Ein Käfig voller Heuchler

Wer hätte das gedacht…  ein Hass-Pamphlet von Udo Pollmer war am Ende doch informativ und hat mich nach der Lektüre schlauer zurückgelassen als ich vorher war. Nein nein, keine Sorge, man muss nicht erst umständlich unter Zuhilfenahme einer Nasenklammer Pollmers verbale Diarrhö aus der Nähe ertragen, es ist natürlich der selbe Unsinn wie immer. Ja tatsächlich ist es nicht mal besonders originell – argumentatives Cherry-Picking, langatmiges Aufbauen und Zerlegen unbeholfen recycelter Strohmänner und ideologische Kampfbegriffe gegen Menschen, denen er lustigerweise andauernd ideologische Motivation vorwirft. Es ist schon so vorhersehbar, dass die angestrebte Provokation zumindest bei mir nicht mehr eintritt.

Artikelauszug

Wenn man schon mal ein bis zwei Ergüsse vom verwirrten Zauselbart Hoppenstedt Pollmer gelesen hat, findet man hier tatsächlich nicht mal was Neues. Ok, ist halt auch eine recht undankbare Position, da bleibt einem wohl ab einem bestimmten Punkt nicht viel mehr übrig als das unapettitliche Aufbereiten der eigenen Hexenjagd-Sprüche der letzten Jahre. Ist unterm Strich trotzdem leider nur ungefähr so spannend wie diese nachts ausgestrahlten Bahnfahrten im dritten Programm. Das Lustige an der Sache war aber, dass mir jemand den Link zuschickte mit dem hämischen Seitenhieb, dass ich ja für meine Artikel immer nur auf vegane Propaganda-Seiten verlinke, während Pollmers schnarchige Predigt das Werk eines Fachmanns in einer seriösen Quelle sei.

Tja, tut mir leid, aber da hat er voll-kom-men recht. Ich setze nochmal einen drauf, die Quelle ist sogar superseriös und so neutral und unvoreingenommen wie ein Vulkanier auf Lithium, es handelt sich um, *DÄFDÄÄÄ* den Deutschen Arbeitgeberverband! Und ich muss gestehen, irgendwie hielt ich diesen Laden zwar für meinen Geschmack für zu konservativ und Industrie-nahe, aber eben einfach den legitimen Gegenspieler zu den Gewerkschaften. Irgendein Online-Betreuer von dem Laden wird Pollmer als echten Wissenschaftler verkleidet in einem unwürdigen TV-Format gesehen haben und ihn sich als Experten für Vitamin-C-Wurst aufschwatzen lassen. Wieso sonst sollte eine renommierte Organisation Artikel mit derartig offenkundigem und in dem Ausmaß auch peinlichem Unsinn veröffentlichen? Oh weia, you know nothing, Jon Snow…

Jetzt mal im Ernst, sollte der Arbeitgeber-Verband nicht auch die Arbeitgeber vertreten, die im veganen Sektor erfolgreich sind und jetzt schon einen insbesondere langfristig betrachtet sehr interessanten Markt mit Produkten versorgen? Ich war jetzt tatsächlich davon ausgegangen, dass man dort recht unideologisch und eben ohne jedes ethisch-moralisches Korrektiv den Götzen des Neo-Kapitalismus, Wachstum um jeden Preis, anbetet. Vollkommen egal, ob man diesem nun mit Gänsestopfleber oder Wheaty Oktagons huldigt. Tja, wer das glaubt, dem empfehle ich die Lektüre der anderen Artikel, die sich mit Pollmers üblicher Schreibe in der selben Kloake suhlen.

Recht aufschlussreich sind z.B „Bauernopfer – WER PROFITIERT VON DEN KAMPAGNEN GEGEN MODERNE AGRARWIRTSCHAFT?“ (Großbuchstaben erzeugen automatisch Relevanz) oder „Der Misthaufen – Die größten Irrtümer über die moderne Landwirtschaft“. Fazit all dieses Irrsinns: Die Geschichte der Massentierhaltung ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Eigentlich geht es den Landwirten nur darum, das alles sauber und gesund ist und es den Tieren gut geht.

