gute Frage, wozu hat das Ding überhaupt zwei Dimensionen? Was soll das sein, die Mondphase, in der Dr. Rubach am liebsten Milch trinkt? Entweder wusste hier jemand nicht, wie man ein eindimensionales Diagramm erstellt, oder wollte, dass der Haferdrink optisch so richtig evil heraussticht und sich von der guten Kuhmilch so weit weg befindet wie möglich.

Okay, aber was genau bedeutet denn „Punkt Nährstoffindex“ auf der Y-Achse konkret? Damit ist der NDCI-Index gemeint, den die schwedische Forschungsgruppe zu diesem Zweck praktischerweise erfunden hat. Dieser setzt die enthaltenen Nährstoffe mit der empfohlenen Verzehrmenge ins Verhältnis, aber auf eine komische Weise: Wenn 100 Gramm eines Lebensmittels mindestens 5 Prozent des Tagesbedarfs eines Nährstoffs decken, bekommt es eine Art Extrabonus. Auf je mehr Nährstoffe das zutrifft, desto größer der Bonus. Den größten Bonus erhält in dieser Berechnung die Kuhmilch.

Solltet ihr euch jetzt fragen, warum zum Henker 100 Gramm und 5 Prozent ausgewählt worden sind: Gute Frage, denn das ist eine recht willkürliche Entscheidung. Ich kann damit in etwa ablesen, wie gut ich mit Nährstoffen versorgt bin, wenn ich mich den ganzen Tag nur mit 2 Kilo dieses Lebensmittels ernähre. Solltet ihr aber der vollkommen verrückten Idee anhängen, über den Tag verteilt mehrere unterschiedliche Dinge zu euch zu nehmen, zum Beispiel weil ihr schon abgestillt seid, dann bringt euch der NDCI-Index recht wenig.

Zu diesem Schluss kamen auch zwei Forscher der Universität Oxford, die sich hier aus genau diesen Gründen recht kritisch mit dem Index auseinandersetzen: Der Index scheint laut ihnen dazu erfunden zu sein, Kuhmilch eine gute Bilanz zu bescheinigen, denn ersetzt man in der Rechnung die 5 Prozent mit 1, 2 oder 20 Prozent, erzielen auf einmal Orangensaft oder Sojamilch den besten Indexwert.

Die Indexberechnung selbst ist also schon fragwürdig, aber dann wird sie auch noch kombiniert mit Daten von 2010. Erinnert ihr euch noch an 2010? Das ist das Jahr, in dem Lena Meyer-Landrut den Eurovision Song Contest gewann und Pflanzenmilch im Supermarkt kaum Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt waren. Heute ist das nicht mehr der Fall und in meiner Hafermilch sind Calcium, Kalium, Vitamin D, Vitamin B2 und Vitamin B12. Das in der schwedischen Studie verwendete Produkt reißt jedoch für all diese Nährstoffe die selbst auferlegte 5-Prozent-Hürde, schneidet also deutlich schlechter ab, als wenn die Studie mit heutigen Produkten durchgeführt werden würde.

Viel entscheidender ist aber, dass der ganze Ansatz mit unserer Lebensrealität nur wenig zu tun hat: Laut (veralteter) Studie ist die Nährstoffdichte von Kuhmilch 53,8 und damit 36-mal so hoch wie die von Hafermilch (1,5). Okay, aber daraus kann ich ja nicht einfach ableiten, dass ich im Gegensatz zu meinem früheren Kuhmilch trinkenden Ich nun 35-mal so viel Hafermilch trinke – allein das ganze Geschleppe, da trinke ich ja lieber das Essigwasser aus alten Gurkengläsern.

Nein, so läuft das nicht. Ich verwende exakt so viel Hafermilch, dass der Pfannkuchen fluffig und das Müsli eingeweicht ist. Ich trage ja nicht in eine Excel-Tabelle ein, welche Nährstoffe ich über den Tag aufgenommen habe, und merke dann: „Oh, mein Kalium-Haushalt ist noch nicht gedeckt, trinke ich besser noch mal vier Liter Oatly!“ Soll ja noch andere Lebensmittel geben als weiße Flüssigkeiten.

Ja, in Kuhmilch mag sechsmal so viel Folsäure enthalten sein, aber Folsäure ist halt gerade für Veganer:innen überhaupt kein Problem. Davon ist in Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst so viel drin, dass mein Folsäure-Blutwert beim letzten Test krass hoch war. Es ist daher vollkommen irrelevant für meinen CO2-Fußabdruck, wie hoch die Folsäure-Dichte in Kuhmilch ist.

In der Tabelle ist sogar Rotwein enthalten, der enthält 44-mal „weniger“ Nährstoffe als Kuhmilch. Das wäre aus Klimasicht aber doch nur relevant, wenn sich irgendwer gegen einen Schuss Kuhmilch im Kaffee entscheidet und sich dann stattdessen für seinen Nährstoffhaushalt 2 Flaschen Rotwein reinknallt. Ich kenne niemanden, der sich nach dieser Logik ernährt.

Oder ist das so ein neuer Trend, den ich noch nicht mitbekommen habe? Geht man im Supermarkt neuerdings in die Weinabteilung und fragt den Sommelier altklug, welcher von den Rotweinen gut mit dem Alnatura Früchtemüsli harmoniert? Vermutlich sind Sätze wie „Schatz, bringst du mir für die Fruit Loops noch ‘ne Flasche Chianti mit?“ jetzt bald in aller Munde und ich habe es einfach noch nicht mitbekommen. Hey, wenn die Leute euch schräg angucken, weil ihr um 11 Uhr morgens schon voll wie ein Haus seid, dann kramt ihr die ausgedruckte Smedman-Studie hervor und lallt: „Sssis für meine Sundheit *hicks*.“

Die ganze Nummer wird nicht besser durch den mega-erfolgreichen Hashtag #bleibnatürlich, mit dem der Bauernverband Schleswig-Holstein wohl unterstellen möchte, es sei natürlicher, die Muttermilch 700 kg schwerer Paarhufer zu trinken als in Wasser eingeweichten Hafer. Wer denkt beim Anblick eines Kuhkarussells, auf dem Tiere mit krankhaft vergrößerten Eutern im Kreis herumfahren, um ihnen möglichst kostengünstig 10.000 Liter pro Jahr abzutrotzen, nicht spontan „hach, wie natürlich!“?

Ganz grundsätzlich: Was treibt einen Bauernverband überhaupt dazu, eine Nutzpflanze schlechtzureden, mit der seine eigenen Verbandsmitglieder gutes Geld verdienen? Schleswig-Holstein hat seine Anbauflächen für Hafer zuletzt fast verdoppelt und ist jetzt das Bundesland mit dem meisten Haferanbau relativ zu seiner Fläche, und zwar mit Abstand. Wieso redet der Bauernverband die Ernte seiner eigenen Leute schlecht, die die Nachfrage einer globalen Entwicklung bedienen wollen?

Quelle: Statista

Auf nationaler Ebene agiert der Deutsche Bauernverband übrigens deutlich cleverer: Bauernpräsident Rukwied sieht „Bauern als mögliche Gewinner der Trendwende zum veganen Essen“. Es seien ja nun mal seine Mitglieder, die die Rohstoffe für Ersatzprodukte anbauen würden. Ja, ganz genau, und genau das macht die wiederholten Angriffe des Bauernverbands Schleswig-Holstein auf pflanzliches Essen um so irritierender. Wir, die Typen, die sich pflanzlich ernähren, sind doch deren Kundschaft.

Vielleicht sollte der Deutsche Bauernverband mit seinem Ableger im Norden mal ein ernstes Gespräch führen …

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Nein, durch das Abschalten der Atomkraftwerke droht uns kein Stromausfall

Okay, das wird jetzt bitter für alle, die sich den Keller schon mit Dosenravioli, eingemachtem Rosenkohl und sauren Zungen vollgestellt hatten: Es gibt gar keinen Stromausfall. Und jetzt? Sitzen sie da, müssen den ganzen Rosenkohl trotzdem essen und in Kombination mit den sauren Zungen kann das echt auf den Magen schlagen. Blöd.

Vor 19 Tagen war es nämlich soweit: 3 der verbliebenen 6 Kernreaktoren in Deutschland wurden abgeschaltet. Und obwohl das ein 10 Jahre alter Kompromiss zwischen Energiewirtschaft und Politik war, der da entsprechend lange geplant umgesetzt wurde, ging das Schreckgespenst deutschlandweiter Stromausfälle durch die Gazetten, so als wenn der Strom-Grinch in den Kraftwerken aus einer bösen Laune heraus den Not-Aus-Knopf drücken würde.

Klar, diese Geschichte erzählt natürlich besonders gerne die AfD. Je mehr Angst die Leute haben, umso eher sind sie bereit, vollkommen ungeeignete Leute in Ämter zu wählen. Da wird gepoltert „Mitten in der größten Energieknappheit seit Jahrzehnten werden aus ideologischen Gründen fast 9 GW Leistung vom Netz genommen“ (stimmt nicht) oder „Mit der Abschaltung dreier deutscher Kernkraftwerke Ende des Jahres steigt massiv die Gefahr eines Blackouts“ (stimmt auch nicht).

Aber neben den braunen Terrorschlümpfen gibt es auch ganz seriöse Quellen, die vor einem Blackout warnten. Die Wirtschaftswoche fragte „Droht nun der Blackout?“. Der Bayerische Rundfunk vermeldete: „Kernkraftwerk Gundremmingen wird abgeschaltet: Reicht der Strom?“ und der Ex-Chefredakteur der Zeit, Theo Sommer, durfte eine ganze Kolumne um die Fragestellung „Geht in Deutschland bald das Licht aus, weil wir nicht mehr genug Strom produzieren?“ verfassen.

Nun lauten die Antworten auf all diese Fragen aber schlicht „nein“, „ja“ und „nein“. Nein, es droht kein Blackout, ja, der Strom reicht, nein, das Licht geht nicht aus. Wie ich zu dieser Einschätzung komme? Nun, Folgendes ist am 31.12.2021 passiert: Die Reaktoren Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C sind abgeschaltet worden.

Ui, gleich drei Kernkraftwerke weniger, das klingt natürlich erst mal einschneidend und bedrohlich. Das liegt aber auch daran, dass die wenigsten Menschen eine grobe Idee haben, wie viel Strom so ein Kernkraftwerk liefert und wie viel wir in Deutschland verbrauchen. Unpraktischerweise muss man zu diesen Überlegungen nämlich mit einer Unzahl von Nullen und kompliziert klingenden Einheiten hantieren, wobei viele Menschen nach meiner Erfahrung entweder sehr, sehr wütend werden oder spontan einschlafen.

Bei mir ist es genau andersrum: Ich kann stundenlang durch die Fraunhofer Energy Charts scrollen und denke dann Sachen wie „boah, interessant“ oder „ach, ist ja erstaunlich“, mache mir dabei Notizen und erzähle meinem Coworker etwas über das französische Stromnetz. Der ist nämlich zu höflich, um „das interessiert mich einen Scheiß, Jan!“ zu sagen, so dass ich in der Illusion lebe, er wolle das wirklich hören. Und jetzt, Anfang 2022, ist das Thema auf einmal echt relevant und von Debatten überschattet, so dass ein paar nerdy Zahlen vielleicht doch interessant sind, denn so einen Stromausfall will ja auch niemand.

Also, das war die deutsche Stromerzeugung Ende 2021:

Die einzelnen Farben symbolisieren unterschiedliche Kraftwerkstypen (gelb = Solarstrom, hellgrün = Windkraft, hellblau = Pumpspeicher usw.). Rot steht für den Strom aus Kernkraftwerken und alle übereinander symbolisieren den gesamten Strom, der in Deutschland generiert wird. Und ganz wichtig: Die schwarze Linie, das ist die Last; also der gleichzeitige Verbrauch aller Geräte, die in Deutschland ans Stromnetz angeschlossen sind. Sie schwankte in der letzten Woche des Jahres zwischen 40 und 60 Gigawatt, was urlaubs- und pandemiebedingt etwas weniger ist als in einer durchschnittlichen Woche.

Wer sich das Bild aufmerksam ansieht, stellt schnell fest: Der erzeugte Strom weicht von der Last ständig ab. In Woche 52 war andauernd mehr Strom im Netz als wir verbraucht haben und kurzzeitig am 29.12.2021 gab es auch mal eine Stromlücke von etwa 2 Gigawatt – wie kann das sein? Kann es nicht, Stromerzeugung und -verbrauch müssen sich immer die Waage halten, sonst wird das Netz überlastet. Das Bild ergibt sich tatsächlich nur, weil hier Exporte und Importe ausgeblendet sind. Blende ich sie ein, liegen die Linien nahezu gleichauf.

Was passiert mit diesem System also, wenn wir gleichzeitig 3 Kernreaktoren abschalten? Das ist in der Grafik recht gut zu erkennen: Über dem Timestamp „31.12.2021“ ist deutlich zu sehen, wie der rote Balken sich ungefähr halbiert, aus 8 Gigawatt Leistung werden 4 Gigawatt Leistung. Tatsächlich war das aber kein so harter Cut, das sieht hier nur so aus, weil die deutsche Strombörse ihre Daten mutmaßlich fehlerhaft ins System speist. Einen Kernreaktor kann man nicht einfach ausschalten wie einen Stabmixer, vielmehr dauert es schon ein paar Stunden, bis die Leistung auf null abgesunken ist.

Schaut man sich die blockscharfe Erzeugung an, gibt es ein realistischeres Bild. Grundremmingen C lief um 20 Uhr nicht mehr, Brokdorf und Grohnde waren ab Mitternacht aus.

