Best of Social Graslutsching Vol. 1

Okay, für den Fall, dass ich gerade mit dem Handy in der Badewanne liegt und euch fragt, was zur Hölle nochmal Social Graslutsching sein soll, macht noch etwas warmes Wasser und mehr Schaum rein. Es ist so: Auch wenn es hier im Blog gerade aussieht, als sei ich ein stinkefauler Typ, der nach einem Artikel erst mal einen Monat Pause macht, so habe ich in der Zwischenzeit viel geschrieben. Es ist nur leider hier auf dem Blog wenig davon zu sehen – Zeit, das zu ändern.

Ich hatte leider immer schon die Tendenz, „mal eben schnell“ eine Erwiderung auf irgendeinen ärgerlichen Post in Social Media zu schreiben zu wollen, um dann jedes Maß zu verlieren. Am Ende wurde dann aber aus einem kurzen Dreizeiler ein zwei Seiten langes Word-Dokument mit 20 Quellenverweisen, dessen Inhalt ich als Kommentar unter irgendeinen Beitrag auf Facebook kopierte.

Ja, das war immer schon recht putzig, denn der Facebook-Algorithmus wusste mit meinen elaborierten Antworten ungefähr so viel anzufangen wie ein Steinzeitmensch mit einer Vivaldi-CD. Da „Facebook-Algorithmus“ ein wirklich sperriges Wort ist und keine Lust habe, es hier im Text noch mehrmals zu benutzen, nenne ich ihn fortan einfach „Algi“.

Algi war es nämlich vollkommen egal, wie zutreffend oder liebevoll geschrieben eine Antwort war, für ihn zählte nur, WANN ein Kommentar verfasst wurde. Die ersten Kommentare bekommen aus naheliegenden Gründen vor allen anderen ein paar Likes, wodurch Algi sie automatisch als „relevanteste“ Kommentare ganz oben platziert. Das führt zu noch mehr Likes, was wiederum in noch mehr „Relevanz“ mündet und so ersetzte Algi das Motto „Eile mit Weile“ durch „Scheißegal, schreit einfach irgendwas rein, Hauptsache schnell!“.

Unter einem Facebook-Posts vom ZDF-Heute-Account, der fragt, ob die Tiere in der 99-Cent-Wurst eigentlich ihrer Würde beraubt werden, standen typischerweise ganz oben die Kommentare „Ich mag Wuäs!“, „höhö Vegetaria essen mein Essen das Essen weck!! *Smiley der vor Tränen lacht*“ und ein Rezept für Hackbraten. Mein feinsinniger 1.000-Zeichen-Kommentar, der eine elegante Schleife über Kants kategorischen Imperativ zieht und dennoch komplett als Jambus formuliert ist, fristet hingegen ein trauriges Dasein im schummrigen Kommentare-Keller.

Klar, denn bis ich den zu Ende geschrieben hatte, zählte das Hackbratenrezept schon mehrere tausend Likes und Herzchen. Dass ich erst dann noch was Schlaues kommentierte hatte die gleiche Wirkung als wenn ich während dieser berühmten Floskel „Dann möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen!“ bei einer Trauung einschlafe, 4 Stunden später aufwache und „Ja, ich! Cynthia, heirate mich und nicht diesen albernen Schnösel!“ in einen leeren Kirchensaal schreie.

Ja, das konnte schon frustrierend sein. Die meisten normalen Menschen haben dieses Vorhaben nachvollziehbarerweise längst aufgegeben und Facebook bei seiner Evolution in Richtung einer digitalen Kloake nur noch passiv zugesehen. Nun aber hat Algi sich vollkommen unerwartet besonnen – womöglich war er auf einem 4-wöchigen Retreat auf Bali mit Yoga und grünen Smoothies – und die bisherige „Ich belohne den lautesten Schreihals“-Strategie etwas aufgeweicht.

Vor ein paar Monaten hat Facebook meinen Account nämlich ins neue Design überführt und dabei eine kleine Änderung vollzogen: Fortan konnten meine Follower sehen, wenn ich irgendwo kommentierte. An dieser Stelle ein fettes Sorry an alle Menschen, die meiner ausführlichen Diskussion über die korrekte Nutzung von Pömpeln in Camping-Toiletten beiwohnen mussten. Ich werde solche eher delikaten Themen in Zukunft über den Privataccount abknuspern.

