Auch wenn die Attacken sich gerade auf Professor Drosten fokussieren, sollten wir nicht vergessen, dass es sich hierbei um einen medialen Angriff auf den Wissenschaftsbetrieb als solchen handelt – was umso infamer wirkt, da wir uns gerade in einer Pandemie befinden.
Wer diese „Zeitung“ liest und ihr glaubt, bekommt gerade den Eindruck vermittelt, Virologie und Epidemiologie seien so was eine Partie Sackhüpfen unter ForscherInnen und am Ende gewinnt der/die beste einen Preis, ohne überhaupt das Wohl der Allgemeinheit im Blick zu haben.
Als seien Drosten und seine KollegInnen primär daran interessiert, ihren persönlichen Meinungen zur Allgemeingültigkeit zu verhelfen und als bedürfe es ausgerechnet der Bild, zwischen den verschiedenen Fachmeinungen zu vermitteln.
Ja, auch Prof. Drosten kann sich irren. Eine Person, die das immer wieder artikuliert, ist er höchstselbst. Sein Podcast ist geprägt von konsequenter Eigenkorrektur, dem Aufzeigen der eigenen Grenzen und unzähligen Verweisen auf Ergebnisse anderer WissenschaftlerInnen.
Und das liegt nicht daran, dass er so ein bescheidener Typ ist, sondern weil nur so wissenschaftliches Arbeiten funktioniert. Weil schlaue Menschen Studien anfertigen, sich aber dennoch der eigenen Limitation bewusst sind und sich deswegen von FachkollegInnen kontrollieren lassen.
Das nennt sich Peer-Review. Diese Qualitätssicherung ist es, wodurch Studien erst ihre finale Relevanz erlangen und es ist vollkommen üblich und Sinn der Sache, dass dabei konstruktive Kritik geübt wird und Fehler entdeckt werden. Diese Kritik ist ein Feature, kein Bug.
Sie ist eine der größten Stärken des wissenschaftlichen Prinzips und damit eine der Grundlagen unseres gesamten Wohlstandes. Die Bild versucht, daraus eine Art Virologen-Krieg zu erfinden, in der „Star-Virologen“ von anderen scheinbar als inkompetent entlarvt werden, dabei stört sie einfach nur Fachleute bei ihrem akademischen Austausch.
Bei allem, was dieses Blatt schon für schlimme Aktionen zu verantworten hat, könnte das dennoch die schlimmste sein. Wir sind mitten in einer globalen Krise, die unsere komplette Gesellschaft bedroht. Um sie durchzustehen, sind eine Menge offener Fragen zu klären:
Wie stecken Menschen sich an? Sind sie danach immun und wenn ja wie lange? Welche Medikamente können den Krankheitsverlauf verbessern? Welche Schwachstellen hat das Virus? Je mehr wir darüber herausfinden, desto besser für unsere Gesundheit, unsere Wirtschaft, unser Zusammenleben.
Wenn Boulevardblätter in dieser entscheidenden Phase unsere führenden ForscherInnen bei ihrer Arbeit sabotieren, indem sie sie zu Hauptfiguren in einem medialen Scheinkonflikt reduzieren, tragen wir am Ende alle den Schaden.
PS: Ich würde gerade die Drosten-Kritiker dringend bitten, in die aktuelle Folge seines Podcasts wenigstens mal kurz reinzuhören. Das Trugbild des hochnäsigen, Akademiker-Fatzkes, der allen seine persönliche Weltsicht aufdrücken will, verfängt da einfach gar nicht, denn er macht gerade ziemlich interessante Vorschläge, um einem zweiten Shutdown zu entgehen.