Zuckerminister rät: Für eine ausgewogene Kinderernährung mindestens ein Snickers zu jeder warmen Mahlzeit!

Was ist das da am Himmel??? Ist es ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein, es ist unser Ernährungsminister! Aber was ist denn mit seinem Kopf los, er steckt ja bis zu den Schultern in irgendwas drin! So tu doch irgendjemand was! Ach, jetzt erkenne ich es – Entwarnung – das ist einfach nur der Hintern der Fleischindustrie. Welch schönes Naturschauspiel… Immer zu Jahresende fliegen die Lobbyisten gen Süden, um dort ihr Nest für die Zeit nach ihrer politischen Karriere zu bauen.

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Es ist schon schräg. Ausgerechnet in einer Zeit wirklich ernster Probleme parkt die CSU primär Lösungen in ihrem Parteiprogramm, zu denen es gar kein Problem gibt. Christian Schmidt ist Landwirtschafts- und Ernährungsminister, und da gibt es wirklich viel zu tun. Das millionenfache Leid der Kreaturen, Klimawandel, multiresistene Erreger, EU-Klagen gegen Deutschland wegen Gülle, undurchsichtige Subventionen, adipöse Kinder und und und. Aber bei all diesen Punkten setzt man gerne auf Freiwilligkeit, wie Schmidt immer wieder betont.

Diese Dinge scheinen nicht wichtig genug zu sein für echte Maßnahmen. Aber jetzt hat Schmidt ein paar Missstände zur Chefsache erklärt, die wirklich dramatische Folgen haben, wenn sich ihnen nicht der Mann mit dem flexibelsten Rückgrat der Nordhalbkugel annimmt: In Kitas soll nämlich wieder mehr Schweinefleisch verfüttert werden, jawohl! Zitat:

„Dass unsere Kinder kein Schweinefleisch mehr bekommen, ist völlig inakzeptabel. Fleisch gehört auf den Speiseplan einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, auch in der Kita- und Schulverpflegung.“

Echt jetzt? Das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen: Für eine ausgewogene Ernährung braucht das Kind explizit Schweinefleisch. Nicht mal Rindfleisch oder Fisch reichen aus für blitzende Zähne und stramme Waden, der Krempel muss zwingend vom Schwein kommen. Und das ist nicht die Aussage vom Youtube-Channel „Pork4EverB4c0n<3“, sondern vom Bundesernährungsminister (!), es ist so traurig. Ist jetzt nicht so, dass 100 Gramm Schweinefleisch zwingend ein ernährunsphysiologischer Volltreffer wären:

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Zur Erläuterung: Das sind die Nährstoffprofile von einer nicht dem Vegetarismus verschriebenen Seite (Pökelfleisch, Bauchfleisch, Rippchen, Kartoffel): Proteine sind blau, Vitamine violett, Mineralien weiß und wären Ballaststoffe in Schweinefleisch, dann wären sie grün gekennzeichnet. Hohe Werte erzielt das Nahrungsmittel, das laut Schmidt bitte öfter an Kinder verfüttert werden soll, eigentlich immer im gelben Bereich. Der repräsentiert die Gruppe der Nährstoffe, die man lieber nicht so stark konsumieren sollte: gesättigte Fettsäuren, Cholesterin, Natrium.

Nun ist Schweinefleisch nicht gleich Schweinefleisch, die Nährstoffzusammensetzung kann variieren: Gepökeltes Fleisch, sowie das fettige Bauchfleisch haben eher schlechtere Werte, das Profil von teurerem Schulterfleisch sieht etwas besser aus. Wir reden jetzt aber nicht von Sterne-Restaurants, sondern von chronisch unter Budgetmangel leidenden Kitas und Schulen – es soll vorkommen, dass in solchen Einrichtungen mitunter auch der Preis das Menü bestimmt. Selbst das eher konservative Handelsblatt kommentiert hier ganz treffend:

„Das Problem ist weniger das Fehlen von Schwein als das geringe Budget, das in den meisten Einrichtungen für den Mittagstisch zur Verfügung steht. Da ist eine überwiegend vegetarische Ernährung wahrscheinlich gesünder als Gerichte mit Billigfleisch.“

Da muss ich spontan an die Herr der Ringe Szene denken, in der König Theoden gar nicht mehr selbst spricht, weil Saruman von seinem Geist Besitz ergriffen hat. Der Unterschied ist, dass hier nicht Saruman Besitz von Christian Schmidt ergriffen hat, sondern der Schweinebauernverband. Und dass König Theoden die gesündere Hautfarbe besitzt. Hier wird ja nicht mal mehr so getan, als ginge es wirklich um das Wohl der Bürger. Man hat eher den Eindruck, als wäre der Typ komplett ferngesteuert.

