Über Ulrike Herrmanns seltsame Kritik an E-Autos und warum diese auch gegen Bahnfahren spricht

UPDATE: Der hier besprochene Videoausschnitt ist ein recht unglücklicher Zusammenschnitt, denn er gibt nicht wider, auf was sie antwortet und dass sie durchaus gegen Autos generell argumentiert. Weitaus problematischer ist Frau Herrmanns Verständnis von Erneuerbaren Energien, auf der ihre Aussagen hier teilweise berufen, siehe [EDIT]-Bereiche im Artikel:

Aktuell geht ein Videoausschnitt der NDR-Sendung „DAS!“ viral, in dem Ulrike Herrmann ihre Sicht auf Elektroautos und die Energieversorgung schildert. Er ist 53 Sekunden lang, hat über 50.000 Reaktionen, wurde über 23.000 mal geteilt (26.09. um 13:00 Uhr), enthält aber leider nicht ein einziges plausibles Argument, so dass die Redaktion die Kommentarfunktion bereits einschränken musste. Ulrike Herrmann ist Journalistin und Autorin, Anfang September erschien ihr Buch „Das Ende des Kapitalismus“.

Den Fans von Frau Hermann wünsche ich, dass das Buch auf mehr Fachexpertise beruht als der Facebook-Video-Ausschnitt, denn da wirkt sie bezogen auf die Energiewende leider nicht gut informiert. Nun muss man bei Live-Sendungen berücksichtigen, dass die Gäste ihren Standpunkt nicht immer ideal rüberbringen können. Ich bin selbst für Anfang 2023 bei DAS! eingeladen und habe jetzt schon Bammel, mich an irgendeinem Punkt sensationell zu verhaspeln.

Da es aber auch Frau Herrmanns Entscheidung war, E-Autos erst mal als „totale Sackgasse“ zu bezeichnen, muss sie sich daran schon messen lassen, denke ich. Gehen wir das also mal Schritt für Schritt durch:

„Also aus meiner Sicht ist das Elektroauto die totale Sackgasse, weil es auch zu aufwändig ist. Sie müssen ja nur rausgucken und dann diese Elektroautos sehen. Am besten ist ja […] Tesla. Ein riesiges Auto, das Tonnen wiegt.“

[EDIT: Meine Kritik wäre hier deutlich schwächer ausgefallen, wenn die vorangestellte Frage der Moderation ebenfalls im Schnitt wäre. Diese war: „Jetzt wurde uns aber gesagt, ein Elektroauto, das wäre ein guter Ersatz für das momentane Auto, was halten sie davon?“. Die Antwort von Frau Hermann zielt also durchaus darauf ab, inwieweit sich das eine Autosystem durch das andere ersetzen lässt, was meine Kritikpunkte teilweise aufhebt. Sie stehen aber der Transparenz halber weiter im Text.]

Aufwändig? Verglichen mit was? Laut den Kommentaren möchte Frau Hermann mit ihrem Satz dafür plädieren, den ÖPNV auszubauen und den Individualverkehr hinterfragen. Ja klar, verglichen mit jemandem, der einen Weg zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegt (ist übrigens auch Individualverkehr), ist so eine Autoherstellung schon aufwändig, aber was in aller Welt hat das explizit mit E-Autos (Betonung auf dem E) zu tun?

Wollte sie das Argument stringent führen, müsste sie sagen „Also aus meiner Sicht ist das Auto die totale Sackgasse“, und das können wir gerne diskutieren. Sie schießt sich aber stattdessen auf Tesla ein, ein „riesiges Auto“. Nein, das ist kein Auto, das ist eine Firma, und die Autos, die aus den Fabriken dieser Firma rauspurzeln, sind auch nicht ausnahmslos riesig. Das mit großem Abstand meistverkaufte Modell von Tesla ist das Model 3 und das ist niedriger als ein VW Golf. Es ist auch etwas breiter und schwerer, aber ob das für die Umschreibung „riesig“ taugt, naja…

Ja, in der Regel sind E-Autos aufgrund des Gewichts der Batterie schwerer als gleich große Verbrenner, aber dieser Nachteil wird aufgrund der lokalen Emissionsfreiheit ja um Größenordnungen wieder ausgeglichen. Wenn ich am ersten Ring in Wiesbaden stehe und mit meinen Kindern auf das Vorbeiziehen der Blechkolonne warte, dann sind mir die etwas schwereren Model 3s deutlich lieber als die nervtötend lauten, klimaschädlichen Verbrenner, deren giftige Abgase in unseren Lungen landen.