Der Knick im ersten Bild ist also zu steil und zu früh eingezeichnet, aber für das Gesamtbild ist das unerheblich. Wichtig ist: Der restliche Kraftwerkspark hat die ausbleibende Leistung problemlos abgefangen. Direkt zum Jahreswechsel war sogar so viel Windstrom im Netz, dass kein einziges fossiles Kraftwerk die Leistung hochfahren musste. Wir haben einfach nur weniger Strom exportiert und stattdessen selbst genutzt.

Aber was wäre ohne den vielen Wind passiert? Dafür springen wir in Woche zwei des neuen Jahres, denn ab dem 10. Januar 2022 legte der Wind in Deutschland für 48 Stunden eine ähnliche Motivation an den Tag wie J.J. Abrams beim Schreiben der Drehbücher für die Star Wars-Fortsetzungen und lungerte stundenlang nur in der Gegend herum:

Der Urlaub war zudem vorbei, die deutschen Stanzwerke und Galvanisierungsbetriebe liefen wieder auf Hochtouren und so kletterte der Bedarf auf 70 Gigawatt, ein für deutsche Werktage recht typischer Wert. Und, fiel dann landesweit der Strom aus? Natürlich nicht, stattdessen lieferten nun die fossilen Kraftwerke den fehlenden Strom: 15 Gigawatt kamen aus Gaskraftwerken und 25 Gigawatt aus Kohlekraftwerken, zudem haben wir am Montag 10 Gigawatt importiert.

Aha, Importe! Also ist das deutsche Stromnetz jetzt vom Ausland abhängig und wir schalten hier einfach alles aus, um dann französischen Atomstrom zu importieren, danke Merkel! Ach Mist, hier passt das ja sogar einigermaßen – aber tatsächlich importieren wir den meisten Strom gar nicht aus Frankreich. An besagtem 10. Januar haben wir während der höchsten Verbrauchsspitze 1,6 Gigawatt aus Frankreich importiert und 9,2 Gigawatt aus dem restlichen Europa (primär Norwegen, Niederlande, Dänemark, Schweiz).

Und auch das ist kein Problem. Viele denken, wir würden nur dann Strom importieren, wenn wir gar keine andere Wahl mehr haben, aber tatsächlich importieren wir auch dann, wenn es schlicht günstiger ist als noch mehr eigene Kraftwerke anzuwerfen. Am 10. Januar hätten wir die fehlenden 10 Gigawatt auch selbst erzeugen können, es wäre nur einfach unökonomisch gewesen. Unökonomisch, aber im Notfall möglich:

In Deutschland ist zusätzlich zur Wind- und Sonnenkraft an Leistung aktuell installiert: 30 Gigawatt Gaskraftwerke, 38 Gigawatt Kohlekraft, 8,5 Gigawatt Biomasse, 5 Gigawatt Wasserkraft, 4 Gigawatt Kernkraft und 7 Gigawatt Reservekraftwerke (unter Anderem Mineralöl).

Bedeutet: Selbst wenn in ganz Deutschland nirgends Wind weht und kein einziges Photon auf unsere Solarzellen trifft, können die restlichen Kraftwerke 92,5 Gigawatt Leistung bereitstellen. Die höchste Last hatten wir letztes Jahr am 11.01.2021 mit 79 Gigawatt und auch da waren unsere Kraftwerke alles andere als voll ausgelastet. Wer in dieser Situation also vor akuten, flächendeckenden Stromausfällen warnt, kennt das deutsche Stromnetz einfach nicht (fairerweise muss ich ergänzen: Bei meinen Twitter-Diskussionen zu dieser Frage haben das die meisten Kernkraft-Supporter genauso eingeschätzt).

Deutschland befindet sich nach wie vor in einer deutlichen Überversorgung: Wir haben seit 2006 jedes Jahr mehr Strom ins Ausland exportiert als importiert und auch in der Handelsbilanz mit Frankreich haben wir seit mindestens 2015 einen deutlichen Strom-Exportüberschuss. Bedeutet also , dass Frankreich mehr Strom aus Deutschland importiert als umgekehrt.

Allein letztes Jahr haben wir 8,5 Terawattstunden aus Frankreich importiert und 15 Terawattstunden nach Frankreich exportiert, im Detail sieht das für das Jahr 2021 so aus (Ausschläge über null sind Importe, Ausschlage kleiner null Exporte):

Quelle: Fraunhofer Energy Charts

Stromimporte und -exporte sind übrigens grundsätzlich kein Beweis für irgendwelche schlechten Netze, es zeigt einfach nur, wie gut das europäische Verbundnetz funktioniert. Dass wir bei Überkapazitäten Strom an andere Länder abgeben und bei Bedarf welchen von dort kaufen ist viel effizienter, als wenn jedes Land sein ganz eigenes Süppchen kochen würde.

Tatsächlich ist die folgenreichste Konsequenz aus der Abschaltung, dass nun an Tagen mit weniger Windstrom als dieser Woche mehr fossile Kraftwerke einspringen müssen, um die jetzt fehlenden 4 Gigawatt aus der Kernkraft auszugleichen. Entsprechend mehr CO2 verursacht eine Kilowattstunde aus dem deutschen Strommix dann logischerweise.

Hier stellen viele die Frage, warum wir in Deutschland denn nicht zuerst aus der Kohle und dann aus der Kernkraft ausgestiegen sind und ja, die Frage ist berechtigt. Die Reihenfolge des Ausstiegs kann man gerne kritisieren. Aber die Sorge vor Blackouts wird dadurch nicht plausibler.

Grundsätzlich ist es aber auch nicht richtig zu behaupten, dass statt der Kernkraft jetzt immer Kohlekraftwerke einspringen. Tatsächlich wurde die fehlende Kernkraft in 2022 bislang mit Gaskraftwerken, Windkraft und Kohle kompensiert, immer abhängig von der Größe der Stromlücke.

Am meisten Strom haben wir netto übrigens aus Dänemark importiert, dessen Strommix 2021 fast zu 70 Prozent aus erneuerbaren Quellen bestand. Wenn jemand also schon vor dem Blackout warnt, dann doch eher mit Verweis auf dänischen Windstrom aus auf französischen Atomstrom.

Komischerweise höre ich die Sorge „Ausbau der Windenergie in Deutschland komplett versemmelt – drohen uns jetzt Stromausfälle?“ aber recht selten.

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Wie aus einer WDR-Doku zu E-Autos eines der schlimmsten Fake-News-Videos auf Facebook wurde

Dieser Artikel ist ein Paradoxon: Er kommt viel zu spät und ist dennoch top-aktuell. Wenn ich vorhersagen könnte, welche Sendungen irgendwann in Form leicht verdaulicher Screenshots und Minivideos zu untoten Desinformationsschnipseln der Medienlandschaft verwesen, hätte ich der WDR-Dokumentation „Elektroautos – wie umweltfreundlich sind sie wirklich?“ schon vor 20 Monaten meine Aufmerksamkeit geschenkt. Kann ich aber leider nicht (DAS wäre wirklich mal eine innovative Superkraft für den nächsten Marvel-Film).

Die Situation war folgende: Die Dokumentarfilmer Florian Schneider und Valentin Thurn waren 2019 im Auftrag der ARD-Sendergruppe mit dem Flugzeug um die halbe Welt geflogen, um dem WDR-Publikum mit dem gesammelten Material zu erklären, wie umweltschädlich E-Autos angeblich sind. Dieses Material fand sich folglich im Juni 2019 in der WDR-Dokumentation „Die Story im Ersten: Kann das Elektro-Auto die Umwelt retten“ wieder, dessen irreführende Machart ich in meinem mittlerweile über zwei Jahre alten Artikel ausführlich kritisiere.

Nun war ich längst nicht der Einzige, dem die groben Fehler und irreführenden Aussagen aufgefallen waren. Es gab eine Menge berechtigter Kritik an der Recherche, der Darstellung von Interviewpartnern, dem intransparenten Umgang mit Quellen und der grundsätzlich nicht vorhandenen Bereitschaft, jenseits von Standardfloskeln auf all diese Vorwürfe zu reagieren.

Der WDR legte vielmehr die Selbstreflexion eines Säuglings an den Tag und brachte sieben Monate später einfach ein „Update“ heraus. Update steht in Anführungszeichen, weil Doku-Kompost hier die zutreffendere Bezeichnung gewesen wäre: Der absolute Großteil des „neuen“ Werks, das – sehr einfallsreich – nun auf den exakt gleichen Namen („Elektroautos – wie umweltfreundlich sind sie wirklich“) hörte, bestand schlicht aus dem alten Material, aber in einer anderen Reihenfolge und leicht veränderten Formulierungen. Ergänzt war es um wenige Minuten neues Material und zwei kurze Animationen, die mittlerweile tausendfach geteilt worden sind, funktionieren sie als scheinbarer Beweis dafür, wie heuchlerisch die Klimaschutz-Szene doch agiert.

Das war vor 20 Monaten aber leider nicht abzusehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade erst einen anderen Artikel zum Thema E-Autos veröffentlicht und beim Überfliegen des „Updates“ gesehen, dass hier alter Wein im neuen Schlauch präsentiert wurde, auf den ich ja ausführlich eingegangen war. Die Erinnerung war noch recht frisch, wie ich das erste Werk dazu viele, viele Male hintereinander ansehen musste, Zitate abtippte, entsprechend oft in ein Kissen schrie, die Hintergründe recherchieren musste, mir wiederholt ein Brett vor den Kopf schlug und schlussendlich in einem immer noch lesbaren Text 45 Minuten Bewegtbild einordnete. Mit anderen Worten: Meine Unlust, mich mit dem ganzen Wust nochmal zu beschäftigen, überwog.

Wenn ich gewusst hätte, wie oft dieses Werk in Zukunft genutzt wird, um Erdölautos zu verteidigen, ich hätte mich zusammengerissen und mich direkt drangesetzt. Nun gucken sich die wenigsten Menschen die kompletten 44 Minuten an, viel beliebter ist stark komprimierter Instant-Unsinn, der euch hauptsächlich in drei Formen begegnet:

1. Die schludrige Zusammenfassung auf Grundschulniveau

Sie findet sich besonders oft kommentarlos in Facebook-Städtegruppen, aber auch Privatprofile posten sie so häufig, dass ich jede Woche mehrfach unter den Kopien markiert werde:

Schon verblüffend: Seit 20 Monaten war der Beitrag jetzt „gestern in der ARD“, dabei wird man hier lediglich auf einen komplett toten Link der Sendung in der Mediathek verwiesen. Vorm Posten einmal kurz anklicken und prüfen, ob der Link überhaupt noch funktioniert, scheint zu viel verlangt.

Die unzulässigen Verkürzungen bringen geradezu drollige Formulierungen hervor, wie z. B., dass 80.000 Liter Wasser „für immer“ verschwänden. Entwarnung: Materie verschwindet nicht einfach. Wasser kann verdunsten, was dann ggf. in einer Region zu Trockenheit führt, aber es ist halt immer noch da. Fördert man Lithium in Verdunstungsbecken, verbraucht das in der Tat Wasser, aber die 80.000 Liter stammen aus einem Bericht von Brot für die Welt und unterstellen viermal so viel Lithium pro Batterie, wie realistisch anzunehmen ist.

Ganz grundsätzlich stammt Lithium nur zu einem kleinen Teil aus Argentinien, wo der Wasserverbrauch vergleichsweise hoch ist. Tatsächlich fördert Australien ungefähr siebenmal so viel Lithium und baut es in ganz gewöhnlichen Bergwerken ab, wo der Wasserbedarf eher unspektakulär ist. Ach ja, und wie viele deutsche E-Autos speichern überhaupt 100 kWh? So große Batterien sind in der deutschen Zulassungsstatistik die klare Ausnahme.

Eine vollständigere Liste der Fehler im Originalbeitrag findet ihr hier.

2. Das Kurzvideo mit der Erklärung, wie lange E-Autos fahren müssen, um gegenüber Verbrennern im Vorteil zu sein

Wer dieses Standbild noch nie gesehen hat, war nie wirklich auf Facebook:

Es ist der Beginn einer (netto) 144 Sekunden langen Animation (um sie komplett zu sehen, müsst ihr ab 26:00 noch mal 38 Sekunden vorspulen, dann kommt der Rest), die die Ergebnisse einer Fraunhofer-Studie zusammenfasst. Solltet ihr sie euch gerade nicht ansehen können, hier das Transkript:

„Doch aktuell ist der Klimarucksack noch groß. Forscher des Fraunhofer ISI-Instituts haben für die Story ausgerechnet, dass ein Elektroauto mit einer nur 40 Kilowattstunden großen Batterie, das mit Strom aus der Steckdose geladen wird, 72.000 Kilometer braucht, um einen CO2-Vorteil gegenüber einem Benziner zu erreichen. Bei einer 58 Kilowattstunden großen Batterie sind es schon 100.000 Kilometer. Und ein E-Auto mit einer Batterie wie der des Audi-E-Tron fährt stolze 166.000 Kilometer bis zu einem Klimavorteil. In diesem Fall im Vergleich zu einem Diesel. Auf die gesamte Lebensdauer gerechnet, sparen alle am Ende CO2. Doch gerade E-Autos mit großen Batterien müssen sehr lange dafür fahren.“

Nach dem Einschub mit Bäckermeister (und Betreiber von Europas größtem Ladepark) Schüren geht es weiter mit:

„Wenn sie aber mit 100 Prozent Solarstrom vom eigenen Dach betankt werden, schaffen es Elektroautos viel früher in den Klimavorteil. Der Kleinwagen mit 40 Kilowattstunden großer Batterie schafft das so schon nach 30.000 Kilometern. Das Mittelklasseauto braucht 43.000 und der große Stromer mit der großen Batterie nur noch 60.000 Kilometer. Und wenn dann auch noch die Batterie durch reinen Ökostrom hergestellt würde, also extra für die Herstellung produzierten Solar- oder Windstrom, könnte der CO2-Fußabdruck noch weiter sinken. Selbst das große E-Auto wäre dann schon nach 35.000 Kilometern besser fürs Klima.“ (Nicht erwähnt aber im Bild zu sehen: Der Kleinwagen liegt dann bei 18.000 Kilometern und die Mittelklasse bei 26.000 Kilometern.)

