Ja, das habe ich mir wohl selbst zuzuschreiben…
Vor 2 Monaten habe ich mal bemängelt, die Kampfpresse aus dem Omniversum ließe sich nichts Neues mehr einfallen. Das Schreiben von Repliken auf entsprechende Beiträge gestaltete sich zunehmend öde, da die Schlachter-Protagonisten immer nur ihre eigene Litanei wiederholten, die zu dem Zeitpunkt schon in diversen Krabbelgruppen und Grundschul-Debattierclubs 1000-fach widerlegt worden war.
Frau Raether und ihre Mitstreiter waren zum Recherchieren zu träge geworden, stattdessen klöppelten sie aus vorgefertigten Textbausteinen im Akkord ungelenke Tiraden mit der Eleganz und Eloquenz von angetrunkenen Nilpferden . Hatte man sich davon 2-3 zu Herzen genommen, wurde es langweilig: Die Kings and Queens of Mettigel befleißigten sich, der Leserschaft eine unfassbar naive Vorstellung von Weidehaltung, Bio-Verordnungen und angeblich exklusiver Gesundheits-Motivation der Veganerschaft unterzujubeln – und änderten dann für alle folgenden Texte einfach nur die Reihenfolge dieser blödsinnigen Behauptungen.
Und jetzt hat sich einer was Neues einfallen lassen. Aber nicht zwingend was Besseres. Naja, es handelt sich zugegeben um Springer-Schund, da sollte man jetzt nicht unbedingt was Nobelpreis-verdächtiges erwarten. Viel eher sollte man erwarten, dass der Autor in alter Tradition hauptsächlich gegen Behauptungen anschreibt, welche die Gegenseite so nie formuliert hat. Kühe und Ziegen hätten gar nicht die gleichen Rechte wie Menschen! Gähn – ach echt? Und wir hatten schon die ganzen Vordrucke fertig für Paarhufer-Zahnzusatzversicherungen und Lohnfortzahlung im Euter-Entzündungsfall. Schade um die viele Arbeit.
Dabei sind Verständnisprobleme längerer Texte ja keine Schande. Eckhard Fuhr hätte einfach mal die von ihm gerne zitierte Hilal Sezgin anrufen können:
„Hallo Hilal, hör mal, ich kapiere Dein Buch nicht, kannst Du mir erklären, wie Du das meinst auf Seite 27 wo Du schreibst…“
*Piiiiep* „Hallo, hier ist Hilal, ich kümmere mich gerade um meine Schafe, aber Ihr könnt nach dem Piepton …“
*klick* „Verdammt! Na dann schreibe ich einfach in Fuhr-Style, was mir gerade in den Sinn kommt.“
Nein, wir fordern für Tiere nicht die gleichen Rechte wie für Menschen verdammt. Dafür gibt es recht praktische Gründe – aber auf die kommt Fuhr gar nicht, er argumentiert lieber auf dem Niveau eines Rudels Steinpilze, man stelle sich damit gegen die Natur. In diesem Moment klatsche ich mir mehrmals die Hand an die Stirn; hat der Mann da einen Text in ein modernes, elektronisches Gerät getippt, um dann von Veganismus abzuraten, weil er unnatürlich ist? Lebt Eckhard Fuhr in einem Erdloch und benutzt nach dem großen Geschäft einen Klumpen Moos für die Hygiene, oder könnte es tatsächlich sein, dass auch er die verboten unnatürlichen Annehmlichkeiten der Zivilisation genießt? Im Jahr 2014 als Westeuropäer mit „das ist gegen die Natur“ zu argumentieren, erinnert irgendwie an einen in güldenes Ornat gewandeten katholischen Priester, der die Verfehlungen weltlichen Reichtums anprangert.
Fuhr opfert dann in einer langatmigen Passage zahlreiche vielsilbige Wörter, nur um am Ende dem „Aber Löwen dürfen das doch auch“-Spruch zu einer Neuauflage in hübscherem Gewand zu verhelfen. Bei ihm ist das entsprechend umformuliert in der Art, dass konsequente Tierrechte ja bedeuten würden, dass wir Antilopen vor Löwen beschützen müssten. Dass kein Tierrechtler so einen absurden Unsinn ernsthaft behaupten würde, gibt Fuhr selbst zu, bezeichnet es aber als (unzulässige) Relativierung, welche unser aller Grundrechte aufhöbe.
