Wie ein Vortrag von Harald Lesch irreführend zusammengeschnitten wurde und worum es darin eigentlich geht

Seit Wochen verbreitet sich nun ein Video mit Professor Harald Lesch im Internet, in dem er die Nutzung von Elektroautos harsch kritisiert. Die seien teuer, würden viel Lithium benötigen und das hätte schlimme Auswirkungen auf die Grundwasserreserven einer chilenischen Wüste.

Spätestens seitdem ist dieser Bereich der Atacama-Wüste in aller Munde. Ironischerweise beschwert sich Professor Lesch in seinem Vortrag noch, dass kein Mensch fragt, woher denn das ganze Lithium für die Akkus komme – seit dem Erfolg des Videos wird diese Frage so gut wie immer gestellt, sobald irgendwer auch nur an ein Elektroauto denkt.

Und zwar am liebsten von Leuten, die selbst gerne Autos mit Verbrennungsmotor fahren. Ich habe dieses Video in diversen Gruppen gesehen, die „Ja zum Diesel!“, „stoppt die DUH“ oder so hießen und deren Mitglieder diese Frage wohl für eine ganz wunderbare Argumentation halten, um weiter Erdöl zu verbrennen.

Ich lese täglich Meinungen von Leuten, die Elektroautos für schlimmer als Plutonium im Bällebad halten, weil sie damit keine tausend Kilometer am Stück fahren können, und immer wieder werden diese drei Minuten und zwei Sekunden hervorgekramt, in denen Professor Lesch den Studierenden der TU Ilmenau seine Sicht auf Elektromobilität erläutert.

Die Sache hat nur einen Haken: Der ganze Vortrag ist 116 Minuten lang. Und wer ihn sich von Anfang bis Ende anschaut und als Aufforderung versteht, viel Geld in Verbrennungsmotoren zu investieren, hat entweder eine unterirdisch schlechte Auffassungsgabe oder eine derart verzerrte Wahrnehmung, dass er Kanye Wests Interpretation von Bohemian Rhapsody vermutlich für ein wichtiges Stück Musikgeschichte hält.

Das sind Dinge, die Professor Lesch in seinem Vortrag ebenfalls sinngemäß sagt:

– Verbrennungsmotoren sind eine ökologische Katastrophe (konkret bezogen auf 8er BMWs)
– Fossile Brennstoffe sind eine ökologische Katastrophe
– Goldabbau ist nicht nachhaltig
– Ein zeitnaher Braunkohle-Ausstieg ist zwingend erforderlich
– Deutschland sollte viel mehr Geld in Schienen und Züge stecken und weniger in Straßen
– Phosphatabbau ist nicht der Weisheit letzter Schluss
– Ölpipelines in Nigeria sind eine ökologische und gesundheitliche Katastrophe
– Recycling von Elektrogeräten muss besser werden
– Der Abbau von Chromsulfat in Indien ist nicht zu verantworten
– Billigflüge sollten abgeschafft werden
– Kreuzfahrtschiffe sind fragwürdig
– Rinderhaltung in Texas ist eine ökologische Katastrophe

So. Zu den Elektromotoren hätte ich noch ein paar Nachfragen, aber sei’s drum: Der Tenor seines Vortrags ist eindeutig, dass wir unseren Konsum einschränken müssen. Und vor diesem Hintergrund ist der vielgeteilte Auszug aus dem Video vermutlich so gemeint, dass individuelle Mobilität mit 7,5 Milliarden Autos für 7,5 Milliarden Menschen kein sinnvolles Konzept ist, selbst wenn diese lokal emissionsfrei fahren.

Ist sie auch nicht. War sie auch noch nie. Die Frage ist eigentlich nur, wie schädlich ein Elektroauto im Vergleich zu einem mit Ottomotor ist. Ja, ein Teil des Lithiums aus der Atacama-Wüste geht in die Produktion von Lithium-Ionen-Akkus (Im Jahr 2013 weniger als 30 %) und davon geht wieder ein Teil in Elektroautos. Das kann man auch gerne hinterfragen, aber dann doch bitte bei beiden Antriebsarten.