Das Positive zuerst: Anstatt sich Zahlen auszuwürfeln, hat der WDR das Fraunhofer-Institut um Hilfe gebeten. Daraufhin hat das Institut bzw. Professor Martin Wietschel auf Basis der verfügbaren Daten im Jahr 2019 eine umfangreiche Analyse vorgelegt. Deutlich umfangreicher als der Beitrag vermuten lässt, denn die Doku geht nur auf einen bestimmten Teil der Berechnungen vom Fraunhofer-Institut ein. Das stand nämlich vor dem gleichen Problem wie alle anderen Organisationen, die den Klima-Impact von E-Autos vergleichen wollen: Wie viel Emissionen sollen für die Batterieherstellung angesetzt werden?

Die Herstellung von Batteriezellen ist ein wenig zu kompliziert, um da einfach ein CO2-Preisschild dranzukleben: Rohstoffe werden sehr unterschiedlich gefördert und in dieser aktuellen Studie werden allein für die anschließende Fertigung 13 verschiedene Prozessschritte auf ihre Emissionen hin überprüft, die dann von Hersteller zu Hersteller auch noch um Größenordnungen auseinanderliegen können. Auf die Frage „Wie viel CO2 emittiert eine Traktionsbatterie mit 50 kWh“ lautet die zutreffendste Antwort daher „kommt drauf an“.

Kommt drauf an, weil seriöse Studien hier keinen einzelnen Wert, sondern eine Spannweite errechnen: Diese Studie kam im Jahr 2019 zum Ergebnis, dass wir pro kWh Batterie 61 bis 106 kg CO2 emittieren. 61 kg CO2, wenn die Batteriezellenfabrik mit klimaneutralem Strom betrieben wird, 106 kg CO2, wenn der Strommix für die Fabrik extrem klimaschädlich ist (1.000 Gramm CO2/kWh).

Professor Wietschel berücksichtigte das in seiner Arbeit, indem er nun einfach die CO2-Rucksäcke für diese komplette Spannweite berechnet und zudem noch einen Worst Case mit aufnimmt für die Batterien von Plugin-Hybriden. Deren Emissionen wurden (allerdings eher aufgrund der intransparenten Daten) auf einen sehr schlechten Wert von 146kg CO2/kWh Batterie geschätzt.

Ihr findet in seiner Berechnung daher für alle Auto-Modelle drei Ergebnisse, eben für 61, 106 und 146 kg CO2/kWh. Das war dem WDR offenbar etwas zu kompliziert, er hat seine Animation komplett auf Basis des Maximums für vollelektrische Autos von 106 kg CO2/kWh erstellt (Studie Seite 7):

Das sind die 72.000 Kilometer und 100.000 Kilometer aus der Animation. Allerdings gelten diese Zahlen eben nur bei einem krass fossil ausgerichteten Strommix von 1.000 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Im Jahr 2019 lag dieser Wert für Deutschland bei 401 Gramm pro Kilowattstunde. Direkt eine Seite zuvor sind die Werte einmal mit dem Minimum berechnet:

… und schwupps, werden aus 72.000 Kilometern eher 51.000 Kilometer bzw. aus 100.000 Kilometern für das etwas größere Modell werden 68.000 Kilometer. Genau diesen Zusammenhang beschreibt Prof. Wietschel dort auch: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Höhe der THG-Emissionen der Batterieproduktion einen deutlichen Einfluss darauf hat, wie lange ein Fahrzeug fahren muss, um den Break Even Point […] zu erreichen.“ Davon erfahre ich als WDR-Zuschauer an der Stelle nichts.

Das gleiche Spiel spielt die Dokumentation dann nochmals für den Fall, dass die Autos mit Solarstrom geladen werden. Sie kommt dann auf benötigte Fahrstrecken von 30.000, 43.000 und 60.000 Kilometer, bis die Gefährte einen Klimavorteil erreicht haben. Das ist laut Studie aber ebenfalls nur dann der Fall, wenn die Batteriezellen mit nahezu 100 Prozent Kohlestrom hergestellt werden (siehe Seite 7 und 9). Ganz am Ende wird dann eingeräumt, dass sich die Strecken nochmal auf 18.000, 26.000 und 35.000 Kilometer reduzieren, wenn die Batteriefabriken klimaneutral betrieben werden (Die Realität dürfte sich aktuell zwischen diesen Zahlen befinden).

Dass die Studie auch berechnet hat, wie viel klimaschonender E-Autos mit dem deutschen Strommix von 2030 fahren werden und wie gut diese Zahlen aussehen, erfahren wir beim WDR nicht. und das, obwohl der Strommix für das Jahr 2030 sogar noch pessimistischer angesetzt wurde als der Koalitionsvertrag des Kabinetts Scholz vermuten lässt.

Hinzu kommt, dass neue Batterien voraussichtlich sensationell lang genutzt werden können. Hier spricht Dr. Jeff Dahn über die Tests an der neuesten Generation von Lithium-Ionen-Batterien und verweist auf die schwarze Kurve in seinem Diagramm. Es ist nur keine Kurve, es ist eher einer Gerade:

Screenshot, Quelle

Er hat seinen neuen Prototypen hierfür 15.000-mal zu 25 Prozent entladen und wieder aufgeladen und kann kaum eine nachlassende Kapazität messen. Und genau diese 25 Prozent sind der Rahmen, in dem sich die meisten Menschen beim täglichen Pendeln ohnehin bewegen.

Mit anderen Worten: Diese Batterien werden voraussichtlich viele 100.000 Kilometer nutzbar sein. Break-Even-Rechnungen sind ohne die Betrachtung der Gesamtlebensdauer daher immer etwas unvollständig. Ja, die Batterie mag ein paar 10.000 Kilometer benötigen, um den Klimaschaden ihrer Produktion wieder rauszufahren, aber wenn sie danach 500.000 oder eine Million Kilometer im Dienst ist, dann spielt das doch kaum eine Rolle. Der Eindruck des WDR-Publikums dürfte nach „Doch aktuell ist der Klimarucksack noch groß.“ ein komplett anderer sein.

Grundsätzlich ist die Formulierung „mit Strom aus der Steckdose“ auch wirklich drollig. Damit meinen die WDR-Leute den deutschen Strommix. Fun Fact: Auch Solar- und Windstrom kommen aus irgendeiner Steckdose/Wallbox oder vielmehr einem Kabel, z. B. dem, das Bäckermeister Schüren im Beitrag in der Hand hält, um die werkseigenen Lieferwagen aufzuladen.

3. Das Video mit der Aufstellung der Rohstoffe

Ab Minute 32:56 bekommen wir ebenfalls eine neue Animation zu sehen, also eine, die in der ursprünglichen Dokumentation noch nicht enthalten war. Zu düsterer Musik lautet der Text aus dem Off:

„Für die Herstellung eines Elektroautos wird doppelt so viel Umwelt zerstört wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Bei Benzinern und Dieseln kommt überwiegend Stahl zum Einsatz, schon dafür wird viel Umwelt zerstört. Beim E-Auto sind es vor allem die Batterierohstoffe, die noch größere ökologische Schäden anrichten. Und je größer die Batterie desto größer der Umweltschaden. Für Forscher ist damit klar: Ökologisch gesehen ist der Trend zu Elektroautos mit immer größerer Reichweite Unsinn. Für das Klima und die Umwelt.“

Bebildert ist diese Passage hiermit:

An dieser Stelle wäre es schön, wenn wir alle eine Kerze anzünden würden für Menschen, die viel Energie und Liebe in das Anfertigen schöner, leicht verständlicher Diagramme stecken und beim Anblick dieses grafischen Komplettunfalls vermutlich in eine tränenreiche Heulattacke ausbrechen, um den Rest des Tages mit einem XXL-Becher Eiscreme unter der Dusche zu verbringen. Es tut mir leid, das habt ihr nicht verdient.

Fairerweise ist dem Grafikteam hier vermutlich der kleinste Vorwurf zu machen, denn wenn die Redaktion ihm als Grundlage nur einen schlampig zusammengeschusterten Müllhaufen an Informationen zur Verfügung stellt, was soll es dann machen? Shit in shit out…

Mein Physiklehrer aus der siebten Klasse hätte diese wunderliche Aufstellung schon mal nicht akzeptiert, weil sie gar keine Einheiten hat. Vermutlich soll das die zerstörte Umwelt darstellen, also entspricht der linke Haufen vermutlich ca. 415 Kilo-Umwelt und rechte 830 Kilo-Umwelt? Oder war das doch mehr? Mist, ich muss mal wieder nach Paris ins Internationale Büro für Maß und Gewicht und checken, wie groß ein Ur-Umwelt noch mal war.

Und soll hier ernsthaft irgendwer erkennen, wie viel der einzelnen Substanzen das darstellen soll? Nein, vermutlich nicht, denn die einzelnen, unterschiedlich eingefärbten / gemusterten Bereiche spiegeln nie im Leben die tatsächlichen Relationen wider – den dicken Platin-Klops oben auf dem linken Haufen könnte sich kein Mensch leisten, ein VW Polo würde dann mehrere hunderttausend Euro kosten. Dementsprechend kann anhand dieses Machwerks auch niemand vergleichen, welche Antriebsart welche Rohstoffe benötigt.

Und wer in aller Welt hat die einzelnen Elemente zusammengestellt? Sollte es mal Verbrenner-Autos gegeben haben, die nur aus Eisen, Platin, Stahl (?), Kupfer und Erdöl bestanden, so ist das lange her. In der Batterie ist Blei, der Motorblock und diverse Bauteile bestehen aus Aluminium, der Katalysator enthält Palladium und Rhodium. Auch Magnesium, Titan, Chrom und diverse Legierungen mit Mangan, Zink oder Silicium kommen zum Einsatz. Und seit wann ist Stahl ein Element? Die führen hier ernsthaft Eisen auf und beschriften einen anderen Bereich mit „Stahl“, der nun mal aus Eisen besteht. Das Ganze wirkt wie ein übernächtigt hingeschludertes Diagramm aus der Mittelstufe.

Aber viel wichtiger: Die ganze Grafik wirkt massiv irreführend, da eine reine Betrachtung der Auto-Produktion den Großteil der verwendeten Rohstoffe komplett ausblendet: Die, die beim Tanken und Aufladen der Vehikel benötigt werden. Ja, der Beitrag sagt, dass hier die „Herstellung eines Elektroautos“ betrachtet wird, aber am oben besprochenen Facebook-Ausschnitt könnt ihr schön sehen, wie diese Information verarbeitet wird: „Das E-Auto braucht fast doppelt so viel Rohstoffe“ steht da, und das sei ja „ökologischer Unsinn“.

Toll nachgeplappert, lieber Manfred, aber hier kommt die unbequeme Wahrheit: Benzin läuft nicht einfach so in deinen Tank, weil ARAL einen Replikator aus Star Trek in der Zapfsäule verbaut hat, sondern indem Menschen jeden Tag Millionen Liter Erdöl in Raffinerien zu Benzin cracken und dann zu dir fahren. Was während eines Autolebens mit Verbrennungsmotor eben einem riesigen Haufen Rohstoffe entspricht. Wie viel Rohstoffen? So viel Rohstoffen (das vielen Ölfässer rechts):

Quelle Seite 14

Der winzige Klumpen auf der linken Seite symbolisiert die Menge Material, die eine Traktionsbatterie für ein E-Auto benötigt. Wenn in Zukunft die Rohstoffe aus alten Batterien recycelt werden, ist noch mal deutlich weniger. Komisch, sieht jetzt irgendwie gar nicht mehr nach ökologischem Unsinn aus. Zugegeben, Transport & Environment macht es sich hier etwas einfach, denn sie gehen hier einfach davon aus, dass die Stromerzeugung ohne Rohstoffe auskommt. Ich habe es deswegen mal erweitert um die Rohstoffe, die ein mit deutschem Strommix von 2020 beladenes E-Auto verbraucht hätte:

Links: Rohstoffbedarf für das Beladen eines E-Autos mit deutschem Strommix über 225,000 km (1,5 Tonnen Kohle, 500 m³ Erdgas, 10 Liter Öl, 140 kg Baumaterial für Kraftwerke, 160 kg Material für eine recycelte Batterie

Rechts: Rohstoffbedarf für das Beladen eines Autos mit fossilem Kraftstoff über 225,000 km (12,5 Tonnen Ressourcen

Ihr könnt euch jetzt für die Produktion der Autos gerne noch ein bis zwei Tonnen Ressourcen dazu denken, aber an der grundsätzlichen Relation ändert das auch nichts mehr: Das Erdölauto verbraucht selbst dann ein Vielfaches der Rohstoffe, wenn es genauso lange hält wie ein E-Auto. Was es wie oben beschrieben höchstwahrscheinlich bald nicht mehr tut:

Wenn die kommenden Batterien dann so robust werden wie der Batterieforscher im Test zeigen konnte, halten die länger als die Karosserie, so dass diese Autos locker 600.000 km oder noch länger gefahren werden können. Dann ist die ganze Rechnung ohnehin obsolet, denn bei modernen Erdölautos wird aufgrund der immer komplexeren Bauweise eine durchschnittliche Laufleistung von 200.000 Kilometern erwartet.