Brandthema Nummer zwei: Schnitzel ohne Fleisch drin dürfen nicht mehr Schnitzel heißen!

„Begriffe wie „vegetarisches Schnitzel“ oder „vegane Currywurst“ sind komplett irreführend und verunsichern die Verbraucher. Ich setze mich dafür ein, dass sie im Sinne einer klaren Verbraucherkennzeichnung verboten werden.“

Für wie blöd hält Schmidt eigentlich seine Wähler? Denkt der Mann, Fleischesser seien zu doof, den Begriff „vegetarisch“ korrekt zuzuordnen?

„Hey Schatz, ich habe ein leckeres Schnitzel gekauft“
„Vom Schwein oder Kalb“
„Öööhm, vom <<Veganes>>?“
„Schmeckt ja komisch“

Nein, dieser Dialog dürfte selten sein in Deutschland. Aber es gibt andere irreführende Produkte bei uns: Eierkartons und Milchtüten mit Wiesen auf der Verpackung, obwohl die am Produkt beteiligten Tiere in ihrem Leben nicht eine Wiese gesehen haben. Irreführende Bezeichnungen wie „Freilandhaltung“, weil da eine Klappe an den Stall gedübelt ist. Man kann Kalbsleberwurst mit 45% enthaltenem Schweinefleisch kaufen. In Bayern, wo Schmidt herkommt, darf man Leberkäse verkaufen – ohne dass darin Leber oder Käse enthalten wäre. Und wollte man wirklich ehrlich sein, müsste man die Wurstpackungen auch mit „Enddarm gefüllt mit Fleischbrei“ untertiteln, damit der Konsument im Bilde ist 😉

Und es gibt noch viel irreführendere Produkte: Katzenzungen, Bärchenwurst, Mettigel, Gummibärchen, Babyöl, Himbeeren-Fruchtgummis, Apfel-Spaghetti (saure Schnüre) usw. Herr Schmidt mag ja an Weihnachten hysterisch in der Küche herumrennen, weil die Marzipankartoffeln nach 20 Minuten in kochendem Salzwasser immer noch nicht recht zum Raclette schmecken wollen, aber der Rest von uns ist glücklicherweise nicht halb so doof, wie er offenbar glaubt.

Was Irreführung ist und was nicht, sollte außerdem auch nicht von der subjektiven Interpretation eines einzelnen Lobbyisten abhängig sein, sondern aus existenten Gesetzen abgeleitet werden. Schaut man ins Lebens- und Futtermittelgesetzbuch, steht in Paragraph 11:

„Es ist ferner verboten, […] Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen.“

Nun könnte man davon ausgehen, dass die Worte „vegetarisch“ oder „vegan“ auf einer Verpackung für genau diese ausreichende Kenntlichmachung ausreicht. Ich bin mal gespannt, wie der Mann diesen Gesetzestext ändern möchte, so dass Veggie-Schnitzel in Zukunft verboten ist, Leberkäse aber nicht.

Ein Drama: Schmidt wollte verhindern, dass männliche Küken geschreddert werden, aber da wartet man jetzt doch lieber ab, ob man das in Zukunft technisch lösen kann. Damit Hühnchen nicht mehr der Schnabel gekürzt wird (tut vermutlich scheißweh), gibt es eine freiwillige Vereinbarung mit der Schnabelkürzindustrie. Die Hühner sind begeistert. Schmidt will ein Schlachtverbot für trächtige Kühe. Seit 1,5 Jahren prüft das Ministerium, was man da machen kann. In meinem naiven Weltbild dachte ich, man könnte diesen Kühen ja einfach kein Bolzenschussgerät an den Schädel halten, aber das ist wohl zu kompliziert. Immer alles freiwillig, immer alles mit viel Zeit im Gepäck. Aber gegen Veggieschnitzel, da soll schnell ein Verbot her.