So eine Nockenwelle und ein Getriebe für ein Benzinauto wachsen auch nicht auf einer Wiese. Die Batterien aus herkömmlichen Autos werden von nigerianischen Fabrikarbeitern ohne Atemmasken zerlegt, ganze Dörfer wurden hier in den letzten Jahren mit Blei verseucht. Die Förderung von Milliarden Barrel Rohöl geschieht auch unter nicht so tollen Bedingungen, nur wenige hängen sich gerne Stillleben mit dem Namen „Teersandförderung in Kanada“ ins Schlafzimmer. Und das hat einen Grund. Die Millionen Liter Diesel entschwefelt man üblicherweise mit Nickel-Molybdän- oder Kobalt-Molybdän-Katalysatoren. Der größte Anteil des Lithiums weltweit geht übrigens in die Glas- und Keramikproduktion (Stand 2013).

Wer also Professor Leschs Kritik ernst nehmen möchte, der sollte schlicht möglichst wenig Auto fahren. Als Argument für feuchte Hubraumträume eignet sich sein Vortrag aber mal so gar nicht.

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8 Gedanken zu “Wie ein Vortrag von Harald Lesch irreführend zusammengeschnitten wurde und worum es darin eigentlich geht

  1. Ich bin früher gern und viel mit der Bahn und sonstigem ÖPNV gefahren. Aber als dann die Bahn „privatisiert“ wurde und angefangen wurde sie totzusparen, dafür aber beim Personal immer noch der Kasernenhofton aus Bundesbahnzeiten gegenüber dem Kunden üblich war, ist mir vor ca. 20 Jahren die Hutschnur geplatzt und ich bin widerwillig, aber entschlossen Konsumsklave der Auto- und Erdölmafia geworden. Es war für mich das kleinere Übel. Es wurde ein verbrauchsarmer Kleinwagen angeschafft, den ich 18 Jahren mit moderater Geschwindigkeit (ca. 85km/h) und auch möglichst Mittelstrecke mit zusammengelegten Wegen und nie nur zum Spaß gefahren bin. Jetzt ist es als noch etwas kleineres Übel ein Elektroauto der Kompaktklasse geworden und ich bin zumindest weitestgehend von der Ölmafia befreit. Bis auf einen alten Traktor wird Haushalt und Garten damit verbrennerfrei mit Ökostrom betrieben (2-Takt-Geräte und Kleinwagen noch als Notfall-Backup).

  2. Klar kann man nicht alles in einem Vortrag erschlagen, aber ich finde es schon ok, wenn mal jemand die hochgelobten „grünen“ E-Autos hinterfragt. Zudem geht es doch nicht nur um die heutige Situation, in denen E-Autos weltweit noch keine große Rolle spielen. Im Gegensatz zur Glas- und Keramikindustrie, die übrigens nach aktuellstem Stand und anders als im Text erwähnt auch schon einen geringeren Anteil an der Li-Nachfrage gegenüber Batterien haben (z.B. M. Schmidt, Rohstoffrisikobewerting – Lithium, DERA Rohstoffinformationen 33, 2017), gehen Prognosen davon aus (z.B. M. Hocking et al., Lithium 101, Deutsche Bank Market Researchs, 2016), dass die Nachfrage an Lithium für E-Autos signifikant steigt. Das soll kein Gegenargument für E-Autos sein, sondern nur ein Kommentar.

  3. Das Dumme ist, die alten Benziner und Diesel, di dann durch die Elektroautos ersetzt werden, fahren dann in den östlichen Ländern oder auch in Afrika.
    Also muss eine Verkehrswende her und die gesamte Blechlawine massiv verringert werden, hier wie anderswo.

  4. Ich finde es ironisch, daß man jetzt von Diesel- und Benzinauto-Verfechtern den gleichen hanebüchenen Unsinn hört, den man als Veganer oder Vegetarier schon seit Jahrzehnten von Fleischessern gewöhnt ist.