Bedeutet: Für 600.000 Kilometer Fahrt könnt ihr (bei obiger Schätzung) in Zukunft ein E-Auto oder drei Erdöl-Autos bauen, was dann auch dreimal so viel Ressourcen verbraucht. Und das nach heute entwickelter Technik. der Witz ist nur: In kaum einem Wirtschaftsbereich ist der Entwicklungsdruck aktuell so hoch wie in der Batteriefertigung, so dass hier noch einiges passieren kann. Zum Beispiel könnte Volkswagen in Zukunft auch klimaneutral gefördertes Lithium aus dem Oberrheingraben verwenden. Ach lustig, werden sie voraussichtlich ab 2026 auch.

Es ist daher plausibel, dass die alte Erdöl-Technologie schon bald sowohl in der Herstellung als auch im Verbrauch die umweltschädlichere Variante ist. Die zentrale Schlussfolgerung des WDR-Beitrags somit komplett fragwürdig. Der Fairness halber sei hier angemerkt, dass ich hier mit dem Wissen des Jahres 2021 einen Beitrag von Anfang 2020 kritisiere, nur hindert das Alter der Dokumentation ja leider auch niemanden, sie auch heute noch hervorzukramen und so zu tun, als sei die Entwicklung seitdem stehengeblieben.

Zu guter Letzt wird dann noch Harald Lesch als Anwalt gegen das E-Auto hervorgekramt, aber auch das ist nicht mehr aktuell. Der von mir hochgeschätzte Professor Lesch (keine Ironie) hat zugegeben, in dieser Frage seine Meinung geändert zu haben. Es gehört sehr viel Größe dazu, so einen Fehler einzugestehen, was ich ihm hoch anrechne.

So, und als sei das alles nicht schon krude genug, haben sich ein paar mutmaßliche Fridays for Hubraum-Aktivisten hingesetzt, und diese irreführende Dokumentation nochmal so zusammengeschnitten, dass sie echt noch irreführender ist. Es ist, als würde jemand einen echt entsetzlichen Song von Nickelback nehmen und den noch mal covern, indem der grauenvoll prätentiöse Text durch eine Trump-Rede ersetzt wird.

Dieser Zusammenschnitt ist ein Renner auf Facebook und wann immer er mal wieder hochgeladen wird, gibt es wütende Zustimmung, Empörung und er wird tausendfach geteilt, runtergeladen, auf WhatsApp wieder hochgeladen, wo er Onkel Hartmut und Tante Liesbeth mit dem Gefühl zurücklässt, sich jetzt richtig gut auszukennen. Gebt einfach in der Facebook-Suchmaske „e-autos video wdr“ ein und ihr bekommt diese Liste mit lauter Bekundungen, wie dumm E-Autos seien und Videos von AfD-Politikern, die stolz verkünden, dass die „Mainstream-Medien“ ihnen jetzt recht geben. Keine Ahnung, warum das wichtig ist für eine Partei, laut der die Mainstream-Medien ja ohnehin immer lügen, aber okay…

Der Zusammenschnitt pickt sich schlicht nur die Zahlen raus, in denen Erdöl-Autos mit E-Autos verglichen werden, die deutschen Strommix laden und mit dem denkbar klimaschädlichsten Strommix hergestellt worden sind. Alle anderen Berechnungen aus Beitrag oder Studie werden dem Publikum verschwiegen, es werden nur die für E-Autos schlechtesten Zahlen gezeigt. Dann folgt die Passage über die Rohstoffe und der veraltete Kommentar von Harald Lesch.

Das Ergebnis sehen wir in allen Kommentarspalten, in denen es um E-Mobilität geht. Menschen wettern dort gegen alles Elektrische, weil das ja gar nicht dem Klima helfe und ganz viele Rohstoffe verbrauche. Die beißende Ironie, dass die in ihren Autos jeden Tag ganz selbstverständlich den kritischen Rohstoff Erdöl verbrennen, ist ihnen selbst nicht klar.

Bleibt die Frage: Warum lässt der WDR bei Valentin Thurn überhaupt so einen Unsinn produzieren? Warum geht er nicht gegen diesen Missbrauch des eigenen Materials vor? Und wieso gibt er auf die berechtigte Kritik am ersten Werk nur dieses schlampig recherchierte „Update“ beim selben Filmemacher in Auftrag?

Auf meine Rückfragen hin, wie er zu all seinen Aussagen kommt, hat Valentin Thurn mir bislang nicht geantwortet.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier ein paar Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar und würde Dich dann ebenfalls namentlich erwähnen – sofern Du überhaupt willst.

Breaking News: Jugend nicht so grün, wie ein paar alte Männer dachten

Stellt euch vor, bei euch im Büro oder der Fachschaft geht auf einmal das Gerücht rum, ihr nehmet es mit eurer Körperhygiene nicht so genau, weil die Firmen -oder Campuszeitung getitelt hat „Anneliese Unterberg wäscht sich seltener als gedacht!“. Ihr sprintet also zum vierschrötigen Chefredakteur und stellt ihn zur Rede, immerhin duscht ihr ja täglich. „Ach so“, erwidert der, „aber wir DACHTEN halt, du wäschst dich häufiger. Tja, blöd gelaufen.“

Was für ein Glück, dass das ein fiktives Beispiel ist, oder? Nicht auszudenken, wenn irgendwer auf Basis dieser unseriösen Herangehensweise eine Studie herausgäbe, diese allen großen Redaktionen des Landes schickte, welche diesen Quatsch dann unkritisch übernähmen. Genau das ist aber leider passiert. Nur geht es nicht um Körperhygiene, sondern darum, wie „grün“ die heutige Jugend eigentlich ist.

Es ist wohl eine der beliebtesten Geschichten, die meine Generation sich selbst erzählt, um sich die eigene Trägheit in Bezug auf die Klimakrise schönzureden: Weil Jugendliche selbst auch das Klima belasten, sollen sie von der Politik gefälligst keine Klimaschutz-Maßnahmen fordern. Und obwohl die Stichhaltigkeit dieses Arguments nicht wirklich mehr hermacht als „Eierbätsch, selber doof!“, findet sie in der Bevölkerung und vielen Redaktionen gruselig viel Anklang.

Nach dieser naiven Maßgabe dürften sich ja nur Menschen mit perfekter Lebensführung für bestimmte Veränderungen stark machen: Für ein Tempolimit dürfte nur eintreten, wer nie zu schnell fährt. Eine Lebensmittelampel darf nur fordern, wer seinen eigenen Zuckerkonsum unter Kontrolle hat, und für verbindliche Lieferkettengesetze darf nur sein, wer keine Elektronikprodukte zu Hause hat. Also quasi niemand.

Während die meisten Leute euch einen Vogel zeigen würden, wenn ihr solche Bedingungen aufstellen würdet, schlüpft der exakt gleiche Unsinn beim Thema Klimaschutz durch das Logikzentrum vieler Leute. Noch schlimmer: Obwohl junge Menschen in einer Studie Antworten gegeben haben, die eine überdurchschnittlich nachhaltige Lebensweise nahelegen, zitiert die halbe Medienlandschaft diese Studie damit, dass die Jugend nicht so grün ist „wie gedacht“.

Wer da was gedacht hat und ob das vielleicht von Beginn an grandioser Unsinn war, scheint nicht so wichtig. Wir lesen: „Jugend nicht so grün wie gedacht“ (Tagesschau), „Klimaschutz? Aber nicht ohne mein Auto“ (Spiegel), „Studie: Jugend nicht so „grün“ wie angenommen“ (Arte), „Nicht so „grün“ wie gedacht“ (F.A.Z.) „Jugend in Deutschland: Doppelmoral unter dem grünen Mäntelchen“ (Neue Osnabrücker Zeitung), „Jugend nicht so „grün“ wie angenommen“ (Stuttgarter Zeitung).

In den Kommentarspalten wird frohlockt, wie heuchlerisch und blöde die Jugend doch sei, alte Männer ätzen gegen Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Carla Reemtsma und überhaupt habe man ja schon immer gewusst, dass von dieser Klimajugend nichts zu halten ist. Tja, pauschal auf junge Menschen schimpfen geht halt immer. Der doppelte Haken an der Sache: Die Ergebnisse dieser Studie lassen den vielfach zitierten Schluss gar nicht zu. Es wirkt so, als hätte keine der genannten Redaktionen sie jemals gelesen.

Was ist das überhaupt für eine Studie? Es handelt sich um eine Trendstudie mit dem Namen „Jugend in Deutschland“, die mittels einer Online-Befragung die Einstellungen von 1014 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren abgefragt hat. Studienleiter ist ein gewisser Simon Schnetzer, laut Studienseite ist er „führender Jugendforscher in Europa“ und hat viele zufriedene Kunden, darunter Google, TikTok, die IG Metall und Kirche (sic). Erstaunlich, dass der laut eigenen Angaben führende Jugendforscher Europas gar kein entsprechendes Studium der Sozialwissenschaften abgeschlossen hat, sondern VWL studiert hat und seine Führungsposition in der Jugendforschung mit dem Wissen aus „Workshops“ erlangt haben will. Zudem ist die Studie nirgends publiziert, außer auf der Homepage von Simon Schnetzer, wo man sie dann auch für 29 Euro kaufen muss, wenn man sie lesen will.

Keine Sorge, ihr müsst sie nicht kaufen, eine sehr nette Supporterin hat mir schneller 30 Euro gespendet, als ich „wollen wir zusammenlegen?“ in die Facebook-Gruppe „Europäische Energiewende“ schreiben konnte. Aber was steht denn nun drin? Wie „grün“ ist die deutsche Jugend und was dachte Simon Schnetzer, wie „grün“ sie ist? Und wieso soll es für eine objektive Beurteilung überhaupt wichtig sein, für wie „grün“ Simon Schnetzer, Jahrgang 1979, die Jugend hält?

Die Studie ist unterteilt in 3 Abschnitte, Corona, Klima, Politik. Teil 2, also Klima, beginnt so:

„Die von Angehörigen der jungen Generation initiierte Umweltbewegung hat in den letzten vier Jahren mit vielen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Selbst während der Corona-Pandemie hat die Organisation Fridays for Future immer wieder gezielte Kampagnen durchgeführt, um auf die Bedeutung von Umweltschutz und die Notwendigkeit der Bekämpfung des Klimawandels aufmerksam zu machen.

Hierdurch ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, die junge Generation habe insgesamt ein größeres Interesse an der Sicherung der natürlichen Grundlagen des Lebens als die mittlere und ältere Generation in Deutschland.“

Und diesen Eindruck wollen die Studienautoren nun überprüfen, indem sie das persönliche Konsumverhalten von jungen Menschen untersuchen. Es gibt zwei Gründe, warum dieses Framing hochproblematisch ist:

  1. Es vermittelt der Öffentlichkeit, dass nur solche Menschen politische Veränderung fordern dürfen, die selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

    Wie schon eingangs erwähnt, ist das eine vollkommen naive, nicht praktikable Vorstellung von politischer Teilhabe. Oft sind die Umstände, die wir mit effektiver Klimapolitik zu beseitigen versuchen, ja genau der Grund für unseren hohen persönlichen CO2-Impact. Forderte ich beispielsweise, den ÖPNV auszubauen, wäre es irgendwie nicht zielführend, mir vorzuwerfen, dass ich selbst ja mit dem Auto zur Arbeit fahre. Genau das zu ändern ist ja nun mal das Ziel meiner Forderung.

    Vollends absurd gerät das Ganze, wenn man sich klarmacht, wieviel CO2-Emissionen ähnlich strukturell bedingt sind und damit von uns, den älteren Generationen, mitverursacht werden.

  2. Es vermittelt der Öffentlichkeit, die Klimakrise sei mit persönlichem Verzicht lösbar.

    Ja, jedes eingesparte Gramm CO2 hilft, die Erderwärmung auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Es spricht also nichts dagegen, auch heute schon so klimaschonend wie möglich zu leben, aber als Ansatz zur Lösung der Krise reicht das nicht mal annähernd. Ich persönlich esse keine Tierprodukte, bewege mich zu 90 Prozent mit Füßen und Fahrrad fort, bewohne mit Ökostrom versorgte 34 m² pro Person und dennoch liegt mein Impact bei 4,5 Tonnen CO2 im Jahr.

    Und das bleibt so, solange unsere Gesellschaft noch mit fossiler Energie läuft, da kann ich mich so sehr einschränken, wie ich will. Irgendwann sind Gebrauchsgüter am Ende ihres Lebenszyklus angekommen und dann brauchen wir eben neue Busse, neue Möbel, neue Batterien und neue Heizungen. Die Rohstoffe für diese Gebrauchsgüter werden aktuell fossil aus der Erde gegraben, in Fabriken mit fossiler Energie verarbeitet und dann fossil zu uns transportiert. Sparsam ist nett, aber CO2 wirkt kumulativ. Ohne einen echten Umbau der Gesellschaft ist das also alles nur ein Aufschub des Problems. Das, was in den Kommentarspalten gerne als „Heuchelei der Klimakids“ bezeichnet wird, ist also in Wirklichkeit deren größter, sinnvollster Hebel, um echte Veränderungen zu bewirken.

Das Seltsame daran: Sowohl Schnetzer als auch der Co-Autor Prof. Klaus Hurrelmann scheinen der jungen Generation gegenüber recht wohlgesonnen zu sein und machen in Interviews auf deren schwierig Lage durch gleich mehrere Krisen (Corona, Klima, Politik) aufmerksam. Sie fordern mehr Aufmerksamkeit für deren Themen und mehr Verständnis für ihre von mehreren Seiten bedrohte Lage. Vielleicht können sich die Herren für die nächste Ausgabe ja einen Medienprofi ins Team holen, um der Jugend nicht noch so einen Bärendienst zu erweisen.

