Autofasten 2019 – Woche 2

Autofasten, Woche 2.

Ich dachte schon, boah, was ist Autofasten langweilig. Zur Arbeit komme ich zu Fuß, für längere Strecken durch die Stadt fahre ich als Book-N-Drive-Autofaster kostenlos mit Bus und Bahn und zum Kunden nach Köln hat mich diese Woche die Deutsche Bahn gebracht. Wie ein Computerspiel mit zu niedrigem Schwierigkeitsgrad, aber nun war es passiert: Die Essensvorräte gingen zur Neige. Veganer essen ja bekanntlich primär Baumrinde und Tannenzapfen, aber das schmeckt beides im Morgenkaffee so mäßig.

Es wollten also viele Tüten Hafermilch erstanden werden, Kartoffeln und andere Tannenzapfenbeilagen. Wie sollen wir all diese Zutaten nach Hause bekommen? Nach 20 Jahren Autobesitz ist in meinem Kopf ein veritabler Gehirnpilz erwachsen, der auf diese Frage zwanghaft in die Dauerschleife „Nehmt das Auto nehmt das Auto nehmt das Auto nehmt …“ wechselt. Mich befällt also spontan das Gefühl , ein Einkauf von mehreren Kilo Lebensmitteln sei ohne eine 1500 Kilo schwere Maschine quasi unmöglich und meine rechte Hand schaltet zur Kompensation Gänge in die Luft – so wie Luftgitarre, nur uncooler.

Da es dieses Mal auch keine Kinder zu transportieren gab, ringe ich in Gedanken den Gehirnpilz nieder und wir fahren stattdessen mit den Fahrrädern los. Dazu muss man wissen, dass Wiesbaden als eine der Fahrradunfreundlichsten Großstädte in Deutschland gilt, woraus nicht wenige Menschen ableiten, dass schon die bloße Berührung eines Sattels im Stadtgebiet zu schweren Verwundungen führt.

Tatsächlich waren wir komplett ohne Aufenthalte in der Intensivstation in 10 Minuten zum nächsten Tegut gefahren, der eine klasse Auswahl für die grasende Bevölkerung bereithält, diesen Vorteil aber offenbar durch ein paar lieblose, verbogene Fahrradständer wieder auszugleichen gedenkt. Im Ernst, mitten in der Stadt haben die kostenlose Kundenparkplätze, aber für einen Fahrradständer, an dem man den Rahmen anschließen kann, reicht der Platz nicht mehr?

Ja, ich sollte mir mal einen ordentlichen Fahrradkorb zulegen, ich weiß. Aber dafür ist der von meiner Freundin Birdy um so eleganter und auch voluminöser. Ich weiß, das sieht jetzt irgendwie gar nicht nach viel aus, aber in den 4 Tüten und dem gefüllten Rucksack, waren so 80% des Wochenendeinkaufs verstaut.

Eine weitere Sorge sehr autoverwöhnter Menschen ist, dass sie den Rest ihres Lebens mit dem Schleppen von Wasserkisten verbringen müssen. Ich empfehle alternativ diese Soda-Sprudel-Dinger mit CO2-Kartuschen, mit einer einzelnen lässt sich die Menge aus 6 Kästen Wasser aufsprudeln, dann sieht das für 144 Liter Wasser am Ende so aus wie in meinem sehr hübschen roten Korb.

Auch der Rückweg kam ohne Intensivstation aus, was auch daran liegt, dass wir vorsichtig immer wieder komplett anhalten, weil viele Menschen in dieser Stadt denken, Radwege seien so was wie günstige Autoparkplätze. Ich weiß, mit falsch Parken verbinden viele immer noch einen Hauch von Rebellentum und denken, sie seien total lässige Outlaws. Sind sie aber nicht. Es gibt ohnehin schon viel zu wenig Radwege in der Stadt und wenn die dann auch noch blockiert sind, ist das ungefähr so lässig wie eine Sonntagspredigt in Latein. Zudem ist es leider auch ziemlich gefährlich für die Radfahrer, wenn Ihr also echt dringend auf der Straße halten müsst, dann macht man das doch so wie der Wiesbadener Spediteur in diesem Bild.