Das bedeutet: Es spielte keine Rolle mehr, wann ich mit meinem Kommentar fertig war. Hatte ich was gutes geschrieben, flogen mir spontan ein paar hundert Likes zu und Algi dachte nur „Boah, das ist ja so relevant! Ich muss allen Jans super-relevanten Kommentar ganz oben anzeigen!“. Das war dann schon lustig, wenn selbiger am Ende manchmal sogar mehr Likes hatte als der eigentliche Beitrag, auf der er sich bezog. Nein, sonderlich gerecht ist das immer noch nicht, denn wer nicht zufällig viele tausend Follower hat, dessen Kommentare unterliegen weiterhin der Schreihals-Regel.

Dennoch habe ich das natürlich ausgenutzt und mich in ein paar Diskussionen eingeklinkt, in denen ich unter „normalen“ Umständen keinen Stich mehr gemacht hätte. Damit Ihr auch außerhalb von Facebook etwas davon habt, stelle ich hier ein paar davon vor, denn laut einer Menge privater Nachrichten sind dieselben Fake News auch per WhatsApp oder anderen Medien im Umlauf, so dass ein kurzer, außerhalb von den Datenkraken verfügbarer Link zur Entkräftung gewünscht wurde.

Wenn euch das gefällt, mache ich gerne noch ein paar weitere Teile, Futter dafür gibt es genug.

Thema 1 (weil noch am aktuellsten): Was machen wir bei Hochwasser mit diesen blöden E-Autos, liebe Grünen?

Das war echt ulkig – noch während große Teile der CDU darauf pochten, dass jetzt bitte niemand die Flutkatastrophe politisch instrumentalisieren solle, war die AfD schon drei Schritte weiter und verbreitete auf ihren Kanälen wütende Anschuldigungen an die Grünen. Userin Anns übernahm das und formulierte zum Bild zweier Einsatzfahrzeuge, die in tiefem Brackwasser unterwegs waren:

„Stellt euch mal vor, künftig werden bei solchen Katastrophen nur noch E-Autos eingesetzt. Da würden mal kurz ein paar Funken sprühen, es gäbe einen Kurzschluß (sic) und das war’s dann.“

Ihr Beitrag wurde knapp 90.000 mal geteilt, worauf ich eine in der Sache recht scharfe, aber sachliche Antwort verfasste. Die kam ganz gut an, immer mehr kritische Kommentare sammelten sich unter Annas Beitrag und so löschte sie den ganzen Schund dann irgendwann (yeah).

Die AfD hingegen machte weiter. Sie brachte sogar das Kunststück fertig, sich über Instrumentalisierung zu beschweren und gleichzeitig zu instrumentalisieren. Ein besonders schrulliger Landtagsabgeordneter hatte sowohl den Vorwurf als auch dieses beknackte Bild mit den beiden Notfallfahrzeugen im Hochwasser in seinem Profil – ja was denn jetzt?

Ich hatte meinen Kommentar glücklicherweise noch gespeichert und so veröffentlichte ich ihn einfach am 20. Juli auf meiner Facebook-Seite. Einige Männer machte das so wütend, die kommentieren da immer noch 😂.

Falls ihr also das gleiche Bild in eurer Familien-Whatsapp-Gruppe oder über den Email-Verteiler des Fußballvereins zugeschickt bekommen habt und dachtet „Hmmm, klingt irgendwie komisch, aber ich habe jetzt keine Zeit dafür, das zu prüfen“, hier noch mal in Kurzform, warum dieser Vorwurf wirklich ganz schriller Nonsens ist:

1.: Verbrennungsmotoren und Hochwasser sind in der Regel eine eher schlechte Kombination. Eine Fahrt durch sehr hohes Wasser können entsprechende Notfall-Fahrzeuge nur bewerkstelligen, wenn die für die Verbrennung benötigte Luft (wie auch bei Jeeps) mittels eines Schnorchels auf Höhe des Daches angesaugt wird.

Wenn ihr mit einem normalen Erdöl-Auto in so hohes Wasser fahren wollt, dann packt schon mal die 112 in den Nummernspeicher, ihr werdet sie brauchen. Der Motor eines gewöhnlichen 3er BMW saugt dann nämlich schnell Wasser an und was dann passiert könnt ihr unter „Wasserschlag“ bei Wikipedia nachlesen.

2.: Hey, wir haben 2021, bedeutet: Batterien und Stromkreisläufe kann man isolieren (in echt). Wäre das nicht so, würde auf dem Bild ja auch das Blaulicht nicht funktionieren, das über eine konventionelle Autobatterie Strom zieht. Oder meint ihr der Beifahrer tritt in ein paar Pedalen und lässt das Licht per Dynamo leuchten?