Und wenn sie gerade dabei sind, können sie sich vielleicht noch etwas Beratung in Klimafragen einkaufen, denn in der Online-Umfrage werden eine Menge Dinge abgefragt, die mit effektivem Klimaschutz kaum etwas zu tun haben oder bezogen auf die Altersgruppe bizarr anmuten:

„Was tust du konkret, um Klima und Umwelt zu schützen?“

ist die erste Frage und darunter finden sich dann z. B. Antworten wie „Mülltrennung“, „Öko-Strom aus erneuerbarer Energie beziehen“, „Verzicht auf Einweg-Plastik“, „Kompensationszahlungen für CO2-Verbrauch“. Aua:

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 14

Mülltrennung ist gut, hat aber einen sehr überschaubaren Einfluss auf unsere Klimabilanz. (Echter) Ökostrom ist vermutlich wirklich eins der effektivsten, persönlichen Mittel, aber welche 15-Jährigen haben einen eigenen Stromvertrag (48 Prozent der Befragten leben noch bei ihren Eltern)? Auch die Wirkung von Einwegplastik ist je nach Menge kaum ausschlaggebend (in Bezug auf das Klima) und mit welchem Geld Jugendliche CO2-Kompensationszahlungen leisten sollten, ist mir auch nicht klar. Zudem wird das CO2 emittiert, nicht verbraucht (!).

Die nächste Frage lautet „Welchen Beitrag zum Umweltschutz bist du bereit durch persönlichen Verzicht oder Verhaltensänderung zu leisten?“, die Optionen können mit „ja“, „vielleicht“ und „nein“ beantwortet werden. Eine irgendwie recht hypothetische Fragestellung, denn laut Umfragen sind Deutsche zu einer ganzen Menge Dinge bereit, auch zu Frühsport, anteilig mehr Biofleisch und weniger Autofahrten. Ob sich in der Realität an solche Vorsätze gehalten wird, steht dann auf einem ganz anderen Blatt.

Wie auch immer, die Ergebnisse dieser Frage konnten wir in allen oben verlinkten Artikeln lesen:

Rund ein Viertel (26 Prozent) ist bereit, konsequent auf Fleisch zu verzichten. Dauerhaft auf alle tierischen Produkte verzichten wollen hingegen nur 16 Prozent.

Schrieb die Tagessschau und findet offenbar, dass das recht wenig ist. Ist es? Naja, 26 Prozent antworteten auf die Frage mit „ja“ und weitere 27 Prozent mit „vielleicht“. Es sind also 53 Prozent, die eine Ernährung ohne Fleisch zumindest in Erwägung ziehen, was verglichen mit dem hohen Fleischkonsum der Gesamtbevölkerung ein sensationell hoher Wert wäre. Wie passt das also zum Tagesschau-Claim „Jugend nicht so grün wie gedacht“?

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 15

Nun, die zählt halt nur die „ja“-Antworten und orientiert sich zudem an der wirklich merkwürdigen Erwartungshaltung des Co-Autors, der sich in Interviews so ausdrückt:

„Die Vorstellung, die wir Älteren haben: Dass sich fast nur vegan und vegetarisch in der jungen Generation ernährt wird und das Auto nicht mehr benutzt wird […]. Umso überraschender war es für mich zu sehen, dass sie eine Minderheitengruppe ist und es noch nicht geschafft hat, die Mehrheit auf ihre Seite zu ziehen.“

Aha. Wieso geht ein Professor der Soziologie einfach davon aus, in der jungen Generation ernährten sich fast alle vegetarisch oder vegan? Ist nicht genau das etwas, das es im Rahmen soziologischer Forschung herauszufinden gilt bzw. wozu andere Forscher:innen bereits entsprechende Erkenntnisse gesammelt haben? Liest der Mann zur Abwechslung nicht auch mal, was seine Kolleg:innen so erarbeitet haben?

Selbst die Umfragen mit den höchsten Quoten ermitteln in der Gesamtbevölkerung 10 Prozent Vegetarier:innen und 2 Prozent Veganer:innen. Laut der jährlichen Marktanalyse des renommierten Marktforschungsinstituts Allensbach stieg der Anteil der sich vegan ernährenden Menschen von 0,85 Prozent im Jahr 2015 auf 1,13 Prozent im Jahr 2020.

Die Annahme, in der jungen Generation würde sich nur vegan und vegetarisch ernährt, ist also gerade aus soziologischer Sicht eine sehr, sehr steile These. Und im Verhältnis zur Grundgesamtheit aller Deutschen ist das Ergebnis der Studie, dass 16 Prozent der jungen Menschen bereit sind, dauerhaft auf tierische Produkte zu verzichten und weitere 33 Prozent diese Frage mit „vielleicht“ beantworten, ein krasser Kontrast. „Jugend nicht so grün wie gedacht“ ist hier also synonym für „Anteil der sich vegan ernährenden Jugendlichen nur 16-mal größer als bei Älteren“, was genauso plemplem klingt, wie die eigentliche Schlagzeile ist.

Ergänzt wird dieser Themenkomplex in Punkt 3.4 mit der Frage „Wie hast du dich in den letzten 7 Tagen ernährt?“, was die Schwäche der vorherigen Fragestellung offenbart: Rein vegetarisch ernähren sich demnach 15 Prozent der Befragten und rein vegan 4 Prozent (was immer noch eine deutliche Steigerung wäre).

Auch in Bezug auf die Mobilität scheinen sich die Herren hinter dieser Studie derartig in einer absonderlichen Idealisierung der Jugend verheddert zu haben, dass sie von vollkommen erwartbaren Ergebnissen überrascht sind. Gefragt wurde „Wie häufig hast du in den letzten 7 Tagen die folgenden Verkehrsmittel genutzt?“, um dann in den Antworten fröhlich Nah- und Fernverkehr miteinander zu vermischen:

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 16

So überrascht es eigentlich nicht, dass Fernzug und Fernbus eher niedrige Prozentsätze erreicht. Soll ja gerade während einer Pandemie eine Menge Menschen geben, die innerhalb von sieben Tagen schlicht keine Fernreise unternehmen. Insofern ist fraglich, wie vergleichbar diese Ergebnisse überhaupt sind. Aber zurück zur nicht so grünen Jugend:

Auffällig sei laut den Autoren, dass 40 Prozent der Befragten täglich oder mehrfach mit dem eigenen Auto unterwegs gewesen seien. Die starke Häufigkeit der Nutzung des Autos mache „unzweifelhaft deutlich, welche Schlüsselrolle diesem Verkehrsmittel nach wie vor zukommt.“ Fun Fact: 21 Prozent der Befragten waren jünger als 18, vermutlich ist der Prozentsatz unter den 18- bis 29-Jährigen also noch mal ein paar Prozentpunkte höher.

Aber gut, die Herren Schnetzer und Hurrelmann finden ja schon 40 Prozent „auffällig“ viel. Die 40 ist zugegeben eine große Zahl, sogar größer als 39 und 38,5 (das muss man sich mal vorstellen) und damit quasi der Beweis für eine nicht so grüne Jugend. Aber nur um ganz sicher zu gehen: Wie viel Prozent der Deutschen benutzen das Auto denn mindestens dreimal pro Woche? Leider gibt es aufgrund der Antwortmöglichkeiten keine guten Vergleichsdaten für exakt diese Frage, aber bezogen auf die tägliche Nutzung gibt es sie: Während 18 Prozent in der Jugendstudie angaben, fast täglich ein Auto zu benutzen, liegt dieser Prozentsatz in der Gesamtbevölkerung bei 50 Prozent (Quelle: „Mobilität in Deutschland, Seite 56)“.

Quelle: Mobilität in Deutschland, Seite 56

Unter den jungen Deutschen finden sich verglichen mit der Gesamtbevölkerung also nur gut halb so viele Menschen, die mindestens dreimal pro Woche mit dem Auto unterwegs ist, und trotzdem wird ihnen vorgeworfen, nicht grün genug zu sein?! Was für ein seltsames Anspruchsdenken ist hier am Werk, das von einer jungen Generation fordert, all die Dinge konsequent zu 100 Prozent zu unterlassen, die von den älteren Generationen frenetisch zelebriert werden?

Junge Menschen werden hier in eine Gesellschaft hineingeboren, die verrückt nach Tierfleisch und Autos ist, die vegetarische und vegane Ernährung künstlich verteuert und bekämpft und Mobilität ohne Auto irrwitzig verkompliziert und gefährlich macht. Und jetzt finden zwei Forscher heraus, dass diese ihre Fleisch- und Autonutzung dennoch viel stärker einschränken als wir Älteren das tun, und dennoch meckern die jetzt, dass das nicht genug sei. Uff.

Es ist, als würden ein paar Eltern ein Kinderzimmer mit Süßigkeiten und Fanta vollstellen, das Obst im Keller aufbewahren und dann beobachten, dass das Kind trotzdem in den Keller geht und sich da regelmäßig Obst und Leitungswasser holt. Und dann kommentieren sie es auf Facebook mit „Unser Kind ernährt sich nicht so gesund wie gedacht“, haben dabei selbst 200 Gramm Gammelfleisch im Mund und bekommen von allen Freunden und Bekannten Recht, wie verwahrlost die Jugend doch ist. Wie wenig souverän kann ein Jahrgang mit den eigenen Fehlern umgehen? Meine Generation: Ja!

37,5 Prozent der Befragten von „Jugend in Deutschland“ leben übrigens in Dörfern und Kleinstädten und haben dann dieselben Probleme wie wir Älteren: kaputtgesparter und teurer ÖPNV, kaum Radwege, kaum Sharing-Angebote, aber feste Uhrzeiten, zu denen es in Uni, Berufsschule oder am Arbeitsplatz zu sein gilt. Wer ein System aufbaut, in dem viele Menschen von privatem Autobesitz abhängig sind, was passiert dann wohl? Richtig, viele Menschen kaufen sich ein Auto. Weil sie es müssen.

Oh, auch unter jungen Menschen wollen nicht alle auf Flugreisen verzichten? Ob das daran liegt, dass ein spontaner Flug von Frankfurt nach Berlin oft billiger ist als eine Zugfahrt und die Züge auf dem kontinuierlich zusammenschrumpfenden Schienennetz regelmäßig ausfallen?

Da es bei „Jugend in Deutschland“ angeblich um die Einstellung zum Klimaschutz geht, wäre es da nicht vielleicht noch mal spannend zu sehen, wie viele dieser jungen, ach so ungrünen Menschen elektrisch unterwegs sind? Nein, Auto ist Auto, scheinen sich die Macher gedacht zu haben. Dass die Umfrage zwischen klassischen Fahrrädern und E-Bikes unterscheidet, aber nicht zwischen Erdöl- und Elektroautos, rundet das seltsame Gesamtbild ab.

Als wäre das alles nicht schon konfus genug, ließen sich die beiden Forscher von allen möglichen Medien dazu interviewen und stellen es (unbeabsichtigt?) so dar, als sei die heutige Jugend inkonsequent. Der Klimawandel sei die größte Sorge der Jugend (wird von 56 Prozent als solche genannt), lassen sie sich z. B. von der Tagesschau zitieren, dennoch sei die „Bereitschaft gering, auf das eigene Auto oder Flugreisen zu verzichten.“ Es ist zum Wegrennen.

Sie ist halt nicht gering, sie ist (laut den vorliegenden Zahlen) doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Was sollen die jungen Deutschen denn machen? Alle in Erdlöcher ziehen, um den unrealistischen Ansprüchen von zwei Forschern zu genügen, deren Generation mit diesem ganzen Unsinn erst angefangen und bislang auch nicht aufgehört hat?

Wie viel Prozent Autoverweigerer hätten es denn sein müssen, damit der Anspruch auf Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von zwei Männern Jahrgang 1944 und 1979 als adäquat angesehen wird? Ich meine, ich bin ja kein Soziologe, aber nur weil die Jugend die Generation mit der größten Sorge vor der Klimakrise ist, heißt das ja nicht, dass alle jungen Menschen diese Sorge gleich teilen (und schon gar nicht, dass sie alle konsequent handeln). Woher ich das weiß? Aus den Zahlen der Studie: Von allen Befragten gaben lediglich 23 Prozent an, sich regelmäßig für Klimaschutz zu engagieren. 16 Prozent wählen FDP, 10 Prozent wählen CDU/CSU und 6,5 Prozent wählen die AfD.

Wie kann irgendwer bei solchen Zahlen davon ausgehen, die Jugend würde sich „fast nur vegan und vegetarisch ernähren und das Auto nicht mehr benutzen“ und dann die Ergebnisse seiner Studie aus der Perspektive dieser Fiktion heraus beurteilen?

Die Tagesschau formuliert das alles noch einen Tick verzerrender: 18 Prozent haben die Fragestellung „Welchen Beitrag zum Umweltschutz bist du bereit durch persönlichen Verzicht oder Verhaltensänderung zu leisten?“ bezogen auf „dauerhafter Verzicht auf ein eigenes Auto“ mit ja beantwortet und 28 Prozent mit „vielleicht“. Daraus macht die Tagesschau: „Mehr als 80 Prozent können sich ein Leben ohne Auto nicht vorstellen“.

Die meisten Medien (Tagesschau, Spiegel, Arte, Zeit, Stuttgarter Nachrichten) zitieren auch ohne jede Einordnung die Formulierung:

„Der größte Gegenspieler von Veränderung ist die Komfortzone des Wohlfahrtstaats, in der sich die jüngere Generation nach dem Vorbild ihrer Eltern bequem eingerichtet hat. […] Die große Mehrheit ist noch nicht bereit, die lieb gewordenen Gewohnheiten in den Bereichen Konsum, Mobilität, Ernährung aufzugeben und wartet erst einmal auf Entscheidungshilfen durch die Politik.“

Im Wohlfahrtsstaat? Was hat der denn mit (zu wenig) Klimaschutz zu tun? Mini-Exkurs: Der Wohlfahrtsstaat gewährleistet unsere sozialen Grundrechte, kümmert sich also um unsere Absicherung in Form von z. B. Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und ist damit das Gegenmodell zur individuellen Eigenvorsorge, bei der solche Dinge eigenverantwortlich geregelt werden müssen. Eine private Krankenversicherung hat mit Klimaschutz aber weniger zu tun als Andreas Scheuer mit Anstand, was soll diese groteske Formulierung also?