Nun ist der Tierrechten innewohnende Gedanke aber nicht, dass Tiere keine Tiere mehr töten dürfen, sondern eben dass wir Menschen vernunftbegabte Wesen sind, aus deren Vernunft sich auch eine Verantwortung ergibt, die es konsequent anzuwenden gilt. Ein Mensch kann nachfühlen, was ein Schwein empfindet, wenn man ihm ohne Betäubung die Hoden aus dem Körper schneidet und ist zudem nicht auf den Schweinekörper angewiesen. Einem Löwen fehlt sowohl die Empathie als auch die Fähigkeit, ohne Beutetiere zu überleben.
Und eine genau solche Relativierung findet sich auch in unserem Rechtsstaat: Es gibt Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, die nicht begreifen, was sie anderen Menschen antun, wenn sie töten oder verletzen. Diese Menschen ziehen wir anders zur Rechenschaft als Menschen, denen das Ausmaß ihrer Taten voll bewusst ist. Wir messen uns also an unseren Möglichkeiten, falsch und richtig zu erfassen. Da wir einem Löwen so etwas nicht zumuten können und der Begriff „falsch“ für die Tötung einer Antilope im Hinblick auf seinen sicheren Hungertod auch nicht gerade treffend wäre, ist es mit dem Tierrechtsgedanken vereinbar, wenn Löwen weiterhin Antilopen reißen.
Menschen stellen ihre Moral gerne als einzigartig heraus. Die Frage ist da einfach, ob wir diesen großspurigen Behauptungen auch Taten folgen lassen, oder uns dann, wenn es um unser täglich Schnitzel geht, aus diesem Anspruch herauswieseln mit der Begründung, auf der kognitiven Stufe eines Löwens zu stehen. Anstatt für Kühe, Schweine und Hühner das Recht auf ein schmerzloses Leben zu erstreiten, streitet Eckhard Fuhr halt lieber dafür, dass Menschen die gleichen Rechte wie Löwen bekommen sollten. Ist das nicht gegen die Natur? 😉
Zumal in unseren Gesetzestexten ja bereits Stellen enthalten sind, die Tieren durchaus Rechte zusprechen – halt nicht die gleichen wie uns Menschen, aber weitaus mehr, als die gängige Praxis in Schlachthöfen vermuten lassen würden. Wo ist da Herr Fuhrs panischer Hilferuf für den Universalismus der Grundrechte? Tierquälerei ist in Deutschland verboten – müsste da laut Fuhr-Logik nicht der oberste Gerichtshof jeden Monat hunderte Katzen verurteilen für den qualvollen Tod ihrer Beutetiere?
In Ermangelung eines guten Arguments, was genau so falsch daran sein sollte, Tieren mit dem Menschen sehr ähnlichen Bedürfnissen einen sehr ähnlichen Schutz vor Schmerz, Qual und (extrem) vorzeitigem Tod zu gewähren, rüstet Fuhr einfach anstatt der Begründung die Begriffe auf. Der Ansatz der Tierschützer sei „totalitärer Größenwahn“, führe evtl. zu Euthanasie und genauer betrachtet sei er „Tierrechts-Extremismus“. Tja… schon Winston Churchill hat im Wahlkampf direkt nach dem 2. Weltkrieg nicht so recht gewusst, wie er dem Volk seine Ideen vermitteln soll. Kurzerhand verortete er deshalb seine Gegner der Labour-Party in der Ecke der soeben besiegten Faschisten. Ihr Sozialismus sei ohne eine politische Polizei, eine Art Gestapo, nicht möglich, sagte er wörtlich.
Churchill hat die Wahl verloren, da er mit unzutreffenden Nazi-Vergleichen nur wenige, ganz dumme erreichte. Warum man in der „DIE WELT“-Redaktion glaubt, so was abdrucken zu müssen, bleibt wohl ihr Geheimnis.
Die WELT? DIE Welt? Krass! *kopfschüttel*
Diese Art Journalismus ist gegen jede Vernunft gerichtet und versucht Tatsachen zu verfälschen, indem bewusst richtige und wichtige Informationen weggelassen und durch Plattitüden ersetzt werden. Erinnert mich so ein bisschen an etwas, das ich vor einiger Zeit gelesen habe.
Da fragte der Autor zu Anfang: Wenn etwas erfunden werden würde, das die Umwelt verschmutzt, viel Geld kostet und jeden Tag mindestens zehn Menschen tötet- würden Sie das haben wollen? Jeder vernünftige Mensch würde sofort verneinen. Aber nur bis zu dem Zeitpunkt, wenn er erfährt, dass es sich dabei um das Auto handelt. Dann plötzlich ist die Mobilität und Freiheit wichtiger als alles andere. Und so ähnlich verhält es sich mit Fleisch.
