Die CDU für mehr Schweinefleisch. Weil auch Vegetarier sich integrieren müssen!

Für mehr Schweinefleisch in Kitas! Endlich wieder mehr Gehacktes im Wackelpudding! Wieso immer so unkreativ? Man kann auch Cornflakes mit Fleischwurst garnieren, was ist denn daran so komisch? Das Kind sieht blass aus und jammert? Einfach 2,3 Würste in den Mund und es ist Ruhe!

Pork Day2

Ja, die Schweinebauern in Schleswig-Holstein haben es schon schwer. Irgendwie wollen nicht mehr so viele Leute Schweinefleisch kaufen wie früher, was ja mal sicher nicht auf Tierwohl oder die klimatechnischen Katastrophe Tierhaltung  an sich zurückzuführen ist, oder? Nein nein, der Fehler muss schon irgendwie woanders liegen, immerhin haben Menschen immer schon Schweine geschlachtet. Immer schon! Und immer schon in riesigen Tierfabriken. 60 Millionen allein in Deutschland, seit tausenden von Jahren *räusper*. Diese Megaställe haben nur den winzigen Nachteil, dass in Schleswig-Holstein seit 2001 über 60% der Betriebe schließen mussten.

Aber anstatt einfach nur so viel zu produzieren, wie der Markt hergibt, hat man den wahren Schuldigen gefunden: Kantinen und Kitas, die sich dreist weigern, Schweinefleisch zuzubereiten, ohne das vorher mit CDU und Bauernverband abzusprechen. Das geht natürlich überhaupt nicht! Das Ministerium für Staatssicherheit … ehm Schweinefleischabsatz reißt nun das Steuer herum. Anstatt zu sehr auf Vegetarier, Veganer und Muslime Rücksicht zu nehmen, sollen die Kleinen am besten intravenös mit Wurstsaft versorgt werden.

Jetzt mal ernsthaft – sind die komplett durchgedreht? CDU-Landwirtschaftspolitiker Rickers ist wohl nicht durch Zufall in der Opposition, begründet er diesen kreativen Vorstoß unter anderem damit, für eine gesunde und ausgewogene Ernährung sorgen zu wollen. Indem es wieder mehr Schweinefleisch gibt. Ich mache hier eine Kunstpause, damit die Leser mit einem Funken Ahnung in Ernährungsfragen nun ihren Kopf mehrmals gegen ein Möbelstück ihrer Wahl hämmern können. Dumdidumm…*pfeif*… fertig?

Zu einer gesunden Ernährung gehört laut diesem Kasper nämlich „in unserer Kultur“ auch Schweinefleisch. Aber nicht in anderen Kulturen oder was? Für alle, die es noch nicht wussten: Unsere Körper stellen komplett ihren Metabolismus um, abhängig davon, in was für einem Kulturkreis sie sich gerade befinden. Eben noch wollte der Blutkreislauf das aus der Schweinewurst gelöste Fett ins Bindegewebe schicken, da fiel im plötzlich auf, dass sein Wirtskörper sich ja 25 km vor Kiel befindet. Befehl zurück Marsch Marsch! Aus dem Fett machen wir jetzt strahlend weiße Zähne, reine Haut und glänzende Haare, so läuft das hier in der deutschen Leitkultur!

CDU Blutbahn2

Keine Ahnung, was für Fleisch man so in norddeutschen Kitas verwendet, aber sollte es der gleiche Massenfraß sein wie in der Einrichtung meiner Kinder, dann ist das Zeug allein schon wegen der Antibiotika- und Wachstumshormonbelastung gesundheitlich fragwürdig und steht seit ein paar Monaten auf der WHO-Liste der krebserregenden Substanzen. In einem Land, in dem immer mehr Kinder übergewichtig sind, wäre es für die Gesundheit vermutlich eher zuträglich, für ausreichend Bewegung und abwechslungsreiche Kost mit viel Obst und Gemüse zu sorgen.

Ohne jetzt Werbung für Rind- oder Hühnerfleisch machen zu wollen, aber vom ernährungsphysiologischen Standpunkt aus besteht das Fleisch der anderen Kreaturen aus denselben Nährstoffen – ist nicht so, dass ein Kinderkörper zwingend auf die geheime Zutat Schweinisol angewiesen wäre. Ein Hühnerfilet oder noch viel besser ein Seitan-Schnitzel verfügt auch über Proteine, was soll dieser unsägliche Quatsch also?

