Das Auto-„Schutzgeld“

„Nein, Ihr Auto ist nicht geklaut“
„Das ist schön“
„Es ist hier, bei uns“
„Das ist … schön“
„Wollen Sie es abholen?“
„irgendwie schon, ja“
„Sowiesostrasse 497c, bei Abschleppservice Grobschlächter“
„ok, danke“
„Wollen sie wissen, warum wir sie abgeschleppt haben?“
„mal sehen… vielleicht…. falsch geparkt???“
„Nein, Ihre Fenster waren auf“
„ach was“
„Ja doch! Und da bleibt uns gar nichts anderes übrig, wegen Eigentumssicherung, ansonsten könnte Ihnen ja einer ins Auto pinkeln.“
„Pinkeln?“
„Natürlich, die Fenster waren ja auf“
„ja gut, vielen Dank auch Detective Schibulski“

Die augenscheinliche Sadistin war wohl sehr enttäuscht, dass ich am Telefon nicht komplett ausgerastet bin, die arme. Sie hatte sich so eine Mühe gegeben mit ihrem vordergründig so scheissfreundlichen Tonfall und ich Tröte war viel zu müde, um darauf zu achten und habe nur unbeeindruckt in meinen Bart genuschelt. Und dann aufgelegt. Moment mal, Eigentumssicherung?? WAS IST DAS DENN FÜR EINE SCHEISSE???

Ohne Flax, so war’s. Also, der Name des Abschleppservice ist von mir natürlich fachmännisch anonymisiert, aber sie hat allen Ernstes zuallererst und als einziges das verhinderte Horror-Pinkel-Szenario als Begründung für diese moderne Wegelagerei genannt. Entweder geben die sich schon gar keine Mühe mehr, den Abzock-Opfern das Ganze als legitime Maßnahme zu verkaufen oder in Wiesbaden laufen echt viele Pinkel-Assassinen herum, deren höchste Passion es ist, in offene Fremdfenster zu urinieren. „Hey Rolf, geh‘ nicht bei mir aufs Klo, mein Nachbar hat sein Fenster offen, da können wir gleich alle mal gepflegt reinschiffen!!!“

Und der Begriff Abschleppservice ist auch irreführend – das impliziert irgendwie, dass man diese sehr spezielle Dienstleistung gerne in Auftrag gegeben hätte und das ganz toll findet und zu 30. Geburtstagen als Verlegenheitsgeschenk schon mal einen um eine Flasche Wein gewickelten Abschleppgutschein mitbringen würde. Wenn das Ordnungsamt noch kreativer wird dann entstehen in der Nachbarschaft vermutlich noch Aufs-Maul-Hau-Services und Ungefragt-Haus-Einreiß-Services. Und die haben Samstags auch original bis 12 geöffnet – ist ja nicht so, dass man den Kübel vielleicht braucht.

Wie gesagt, das Geschäftskonzept irritiert mich nachhaltig. Also ok, ich gebe fairerweise zu, dass ich mich im Worst Case Szenario bestimmt geärgert hätte. Als ich am Freitagabend nach einem langen Tag um 23 Uhr auf dem P&R Parkplatz ankam und auch das Drücken des Funkschlüssels kein Ergebnis brachte, habe ich natürlich diverse Schimpfworte und Flüche in den Nachthimmel geschrien. Ich habe sogar wütend aufgestampft und meine Faust drohend in Richtung FSM gerichtet, auf dass seine nudelige Weisheit mir einen Ausweg zeigen möge (ich war aber auch nicht sicher, ob das Teil jetzt abgeschleppt oder geklaut war). Aber ja, ich hätte mich vermutlich noch mehr geärgert, wenn die Prollkarre noch da gestanden hätte, aber bis zum CD-Player mit Pisse voll gewesen wäre (der netten Polizistin nach realistischer als es klingt). Oder wenn irgendwelche Assis den Wagen kurzerhand in ein Fekalpornostudio umfunktioniert hätten – manche Flecken bekommt man ja einfach nicht raus. Oder man hört ja oft davon, dass in herrenlosen Autos im großen Stil Heringe geräuchert werden. Mit diesen Alternativen im Hinterkopf empfand ich die 230 Euro Abschleppgebühren fast schon als Schnäppchen, ich habe sogar Trinkgeld gegeben. Man hatte auch keine Kosten gescheut und extrahübsche Mülltüten vor die Fenster geklebt – ich dachte zuerst, damit die Pisse nicht rausschwappt – aber es ging dann doch darum, dass es nicht reinregnet.