Hallo Jan,
es ist in der Tat immer wieder erschreckend, was in bundesweiten Presseerzeugnissen für argumentative und logische Tiefflüge verbreitet werden können. Der Autor tut ja so, als sei der Verzicht auf Tierprodukte eine Bedrohung fürs Grundgesetz. Ich kann ihn mir bildhaft vorstellen, wie er im Delirium mit einem Hammer durch Schweineställe irrt, wirr murmelnd: „Muss das Grundgesetz schützen, muss Schweine erschlagen, muss das Grundgesetz schützen, muss Schweine erschlagen …“ Aber wie Du schon schreibst: Springerpresse, was soll man da schon erwarten. Die gehörten schon in den Siebzigern enteignet und sind es bis heute nicht.
Einen Vorschlag hätte ich noch: Wenn wir vegan Lebenden die nicht-vegan Lebenden als „Omnivoren“ bezeichnen, begehen wir meiner Meinung nach im Prinzip den selben Kategoriefehler, wie der Autor dieses unsäglichen Artikels. Denn „Omnivore“ ist eine biologische Kategorie, die lediglich besagt, dass ein Tier zur Verdauung sowohl von Pflanzen als auch von anderen Tieren in der Lage ist. Damit sind zum einen Veganerinnen und Veganer in Wahrheit Omnivoren, und zum anderen gestehen wir damit den Fleisch, Milchprodukte und Eier konsumierenden Mitmenschen zu, lediglich entsprechend ihrer und unserer „biologischen Bestimmung“ zu handeln, ungeachtet der Tatsache das der Konsum von Tierprodukten eben nicht nur unnötig, sondern unter ethischen Gesichtspunkten höchst fragwürdig bis komplett abzulehnen ist. (Genau das -schlechte- Argument vom Menschen als Omnivoren steckte mir immer irgendwo im Hinterkopf, wenn ich zu meiner vorveganen Zeit mein Verhalten vor mir selbst zu rechtfertigen versuchte.)
Dazu kommt für mich noch, dass „Omnis“ irgendwie total niedlich und harmlos klingt, eben wie „Omis“. Ich habe mir angewöhnt, nicht-vegan lebende Menschen als „Tierverbraucher/innen“ zu bezeichnen, weil das ohne unnötige Wertung genau die Tatsachen beschreibt: Wer Tierkörper, Eier oder Milchprodukte isst, Leder oder Wolle trägt oder in Daunen schläft, „verbraucht“ damit Tiere, und zwar durchaus in dem Sinne, dass diese anschließend verbraucht, d.h. im Normalfall tot sind.
Das mag jetzt irgendwie eine Korinthe sein, aber meiner Meinung nach kann Sprache auch auch sehr bewusstseinsprägend sein und so mancher Tierverbraucher würde vielleicht ins Grübeln kommen, wenn er sich als solchen bezeichnet sieht.
Viele Grüße
Hauke
Hi Jan
Danke mal wieder für deinen treffenden Kommentar.
Am besten finde ich an dem Original-Artikel, das sich „die Welt“ mit dem Foto jawohl selbst ein Ei gelegt hat *kicher*
Schlecht wird mir aber dabei wie der Autor sich anmaßt zu behaupten das ein Individuum ein „Rechtsbewußtsein“ haben müßte, damit ihm ein Recht auf Leben, Freiheit und Unversehrtheit zusteht.
Kein Wunder das dieser empathielose Mensch „lange gebraucht (hat), um zu verstehen, dass Menschenrechte überall auf der Welt und unabhängig von Kulturkreisen Geltung haben müssen.“
Dummerweise nimmt er es mit dem Verstehen aber wohl nicht so genau, wenn er tatsächlich der Meinung ist, das „für“ diese Rechte irgendwo auf der Welt Kriege geführt würden.
Damit macht er einen gekonnten „Springer“ von AntiTierrechtsExtremismus- zur Kriegshetz-Propaganda, und erfüllt gleich zwei Tagesordnungspunkte der gängigen Berichterstattung in einem Artikel.
Was ist eigentlich mit Menschen los, die auf Andere losgehen, weil sie KEINEN Schaden zufügen wollen oder Gott bewahre, vielleicht sogar FÜR Frieden sind?
nachdenkliche Grüße