Wie man sieht, ist der Radweg frei und die Behinderung für die Autofahrer wäre so oder so gegeben. Vielleicht kann der DHL-Konzern seine Fahrer mal bei denen zur Fortbildung schicken? Und ja, mit dem Fahrrad man kann so ein Hindernis theoretisch umfahren, aber das ist halt der erste Ring, auf dem 50 km/h erlaubt und 60 km/h Realität sind. Versucht da mal mit einem Korb voller Lebensmittel bei leichtem Anstieg in den fließenden Verkehr einzufädeln. Noch schlimmer: Rad fahrende Kinder ab 11 Jahren müssen die Straße benutzen. Keine Ahnung, welche Eltern ein gutes Gefühl dabei haben, wenn ihr Kind sich auf einer Stadtautobahn gegen den Berufsverkehr behaupten muss, ich gehöre nicht dazu.

Der Rückweg hat also etwas länger gedauert, war aber immer noch viel schneller, als ein Einkauf mit dem Auto. Radfahrer parken halt immer direkt vor der Tür, das ist dann schon komfortabler als den Wochenendeinkauf vom mühsam gefundenen Parkplatz zwei Querstraßen weit bis nach Hause zu schleppen. Es ist also Zeit für einen Belohnungskaffee und ein Geheimnis: Ich hasse Sojamilch im Kaffee. Laut Presselandschaft ernähren sich ja alle Veganer zu 90% von Sojamilch und aus Sojamilch gefertigten Kunstwürsten, aber außer in Aioli oder Tzatziki meide ich das Zeug eigentlich.

Nein, in meinen Kaffee kommt wohlschmeckende Hafermilch. Das sieht der tegut anders und hat meine Lieblingssorte vor wenigen Wochen einfach mal ausgelistet – warum? WARUM? – und zwingt mich jetzt zu einer Extratour zur Konkurrenz – also zu Rewe. Sobald sich in Wiesbaden irgendwo zehn Quadratmeter Brachland auftun, steht früher oder später eine Rewe-Filiale drauf, man könnte glatt meinen, die vermehren sich durch Pollenflug. So einen gibt es auch in der Aarstraße und mein Gehirnpilz warnt mich eindringlich, den Weg mit dem Rad zu machen, weil es bergauf geht und viel zu weit ist.

Ich sage ihm also, dass er nervt und schließe eine Wette mit ihm ab, dass es bestimmt ganz schnell geht. Tatsächlich ist die Distanz lächerlich. Sorry an alle Leser, die mit echten Entfernungen klarkommen müssen und das jetzt kopfschüttelnd lesen müssen, beschwert Euch beim Gehirnpilz, ich bin ganze 157 Sekunden unterwegs.

Wer auch immer für diesen nagelneuen Supermarkt die Fahrradständer entworfen hat, er war wohl bei dem tegut-Typen in der Lehre. Dieser Rewe hat eine Tiefgarage für über 50 Autos und diese klägliche Ansammlung von Metall ist den Radfahrern vorbehalten. Das Ding ist nicht mal festgeschraubt, dafür gibt es aber Hafermilch en masse

Der Rückweg ging noch schneller, ich habe nun also ausreichend Zeit, den Gehirnpilz mit Kaffee zu therapieren. Prost

20 Gedanken zu “Autofasten 2019 – Woche 2

  1. Ich drücke die Daumen, dass die Gehirnpilz-Therapie funktioniert. Danach sollten sich vielleicht die Unions-Menschen in Berlin dieser Therapie verpflichtend unterziehen:
    https://www.spiegel.de/auto/aktuell/fahrrad-verkehr-union-lehnt-neue-regeln-ab-a-1261308.html
    Vielen Dank für Dein Selbstexperiment samt heiterer Dokumentation. Ich (über)lebe seit 8 Jahren als autofreier Veganer in einer der fahrradunfreundlichsten Städte Deutschlands (laut ADFC) und ich kann mich immer noch nicht hinter einem Besenstiel verstecken. Ich habe sogar schon Geburtstage mit Freunden und mehr als 3 Flaschen Bier gefeiert. Fahrradanhänger sind für den größeren Einkauf super praktisch. So einen Anhänger kann man auch im Keller parken. In Köln gibt es sogar schon ein E-Lastenrad-Verleih. Ich hoffe so sehr, dass Deutschland eine Verkehrswende hinbekommt und wir wieder saubere Luft atmen können und uns sicher in der Stadt bewegen können und dass wieder mehr Leben im öffentlichen Raum stattfinden kann. Das geht aber nur mit deutlich weniger Autos.