Und wieso hat die junge Generation sich darin „bequem“ eingerichtet? Ist es nicht besonders die junge Generation, die erst ein Dutzend unbezahlte Praktika absolvieren muss, bevor sie eine sozialversicherungspflichte Anstellung bekommt, und die alles andere als sicher sein kann, mit den Bezügen aus der Rentenkasse ihren Ruhestand finanzieren zu können?

Und noch mal: Es ist vollkommen egal, wie sehr die junge Generation sich in Bezug auf Konsum, Autos und Ernährung einschränkt, solange eine Armee älterer Menschen mit einem vielfach höheren Budget einen viel größeren Klimaschaden anrichtet, als gäbe es kein Morgen, und den Umbau unserer Gesellschaft weg von fossiler Technologie blockiert. In dieser Situation ist es daher das Klügste und Effektivste, so viel Druck auf Gesellschaft und Politik auszuüben, wie es geht.

Solange das System selbst klimafreundliches Verhalten bestraft und verteuert, ist es illusorisch anzunehmen, der Anteil sich freiwillig einschränkender Menschen klettere irgendwann auch nur in die Nähe von 50 Prozent. Und selbst wenn er bei 100 Prozent wäre: Auch sich einschränkende Menschen brauchen ein Minimum an Ressourcen, um Grundbedürfnisse zu decken: Beheizter Wohnraum, Bildung, Medizin, Strom, Lebensmittel, Produkte des täglichen Bedarfs, Kleidung etc.

Solange diese Dinge alle aus fossiler Energie stammen, ist Verzicht allein keine Lösung, sondern nur eine verlängerte Galgenfrist, bis den jungen Menschen dann doch irgendwann die Kipppunkte um die Ohren fliegen. Ein Umstand, den ein Medium ja ruhig mal ansprechen könnte, wenn die Studie des „führenden Jugendforschers Europas“ mit solchen Worten beworben wird. Keines der genannten Medien hat nachgefragt.

Wie gesagt, Professor Hurrelmann scheint sich als Verbündeter der Jugend zu verstehen, so oft wie er betont, unter welch schwierigen Bedingungen diese sich im Spannungsfeld zwischen Pandemie, ökologischen und ökonomischen Krisen befindet und wie solidarisch sie sich mit den von Covid-19 bedrohten Risikogruppen verhalten hat. Vielleicht will er mit Aussagen wie

„Unter diesen Umständen kann der von jungen Leuten mehrheitlich befürwortete Klimaschutz nur mit klaren Regeln und Vorgaben durch die Politik gelingen.“

dafür werben, es nicht der Jugend allein zu überlassen, das Klima zu retten (anders kann ich mir das nicht erklären).

Diese Wirkung verfehlt er jedoch. Durch einen mutmaßlichen Bärendienst epischen Ausmaßes gewinnt eine riesige Leserschaft den Eindruck, die Jugend stelle anmaßende Forderungen, sei bequem, verwöhnt und würde ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Dabei fordert sie einfach nur die Einhaltung des rechtlich bindenden Pariser Klimaabkommens, um massive Verwerfungen zu verhindern. Der Beitrag der Tagesschau wird hämisch in der Anti-Fridays-for-Future-Bubble geteilt und dort dutzendfach mit Aussagen wie „Wasser predigen, aber Wein saufen“ kommentiert.

Sorry, liebe Jugend. Meine Generation ist unfähig, das Klima zu stabilisieren, und sinnvolle Berichterstattung kann sie auch nicht mehr.

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Mit diesen 4 Tricks sät der aktuelle Spiegel unlautere Zweifel an der Energiewende

Das Traurigste an der neuen Spiegel-Geschichte ist nicht, dass das Hamburger Verlagshaus seinen klimafeindlichen Leitartikel ausgerechnet zum Weltklimagipfel veröffentlicht. Das Traurigste ist auch nicht, die wievielte Wiederholung des immergleichen Fehlschlusses das ist, oder dass ich, ein BWL-Typ mit grafisch dringend mal überarbeitungswürdigem Blog, das Werk professioneller, preisgekrönter Vollzeit-Journalisten kritisch einordnen muss. Das Traurigste ist, wie gut das hätte werden können, wenn ein Verlag mit der Reichweite des Spiegels dieses Thema mal ernsthaft und differenziert angegangen wäre. Stattdessen bekamen wir das:

Allein, dass ich „dieses Thema“ schreibe, ist eine maßlose Untertreibung. Es ist DAS Thema: Wie verhindern wir die Klimakrise? Es hätte – bzw. wir hätten – verdient, dass sich ein Team extrem aufgeweckter Journalist:innen über Wochen in ein abgelegenes Chalet zurückzieht und mit nicht weniger als einem Meisterwerk an Ausgewogenheit und Aktualität zurückkehrt. Für andere Themen wie die Verwerfungen im Springer-Konzern oder den Rückzug des Westens aus Afghanistan gibt es ja auch umfangreiche, brillante Artikel, nur dass die Bedeutung dieser Themen – wenn auch unzweifelhaft relevant as f**k – im Schatten der Klimakrise zusehends zusammenschrumpft.

Aber anstatt zum Königsthema unserer Zeit ein ähnlich differenziertes Werk abzuliefern, bekommen wir in der Geschichte „Raubbau für die Rettung des Planeten“ leider nur den zehnten Aufguss des hochgradig problematischen Framings, in dem klimafreundliche Technologien durch die verzerrende Brille einer Perfect Solution Fallacy betrachtet werden, also gemessen an einem unerreichbaren Ideal. Was nur scheitern kann.

Der Fehlschluss ist so alt wie gravierend: Anstatt eine Lösung nach realistischen Maßstäben zu bewerten, wird so getan, als gäbe es eine perfekte Alternative, die Perfect Solution. Jede Lösung, die das Problem nicht optimal und ohne unerwünschte Nebeneffekte löst, wird als unperfekt zurückgewiesen, selbst wenn sie klar die beste verfügbare Option darstellt. Typisch für solche Betrachtungen ist, dass die Nachteile der Lösung lang und breit diskutiert werden, ohne konkret zu vergleichen, welcher Schaden denn überhaupt ohne diese Lösung entsteht.

Mit dieser Herangehensweise lassen sich wunderbar Beiträge schreiben, die jede noch so sinnvolle Errungenschaft der Menschheit scheinbar plausibel in Frage stellen, denn perfekte Lösungen sind in der realen Welt rar. Ihr könntet z. B. eine Dokumentation über eine Frau drehen, die eine Sinusvenenthrombose in Folge der Astra-Zeneca-Impfung nicht überlebt hat. Darin sehe ich als Zuschauer, wie schwer es für die Familie ist, mit dem Verlust umzugehen. Im Interview kämpft die kleine Schwester mit den Tränen, die Eltern berichten von der Therapie, die sie machen. Ein paar Schwarzweißfotos der Verstorbenen erscheinen, die traurige Klaviermusik weicht ein paar düsteren Disharmonien, das Bild wechselt zu einem Arzt mit einer Spritze. Ende.

Wäre das guter Journalismus? Hey, ich berichte ja nichts Falsches, es hat sich alles genau so zugetragen. Ja, hat es, aber indem ich gar nicht auf den Nutzen der Impfung eingehe, verzerre ich das Risiko an dieser Stelle massiv: Viele Millionen Menschen wurden mit dem auf den etwas sperrigen Namen hörenden Vaxzevria-Impfstoff gegen Covid-19 geimpft, davon sind [EDIT: z.B. in Großbritannien] 19 verstorben. Gleichzeitig konnten aber allein in Deutschland geschätzt 38.300 Todesfälle durch die Impfkampagne verhindert werden, von denen ironischerweise auch eine Menge auf Sinusvenenthrombosen hätten zurückgeführt werden müssen (das Risiko für eine solche ist nach einer Covid-19-Infektion um den Faktor 100 erhöht).

Die Perfect Solution, ein effektiver Schutz vor der Erkrankung ohne Impfung, existiert schlicht nicht. Ja, schade. Sorry, that’s life. Wir können zwischen Optionen wählen, von denen manche besser und manche schlechter sind, aber Perfektion? Spielt im realen Leben abgesehen vom Gitarrensolo in Comfortably Numb leider keine Rolle. Und obwohl das eine absolute Binsenweisheit und eigentlich der Rede nicht wert ist, haben fünf Journalisten des Spiegels nun eine Geschichte geschrieben, die konsequent aus der Wahnvorstellung heraus erzählt wird, es gäbe eine perfekte Lösung, um 7,8 Milliarden Menschen mit Energie zu versorgen. Spoiler: Gibt es nicht bzw. noch nicht.

Gab es aber auch noch nie. Selbst als unsere frühesten Vorfahren sich für die benötigte Wärme zu 100 Prozent regenerativ mit Holz oder Mist versorgten, hatte das ärgerliche Auswirkungen auf ihre Atemwege (ja, so ein offenes Feuer ist romantisch, aber eure Lungenbläschen sehen das anders). Je größer die Bevölkerung wurde, desto schwieriger war die nachhaltige Versorgung mit Holz als Brennstoff, und so wich Holz mehr und mehr der Kohle, deren Emissionen dann bei entsprechender Wetterlage schon mal tausende Menschen in London tödlich vergiften konnten. Dass unsere Abhängigkeit von Erdgas, Kohle und Erdöl zudem ein paar wirklich unerfreuliche Auswirkungen auf unsere Atmosphäre hat, muss ich hier vermutlich niemandem erzählen.

Aber solltet ihr irgendwann mal im Zug neben Jens Glüsing, Simon Hage, Alexander Jung, Nils Klawitter oder Stefan Schultz sitzen, dann erzählt es doch am besten mal denen. Vor lauter knallharter Recherche, welche Rohstoffe in einer Energiewende zum Tragen kommen, scheinen sie nämlich komplett vergessen zu haben, dass auch unsere heutige Energieversorgung bereits darauf basiert, dem Erdreich gigantische Mengen Material abzutrotzen, nur eben um Größenordnungen mehr.

Will ich damit sagen, dass wir Bergbau für klimafreundliche Technologie nicht kritisieren dürfen, weil er ja einem höheren Ziel dient? Natürlich nicht. Grundsätzlich wäre es großartig, wenn der Fokus sich im Zuge der Diskussion so weit verschiebt, dass es in Zukunft effektive Lieferkettengesetze gibt. Das Problem: Der Spiegel-Text liest sich so, als sei Bergbau grundsätzlich ein vollkommen neues Konzept, das jetzt spontan für die Energiewende neu erfunden worden ist – dabei ist er ungefähr so allgegenwärtig wie Hausstaub. Macht mal einen Test: Guckt euch dort um, wo ihr diesen Text gerade lest und sucht den ersten künstlichen Gegenstand, der ohne Zuhilfenahme von Bergbau hergestellt wurde. Nein, ich finde auch keinen (selbst euer alter Holzfußboden dürfte mit Metallgegenständen bearbeitet worden sein).

Zugegeben, die Spiegel-Leute machen das rhetorisch recht geschickt. Müssen sie ja auch, immerhin verbraucht die Menschheit jährlich 5,4 Milliarden Tonnen Kohle, 4,6 Milliarden Tonnen Erdöl und 3,6 Billionen m³ Erdgas. Vor dem Hintergrund kommt die Warnung vor zu viel Rohstoffverbrauch für Windkraftanlagen dem Versuch gleich, die Feuerwehr zu überzeugen, den Einsatz an einem brennenden Krankenhaus abzubrechen, um erst das Dixi-Klo in eurem Vorgarten zu löschen. Das geht natürlich nicht ohne Tricks:

Trick 1: Große Zahlen klingen unheimlich, sind ohne Kontext aber wertlos

Die Autoren von „Raubbau für die Rettung des Planeten“ werfen mit allerlei Zahlen um sich, wo auf der Welt wie viel Tonnen von was verbraucht wird. Nun ist gegen Zahlen an sich natürlich nichts einzuwenden, ich nutze selbst ständig welche, aber ohne Einordnung dürfte den wenigsten Leser:innen klar sein, was sie bedeuten. Habt ihr auch nur eine grobe Vorstellung davon, wie viel 67 Tonnen Kupfer, 50.000 Tonnen Erde, 11 Tonnen Silber oder 32.000 Giftseen sind? Diese Zahlen sollen nicht wirklich informieren, sie sollen dem Publikum nur vermitteln: Das ist alles viel zu viel! Zitat:

„Rund 67 Tonnen finden sich in einer mittelgroßen Offshore-Turbine. Um diese Menge Kupfer zu gewinnen, müssen Bergleute fast 50.000 Tonnen Erde und Gestein bewegen, das entspricht dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Das Geröll wird geschreddert, zermahlen, gewässert, gelaugt. Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom.“

Das ist beim Spiegel recht beliebt, wenn etwas als bedrohlich geframet werden soll. Ende August lautete eine Überschrift dort auch „Das Milliardengeschäft mit der Hafermilch“, was irgendwie sensationell klingt, in einem Land mit einer 83-Millionen-Bevölkerung aber nur bedeutet, dass Deutsche dafür im Schnitt pro Monat und Person einen Euro ausgeben. Aber hey, Milliardengeschäft, da muss doch was faul sein bei so viel Geld!