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Ständig faselt der Mann davon, Gegner von Ernährungsverboten und Essensideologien zu sein. Ein Verbot von Veggieschnitzeln und eine staatlich verordnete Schweinefleischdiät für Kleinkinder scheint diese Gegnerschaft aber nicht mit einzuschließen. Man kann daraus folgern, dass es sich hierbei einfach um leeres Gerede hält, um vegetarischer Ernährung irgendwie das „Verbot“-Label anzuhängen. Ist es schon verschwörungstheoretisch, wenn ich in diesem Vorstoß das Motiv sehe, dass weniger Menschen ein seltsam klingendes Produkt kaufen, das „Sojalappen in Panade“ heißt und Schmidt dadurch auf ein schöneres Büro hoffen kann, wenn er in vier Jahren als Berater zu Wiesenhof oder Tönnies wechselt?

Unabhängig davon, ob man Fleisch isst oder nicht: Die Aufgabe dieses Mannes ist, die Verwendung der vorhandenen Agrarflächen zum Wohle des Volkes zu reglementieren, nicht die Maximierung des Profits von Fleischfabrikbesitzern.

14 Gedanken zu “Zuckerminister rät: Für eine ausgewogene Kinderernährung mindestens ein Snickers zu jeder warmen Mahlzeit!

  1. Strukturwandel.

    Ich finde auch das eine und andere was da so durch die Diskussionen läuft geht auf keine Sojamilchhaut mehr – was mir zudem in dem öffentlichen Diskurs fehlt ist die Einsicht dass wir einen Strukturwandel in der Agrar-/Lebensmittelindustrie brauchen. Wir sind „Irgendwasmeister“ (nein ich habe keine Lust das zu googeln 🙂 ) im Fleisch-/Milchexport aber nicht in der Lage die Nachfrage der Millionen Veganer, Vegetarier und Flexitarier nach pflanzlichen Produkten sinnvoll mit gesunden, lokal hergestellten und nachhaltigen Produkten zu bedienen weil wir unsere Äcker für Futter und die Subventionen für die Fleisch- und Milchproduktion benötigen. Strukturwandel. Leider gibt es dafür keine Lobby…

    Es wäre ja auch völlig undenkbar dass wir so exotische Produkte wie Erbsen, Linsen und Gemüse zum Verzehr anbauen und verarbeiten (versuch mal z.B. Erbsenprotein aus Deutschland in Bioqualität zu kaufen (#“Nicht-EU-Landwirtschaft“) statt Viehfutter weil klar – Tiere produzieren ist ja aus Gründen in Deutschland billiger möglich als Pflanzen!? Und naja – in 10 Jahren werden die Därme #sic vielleicht anders gefüllt – solange mache ich meine Vurst selbst.

  2. Die Diskussion geht ja auch schnell in die Richtung, dass man die Konsumenten in ihrer Freiheit nicht eingeschränkt möchte. Dabei sind die Konsumenten durch die Industrie bereits seit der Kindheit gelenkt und eingeschränkt worden. Sich gegen indoktrinierte Ess- und Konsumgewohnheiten zu stellen ist die eigentliche Freiheit!

  3. Ich wundere mich, was Firmen wie Heirle oder Rügenwalder davon halten. Das Design von deren Veggie Wurst Verpackung ist täuschend ähnlich zu dem der hauseigenen konventionellen Wurst. Ich denke, das ist Absicht (aber keine böse dem Verbraucher gegenüber).

    Obwohl sie ja auf der Fleischindustrie Seite sitzen, kümmert sie das nicht. Weil Sie einfach mit Veggie Zeugs auch Profit machen können (sogar mehr, wenn man mal auf Kosten/Gewinn schaut (Vermutung)).
    Da ist der gewünschte Strukturwandel schon in vollem Gange. Nur bei den Tierzüchtern noch nicht. Naja, pech gehabt, die Ratten verlassen schon das sinkende Schiff… 😀

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