    • Welchen Vorschlag hast du für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht Fahrradfahren können und sich auf unseren unzuverlässigen, unfreundlichen, unkoordinierten, stinkigen, klebrigen ÖPNV als Quell des Erbrechens und der Körperverletzung nicht verlassen möchten?

      Die Frage ist nicht schnippisch gemeint. Bin nicht behindert genug, damit mir die KK ein steiles Elektro-Gefährt bezahlt. Habe ÖPNV probiert und bin geheilt. Habe mir kurz vorm Kollaps wieder ein Auto gekauft. Suche ernsthaft nach Alternativen zum Auto. Mir fällt aber beim besten Willen nichts ein – was sollte das sein? Bin täglich in einer Großstadt und 20 bis 50 km über Land unterwegs.

      Es fehlen ja allgemein Lösungen, die nicht nur für jugendliche fitte Stadt-Singles geeignet sind sondern der Lebensrealität der gesamten Bevölkerung entsprechen.

      • „Habe ÖPNV probiert und bin geheilt.“
        „unzuverlässigen, unfreundlichen, unkoordinierten, stinkigen, klebrigen ÖPNV“

        Hilfe, wo kommst du denn her, wo es so fürchterlich zugeht?
        Ich betreibe permanentes Autofasten, da damals mein Führerscheinprüfer und ich anderer Meinung über „richtiges Autofahren“ waren und bin demnach auf Fahrrad (aber ich bin faul) und ÖPNV angewiesen, wenn ich mich umherbewegen will…
        Vielleicht bin ich besonders hart im Nehmen oder einfach abgestumpft, aber ich fahre tatsächlich ganz gerne Bus und Bahn.
        Und in meiner Heimat (dem schönen Ruhrgebiet) ist das auch halbwegs zuverlässig, neutral bis freundlich, wenn man gut plant koordiniert, geruchsarm und selten klebrig möglich 🙂

        • „Vielleicht bin ich besonders hart im Nehmen oder einfach abgestumpft, aber ich fahre tatsächlich ganz gerne Bus und Bahn.“

          Ja, bin ich früher auch gern gefahren. Schönes Bsp. Bahnfahren. Das kenne ich – DDR-Bürger – so: Man kauft sich eine Fahrkarte (Preis < halbes Monatsgehalt) am Schalter, bei Klecker-Bahnhöfen wartet man im Zug auf den Schaffner. Bezahlt wird im Übrigen pro km (8 Pfennig; Kinder, Studenten, Azubis, Schwebis und Rentner die Hälfte, Studentenheimstrecke nochmal die Hälfte, Speed-Upgrade pauschal 3,- Mark, fertig.) und nicht nach irgendwelchem unbegreiflichen Tarifdschungel heute so und morgen so. Während der Fahrt ist Ruhe, man kann lesen oder dösen – und es WURDE gelesen und studiert, wer sich unterhalten möchte, senkt die Stimme bzw. flüstert und beansprucht die Nerven seiner Mitreisenden nicht über Gebühr, Kinder lernen, dass Zivilisation u.a. darin besteht, nicht immer sofort jedem Impuls nach Aufmerksamkeit, schreien oder toben nachzugeben. Die Sitze waren mit karamellfarbenem (Nichtraucher) und dunkelgrünem (Raucher) Kunstleder bezogen, man konnte sie also vor dem Hinsetzen ABWISCHEN.
          Heute musst du deine frischgewaschenen Sachen in ein vollgepupstes Polster drücken, während du dir vornimmst, darauf zu achten, mit deinen frischgewaschenen Haaren nicht in den Haarranz deiner Vorinsassen zu ditschen, von dem das Kopfteil inzwischen sichtbar starrt. Morgens stinkt der überfüllte Waggon nach 3000 verschiedenen Waschmitteln, Duschgels, Shampoos, Odeklos und sonstigen Panschen, abends nach diversem mitgebrachtem Fraß und kernigem Männerschweiß. Der RE lässt den Diesel am Startbahnhof schon mal locker 15 Min. sinnlos rumknattern, im Sommer natürliche bei offenen Türen, denn die Leute wollen "frische Luft". Zusätzlich miefen die in mehreren Jahren gesammelten, in den Stoffpolstern versenkten abgestorbenen Hautzellen beständig vor sich hin. Guten Appetit. Um dich rum wird aber nicht nur geschmatzt und gestunken sondern notorisch gewischt, was das Lesen auch dann unmöglich macht, wenn man angepasste Ohrstöpsel hat. Wenn im Blickfeld ständig irgendwas wackelt, leuchtet und fuchtelt, gern noch mit künstlichen Klacker-Krallen an den Fingern, kann man einfach nicht mehr lesen. Es findet sich auch immer eine Trulla, die Berge von Unerheblichkeiten in ihr Wischbrett reinlabert oder ein Bürschlein, das die Welt medial von seiner überdurchschnittlichen Wichtigkeit und Coolness in Kenntnis setzen muss. Es gibt Leute, deren Kopfhörer scheppern lauter als meine Anlage, wenn ich mal aufdrehe – natürlich mit 200 bpm, denen sich der Herzschlag krankmachenderweise anzupassen trachtet. Kinder, die schon den ganzen Tag an der städtischen Bewegungsunfreiheit verreckt sind, sehen jetzt ihre Chance gekommen, ihren natürlich Drang frei zu entfalten. Deren von oft sinnfreier Erwerbstätigkeit erschöpfte Eltern sehen das genauso. Und über allem schweben die Kommunikationsgewohnheiten unserer im Osten angeblich nicht vorhandenen zahlreichen lieben Neubürger, die von Wiebke Bruhns in ihren sehr lesenswerten Erinnerungen "Nachrichtenzeit" so absolut treffend als "orientalisches Geschrei" bezeichnet werden. Ich muss wohl nicht extra betonen, dass es sich bei der wiederholten Bitte, die Gesprächslautstärke dem tatsächlichen Bedarf anzupassen, um widerwärtigen Rassismus handelt.
          Zugutehalten muss man der Bahn allerdings, dass der Anfahr- und Bremsvorgang in der Regel nicht zu wesentlichen Veränderungen der eigenen Position im Waggon führt. Hierfür sind eine Straßenbahn oder ein Bus zu betreten. Wobei die Busfahrt nicht selten das zusätzliche Erlebnis eines angepesteten "Verfatz-dich-oder-in-die-Fresse"-Busfahrergesichts zu Begrüßung bereithält. In diesem Zusammenhang ist mir stark aufgefallen, dass fast ausschließlich Frauen und junge Männer mit dem Begriff FahrGAST noch was anfangen können.