Kritik an den immer größer werdenden Autos äußere ich selbst gerne, aber ich mache das seit dem Jahr 2000, als BMW mit dem X5 eine Art Kühlschrank auf Rädern herausgebracht hat, von dem allein in Deutschland hunderttausende zugelassen wurden, wodurch der BMW-Chef-Aerodynamiker den vermutlichen beklopptesten Beitrag zum Weltklima leistete. Auch die immer weiter steigende Platznot in unseren Städten wird nicht gerade entschärft dadurch, dass Autos immer größer werden, aber das hat mit der Antriebsart ja nun mal null zu tun.

Grundsätzlich würde ich Frau Hermann empfehlen, sich solchen Themen nicht durch das „rausgucken“ zu nähern, sondern durch das Sichten von Zulassungsdaten. Gibt ja nicht nur Tesla, sondern auch andere Hersteller, und so dominieren eher kleine Autos die Statistik der E-Neuzulassungen 2021 (achtet auf die Unterscheidung zwischen Klein- und KleinSTwagen):

  1. Tesla Model 3 (Mittelklasse)
  2. VW E-Up (Kleinstwagen)
  3. VW ID.3 (Kompaktklasse)
  4. Renault Zoe (Kleinwagen)
  5. Smart FORTWO (Kleinstwagen)
  6. Hyundai KONA (SUV)
  7. Skoda ENYAQ (SUV)
  8. VW ID.4 (SUV)
  9. Fiat 500 E (Kleinstwagen)
  10. BMW I3 (Kleinwagen)
  11. Opel CORSA (Kleinwagen)
  12. MINI Cooper SE (Kleinwagen
  13. Audi E-Tron (SUV)
  14. Peugeot 208 (Kleinwagen)
  15. Renault TWINGO (Kleinstwagen)

Es geht weiter mit:

„Dann sitzt da ein einziger Mensch drin und lässt sich mit enormem Energieaufwand da durch das Gelände fahren.“

Ja, in vielen Autos sitzt nur ein Mensch drin, was aber auch dem Umstand geschuldet ist, dass die anderen Leute im Büro meist wenig begeistert sind, wenn man seine Kinder mit ins Budget-Meeting bringt.

Spaß beiseite: Das Thema hier ist natürlich Verkehrswende und die damit einhergehende Frage, wie viele Autos es pro Person überhaupt braucht. In Deutschland sind mittlerweile 48,5 Millionen Autos zugelassen. Das bedeutet, dass wenn sich jetzt alle Deutschen mit Führerschein gleichmäßig auf alle Autos im Land verteilen, in 80% aller Autos nur eine Person sitzt. Das ist schon etwas viel und das liegt unter Anderem daran, dass es in Deutschland im Ländervergleich sehr günstig ist, Autos im öffentlichen Raum abzustellen.

Ja, können wir gerne ändern. Die meisten Menschen wären überrascht, wie viel mehr Komfort und Freiheit ein gutes Carsharing-System im Vergleich zum eigenen PKW ermöglichen kann, wenn man entsprechend lebt. Wenn. Wenn man hingegen etwas ländlicher lebt und auf die Frage „gibt es hier Carsharing?“ hin aufgefordert wird, eine dieser Simultanübersetzungsapps zu starten, sieht das anders aus. Da ist vielleicht noch eine Fahrgemeinschaft drin, aber eine Menge Menschen ist dort ohne eigenen PKW schon recht eingeschränkt mobil.

Der Punkt ist: Das hat mit E-Autos überhaupt nichts zu tun, sondern mit unserer autozentrierten Gesellschaft. Wir können uns gerne gemeinsam Lösungen überlegen, mit denen auch Menschen im ländlichen Raum nicht darauf angewiesen sind, privat 4-stellige Beträge in große Maschinen zu investieren, um mobil zu sein. Das wird nur leider nicht von heute auf morgen gelingen, so dass in den kommenden Jahren allein in Deutschland noch Millionen Autos gekauft werden. Und je mehr von denen mit Erdöl unterwegs sind, desto schlechter.