    Um seine eigene Abhängigkeit irgendwie vor sich selbst und anderen irgendwie zu rechtfertigen, ist kein Argument zu weit hergeholt, von „Pflanzen haben Gefühle“ über „Aber … Löwen ???“ bis hin zu „Aber MEIN Körper hat mir klargemacht, daß ich ohne Eier/Käse/Steak/wasauchimmer nicht gesund leben kann“…. und genau das hören wir jetzt wieder als „Meiner persönlichen Meinung nach sind Elektroautos gar nicht so umweltfreundlich, wie alle behaupten …“

  5. Werde auf mein Grab eine Blume pflanzen lassen. Sie wird heissen Hoffnung. Aber ich glaube auch sie wird bald Verblühen!? (Erwin Chargaff)

  6. Hm, irgendwie finden Wasserstoff-Brennzellen nur wenig Erwähnung.
    Der Wirkungsgrad der Wasserstoffherstellung aus Überschuß-Strom ist derzeit noch sehr überarbeitungswürdig, da habe ich aber Hoffnung. Wenn man bedenkt, daß viele Windräder still stehen, weil das Netz den Strom gerade nicht aufnehmen kann, dann ist jedes Prozent Umwandlung ein Gewinn. Die Vorteile und Ähnlichkeiten bei der Speicherung und Tankzeit mit Wasserstoff sind für die Akzeptanz beim Umstieg von fossilen Kraftstoffen nicht zu verachten.

  7. Dem Wirkungsgrad bei der Wasserstoffherstellung sind enge Grenzen gesetzt und kann nicht beliebig erhöht werden. Die Idee den Wasserstoff mit Überschuß-Ökostrom herzustellen und diesen damit quasi zu speichern ist auf den ersten Blick bestechend. Auf den zweiten Blick haben wir den derzeitigen Stromüberschuß nur wegen der noch laufenden und häufig in ihrer Regelkapazität nach unten durch das Ökostromangebot erschöpften fossilen und nuklearen Grundlastkraftwerke (Braunkohle und AKWs). Da diese so schnell wie möglich abgeschaltet werden müss(t)en und der Stromverbrauch durch weiteren Ersatz fossiler Brennstoff durch Strom enorm ansteigen wird, brauchen wir noch sehr viel mehr Ökostrom bis wir hier in einen Überschußbereich kommen. Des weiteren gibt es und wird es konkurrierende Speichertechniken (Batterie, geohydraulische Pumpspeicher) und Speichervermeidung (Netzausbau, Regelverbraucher) geben, die deutlich effektiver und einfacher zu handhaben sind als Wasserstoff, der hochflüchtig und -explosiv, schwer und verlustbehaftet zu transportieren und zu komprimieren, korrosiv und nur unter weiteren Verlusten in Methan oder SynFuels weiterverarbeitbar ist. Dazu kommt, dass für eine Wasserstoffwirtschaft eine neue, enorm teure, schlecht skalierbare Infrastruktur notwendig ist, die die ganze Sache – selbst mit staatlicher Förderung – extrem schwer wirtschaftlich macht. Es hat schon seinen Grund, dass die Wasserstoffwirtschaft seit Jahrzehnten quasi auf der Stelle tritt und nicht richtig in Gang kommt. Die Hindernisse sind einfach zu groß und es rechnet sich weder betriebs- noch volkswirtschaftlich, noch leistet es einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz. Da nützt es leider auch nichts, dass wir riesige unterirdische Speicher für Erdgas aka Methan bereits haben, wenn der Weg vom dem wenigen verbleibenden Überschußökostrom bis in den Speicher so teuer und verlustbehaftet ist.

  8. Dieser Beitrag hier, die Kritik über Herrn Lesch, wie Zielführend war das eigentlich gedacht? Denn dass er es nicht ist, wird mir klar, wenn ich mir nach dem Lesen die Frage stellen muss, warum ich jetzt noch weniger weiß als vorher…

    Ich bin mir nicht klar, was das Aufdröseln seines Vortrages jetzt gebracht haben soll, außer um mit dem Finger auf ein Problem zu deuten, dass nicht Herr Lesch in die Welt gesetzt hat, sondern das einfach besteht und das schon seit Jahrzehnten.

    Das Elektroauto wird niemals unsere aktuellen Privatverkehr ersetzen können und die Aussage, wir müssten weniger Auto fahren ist im Grunde das einzig Richtige!

    Wenn wir einen Weg gefunden haben, nachhaltig Energie, für sinnvolle und umweltfreundliche Transportmöglichkeiten zu produzieren, sind wir in der Lage unseren jetzigen Standard verantwortungsvoll zu reproduzieren, durch bessere Technik, nicht durch halbherzige Ausreden und Realitätsflucht…

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