          Nach der dritten oder vierten beim ruppigen Anfahren in der Straßenbahn lang hingeschlagenen Oma habe ich dann Abschied genommen, nicht nur wegen Frust und Ekel, sondern letztlich infolge meiner Berechnung, dass meine durchschnittliche Schlafdauer pro Nacht für den Fall, dass ich meinen beruflichen und familiären Verpflichtungen in gleicher Weise wie mit Auto-Mobilität nachkommen wollte, -38 Minuten und 33 Sekunden betrüge.

          Du scheinst tatsächlich hart im Nehmen zu sein; abgestumpft wäre auch nicht so selten -)) Denn dass ich kein Einzelfall bin, habe ich in zahlreichen Gesprächen und vor einem Monat in der heute-Show erfahren:

          https://www.youtube.com/watch?v=uIY5YoEp34c

          (ab Minute 3:20 "Mit Bus und Bahn durch NRW")

          • Hmmm, also ich bin ja durchaus der Meinung, dass der ÖPNV besser werden muss, aber so schlimm nehme ich das jetzt auch nicht wahr.

            Ja, die Tarife sind totaler Mist, aber daran wird ja bereits gearbeitet. In meiner RMV-App gebe ich einfach Start und Ziel ein, der Preis erscheint, ich drücke auf „Ticket kaufen“ und habe das Ticket dann auf dem Handy. Das ist zehnmal praktischer als Automaten mit einfachem Tarifsystem, denn ich brauche kein Kleingeld und es können sich 20 Leute gleichzeitig ein Ticket kaufen. In Köln und Hamburg geht das genau so, für tägliches Pendeln kauft man sich snnvollerweise aber ohnehin eine Monatskarte.

            Und nein, auch früher war es in Zügen schon laut. Ich bin mir da ziemlich sicher, weil ich Lärm hasse und mich an das Jahr 1999 erinnern kann, in dem mich Junggesellenabschiede, Geschäftsleute mit den ersten Handys und allerlei Leute mit starkem Geltungsdrang akustisch beglückt haben. Eine längere Zugfahrt trete ich daher einfach immer mit Kopfhörern an.