Das bedeutet nämlich einen deutlich enormeren Energieaufwand, um mal auf das Zitat zurückzukommen, weil Verbrennungsmotoren mit lausigen Wirkungsgraden von 25 Prozent unterwegs sind und unsere gerade im kommenden Winter kostbare Energie zu 75 Prozent zum Auspuff hinauswerfen. Sich in diesem Kontext gegen E-Autos auszusprechen, die mit der gleichen Energiemenge 3,5 mal so weit kommen, weil der Energieaufwand so „enorm“ sei, ist vollkommen absurd.

Es geht weiter mit:

„Und das Ganze ist ja nur klimaneutral, wenn erstens: Der Strom echter Ökostrom ist und wenn dieses ganze Auto auch nur mit Ökostrom hergestellt wird.“

Dieses Argument ist jetzt nicht neu, wird aber sonst von der Fossil-Lobby gebracht. Weiß nicht, ob das ein gutes Zeichen für eine Kapitalismus-Gegnerin ist, wenn die eigenen Argumente aus der Trickkiste einer der aggressivsten, im Kapitalismus reich und mächtig gewordenen Lobbys stammen, aber gut.

Ja, bislang ist kein Auto wirklich klimaneutral, weil bei der Herstellung zumindest indirekt fossile Brennstoffe zum Einsatz kamen oder bei der Herstellung der Solarmodule und Windkraftanlagen, die im optimalen Fall den Strom liefern. Dinge, die so gesehen ebenfalls nicht klimaneutral sind:

Fahrräder
Schuhe
E-Busse
Straßenbahnen
Vegane Muffins
Bio-Schnittlauch
Jute-Beutel
Pädagogisches Holzspielzeug

Hey, wisst ihr, was auch nicht klimaneutral war? Wie ich letzte Woche mit dem Zug vom Hauptbahnhof in Hannover zur Messe Hannover gefahren bin, dazu tuckere nämlich ein Diesel-Aggregat in der Lokomotive. Ist das ein Argument gegen Zugfahren? Natürlich nicht, die Deutsche Bahn fährt zu einem überwältigenden Anteil (dennoch zu klein) auf elektrifizierten Strecken und die paar Dieselzüge ändern nicht den klaren Klimavorteil.

Ich könnte mich jetzt dennoch hinstellen und erklären, dass E-Loks die totale Sackgasse seien, weil die ja auch nicht klimaneutral hergestellt sind auch nicht nur mit Ökostrom laufen bzw. das tun einige Leute aus der Erdöl-Autos-für-alle-Bubble seit Jahren. Sie machen dabei den gleichen Fehler wie Frau Herrmann, weil sie übersehen, dass der Strommix eben immer besser wird und sowohl die Produktion von Zügen als auch das Zugfahren selbst damit perspektivisch klimaneutral werden, genau wie bei E-Autos nun mal auch.

Letzter (und schlimmster) Abschnitt:

„Und da ist einfach klar: Der Ökostrom wird nicht reichen. So, und wenn man dann feststellt, dass Ökostrom knapp und teuer bleiben wird, dann ist das allererste, was man aufgeben muss, das E-Auto“

[EDIT: Im direkten Anschluss sagt Frau Herrmann noch „oder überhaupt Autos“, was ihre Argumentation deutlich stringenter macht.]

Aha. Frau Herrmann ist gegen eine Umstellung auf Strom, weil der Ökostrom nicht reicht. Gut, nach der Logik kann ich auch gegen bessere Bildung sein, weil die Lehrkräfte nicht reichen. Die naheliegende Idee, mittelfristig einfach für mehr Lehrkräfte zu sorgen, scheint als Transferleistung für den Stromsektor viele zu überfordern.

Anstatt „Der Ökostrom reicht nicht, also lasst uns mehr Ökostrom-Kapazität zubauen“ wird hier der Schluss gezogen, halt einfach die Energiewende zu stoppen.

Leute, die diese Idee gut finden mögen auch „Oh, wir haben zu wenig Medikamente, na dann lasst uns doch einfach nur die Hälfte der Menschen behandeln“ oder „in dieser Stadt gibt es zu wenig Radwege, lasst uns einfach weniger Rad fahren“. Ich weiß schon, die Idee soll da sein, unnötigen Ressourcenverbrauch zu verhindern, aber Energie brauchen wir ja nicht nur für grellen Plastik-Plunder, sondern für so elementare Dinge wie warme Wohnräume, elektrisches Licht, Mobilität, Bildung, Medizin, Stahl und auch den von Frau Herrmann (und mir) geliebten ÖPNV.

