Oh-oh, ihr müsst jetzt ganz stark sein – es wurde Menschen-DNA gefunden! Haltet die Druckerpressen an und unterbrecht die Redaktionskonferenzen, es ist einfach nicht zu fassen! Und zwar in sechs US-amerikanischen Wurstsorten. Erst werden die Dinger von der WHO als krebserregend eingestuft und jetzt sind da auch noch pürierte Versicherungsvertreter untergerührt, es wird immer unappetitlicher!
Naja, mein Ruhepuls rangiert immer noch so um die 60, ich esse nämlich nicht allzu oft US-Würste. Trotzdem legt mir die deutsche Medienlandschaft nahe, in Panik aus dem Fenster zu springen. Die idiotische WELT untertitelt z.B. mit „Nachdem die WHO bestätigte, dass rotes Fleisch krebserregend sein kann, haben sich viele Vegetarier entspannt zurückgelehnt. Doch Vorsicht: Auch vegetarische Würstchen können es in sich haben.“ Welches Genie hat denn diesen Text zusammengepanscht?
Wieso sollte ich mich bei der Nachricht, dass 90% meiner Familie und Freunde sich von krebserregenden Produkten ernähren, entspannt zurücklehnen? Nur weil ich selbst keine Tierwürste esse? Als würde der Verkehrsfunk eröffnen mit: „Autofahrer auf der A45 können sich erst mal ganz entspannt zurücklehnen: Bei Massenkarambolage auf der A1 sterben 13 Menschen qualvoll in Feuersbrunst. Aber ihr coolen Typen auf der A45, ihr seid fein raus!“. Was für ein Weltbild haben diese Leute eigentlich, in dem es Menschen anscheinend vollkommen gleichgültig ist, ob ihre Mitmenschen an Darmkrebs erkranken? Vielleicht ist das ein Einstellungskriterium für Springer, was weiß ich schon…
Kriterium Nummer 2 wäre dann wohl, dass man Untersuchungen nicht mal dann korrekt zitieren kann, wenn die Macher ihr Ergebnis in bunte Schaubildchen gekleidet haben, die selbst übernächtigte Grundschüler spontan begreifen würden. Ich meine „Vegetarische Würstchen können Menschen-DNA enthalten“, das ist ernsthaft der beste Titel, der euch dazu einfällt, dass von den getesteten 345 Wurstsorten sechs menschliche DNA enthielten, von denen wiederum vier vegetarisch UND zwei aus Fleisch waren? Das macht eigentlich nur dann Sinn, wenn Fleischesser sich schon so an den Gedanken von Menschen-DNA in ihrem Essen gewöhnt hätten, dass es nicht mal mehr eine Meldung wert wäre oder man halt gerne Artikel in „Ätsch, in Eurem Essen ist auch Scheiße“-Manier schreibt, so als sei das eine Art zu gewinnender Negativ-Wettbewerb.
Oder findet ihr den Gedanken von menschlicher DNA ausgerechnet in als vegetarisch deklarierten Produkten so lustig, weil da ja eigentlich kein Fleisch drin sein soll? Haha, da wollen die Vegetarier kein Fleisch essen und jetzt essen sie Würste aus Menschen, wie witzig, hahaha, was kann es Lustigeres geben! Hey, Spuren von DNA heißt nicht, dass Veggie-Würste aus Soylent Green bestehen oder da regelmäßig Wartungstechniker in die Maschinen fallen. Das heißt schlicht und einfach, dass da jemand mutmaßlich nachlässig war, was die Benutzung von Kopfbedeckungen und Handschuhen angeht. Wenn dem Burger-Wender bei McDonalds eine Wimper in die Fritteuse schwebt, dann ist da auch Menschen-DNA an den Pommes. Haha, Menschen-DNA in vegetarischen Pommes Frites, wie dumm von den Vegetariern, ich lach mich tot!
Es könnten auch ganze Haare oder Schweißtropfen sein, in der Tat nicht gerade die kulinarische Idealvorstellung. Das gilt aber eben laut dieser Untersuchung sowohl für vegetarische Produkte als auch welche aus Fleisch. Da sollte man sich wohl eher überlegen, ob das wirklich ein Argument gegen Vegetarismus oder eher gegen das TTIP-Abkommen ist. Überhaupt irgendwie lustig, sich wegen mangelnder Hygiene angeekelt von den Veggiewürsten abzuwenden, um dann eine Pizza mit Formvorderschinken aus Klebefleisch zu essen, oder eben Würste in Naturdarm. Ihr wisst schon, was noch vor ein paar Wochen durch diese Därme geschwappt ist, oder? Und von ästhetischen Totalausfällen wie verschimmelten Schweineköpfen in der Wurst, Blutkuchen oder Presssack rede ich da noch gar nicht.