3.: Auch E-Autos werden entsprechend isoliert, aus naheliegenden Gründen insbesondere die Traktionsbatterie (mit der das Auto fährt), so dass die zuallerletzt aufgeben würde, wenn der Innenraum längst durch undichte Stellen oder die Belüftungsanlage vollgelaufen ist. In der Praxis kommen diese Autos daher noch am besten durch stark überflutete Straßen:

4.: Am Verbrennerausstieg sind die Grünen aktuell gar nicht beteiligt, wer regiert dieses überflutete Land denn seit 16 Jahren? Den Ausstieg forcieren die Autofirmen aktuell selbst, weil sie wissen, dass es für sie sonst eng wird bzw. andere Länder und die EU tun das.

5. Wo lädt man E-Autos bei Stromausfall auf? Am besten dort, wo es noch Strom gibt, also in diesem Fall zwei, drei Orte weiter. Selbst in den ländlichen Gebieten gibt es im Umkreis von 10 Kilometern mehrere Ladestationen. Sollte der Stromausfall ein zu großes Gebiet betreffen, wäre das im Prinzip eher ein Argument für eine dezentrale Stromversorgung mittels Wind- und Solarkraft an möglichst vielen Orten als gegen E-Autos.

Eine überflutete Tankstelle bringt euch außerdem genau so wenig wie eine überflutete Ladestation, denn auch die Pumpen der Zapfsäulen funktionieren bei einem Stromausfall nicht mehr.

Für alle, die das gerne ausführlicher nachlesen möchten, sei mein Artikel beim Volksverpetzer ans Herz gelegt. Bei Fake News mit so hoher Verbreitung ist ein Artikel dort das beste Mittel, denn meine Replik war nach Veröffentlichung (laut 1000flies.de) der zweitmeist gelesene/geteilte Artikel im deutschsprachigen Netz (yeah).

Da gehe ich auch darauf ein, dass U-Boote elektrisch funktionieren und wie heuchlerisch die AfD sich dieser albernen Geschichte bedient und dass die patriotischen Verteidiger des Dieselantriebs offenbar keinen Dunst haben, wie so ein Dieselmotor eigentlich funktioniert.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier ein paar Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar und würde Dich dann ebenfalls namentlich erwähnen – sofern Du überhaupt willst.

5 Gedanken zu “Best of Social Graslutsching Vol. 1

  1. Moin,
    ich finde es super, dass du bei Facebook gegen solche Quatschaussagen antrittst. Genauer habe ich ja schon vor Monaten bemängelt, dass dieser Blog hier zwar super ist, aber nur in die Echokammer schreit.
    Bei deinen extrem guten Facebook Kommentaren sehe ich aber das Problem, dass sie viel zu lang sind. Die erreichen niemanden dort, der sich eher über ein Bild eines absaufenden Militärtrucks im Flutgebiet totlacht.
    Deswegen mein Verbesserungsvorschlag: Antworte kurz und pointiert mit nur wenigen Quellen bzw Informationen und verlinke lieber eine lange und vernünftige Antwort. Bei Facebook liest sowas langes nämlich sonst keiner, vor allem nicht von uns blöden Ökos, die den Fleischessern nur das Schnitzel verbieten wollen.

    My 2 Cents.

  2. Übrigens: ein Elektroauto kann hervorragend als Notstromversorgung funktionieren, wenn – ja wenn – die Autobauer (inkl. Tesla) ein Elektro-Auto nicht primär als Fortbewegungsmittel und Potenzprotese bei chronischer Testosteronvergiftung betrachten würden, sondern über einen Inverter eine schlichte 230V~ Steckdose einbauen würden. Das hat mit meinem e-Golf (mit nachträglich eingebautem Inverter) als hier vor einiger Zeit ein paar Stunden Stromausfall war hervorragend funktioniert. Und wenn man sich etwas einschränkt, dann kommt man selbst mit „nur“ 30kWh wie im e-Golf schon ganz schön weit, abgesehen davon, dass man das E-Auto auch dort hinfahren und nachladen kann wo es noch Strom gibt. Aber so weit können wohl die wenigsten Menschen denken, wenn schon die Möglichkeit des Nachladens eines E-Autos vollkommen undenkbar ist.
    Wenn natürlich alles weggeschwemmt wird inkl. Haus, E-Auto und Straße dann nützt nur noch das Evakuieren des Gebietes.

    BTW wer mal wieder so einen richtigen Bullshit-Artikel über Elektroautos lesen will, der wird beim infosperber fündig:
    //Mario Illien infosperber//
    @graslutscher: ich hab dir dazu schon eine Mail geschickt. Sieh mal in deinem gmx-Account nach.

  3. Im ersten Satz ist ein Tippfehler: „Okay, für den Fall, dass ich [sic] gerade mit dem Handy in der Badewanne liegt und euch fragt“. Sollte wohl „ihr“ heißen.
    Liebe Grüße, J

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