Ökostrom ist auch nicht zwingend knapp, zumindest für E-Autos nicht, denn die können wir aufladen, wenn das Netz gerade vor PV- und Windstrom überläuft – gilt aber natürlich auch für E-Busse oder E-Roller. Ferner ist Ökostrom auch nicht teuer. Er ist der günstigste Strom in unserem Mix und drückt unseren Börsenstrompreis in ungeahnte Tiefen, wenn er im Rudel auftritt. Es ist mir schleierhaft, warum ausgerechnet eine Kapitalismus-Kritikerin diese Märchen der Fossillobby nacherzählt.

Fazit: Frau Hermann möchte gerne für die Verkehrswende argumentieren, schafft das aber nicht, ohne gleichzeitig die Energiewende schlechtzureden. Das wiederum lässt auch ihre eigenen Ziele fragwürdig erscheinen, da ohne Energiewende keine Mobilität jemals klimaneutral sein wird.

Selbst wenn man der Auffassung ist, dass der PKW-Bestand in Deutschland problematisch ist (bin ich), wirken ihre Argumente plump formuliert, da all ihre Kritik auf Autos generell zutrifft und nicht auf E-Autos im Speziellen. Diese Kommunikation führt immer wieder dazu, dass Menschen sich eher in der Benutzung von Erdöl-Autos bestätigt sehen, anstatt für Verkehrswende einzutreten.

Dass sie hierzu Scheinargumente aus Kohle-, Erdöl- und Erdgaslobby recycelt, die bislang weder an Klimaneutralität noch an einer Verkehrswende interessiert ist, ist besonders enttäuschend. Vielleicht erreicht sie ja meine Frage, was denn gegen die Idee spricht, unsere PKW-Flotte insgesamt zu verringern und gleichzeitig elektrisch zu machen.

Zur Frage, wie wir genug Ökostrom erzeugen können, wie das mit den Speichern und den Rohstoffen klappen soll, und warum weniger PKW dabei hilfreich wären, habe ich das Buch „Weltuntergang fällt aus!“ geschrieben. Sollte jemand hier Kontakt zu Frau Herrmann haben, lasse ich ihr gerne ein Exemplar zukommen (nicht hämisch gemeint).

Ergänzung (27.09.2022):

Wie schon weiter oben bemerkt sind Frau Herrmanns Aussagen bezogen auf Elektroautos nicht so kritikwürdig, wenn man sich den gesamten Beitrag ansieht. Worüber wir aber wirklich sprechen müssen, das sind ihre Aussagen zur Energiewende, denn da macht sie einen kolossalen Denkfehler und der strahlt auch in die Aussagen zu E-Autos rein.

Etwa 40 Sekunden nach obigem Redebeitrag sagt sie:

„aber diese Vorstellung, dann ist da unendlich viel Ökostrom und jeder kann machen was er will, die ist falsch. Aber wahrscheinlich muss man das erklären, warum Ökostrom knapp bleiben wird also obwohl das eigentlich auch banal ist: Letztlich ist die einzige Ökoenergie, die uns zur Verfügung steht entweder Solarpaneele oder Windkraft.

Jetzt ist aber das Problem, dass der Wind nicht immer weht und die Sonne scheint auch nicht immer, das heißt wenn man so eine Wirtschaft kontinuierlich am Laufen halten will, dann muss man enorme Massen an Energie zwischenspeichern und da gibt es dann eigentlich nur zwei Technologien, das eine sind Batterien und das andere ist perspektivisch grüner Wasserstoff und beides ist teuer und aufwändig. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber es ist nur teuer und aufwändig, weil wenn man erst mal feststellt, dass die Energie teuer und aufwändig ist, ist klar, das mit dem Wachstum wird nichts.“

Hier sind mehrere Fehler enthalten:

1. Die einzige Ökoenergie ist nicht Wind- und Solarkraft, es gibt auch Wasserkraft, Biomasse und Geothermie. Letztere spielt in Deutschland (noch?) keine große Rolle und auch Wasserkraft und Biomasse sind begrenzt, aber andere Länder haben hier rein geografisch große Vorteile und können diese Energien besser nutzen. Wind- und Solarkraft sind halt als einzige nennenswert skalierbar.

2. Dass Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung stehen, ist vermutlich die am häufigsten Vorgetragene Wahrheit, die schon jeder kennt. Der Witz ist nur, dass die Zeiten, in denen das bei einem starken Ausbau der Erneuerbaren die Ausnahme ist. In der Regel hätten wir an den meisten Tagen aufgrund der Witterung ausreichend oder deutlich mehr Strom, als wir brauchen.