Und falls Herr Rickers schon länger nicht mehr in einer Kita war: Da gibt es kein kaltes Buffet oder Menu á la Carte. Weil viel zu viele Eltern lieber Geld für einen Flatscreen ausgeben als für anständige Zutaten in der Kita-Verköstigung ihrer Kinder, gibt es da meist genau EIN Gericht für alle Kinder. Man muss da also was finden, mit dem alle klarkommen – theoretisch. In einem Land, in dem 4 Millionen Muslime leben, wäre es daher einfach katastrophal unpraktisch, dieses eine Mittagessen mit Schweinefleisch zuzubereiten, um dann Kerem und Mesut zu erklären, dass sie einfach die guten Auszugsmehl-Nudeln drumherum essen sollen. Ist übrigens bei vegetarisch lebenden Kindern genauso beschissen, da arbeiten wir noch dran.

Laut den Lübecker Nachrichten hat Rickers Minderheiten ausgemacht, die die Mehrheit zumindest partiell zu überstimmen drohen: Vegetarier, Veganer und Moslems. Schade, dass WordPress mich dieses Gif mit dem ratlos umherblickenden John Travolta aus Pulp Fiction nicht genau hier in den Text einkopieren lässt, sind mir irgendwie äußerst wenige Vegetarier und Veganer bekannt, die sich für die Abschaffung von Schweinefleisch zugunsten von mehr Puten- oder Kalbfleisch stark machen. Oder ist das jetzt der neueste Shit in der Veggie-Kommune? Porkotarier? „Nein danke, für mich kein Schnitzel, ich esse aus ethischen Gründen keine Schweine. Ich esse stattdessen ein halbes Lamm.“

Den meisten Muslimen dürfte es auch herzlich egal sein, was die nicht-muslimischen Kinder so essen. Die Mehrheit der Deutschen kann sich gerne Schweinefleisch in alle erdenklichen Körperöffnungen stecken, ohne dass der Zentralrat der Muslime da groß was dagegen hätte. Es wird nur kompliziert, wenn alle das Gleiche essen müssen. Die Forderung von Rickers klingt jedoch so, als wollten Muslime nicht, dass die anderen Fleisch essen dürfen. Klingt nach „Ich habe ja nichts gegen Vegetarier, aber es gibt da halt welche, die wollen sich einfach nicht integrieren und essen keine Schweine. Am besten sofort abschieben nach Elbonien!“

Das Ganze ist so absurd, ich wette 20 Happenpappen-Burger, dass es auf dem Mist vom Bauernverband Schleswig-Holstein gewachsen ist. Die halten ja auch Tiertransporte für ok, weil Menschen es in Flugzeugen eng haben. Dagegen nimmt sich diese Integrationspflicht für Vegetarier ja fast noch harmlos aus.

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Update 16:50Uhr: Es gibt Kritik am von mir verlinkten Artikel, dass insbesondere die dortige Unterzeile journalistisch schlampig entstanden sei. Für den Fall, dass man sie auf meinem Screenshot überhaupt sehen kann: Eine Pflicht hat die CDU in ihrem Antrag wohl tatsächlich nicht wörtlich gefordert. Ich finde die Überschrift mit dem Fragezeichen dennoch nicht ganz falsch, da eben das Angebot in Einrichtungen mit einem einzigen Gericht für alle dort verköstigten Personen einer Pflicht denkbar nah kommt.

Die Politik hat glücklicherweise gar nicht die Kompetenz, Kitas das Mittagsmenü vorzuschreiben, es geht hier also nicht um eine gesetzliche Vorschrift. Aber auch eine Empfehlung kann halt Konsequenzen haben, die evtl. niemand bedacht hat, so dass es für die betreffenden Kinder am Ende doch zu einer Art Pork Day kommen könnte, selbst wenn das keiner so beabsichtigt hatte, weil er gerne Vorschläge für Kitas formuliert, ohne diese jemals aus der Nähe gesehen zu haben.