Dabei machen diese Technologien nichts anderes, als die körperliche Arbeit zu erleichtern und die Kontrollmöglichkeiten zu verbessern – wie in allen anderen Wirtschaftszweigen auch. Sie garantieren Prozesssicherheit, Tierwohl und Produktqualität in einem Ausmaß, wie es noch vor wenigen Jahren nicht einmal messbar, geschweige denn zu gewährleisten war.

Trotzdem werden die armen Landwirte ständig von verblendeten Tierschützern angegangen, die einfach nicht verstehen wollen, dass den Hühnern die Schnäbel nur deshalb halb abgeschnitten werden, weil man sie so lieb hat. Laut dem Arbeitgeber-Verband baut man riesige Fleisch-Fabriken nicht etwa in die Landschaft, um damit dick Kohle zu machen, nein, es geht um Tierwohl und Hygiene. Ist klar. Und in Bangladesh sitzen nicht etwa deshalb 1000e Kinder in einsturzgefährdeten Fabriken rum, weil Produzenten damit ihren Arsch vergolden können, sondern weil man den kleinen Rackern damit die perfekte Kindheit ermöglichen will.

Hygienisch und tierlieb

Technologien werden eben primär nicht dazu genutzt, körperliche Arbeit zu erleichtern, sondern um Stückkosten zu reduzieren. Das mag oft miteinander einhergehen, aber eben nur, weil menschliche Arbeitszeit meist teurer ist als Maschinenkraft – ist ja nicht so, dass die im DAV organisierten ewig-gestrigen Neanderthaler Maschinen aus reiner Menschenfreude einsetzten. Lustig, dass ausgerechnet der Wirtschafts-nahe DAV so eine naive, pseudo-wissenschaftliche Betrachtung zu betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen an den Tag legt. Gegen Stückkostenreduzierung ist ja im Prinzip auch nichts zu sagen – außer eben wenn diese durch eine Erhöhung des Leids empfindsamer Kreaturen erreicht wird.

Diese ganze Verklärung moderner Tierausbeutung funktioniert überhaupt nur, wenn man sich aus dem gesamten Themenkomplex ganz gezielt winzige Mosaiksteinchen herauspickt, die man dann argumentativ unlauter mit Missständen aus der sonstigen Nahrungsmittelindustrie vergleicht. Nach dem Motto „Ja, Fleischproduktion verbraucht Wasser, Tomatenanbau in Spanien auch, also beides gleich gut/schlecht.“ Inwiefern der Wasserverbrauch für spanische Tomaten jetzt noch gegen unwürdig lange Tiertransporte, tierquälerische Haltungsbedingungen und die Tötung von Milliarden Tieren weltweit abstinkt, kann irritierenderweise auch der DAV nicht zufriedenstellend beantworten.

Massentierehaltung für schöne Landschaft2

Auch entblödet man sich nicht, ständig auf vermeintlich verbesserte hygienischen Bedingungen und der wichtigen Funktion als Arbeitgeber herumzureiten. *Hust*, Multiresistente Keime durch Antibiotika-Missbrauch und großflächiger Einsatz von Niedriglohn-Sklaven aus Osteuropa anyone? Schon mal gehört? Ach ja, das sind Phänomene, die der Konsument einfach schlecht verträgt, lieber schreibt man in einlullenden Allgemeinplätzen, warum alles doch irgendwie ganz toll ist:

Moderne industrialisierte Hühnerhaltung, die mit großer Effektivität einwandfreie Produkte liefert. Gesundheitlich unbedenklich und preisgünstig. Lediglich gutverdienende grüne Lehrer und Beamte finden das zu billig.

Ja, richtig gelesen. Neben Veganern werden auf der Seite dieses symphatischen Verbandes regelmäßig Lehrern, Beamten, den Grünen und allgemein Gutmenschen (der Begriff fällt in 2 Artikeln 8 mal) irrationale Beweggründe und naive Weltsichten unterstellt. Das geschieht jetzt auch nicht zwingend besonders subtil, recht unverhohlen wird alles als verachtenswert gebrandmarkt, das die Vormachtstellung alter, heterosexueller, weißer Männer in Gefahr bringt. Keine Ahnung, ob ich durch meine eher linke politische Einstellung nicht unvoreingenommen genug war, aber auf der Seite des DGB konnte ich jetzt keine Pamphlete finden, die derartig aggressiv reaktionäre Tattergreise der deutschen Wirtschaft persönlich angreifen. Für eine vorgeblich seriöse Organisation fand ich dieses Gossen-Niveau schon befremdlich.