Also vielen Dank für die freundliche Unterstützung, gerne mal wieder . . . IHR WIDERWÄRTIGEN ARSCHGEIGEN! Auch wenn das vielleicht noch nicht zu Euch durchgedrungen ist, aber wir haben 2013! Die Scheiss NSA bekommt meine Handynummer in 5 Sekunden anhand meiner Zahnabdrücke raus – und ihr seid sogar im Besitz meiner Fahrzeugpapiere… wie wär’s denn mal mit anrufen??? „Hallo Herr Hegenberg, Sie kleines Trottelchen haben ihre Fenster aufgelassen“ „Oh, echt? Ich bin aber auch ein Dummchen… dann fahre ich gleich vorbei und mache sie wieder hoch“ „Ja, das wäre ganz reizend… oder sollen wir sie schnell abschleppen? Kostet nur 230 Euro“ „Nein danke, das ist wirklich ein sehr verlockendes Angebot, aber ich passe“. Aber das geht nicht, dann gehen hier vermutlich 10 Abschlepp-„Services“ im Wiesbadener Großraum pleite!! Ihr Säcke! Von wegen Eigentumssicherung… ist doch kompletter Scheiss! Schleppt Ihr im Juli auch alle Cabrios im Stadtgebiet ab?? Da kann man nicht nur reinpinkeln, da kann man bequem kübelweise Metzgerei-Abfälle reinkippen oder auf der Rückbank Vierlinge gebären!

Aber ich werde den Spieß rumdrehen… ich werde Frau Schibulski und Herrn Grobschlächter auflauern und warten, bis sie ins Freibad gehen (die kennen sich bestimmt persönlich). Und sobald sie im Becken sind schnappe ich mir Klamotten, Portemonnaies und Autoschlüssel und hinterlasse auf der Wiese eine Visitenkarte vom „Jan Hegenberg persönliche Sachen Wegsperr-Service“ und freue mich auf den Anruf. „Hallo? Nein, die Sachen sind nicht geklaut, die sind hier bei uns. Sie lagen da herrenlos auf einer Wiese herum und wir wollten verhindern, dass irgendwer einfach draufkackt. Aber keine Sorge, es ist alles noch da und vor Allem schön sauber. Ich gebe Ihnen die Adresse vom Bankschließfach in Paderborn, da holen sie das Zeug einfach wieder ab. Die haben Samstags nur bis 12 geöffnet, aber wenn sie jetzt einfach schnell nackt hinfahren packen Sie das noch. Brauchen Sie den ganzen Plunder denn unbedingt heute? Egal, vielen Dank für Ihr entgegengebrachtes Vertrauen in unsere Dienstleistung, beehren Sie uns bald wieder.“

 

 

3 Gedanken zu “Das Auto-„Schutzgeld“

  1. Oh, besonderer Service.
    Ein Freund bekam nur ein Verwarngeld, weil seine Begleitung vergaß das Knöpfchen auf der Beifahrerseite des zentralverriegelungslosen antiken Golfs zu drücken nachdem er das Auto auf dem Parkplatz des Abenteuerbades geparkt hatte.

  2. Ernsthaft? Abgeschleppt wegen offener Fenster?! Den Cabriovergleich hätte ich freundlich als Grund zur Weigerung, die Rechnung zu begleichen, angebracht. Notfalls auch mit Hilfe eines Anwalts – alleine wegen des Spaßes, zu sehen, wie das wohl vor Gericht aussieht, wenn die Ordnungshüter mit dem Argument eines vollgepissten Wagens ankommen.
    Und nein, ich hab weder einen Dukaten-Esel noch eine Rechtsschutzversicherung …

  3. Ich meine mal von einem freundlichen Ordnungshüter erzählt bekommen zu haben, dass sie offene Fahrzeuge sogar vor der eigenen Haustür – sprich Hofeinfahrt oder sonstiges- abschleppen dürfen. Begründung: Aufforderung zu einer Straftat- weil Wagen offen und somit potientielles Diebesgut. Natürlich alles nur zum Schutz des Fahrzeughalters und nicht um Abschleppdienste reich zu machen und den Staatssäckel zu füllen…Nee, wer käme nur auf sowas?

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