            Und das liegt nicht nur an Kindern oder bösen Jugendlichen, auch Rentnergruppen mit ordentlich Alkohol im Gepäck verwechseln einen Ruhewaggon gerne mal mit einer Partymeile für Kaffeefahrten –> Wenn viele Menschen zusammenkommen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass gar keine Idioten dabei sind, ziemlich gering.

            Ich habe aber auch das Gefühl, dass Du ziemlich empfindlich bist, denn wenn Dich schon die Benutzung eines Smartphones in Rage bringt, dann hast Du vermutlich eher ein Problem mit anderen Menschen als mit dem ÖPNV.

          • Antwort auf Der Graslutscher April 23, 2019 um 8:24 am

            Empfindlichkeit ist der Job, den unsere Sinne nun mal haben. Ich bin nicht bereit, sie z.B. mit Kopfhörern (viel Spaß mit der Gebärdensprache im Alter dann) abzustumpfen, nur um den akustischen, olfaktorischen und sonstigen Auswurf vieler rücksichtsloser und komplett egozentrischer Mitmenschen besser ertragen zu können.
            1999 war mein Land schon 10 Jahre weg und der Selbstdarstellungswahn griff von Jahr zu Jahr immer mehr um sich. Deshalb glaube ich dir die Junggesellenabschiede und Rentnergelage an unpassendem Ort sofort. Es ist auch nicht so, dass es in den 70ern und 80ern keine Störungen gab. Also durch Jugendliche. Durch Rentner tatsächlich nicht in der Bahn. (Inzwischen sind die Rentner z.T. asozialer drauf als die verspießte Jugend – nach uns die Sintflut.) Aber damals fiel es auf, wenn es mal eine Störung gab. Und nicht, wenn man ausnahmsweise mal das erleben durfte, was ja immer als der große Vorteil der Öffis angepriesen wird: Dass man angeblich lesen oder ein Nickerchen halten und dann sooo entspannt ankommen kann.

            Wenn ich mich danebenbenehme, werde ich vor die Tür gesetzt. Was eigentlich selbstverständlich ist, gilt nicht (mehr) im ÖPV. Die Bahn richtet Raucherinseln ein, aber keiner kontrolliert, ob das auch eingehalten wird. Als Fahrgast habe ich kein Hausrecht, kann mich also bestenfalls mit Ankündigungen für auf die Fresse versorgen lassen. Sorry, dass ich mit solchen Leuten ein Problem habe und mich nicht zwischen zwei Formen der Körperverletzung entscheiden müssen will, wenn schon die dritte (bei Minusgraden die Verspätung abwarten) unausweichlich ist. Ich würde die Nichteinhaltung von sinnvollen Regeln wirklich sehr gern auch für Avantgarde halten. Ist sie aber nicht.

            Und nein, ich möchte KEINE ätzende App, sondern ich möchte mir anonym eine ganz normale Fahrkarte kaufen und unüberwacht von A nach B kommen. Schließlich wurde der Laden bei uns ja vor allem deshalb geschlossen, weil Überwachung angeblich so schrecklich ist. Jetzt soll ich plötzlich nicht so empfindlich sein und die totale Überwachung gedankenlos ganz praktisch finden. Japp, alles klar.

            Hier die kreative Erlebnisverarbeitung von Leuten, die laut deinem arroganten Ferndiagnoseversuch auch ein Problem mit anderen Menschen haben:
            https://www.der-postillon.com/2014/05/zu-nett-busfahrer-von-arbeitgeber-auf.html

            Vielleicht solltest du, statt andere zu diagnostizieren, über die Eigendiagnose von LazyCyclista nachdenken. Könnte passen.
            Glückwunsch, ihr seid die Mehrheit. Wer im totalen Selbstentfaltungskrieg aufmuckt und – krasser Extremismus: die Einhaltung von Gesetzen und grundlegenden Umgangsformen in Erwägung zieht statt zu resignieren und sich in Selbstschädigung durch Reizüberlagerung zu flüchten, gilt als unentspannt. Willkommen in der Bananenrepublik.
            Ich fahre jetzt mit meinem Auto, in dem es sauber ist, gut riecht und wo niemand mich volllabert, vollqualmt, anrempelt, anstinkt oder mir seine Krankheitserreger um die Ohren sprüht, nach Hause, und zwar in 15 Minuten statt in 1h40Min. Und wenn ich da bin, muss ich die Einkäufe einfach nur durch die Tür tragen und nicht anderthalb Kilometer durchs Dorf. Das macht übrigens auch Leute, die gesund und fit sind, auf die Dauer mürbe.