Der Verband hat generell ein ganz großes Problem mit Menschen, die aufgrund von bekannten Missständen persönliche Konsequenzen ziehen. Vielleicht ist das so eine Selbstprojektion – wenn man sein ganzes Leben lang den selbstzerstörerischen Status Quo gegen schutzlose Minderheiten, die Umwelt und gesellschaftlichen Fortschritt verteidigt hat und dadurch reich geworden ist, dann findet man das voll doof, wenn auf einmal Teile des schamlosen Pöbels sich erdreisten, bei diesem Wachstums-Dogma nicht mehr mitzumachen. Obwohl die viel ärmer und mutmaßlich weitaus dümmer sind als man selbst. Scheiss Gutmenschen! Machen einfach das, wozu man selbst keinen Arsch in der Hose hatte. Wie steht man denn jetzt da? Und woher haben die anderen alle ein Rückgrat? Gemein!

Zerstörung2

Entsprechend abenteuerlich lesen sich die Positionen: sog. Klima-Skeptizismus, Greenwashing im Quadrat, gegen erneuerbare Energie, gegen Nachhaltigkeit usw… Zu Anfang dachte ich, das Pollmer-Geschwafel sei der Ausreißer auf der Seite und irgendein Homepage-Praktikant bekommt dafür noch Ärger. Tja, weit gefehlt, Pollmer passt so gut zum Arbeitgeberverband wie der Kotzplacken vor die Proleten-Disco. Er ist ja auch nicht ausschließlich antivegan, Pollmer hängt vielmehr einer Art obskuren Lehre an, dass jedes Essen gleich gesund/ungesund ist, bzw., dass das „Darmhirn“ schon regelt, was wir essen. Bedeutet für meine Geschmacksnerven wohl konkret, dass 500 Gramm Marzipanschokolade genau so nahrhaft sind wie ein Teller Spinat mit Kartoffeln.

Da stört es dann auch niemanden groß, dass Pollmer hochnotpeinlich die Wirkungen von Kohlendi- und Monoxid verwechselt (An Co2 zu ersticken ist recht qualvoll, wie sich nach 5 Minuten Wiki- bzw. Youtube-Recherche herausstellt) und dass er der Ethik allen Ernstes vorwirft, Wissen zu ersetzen und Denken zu Ersparen. Dabei muss man nicht mal zwingend Tierrechtler sein, um die alternativlosen Vorzüge moderner ethischer Betrachtungen zu erkennen, und dass Wissen und Denken eben vielmehr die Grundlagen derselben sind. Wir lernen: Pollmer hat schon von Ernährung (vorgeblich) eine Vorstellung, die wissenschaftlich auf recht wackeligen Beinen steht. Aber wenn er sich dann in Metiers vorwagt, in denen er keine 20 Jahre gearbeitet hat, dann finden sich Passagen, die das Lektorat der Schulzeitung einer 8. Klasse nicht überstanden hätten. Die des DAV aber schon 🙂

Genau genommen nehme ich ihm nicht mal ab, seine eigenen Ernährungsratschläge für sinnvoll zu halten. Es ist vermutlich einfach eine pekuniär recht lukrative Anti-Position, die vom Krawall lebt. Man sollte da auch entspannt bleiben – würde Udo sich hier nicht die Narrenkappe in Form von Ernährungsratschlägen aufsetzen, die sogar bei der Tierhalter-nahen DGE auf Kritik stoßen, dann würde es eben ein anderer tun. Eigentlich kann man froh sein, wenn der auserkorene Hofnarr der Agrar-Lobby derart plump und unverhohlen unter der Gürtellinie anti-vegane Positionen vertritt, dass das den gemäßigten Großteil der Bevölkerung zumindest irritieren sollte.