Sascha Lobo hat das zusammengefasst, jeder mache sich selbst sein Bild.

Ich teile seine Kritik an der Berichterstattung zum Teil, so ist die Unterzeile der Lübecker Nachrichten mit der Realität nicht in Einklang zu bringen, das ist in der Tat mies. Ich habe mich in meinem Text aber auch nicht darauf berufen, das Wort „Pflicht“ kommt da ein mal am Ende in eher ironischer Bedeutung vor. Dass viele Medien den Begriff einfach übernommen haben, ohne mal näher zu schauen, um was es eigentlich geht, da bin ich voll bei ihm. Lobo legt aber auch Wert darauf, dass der Antrag von Äußerungen begleitet worden sei, „kein Moslem solle gezwungen werden, Schwein zu essen“.

Da ignoriert auch er, dass ein Gericht mit Fleisch als einzige Option zwar keine Pflicht zum Aufessen ist, aber so richtig viele Möglichkeiten bietet das halt auch nicht. Ist ja schön, dass die CDU sich begleitend zum Papier äußert, aber da kann ein muslimisches Kind sich halt auch nichts mehr von kaufen, wenn sich das montägliche Mittagsmenü seiner Kita aufgrund dieses Antrags in Zukunft so gestaltet: Menü A: Schwein am Bein Menü B: nix, Menü C: Auch nix.

Auf Lobos ironische Zuspitzung am Ende „Die CDU will, dass alle Schweinefleisch essen müssen!!!“ würde ich ihm antworten:

Nein, das will sie vermutlich nicht. Aber ihre Forderungen könnten dazu führen, dass manche Kinder Schweinefleisch essen müssen oder halt hungrig bleiben. Kann sein, dass die CDU das gar nicht wollte. Aber ob das wirklich besser ist, wenn ein Teil der Regierung Forderungen stellt, dessen Konsequenzen er gar nicht absieht. Den Jubel darüber verkneife ich mir dann mal.

Und auch wenn alle Medien sich den Begriff Schweinefleischpflicht verkniffen hätten: Die Äußerungen zur gesunden Ernährung und den Vegetariern, die die Mehrheit zu überstimmen drohen, sind nach wie vor Panne as hell.

8 Gedanken zu “Die CDU für mehr Schweinefleisch. Weil auch Vegetarier sich integrieren müssen!

  1. Ein schöner Artikel. Wir leben jetzt ja in einem Land der Tierschützer, in welchem Läden mit Halāl-Fleisch boykottiert werden, nur noch schmerzunempfindliche Ferkel kastriert werden, keine Eier aus Käfighaltung gekauft werden und McDonalds ernsthaft mit „gesunder Ernährung“ wirbt. Kann es noch scheinheiliger werden?

  2. In einem Interview antwortete der Produktentwickler der Firma Rügenwalder Mühle auf die Frage, warum Veggie-Produkte ins Programm aufgenommen wurden:

    “ Es gibt in Deutschland ungefähr 1 Million Veganer und ungefähr 8 Millionen Vegetarier, die sind noch zu vernachlässigen. Was mir aber wirklich zu denken gegeben hat, war, dass es bereits an die 40 Millionen Flexitarier gibt, also Leute, die weniger Fleisch essen.“

    Es sind also nicht die Veganer, Vegetarier oder Moslime, die den Schweinezüchtern das Geschäft vermiesen, sondern die Wenig-Fleisch-Esser, und die sollen mittels Lobbyarbeit wieder auf den rechten Weg gebracht werden, damit Deutschland bleibt, was es immer schon war, ein Schweinfleischfresserland.

  3. „Da ignoriert auch er, dass ein Gericht mit Fleisch als einzige Option zwar keine Pflicht zum Aufessen ist, aber so richtig viele Möglichkeiten bietet das halt auch nicht.“

    Des weiteren sehe ich es nicht gerade als veganes Verhalten an Schnitzel mit Pommes zu kaufen um dann das Schnitzel auf dem Teller liegenzulassen.