50.000 Tonnen Erde und Gestein, so lernen aufmerksame Leser:innen, das entspricht dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Ui. Und in einem Tesla Model S sei so viel Lithium verbaut wie „in ungefähr 10.000 Handys“, wird später noch erklärt. Ja, schlechte Nachrichten für alle, die die wenig einfallsreichen Vergleichseinheiten „Fußballplatz“ und „Badewanne“ schon genervt haben: In Zukunft rechnet die Rumpeljournaille für das maximale Bedrohungspotenzial in Eiffeltürme und Handys um, weil das ja so anschaulich ist.

Aber nicht mal das scheint hier zu reichen: Um ganz sicherzugehen, dass Kupfer sich als die umweltschädlichste Ressource schlechthin im kollektiven Gedächtnis einnistet, wird die Zahl noch mal schnell in einen fluffigen Slogan eingebaut, der in der Form gut auf ein AfD-Facebook-Sharepic passen würde:

„Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“

Vorteil: Bleibt gut hängen. Nachteil: Ist komplett falsch.

Die viele „zerstörte Natur“ ist auf einem Bild im Artikel selbst zu bewundern, besagte Mine liegt im trockenen Grenzgebiet der Atacama-Wüste mit der gemutmaßten Artenvielfalt eines dieser lebensfeindlichen Star-Wars-Sandplaneten. Ob ein weiterer Abbau an dieser Stelle, an der ohnehin nur ein riesiger Krater die Kupferförderung der letzten 105 Jahre bezeugt, nun wirklich großen Schaden an der Natur verursacht, darf bezweifelt werden. Aber viel wichtiger: Sind 50.000 Tonnen Erde eigentlich viel oder wenig?

Aufgrund des bekloppten Vergleichs könnte man jetzt intuitiv annehmen, es handele sich um einen Erdhaufen fünfmal so groß wie der Eiffelturm, aber der verteilt sein Gewicht aufgrund der hübsch filigranen Bauweise ja auf viel mehr Volumen als ein Erdhaufen. Für eine grobe Vorstellung: Wenn die Monster-Truck -Show „Monster Jam“ in einem Stadion stattfindet, werden dort laut Veranstalter 5.000 Tonnen Erde verteilt, also ein Zehntel. Das sieht dann so aus:

Ja, der Eiffelturm ist dann doch etwas imposanter. Und noch wichtiger: Wie viel oder wenig ist denn „wenig Grünstrom“ aus dem Claim „Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“? Leider verlinkt der Spiegel hier keinerlei Quellen (Moin nach Hamburg, wir haben 2021), so dass auch nicht klar ist, woher die angeblichen 67 Tonnen Kupfer für eine mittelgroße Offshore-Anlage stammen. Laut Europäischer Kommission entspricht das Kupfer in einer WEA-Gondel einem Prozent des Turbinengewichts. Bezogen auf eine „mittelgroße“ Offshore-Anlage, wie sie z. B. im Trianel Windpark Borkum installiert sind, entspräche das eher 3 Tonnen Kupfer. Natürlich wird auch für die Verkabelung Kupfer benötigt, aber die von mir angefragten Branchenexperten halten die 67 Tonnen für um den Faktor 3 zu hoch angesetzt.

Ja, die Anlage besteht aus mehr als nur Kupfer, und gerade Offshore-Anlagen sind aufgrund ihres Fundaments äußerst schwere Konstruktionen. Aber selbst, wenn wir dafür realistische 1.000 Tonnen Material annehmen, ist das für so eine Anlage – verglichen mit fossiler Technik – sensationell wenig: Zum Vergleich: Für 1.000 Tonnen Kohle müssen wir im Braunkohletagebau Garzweiler 5.000 Tonnen Erde abbauen, ein modernes Braunkohlekraftwerk erzeugt daraus bei guter Kohlequalität 17,2 Gigawattstunden Strom.

Eine der 1000-Tonnen-Windkraftanlagen im Windpark Borkum (EAD5-116-Anlagen der Firma Adwen) generiert im Laufe ihrer 25 Jahre Betriebsdauer hingegen knapp 500 (!) Gigawattstunden Strom, also etwa das 30-Fache. Der Abbau von Kohle verursacht zudem massive Luftverschmutzung, zwingt tausende Menschen zur Umsiedlung, übersäuert den Boden und schädigt Feuchtgebiete. Die reine Bergbau-Bilanz einer Windkraftanlage ist also dramatisch besser als wenn ich dieselbe Menge Strom mit Kohle erzeugen wollte, und da sind die massiven Umweltschäden durch die Klimabelastung dieser albernen Veranstaltung noch gar nicht berücksichtigt.

Zudem wird das Windrad nach verrichteter Arbeit halt auch nicht verbrannt wie Kohle, so dass wir aus vielen Einzelteilen – tadaaaa – nach den 25 Jahren Lebensdauer einfach eine neue Windkraftanlage bauen können. Die ca. 20 Tonnen Kupfer können also an der Erzeugung von noch viel mehr Strom beteiligt sein, wenn sie einfach immer wieder in neuen Anlagen verbaut werden, und viele 1.000 Gigawattstunden Strom erzeugen. Die 1.000 Tonnen Braunkohle sind hingegen einfach weg, nachdem sie in 17,2 Gigawattstunden Strom und eine Menge Klimagase umgewandelt wurden. Und für die nächsten 17,2 Gigawattstunden müssen wir wieder 1.000 Tonnen Braunkohle aus der Erde holen.

Bei genauem Hinsehen zerbröselt der Claim „Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“ also ähnlich fulminant wie Julian „Wir haben Corona besiegt“ Reichelts Einschätzung zum Ende der Pandemie. Es ist nicht viel zerstörte Natur und es ist eine gewaltige (!) Menge Grünstrom, die wir mit einem Zwanzig-Tonnen-Klumpen Kupfer in den kommenden Jahrhunderten mittels effektiven Recyclings erzeugen können. Das ist um Größenordnungen mehr als der gleiche Bergbau-Schaden in einem fossilen System ermöglicht.

Ja, es ist ein Eingriff in die Natur. Willkommen in der tristen Wirklichkeit, in der Metalle nicht einfach von der Flut angespült werden. Aber ob „brutal“ das richtige Wort dafür ist? Wenn Kupferabbau auf einem ohnehin schon lebensfeindlichen Mad-Max-Gedächtnisareal brutal ist, was ist dann ein Braunkohletagebau, der sich für viel weniger nutzbare Energie pro Kubikmeter Erde durch historische Ortskerne, Kirchen aus dem 19. Jahrhundert und tausende Jahre alte, ökologisch hochwertige Mischwälder frisst? Ultra-Violence?

Dieses Spielchen spielen die Spiegel-Journalisten nun immer wieder mit abwechselnden Rohstoffen. Wir lernen, wie viel Treibhausgase die Förderung einer Tonne Neodym emittiert, wie viel Silber in PV-Modulen verbaut ist, dass in neuen Technologien Nickel, Platin und Iridium zum Einsatz kommen und wie in Afrika Aluminium gefördert wird. Das ist nun alles grundsätzlich wissenswert, aber als Basis für eine sinnvolle Bewertung unserer realistischen Optionen krass unvollständig, solange all diese Zahlen nicht mit unserem heutigen fossilen Energiesystem ins Verhältnis gesetzt werden. „19 Tote durch Impfstoff-Nebenwirkung“ klingt halt deutlich bedrohlicher ohne die Information „Fünf Millionen Corona-Tote“.

Es ist mir schleierhaft, wie jemand überhaupt annehmen kann, es würde wenig Ressourcen benötigen, wenn ich Sachen aus der Erde grabe, daraus ein Kraftwerk baue, und dann jeden Tag noch mehr Sachen aus der Erde grabe, um sie darin zu verbrennen. Das ist das grundsätzliche Wesen fossiler Technik: Wir VER-brauchen den ganzen Tag aus der Erde gebuddeltes Zeug, während ich bei erneuerbarer Technik die Rohstoffe eben nur einmal aus der Erde buddele und dann GE-brauche. Mit dem entscheidenden Vorteil, dass sie anschließend nicht in ihren molekularen Bestandteilen durch die Atmosphäre wabern, sondern immer wieder genutzt werden können. Wer daraus den Take macht, dass wir für Erneuerbare viel Bergbau benötigen, hat diesen Zusammenhang, den man selbst Grundschulkindern in einer Folge Sendung mit der Maus vermitteln könnte, wohl nicht im Ansatz begriffen.

Trick 2: Emotionen anstatt konkrete Zahlen

Noch besser als Zahlen ohne Kontext wirken maximal aufgeladene Begriffe. Wenn ich einen Impfstoff in einem Beitrag immer wieder „gefährlich“ nenne, dann wirkt das auf viele Menschen stärker als eine Statistik des RKI mit einer Risikoabwägung. Eine Information wie „da verbrauchen wir 67 Tonnen Kupfer“ ist für alle Menschen außerhalb der Kupferbranche vermutlich recht abstrakt. Um also die Energiewende als DEN Faktor für den Raubbau der Zukunft in Szene zu setzen, ohne dafür Zahlen zu recherchieren, die das auch belegen, ist der Artikel mit einer Menge aufgeladener Adjektive durchsetzt:

Windkraft, solare Stromerzeugung und elektrische Mobilität seien wahrweise „schmutzig“, „extrem belastend“ und „verheerend“. Der „gigantische Materialbedarf“ dafür „verschlingt unfassbare Mengen“ und „extreme Massen an Ressourcen“, die resultierenden Zerstörungen an der Natur sind „brutal“, „enorm“, „immens“. Wie viele Spiegel-Leser:innen prüfen das wohl nach? Hey, das sind ja 67 Tonnen Kupfer pro Anlage – ob das wohl viel ist? Ach, laut Text ist es extrem, enorm und brutal, das reicht mir, Windkraft ist ganz umweltschädlich, werden sich viele denken.

„Ein Elektroauto benötigt sechsmal mehr kritische Rohstoffe als ein konventionelles Fahrzeug, vor allem Kupfer, Grafit, Kobalt und Nickel für das Batteriesystem. Eine Onshore-Windkraftanlage enthält sogar rund neunmal mehr solcher Rohstoffe als etwa ein Gaskraftwerk vergleichbarer Leistung“

Zudem bekommen viele der thematisierten Rohstoffe vom Spiegel das Attribut „kritisch“ verbraten, ohne dass irgendwann erklärt wird, was einen kritischen Rohstoff von einem unkritischen unterscheidet. Praktisch, dann kann der geneigte Autor einfach „ein Elektroauto benötigt sechsmal mehr kritische Rohstoffe als ein konventionelles Fahrzeug“ formulieren, denn Erdöl und Erdgas scheinen ja eine recht unkritische Angelegenheit zu sein. Gut, dafür werden aktuell kanadische Waldflächen so groß wie ganz England in ein Real-Life-Mordor verwandelt, aber hey, Hauptsache jemand tut was gegen diese schlimmen E-Autos voller kritischer Rohstoffe.

Das funktioniert übrigens sehr gut zusammen mit…

Trick 3: Möglichst viele Missstände aufzählen, die mit dem Thema nur bedingt was zu tun haben

Genau genommen ist schon das Kupferthema nicht sonderlich gut geeignet, um daraus einen monokausalen Windkraft-Nachteil zu stricken: Im Jahr 2020 wurden weltweit 20 Millionen Tonnen Kupfer produziert. Um die Größenordnungen zu begreifen: Das bedeutet, dass die Menge an Kupfer, das in den letzten 30 Jahren in ALLEN weltweit errichteten Windkraftanlagen verbaut wurde, gerade mal einem Drittel der Kupfer-Jahresproduktion von 2020 entspricht. Der viel größere Anteil wird für elektronische Bauteile und Leitungen aller Art verwendet, ohne dass der Spiegel mit einer halb zerstörten Erdkruste und ausgetrockneten Meeren auf dem Cover davor warnt. Da aber der Windkraftausbau deutlich beschleunigt werden soll, können wir die Branche gerne als Mitverursacher zählen, die hier natürlich auch eine Verantwortung trägt.

Aber auch in Bezug auf diverse andere Rohstoffe versucht die Spiegel-Geschichte das Zerrbild zu errichten, dass insbesondere die Energiewende reicher Länder ihr größter Verbraucher ist. Graphit, Kobalt und Nickel werden genannt, weil wichtige Bauteile moderner Batterien daraus bestehen. Tatsächlich werden aber nur vier Prozent der Weltnickelproduktion für Batterien verwendet, während aus über 70 Prozent davon rostfreier Stahl hergestellt wird.

Vollends absurd wird es, wenn auch die Folgen der Aluminiumförderung in Westafrika und eines Dammbruchs in der Nähe einer brasilianischen Eisenmine irgendwie der Energiewende in die Schuhe geschoben werden sollen:

„Im Januar 2019 brach in Brasilien ein Damm nahe einer Eisenerzmine, eine Schlammlawine ergoss sich ins Tal, mehr als 270 Menschen starben.
[…]
Das Beispiel des umstrittenen Bauxitabbaus [Ausgangsmaterial für Aluminium] in Westafrika zeigt, welche Verbindungen sich ergeben zwischen den glänzenden Ökoprodukten »made in Germany« und der staubgrauen Herkunft seiner Ingredienzien“

Keine Ahnung, in was für einer naiven Traumwelt die Autoren dieses Stückes leben, aber Aluminium und Eisen sind derartig vielseitig einsetzbar, dass sie aus unserem Alltag überhaupt nicht mehr wegzudenken sind. Bauteile aus Aluminium sind nämlich bei gleicher Bauweise nur halb so schwer wie andere Metalle, dementsprechend beliebt ist das Metall mit der Ordnungszahl 13 bei uns Menschen.