vegetarier sind heuchler

Was haben wir also gelernt? Die Seite der DAV liegt auf der Tendeziösität-Skala irgendwo zwischen Fox News und Springer-Hetze. Vom Artikel selbst wenig – wie zu erwarten war, ist er als Quelle für eine bequeme Fleischverzehr-Position annähernd so glaubwürdig wie Ilse Aigners Aussagen zum Laktosegehalt von mit Heu gefütterten Kühen. Der Titel „Unter Heuchlern“ soll allzu offensichtlich die Gemüter erhitzen – weiß Pollmer vermutlich selbst recht gut, dass gerade unter Omnivoren recht bizarre Positionen vertreten sind, denen man erst recht Heuchelei vorwerfen könnte. Man findet ja z.B. nicht wenig Leute, die zwischen Spezies recht willkürliche Grenzen ziehen, so dass man das eine Tier zum Stylisten kutschiert, während man dem anderen nicht mal gönnt, nach der Geburt eine Woche mit der eigenen Mutter zu verbringen.

Sollte also in Zukunft jemand was von diesen Kaspern vor die Nase gehalten bekommen mit einem „Ätschibätsch, vegan ist ja nur für Blödies“ oder „Gutmenschen sind Faschisten“ auf den Lippen, sollte man den stolzen Finder des geistigen Unrats in die Mitte eines Personenkreises stellen und gepflegt auslachen. Vielleicht lernt er ja was.

13 Gedanken zu „Ein Käfig voller Heuchler“

  1. Oh dieser Pollmer.
    Da hat mir doch letztens auch tatsächlich einer ein Video mit dem geschickt, in dem es um eine Diskussion über „Feindbild Fleisch“ ging. Immerhin hatte er da den Anstand seinen gequirrelten Quark eeeeeetwas gemäßiger zu reden… Besser als dieser komische Koch, der meint „Wenn ich das sehe, wird mir speiübel…“ und überhaupt warum der das gezeigt wird… ach ja, vermutlich das Repräsentant des starken weißen Mannes, der seine Männlichkeit nur durch ein gutes Stück Fleisch gewinnt und alles andere als Frauengewäsch ab tut und deswegen den auch laut stark in den Dreck ziehen muss. „Veganer wollen einem die Lebensfreude nehmen.“ Und „uh oh“ *heul* *wein* „die bösen ollen Veggies, die einen immer voll mies anfeinden und so …“ Wait what?

    Also falls dein Puls gerade lebensbedrohlich in den Keller rutschen sollte und du etwas Hilfe benötigst (in 20 min, durchaus einige Spitzen dabei):
    https://www.youtube.com/watch?v=nfqgiUP_I-E

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  2. Dieses Geschreibe hier war jetzt mindestens so aufschlussreich wie wenn mein Hund sein Beinchen hebt und sein Revier markiert. Deswegen weiß ich auch nicht was oder wen er damit beeindrucken will.

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  3. Was mir beim Überfliegen des Screenshots aufgefallen ist – eher mich angefallen hat: „Neuerdings ist es (also das Essen) ein Frage der Ethik“. WTF – ich dacht bist jedes Handeln ist ein Frage der Ethik. Jetzt weiß ich das es nicht so ist. Und ich wohl Bereiche des Lebens endlich ohne Ethik gestallten kann. Vielen Dank Herr Pollmer.

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  4. Was dabei herauskommt, wenn das „Darmhirn“ zum Erstellen von Texten benutzt wird, zeigt Herr Pollmer sehr eindrucktsvoll mit seinem Artikel : Geistige Flatulenzen. Schon der Titel „Unter Heuchlern“ , zusammen mit Konterfei und DAV Logo ist ein fulminantes Eigentor.

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  5. Ein wunderbarer Artikel. Wieder ein mal 🙂

    Ich hoffe auf weitere, wenn Pollmi wieder mal was „dahinrotzt“. Aber auch Frau Leopold sollte man weiter im Auge behalten. Die Dame sitzt in der Redaktion des agrarmanager. Da gibt es auch ganz „tolle“ Artikel :3

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  6. Was dabei herauskommt wenn ein vergiftetes Darmhirn zum Erstellen von Blog-Texten genutzt wird, sieht man hier- geistiger Dünnschiss.
    Da lobe ich mir Herrn Pollmers gesunde Flatulenzen.

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