3. Eine Wirtschaft lässt sich so übrigens am besten am Laufen halten, wenn wir den Stromverbrauch mehr an der Erzeugung ausrichten. Das geht nicht mit allen Wirtschaftsbereichen, aber eine Menge sehr energieintensive Prozesse sind zeitlich recht flexibel, so dass es sich für Firmen heute schon lohnt, das zu berücksichtigen. In meinem Buch habe ich das betreffende Kapitel „Der Speicher, den keiner braucht“ genannt und bringe das Beispiel eines Papierherstellers, der sein Hackschnitzelwerk dann anwirft, wenn das Netz vor Windstrom überquillt, weil das 6- bis 7-stellige Beträge auf der Stromrechnung einspart.

4. Frau Herrmann geht davon aus, dass Ökostrom immer knapp bleibt, weil sie nicht zwischen Primärenergie und Nutzenergie unterscheidet. Wird bei DAS! nicht ganz so gut ersichtlich, aber hier hält sie einen Vortrag beim Schauspiel Stuttgart, in dem sie behauptet, wir müssten noch 93 Prozent unseres Endenergieverbrauchs umstellen, und das sei einfach nicht machbar:

„So und da wird es jetzt aber wirklich schwierig […], aber eine einzige Zahl macht schon deutlich, wie schwierig [die Energiewende] wird. Sie alle wissen, dass wir in Deutschland seit 20 Jahren den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern und subventionieren und momentan sind wir so weit, dass die Windenergie, und das ist die zentrale Energie in Deutschland, weil Sonne scheint ja im Winter nicht, […] macht im Augenblick 5,4% des Endenergieverbrauchs in Deutschland aus.

Das heißt, wir müssen, wenn wir hier klimaneutral werden wollen, noch ungefähr (lach), 95 Prozent des Endenergieverbrauchs, naja, wenn man Solar noch mitzählt, 93% des Endenergieverbrauchs umstellen auf klimaneutrale Energie. Und das alles in 15 Jahren.“

Das Argument kennen wir eigentlich schon mit dem Primärenergiebedarf, an dem der Wind- und Solaranteil ohne Hintergrundwissen tatsächlich sehr klein erscheint: Bei Windkraft liegt der Anteil bei 4 Prozent, für Photovoltaik bei 1,5 Prozent. Die scheinbare Schlussfolgerung, wir müssten diese 5,5 Prozent nun durch 20 mal so viel Wind- und Solarkraft auf 100 bekommen, ist glücklicherweise falsch, denn im Primärenergiebedarf ist eine ganze Menge Energie enthalten, die wir gar nicht brauchen.

Fossile Energie hat meist einen lausigen Wirkungsgrad und so entweicht selbst bei modernen Kohlekraftwerken 60 Prozent der Energie durch Schornstein und Kühlturm des Kraftwerks. Bei einem Verbrennerauto sind es sogar 75 Prozent und auch eine Gasheizung benötigt viel mehr Energie für die gleiche Heizleistung verglichen mit EE-Strom und Wärmepumpe.

Ich habe das im Buch so zu illustrieren versucht: Links ist unser aktueller EE-Anteil an der Primärenergie und rechts sieht man, wie viel weiter wir eigentlich schon sind, weil eine Energiewende eben auch die Menge benötigter Energie reduziert:

Frau Herrmann nimmt nun anstatt des Primärenergiebedarfs den Endenergiebedarf, da sind schon mal die Kühltürme rausgerechnet, aber es ist immer noch ein mit zahlreichen fossilen Anwendungen aufgeblähter Anteil. Zudem unterschlägt sie Wasserkraft und Biomasse, geht also von einem viel zu hohen benötigten Zubau aus.

Ohne dieses Wissen muss man natürlich davon ausgehen, dass wir kaum in der nötigen Zeit die nötige Menge Ökostrom erzeugen können. Aber das können wir. Nicht nur, weil die Menge benötigter Energie sinkt, sondern weil Wind- und Solarkraft viel effizienter und günstiger geworden sind und eine heutige 6-MW-Windkraftanlage 4 bis 5 mal so viel Strom erzeugt wie die Anlagen im deutschen Bestand.

Ihr merkt schon, das ist ein riesiges Thema, aber in diesem Fall stellt Frau Herrmann es leider verkürzt dar.

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