Zumal auch Vegetarier laut neuesten Geheimdienst-Informationen nicht ausschließlich Seitan-Würste essen. Es gibt sogar eine BBC-Naturdoku, in der Exemplare der Spezies Homo Vegetarius beim Verspeisen von Obst und Gemüse gesichtet worden sein sollen, verrückt! Ja, das Tolle ist, selbst wenn in 100% aller Veggie-Würste menschliche DNA, Schweinefleisch, Klabusterbeeren von Dieter Bohlen und geronnene Skunkmilch gefunden worden wäre: Das würde mich nur solange stören, wie ich diesen Sondermüll in mich reinstopfte. Und da auch Falafel-Sandwiches und Linsensuppe satt machen, würde ich dann einfach mal aufhören, mit meinem Körper anderer Leute Skunkmilch zu entsorgen. Ist das mal hochgradig clever oder was?
Es würde mich hingegen wenig beruhigen, würde am nächsten Tag ein Zeitungsartikel erscheinen, laut dem in Dönerfleisch altes OP-Besteck und benutzte Fieberthermometer gefunden wurden. Den Autor von der WELT aber offensichtlich schon. Der würde sich dann, wäre er Vegetarier, schön weiter Veggiewurst aus gammeliger Skunkmilch aufs Brot legen, weil die anderen, haha, die essen ja noch viel ekligeres Zeug! Wie unfassbar bescheuert. Als würde ich zu einem Date gehen mit grandiosem Schweißfleck auf dem Hemd und der Umworbenen erklären, dass das gar nicht eklig sei, weil mein Großonkel sich ständig vollpinkelt.
Und obwohl das so bescheuert ist, werde ich mit Artikeln zu diesem DNA-Skandal förmlich zugebombt. Entweder als Email mit einem „ha-ha, wie eklig Dein Essen ist!“ oder als zwanzigster Kommentar zu einem Text, in dem es eigentlich um die besagte Meldung der WHO geht. Bitte, werdet erwachsen. Die WHO ist nicht der Vegetarierbund. Ich kann auch nichts dafür, dass verarbeitetes Fleisch einen Risikofaktor darstellt, weder verkaufe ich das Zeug, noch habe ich das Universum mit diesem Wurst-Case-Szenario erschaffen. Ich habe auch keinen hämischen Blog-Post veröffentlicht, in dem ich mich darüber lustig mache. Einfach weil das, oder wahlweise so ein WELT-Artikel, würdeloses „Ätschibätschi“-Gewimmer auf Kindergarten-Niveau wäre/ist.
Ja, das Ganze ist natürlich in der vegetarischen Community geteilt worden wie sonst was, aber vermutlich primär, weil immer noch unter jedem Artikel mit Fleischbezug zehn Freizeit-Mediziner „Aber ein Kind braucht Fleisch!“ oder „Vegan ist voll ungesund“ kommentieren. Und wer geschrieben hat „haha, schaut mal, die Fleischesser werden alle krank“, der darf sich vom letzten Absatz genauso angesprochen fühlen. Ist ja nicht so, dass alle Fleisch essenden Menschen sich bewusst dazu entschieden hätten und das Risiko kannten oder z.B. kleine Kinder ohne echte Wahlfreiheit nicht an Darmkrebs erkranken könnten. Ich trinke gerne alten Whiskey – sollte das mal zu einem Schlaganfall führen und irgendwer schreibt mir dann „Du Doofmann, das war doch klar, selbst schuld!“ dann ist der von meiner Beerdigung aber so was von ausgeladen, der wird sich wundern!
Zurück zum Autor von der WELT, der es „voreilig“ findet, wenn Vegetarier sich vor dem Darmkrebs-Risiko durch Wurstverzehr „ziemlich sicher fühlen“: Hey Einstein, es wurde Fleisch in 10% der getesteten Veggie-Produkte gefunden. In den USA. Spuren davon. In einem Lebensmittel, das man als Vegetarier nicht zwingend verzehren muss. Vielleicht bin ich ja außerordentlich naiv, aber ich denke, das Risiko eines fleischinduzierten Darmkrebses durch den Verzehr von in Deutschland erworbenen vegetarischen Lebensmitteln, und gerne auch einer Wurst von Smilefood, ist doch irgendwie überschaubar. Selbiges gilt für die menschliche DNA, selbst wenn die mir sogar lieber wäre als etwas, das eine potentiell tödliche Krankheit auslösen kann.