Wir stellen daraus Flugzeuge her, Nutzfahrzeuge, Druckluftbehälter, Schienenfahrzeuge, Fahrräder, Konservendosen, Tetra Paks, Dächer, Fensterrahmen, Fassaden, Brückenteile, Raketen, Bügeleisen, Feuerwerk und Antennen. Kennt ihr diese klassischen Kaffeekannen, die man sich auf den Herd stellen kann?

You guessed it, bestehen aus Aluminium. Aber, o weh! Der Artikel raunt uns zu: „Ein Audi E-Tron besteht zu 804 Kilogramm aus Aluminium.“ Ach, echt? Ein riesiger Elektro-SUV besteht auch aus Aluminium? Na, wer hätte das ahnen können? Auflösung: Alle, die nur 5 Minuten recherchieren. Wir stellen bei Verbrennerautos Motorblock, Zylinderkolben, Zylinderköpfe, Getriebegehäuse, Wärmeabschirmungen, Fahrwerke, Türen, Motorhauben, Stoßfänger und Kotflügel mindestens teilweise aus Aluminium her, und das nicht erst seit gestern: Bereits im Jahr 2015, als Tesla bei vielen noch als albernes Start-Up galt, landeten 50 Prozent des deutschen Aluminiums im Fahrzeugbau.

Der Skandal ist jetzt also offenbar schon, dass E-Autos die Abhängigkeit von Erdöl beenden, ohne gleichzeitig komplett ohne Metall auszukommen. Scheiß-E-Autos, dass die nicht aus Tannenzapfen hergestellt werden! In manchen Rechercheteams des Spiegels scheint der Druck, mit dem Artikel krasse Missstände aufzudecken, so groß, dass man zur Not vollkommen profane Umstände ohne jeden Neuigkeitswert dazu hochjazzt:

„Keine andere Industrie [als die Bergbaubranche] greift so erbarmungslos in die Umwelt ein.“

Ja, schon möglich, aber Bergbau gibt es halt schon seit hunderten von Jahren und eben verstärkt für Kohle und Erdöl mit besonders schädlichen Auswirkungen, von denen wir mit der Energiewende ja eben wegkommen wollen.

Ich weiß, mit der Argumentation bewege ich mich nahe am Whataboutismus-Vorwurf, daher kurz zur Klarstellung: Wenn Aluminium-Förderung ein Problem darstellt, dann können E-Tron-Fahrer sich NICHT damit rausreden, dass andere Autos auch aus Aluminium hergestellt werden. Für die Familien in Guinea, deren Trinkwasserquellen dem Bauxitabbau zum Opfer gefallen sind, ist das sicherlich kein Trost. Der Spiegel-Artikel liest sich aber so, als sei dieser Missstand exklusiv elektrischen Autos zuzuordnen und als könnten die Familien in Guinea wieder ein unbeschwertes Leben führen, wenn wir einfach weiter mit Erdöl-Autos rumfahren.

Die Dekarbonisierung ist außerdem aktuell neben Bestrebungen zum Weltfrieden das wichtigste Projekt der Menschheit. Es spiegelt nicht wirklich korrekt diese Priorität wider, wenn eine Spiegel-Titelstory auf dem Silberbedarf für Solarzellen herumreitet, während die Menschheit die fünffache Menge benutzt, um daraus Münzen, Schmuck oder anderen vergleichsweise unnützen Tinnef herzustellen.

Trick 4: Klimaschutz als heuchlerische Aktivität framen

Das ist keine sonderlich neuerlich neue Strategie, aber sie ist so effektiv, dass sie sogar bei der Klimabubble verfängt:

„Damit der reiche Norden ökologisch korrekt leben kann, wird der arme Süden ausgebeutet: Konzerne zerstören ganze Landstriche, um Rohstoffe für Windräder und Solarzellen zu fördern.“

Menschen haben eine wirklich seltsame Tendenz: Sie bewerten eine schädliche Handlung viel schlimmer, wenn sie von jemandem getätigt wird, der eigentlich eine gute Absicht verfolgt. Im schon etwas älteren Video von einem Science Slam mit Mai-Thi Nguyen-Kim wird dieses Konzept gut erläutert: Wenn Klaus und Jerome Plastikmüll in den Wald schmeißen, Klaus aber regelmäßig erklärt, dass Umweltschutz das Allerwichtigste ist, dann kann Klaus sich auf einen mittelgroßen Shitstorm einstellen, während Jerome halt so ein ehrlicher, edgy Typ ist, der es einfach nicht so mit der Umwelt hat. Der Witz ist nur: Es ist dem Wald scheißegal, ob Klaus ein Heuchler ist.

Ferner funktioniert das leider auch, wenn Klaus sich nicht mal konkret für „Umweltschutz“ stark gemacht hat. Damit die Leute reihenweise ausflippen, reicht es vollkommen, eine Position einzunehmen, die von vielen lediglich als Umweltschutz aufgefasst wird: Fast schon legendär sind Rückfragen nach dem Schema: „Was, Du bist Veganer, aber du fährst Auto / hast ein Handy / isst Sojaburger aus der Fabrik?“ Das mag intuitiv erst mal nicht zusammenpassen, aber beim Veganismus geht es definitionsgemäß erst mal darum, nur die Viecher in Ruhe zu lassen.

Gefördert wird die Empörung über vermeintliche Heuchelei oft noch dadurch, dass Medien gerne mal recht ungenau berichten, indem sie Handlungen und Produkte gerne möglichst pauschal auf einer eindimensionalen Skala für „Umweltschutzigkeit“ einordnen möchten. Ja, das klingt eigentlich zu albern, als dass irgendwer das ernsthaft machen würde, aber nichts anderes passiert meist, wenn irgendein Produkt als „schmutzig“, „sauber“ oder halt pauschal „umweltfreundlich“ gelobt/gebrandmarkt wird. Und ja, das passiert leider sehr oft, im vorliegenden Spiegel-Text beispielsweise allein fünfmal:

Da ist die Rede von einem sauberen Energiesystem, sauberen grünen Technologien, sauberen Wertschöpfungsketten, sauberen [Handels-]Quellen und sauberen Lösungen. Das unbedarfte Publikum stellt sich unter einer „sauberen“ Technologie dann leider allzu oft etwas vor, das es nicht gibt: Irgendeine Maschine, die ohne jede Schattenseite quasi aus dem Nichts Energie erzeugt. Tja, mit dem Setup könnt ihr so ziemlich jede Verbesserung mit einem unfairen Heuchelei-Vorwurf blockieren:

Pflanzliche Ernährung? Verbraucht Pestizide, ist nicht perfekt, viel Fleisch für alle! Fahrrad fahren? Die Dinger sind aus Aluminium und dann leiden Menschen in Afrika für saubere Luft im reichen Norden, da kann ich auch weiter Diesel fahren. Secondhand-Klamotten bei Ebay kaufen? Die Server emittieren doch irre viel Klimaemissionen, da gehe ich lieber zu Primark. Tja, komplexe Wertschöpfungsketten haben so viele Attribute, dass ihr kaum eine finden werdet, die in allen Kategorien, also Rohstoffverbrauch, Abgase, Klimaemissionen, Lärmemissionen, Entsorgung, Menschenrechte, Tierleid usw., eine weiße Weste hat.

Hierzu ist besonders diese „arme Länder müssen für unsere grünen Technologien im reichen Norden leiden“-Erzählung sehr beliebt, denn da läuft das Empörungszentrum schnell auf Hochtouren angesichts dieser un-fass-ba-ren Heuchelei. Der Spiegel setzt hier noch eins drauf und verdreht die tatsächlichen Umstände, indem er den Zweck einer Energiewende zu „ökologisch korrekter“ Lebensweise kleinredet.

Dass so was zeitgleich zur Weltklimakonferenz publiziert wird, kann man erwarten, aber eher bei Tichys Einblick oder anderen strammrechten Portalen als beim sich selbst als Leitmedium verstehenden Spiegel. Der Norden will also ökologisch korrekt leben, soso. Bei der Formulierung dürften die meisten Menschen ein paar erbsenzählerische Blödmänner vor Augen haben, die sich an irgendwelche ideologisch motivierten, quasireligiösen Vorschriften halten, um ihrer Peer-Group zu gefallen, aber ohne damit irgendein Problem zu lösen. Ein effektiveres Zerreden der Energiewende habe ich echt schon lange nicht mehr gelesen.

Bei der Energiewende geht es aber darum, dass wir unser Energiesystem umstellen müssen, nicht mehr und nicht weniger. Es hat so wie es heute ist katastrophale Auswirkungen auf unseren Planeten, ist unfair, ineffizient, ungesund und basiert auf endlichen Rohstoffen; wir müssen es also so oder so irgendwann beenden. Und das ist kein Projekt allein für den reichen Norden, sondern für alle Länder, die das Pariser Klimaabkommen ratifiziert haben. Sollen auch ein paar arme Länder dabei sein, die von den Auswirkungen der Klimakrise ganz besonders hart getroffen werden, wenn der Norden nicht endlich seine Zusagen einhält, habe ich mir sagen lassen.

Überhaupt krankt dieser allzu simple Vorwurf daran, dass sich die Welt nicht einfach einteilen lässt in Rohstoff-Länder und Länder mit Wind- und Solarkraft-Ausbau, im Gegenteil: In all den Ländern, hinter denen der Spiegel sich hier als Entschuldigung versteckt, nichts tun zu müssen, gibt es ebenfalls Bestrebungen, von Kohle, Öl und Gas wegzukommen:

In China, wo die meisten seltenen Erden abgebaut und verarbeitet werden, stehen die mit Abstand meisten Windkraft- und Photovoltaikkraftwerke und fahren mehr E-Autos / Einwohner als in Deutschland.

In Afrika werden voraussichtlich neun weitere Staaten dem „Gigawatt Club“ beitreten, also den Ländern, deren installierte Photovoltaik ein Gigawatt Leistung übersteigt. Das ist auch kein Wunder, haben viele Länder des riesigen Kontinents kaum stabile Stromnetze, aber dafür sehr viel Sonneneinstrahlung, so dass dezentrale Lösungen bestehend aus Solarstrom und Batteriespeichern dort sehr attraktiv sind. Bei den Ländern mit entsprechenden Plänen handelt es sich um Algeria, Zimbabwe, Zambia, die Demokratische Republik Kongo, Angola, Namibia, Äthiopien, Marokko und Botswana.

Chile verfügt über die Region Haru Oni, die über die beständigsten Starkwinde des Planeten verfügt. Das ist ein sensationeller Standortvorteil, weswegen dort bereits mehrere Projekte geplant sind, bei denen mit Windstrom synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. In dem Land werden also nicht nur Kupfer und Lithium abgebaut, diese Metalle werden dort vielmehr auch genutzt, um die eigene Energiewende voranzutreiben.

Am Ende wird es also in Chile Windkraftanlagen mit chinesischem Neodym geben, in China fahre E-Autos mit kongolesischem Kobalt und im Kongo laufen Pufferbatterien mit chilenischem Lithium. Natürlich decken sich auch die reichen Länder im Norden mit diesen Rohstoffen ein, das ändert aber nichts daran, dass das Projekt Energiewende ein globales ist, von dem insbesondere arme Länder ohne Ölvorkommen profitieren werden.

Fazit:

Bei genauer Betrachtung bleibt vom Vorwurf des Raubbaus für die Rettung des Planeten am Ende kaum etwas übrig, und für die Missstände, die tatsächlich berichtenswert sind, werden bereits seit Jahren Lösungen diskutiert. Die Spiegel-Autoren versagen hier auf ganzer Länge, die Ergebnisse ihrer Recherche sinnvoll einzuordnen und zielen offenbar nur darauf ab, beim Publikum eine auf den Boden stampfende Empörung zu triggern.

Wie auch in den geistigen Vorbildern „Planet of the Humans“ von Michael Moore und der massiv desinformierende ARTE-Dokumentation „Die verborgene Seite der grünen Energien“ von Jean-Louis Pérez und Guillaume Pitron, steigern sich hier ein paar privilegierte, von der fossilen Weltwirtschaft profitierende Männer in einen dauerhaften Erregungszustand hinein, in dem jedes Gramm Solarzelle mit der Lupe auf Probleme untersucht wird, während so getan wird, als würde Erdöl auf lieblichen Almwiesen herangezüchtet.

Auch sie scheitern fulminant daran, auch nur eine einzige sinnvolle Alternative zu präsentieren und verirren sich am Ende genau wie Moore, Pérez und Pitron in der hochproblematischen Erzählung, dass das globale Bevölkerungswachstum das eigentliche Problem sei. Abgesehen davon, dass so ein Lösungsansatz aus dem extrem dicht bevölkerten Deutschland in Richtung ehemaliger Kolonien in Afrika einen ganz unappetitlichen Beigeschmack bekommt, ist sie auch in der Sache vollkommen naiv:

Klimaemissionen wirken kumulativ. Selbst wenn wir die Weltbevölkerung kurzfristig halbieren würden, so würde der Klimakollaps mit dem Erreichen unwiderruflicher Kipppunkte nur herausgezögert, solange weiterhin vier, zwei oder auch nur eine Milliarde Menschen weiter Erdöl, Kohle und Erdgas verbrennen.

Und bevor sich die Kritik jetzt pauschal am Medium selbst entlädt: Der Spiegel veröffentlicht in Bezug auf die Klimakrise auch extrem gute Beiträge. Auf der Themenseite zur Klimakrise finden sich exzellente Texte, von denen ich allerdings das starke Gefühl habe, dass Jens Glüsing, Simon Hage, Alexander Jung, Nils Klawitter und Stefan Schultz sie dringend mal lesen sollten. Auch die Kolumne von Christian Stöcker gehört mit zum besten, was es im deutschsprachgien Raum zum Thema zu lesen gibt.

Um so irritierender, dass dieses Stück Desinformation es zur Titelgeschichte gebracht hat.

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