    Aber das wirklich tragische ist, alle Welt schreit danach, esst weniger Fleisch und mehr Gemüse, weil gesünder – warum nicht einfach Fleisch in Kantinen, die nur stets ein Einheitsessen anbieten, ganz abschaffen; nicht verbieten, einfach pragmatisch sagen „hey, weniger Fleisch ist nachweislich besser“. Die Aussage bestreiten nichtmal Leute, die felsenfest davon ausgehen Omnivore müsse man um jeden Preis bleiben (die meisten tanzen nur dann weiter um das „goldene Kalb“ (pun semi-intended) und betrachten Essen meistens weiterhin stur im alten Schema >>Fleisch mit XYZ<< und sehen das Gemüse als so eine Art Ablasshandel an – jo mei, ich ess hier zwar ein Steak, aber immerhin auch 3 Löffel Erbsen).

  4. „Komischerweise“ hat mich die Schlagzeile so wenig überrascht, daß ich den dazugehörigen Artikel gar nicht erst gelesen habe. ReligiotInnen an sich kennen nun mal keine Ethik, denn sie tun und unterlassen, was ihre irrationalen Überzeugungen vorgeben, und nicht das, was der Leidvermeidung nach dem Gleichheitsprinzip in der jeweiligen Situation bestmöglich dient. Eventuelle Kongruenzen sind ebenso zufällig wie die Übereinstimmung eines Würfelergebnisses mit der Lösung einer mathematischen Aufgabe und entsprechend selten.

  5. Wenn ich das richtig verstehe hat die CDU diesen Antrag eingereicht: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch auch weiterhin im Nahrungsmittelangebot sowohl öffentlicher Kantinen als auch in Kitas und Schulen erhalten bleibt.“
    Was ich nicht verstehe ist, warum das zu einem solchen medialen Aufschrei führt, anstatt sachlich zu erörtern was dafür und dagegen spricht sich als Landesregierung dafür einzusetzen, dass Schweinefleisch im öffentlich geregelten Nahrungsangebot bleibt.
    Das wäre dann ungefähr so verlaufen. Argumente dafür: Tradition, prekäre Arbeitsverhältnisse in Schlachtfabriken und gute Verdienstmöglichkeiten für große Konzerne.
    Argumente dagegen: Um diese Mengen an Fleisch „herzustellen“ müssen diese Lebewesen unter unwürdigsten Bedingungen leben. Bei den dafür notwendigen sogenannten Massentierhaltungen, müssen Medikamente, unter anderem Antibiotika, eingesetzt werden. Dies führt dazu, dass immer mehr Erreger gegen diese Antiobiotika resistent sind, was auch auf die Gesundheitsversorgung des Menschen negative Auswirkungen hat. Weiterhin können die dabei „anfallenden“ Exkremente in diesen Mengen nicht von unserem Ökosystem verwertet werden. Dies führt zu einer übermäßigen Nährstoffanreicherung, welche sich beispielsweise negativ auf die Wasserqualität auswirkt. Diese sich anreichernden Nährstoffe wurden als Futter zuvor aus Ländern des globalen Südens importiert, was dort unter anderem zu Rodungen für Anbauflächen führt. Dies übt einen negativen Einfluß auf das Klima aus. Aus diesen Gründen und weil weiterhin der Konsum von SF nicht notwendig ist, jedoch bereits negative gesundheitliche Folgen diskutiert werden, lehnen wir den Antrag der CDU Fraktion ab.
    Weiterhin werden wir für alle in öffentlichen Kantinen verwendeten Lebensmittel eine solche auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Überprüfung durchführen. Hierfür ist es von übergeordnetem Interesse, welche Auswirkungen sowohl die Herstellung, die Verarbeitung, als auch der Konsum der Produkte für das Allgemeinwohl (hier diskutieren wir, ob dies auch für andere Spezies als den Menschen gelten soll), sowohl hier, als auch weltweit hat. Untergeordnete Interessen wie etwa Tradition, Kultur und Religion können hierbei leider nicht berücksichtigt werden.

    • Vermutlich weil diese Forderung nicht sonderlich „rational“ ist … wenn es sowieso in 99,9% aller Kantinen Schweinefleisch gibt … klingt mir eher nach „konstruiter Bedrohungslage“ … ähnlich wie „Untergang des Abendlandes“ oder „Wieder mehr O2, in Sauerstoff“ …

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