Wenn das echt euer Argument gegen Vegetarismus ist, dann ist dieses isländische Gericht, für das man drei Monate vergrabenen, gammeligen Hai wieder ausbuddelt, ein Argument gegen Königsberger Klopse in Koblenz. Und wenn tausende Leute solche Artikel ihren vegetarisch lebenden Bekannten unter die Nase reiben, in dem Irrglauben, das sei ein gutes Argument, dann frage ich mich, ob die so wirklich mit sich und ihrem Fleischkonsum im Reinen sind. Zum Vergleich: Gestern ist einem Amerikaner eine E-Zigarette im Gesicht explodiert und hat ihn schwer verletzt. Dennoch hat mich dieser Artikel auf keinem sonstigen Kanal erreicht, mit dem Hinweis, dass mein Nichtraucher-Dasein ja irgendwie lächerlich sei angesichts solcher Gefahren.
Das Ganze macht wohl primär Sinn für Menschen, die sich nur dann wohl fühlen, wenn andere es mindestens genauso schlecht haben wie sie. Was eigentlich ziemlich traurig ist.
Als Veganer bin ich sowieso nicht an vegetarische Würsten interessiert. Vegetarismus sollte sowieso nur ein kurzzeitiger Übergang sein.
Darum geht es hier nicht – vermutlich waren ein paar der Dinger auch vegan. „10% vegetarian“ heißt ja nicht, dass die alle mit Ei gestreckt sind. Kann sein, dass auch vegane US-Würste betroffen sind 😉
Da ich mir Würste grundsätzlich selbst herstelle, da das so einfach und schnell geht, lache ich auch darüber. 😉
Ruedi, eigene Würstchen einfach und schnell? Hast du ein Rezeptetipp? Oder irgendne gute Seite dafür? 🙂
Naja Fleisch in veggie Wurst, würde mich mal interessieren ob die da aus versehen rein gekommen ist und wenn ja wie? Was die DNA angeht, wuhu die ist doch bestimmt überall zu finden, vor allem in Restaurants oder Imbiss Läden, da arbeitet auch nur menschen.
Hallo lieber Graslutscher.
Die zweite, viel verstörendere Nachricht aus den diversen Berichten ist, dass in 10-30% (Zahl variiert anscheinend je nach Bericht) der getesteten vegetarischen/veganen Produkte Tier-Fleisch enthalten ist. Das kommt in Deiner Aufarbeitung der Newsmeldungen leider gar nicht vor, oder?
Beste Grüße
Ron
Alles Wurst
Die Studienlage ist fatal
das wurmt den Doktor
.. und den Schlachter
das Endoskop setzt er rektal
das kann er gut, das macht er
Was kümmert uns die WHO
das sind doch alles Deppen
wir machen einfach weiter so
Patient ist leicht zu neppen
Wurst ist uns, was Gesundheit schafft
die Krankheit bringt die Kohle
zur Hölle mit der Wissenschaft
dass sie der Teufel hole
So gibt auch ihren Senf Frau Wiener
zur Wiener Wurst mit Brot
der Schlachter schleimt „erge‘ mster Diener“
Das Tier im Darm – schon lange tot
Wer null Respekt vorm Leben hat
der redet fast nur Mist
wenn er die Vögel fliegen sieht
fragt er doch glatt, wo Schwerkraft ist
Wurst ist uns unsere Gesundheit
besonders wenn sie nur den Mund freut
Wurst frisst uns unsere Gesundheit
auch wenn sie manchen dummen Hund freut
Alles hat ein Ende,
nur die Wurst hat zwei.
Das eine isst der Omnivor
das andere auch, denkt nichts dabei,
es kommt ihm nur so vor.
muss heissen …“armen Hund “ freut. Sorry.
Ich wette, in meinem Essen ist auch hin und wieder Menschen-DNA, weil mir halt ab und an wortwörtlich ein Haar in die Suppe fällt oder meine heißen Gerichte mir den Schweiß auf die Stirn treiben und die Ansammlung von Schweißtropfen nicht mehr anders kann, als in die Pfanne hinabzugleiten. Ich hatte aber bisher nicht das Gefühl, dass es mir deshalb signifikant schlechter geht als anderen Menschen.