      • Sorry, aber ich habe leider kein Heilmittel gegen Misanthropie. Mal im Ernst: für bestimmte Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen ist vielleicht zunächst das Auto noch das beste Verkehrsmittel. Dann soll es halt solange so sein, bis es gute Alternativen auch für diese Menschen gibt. Um wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung geht es denn dabei? Der Rest soll sich nur nicht dahinter verstecken.

        • Faktenabwehr durch ad hominem-„Argumente“ – woher kennt der Veganer das noch mal? Funktionstüchtige Sinnesorgane sind keine Misanthropie. Und wenn die Öffis ihre Versprechen nicht halten können, dann sollen sie sie erst gar nicht abgeben. Ganz einfach.

          „Um wieviel Prozent der Gesamtbevölkerung geht es denn dabei?“
          Ich weiß nicht, inwieweit deine Vorstellungskraft den Gedanken zulässt, dass du vielleicht auch mal älter wirst. „Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen“ – das sind bei uns im Dorf mindestens die Hälfte der Leute.

          Ich selbst bin zwar noch nicht alt aber auch nicht mehr der Allerjüngste. Ich habe eine Tochter, alte Eltern und zwei Jobs. Damit bin ich kein perverser Einzelfall, wie du es hier aussehen lassen willst, sondern das ist ab einem gewissen Alter vielfach der Normalzustand. Und als ich das alles mit Öffis zu bewältigen versucht habe, bin ich nicht nur in Ekel und Erschöpfung versackt, sondern musste zwangsläufig meine Aufgaben vernachlässigen.
          Ein nicht tragbarer Zustand.

          Gleichzeitig halte ich des Bewegen des 10fachen des eigentlichen Transportgewichts auch nicht für einen tragbaren Zustand. Deshalb hatte ich – mit kurzer Begründung – nach eventuell vorhandenen Erfahrungswerten, was man außer Öffi und Auto sonst noch machen kann, gefragt, wenn auch nicht mit allzu viel Erwartung, denn wie gesagt – was sollte das sein?

          Ich kann auch beim besten Willen nicht verstehen, warum ich hier angegangen werde, nur weil ich für die Einhaltung von Gesetzen und auch von allgemeinen Verhaltensregeln, die bis vor wenigen Jahrzehnten in öffentlichen Verkehrsmitteln (außer in lehrerfreien Schulbussen natürlich) noch Standard waren, bin.
          Es müsste doch in deinem ureigensten Interesse als Radfahrer liegen, wenn deine Rechte von den zuständigen Kräften endlich mal DURCHGESETZT würden. Wenn z.B. liegengebliebene Autos auf der Autospur liegenbleiben und nicht auf dem Radweg, wie ich es heute vormittag schon wieder gesehen habe. Die weitere Liste kennst du ja.
          Warum beklagst du die Anarchie in der Stadt und diskreditierst (nicht als Einziger) mich, der ich die Anarchie in den Öffis beklage? Es ist doch alles dasselbe: Die Unfähigkeit zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die Unfähigkeit, mal ’ne halbe Stunde auf die ungehemmte Selbstentfaltung zu verzichten, vermiest vielen anderen den Tag und manchmal noch schlimmer.
          Niemand ist mehr für irgendwas verantwortlich, noch nicht mal für sich selbst. Wer nichts weiter als das Einhalten von Verträgen fordert, wird blöd angemacht. Mit so einer Mentalität gibt es keine Verkehrswende Richtung lebenswerte Stadt sondern Richtung Kairo. Aber hey, Hauptsache wir sind alle schön entspannt und irgendwie total offen.

          • Welche Fakten denn? Es geht in dieser Debatte doch nur um Wahrnehmungen. Und meine unterscheiden sich von den Deinen. Zumindest was den ÖPNV betrifft. Und ja, ich beschäftige mich auch mit dem Älterwerden, da ich bereits auch mehr als 40 Lenze zähle. Daher versuche ich mich auch fit fürs Alter zu halten, z.B. durch Fahrradfahren. 🙂 Und ich bezweifle ganz stark, dass die Hälfte der Menschen, die hier mit dem Auto durch die Stadt fährt, körperlich derart eingeschränkt ist, dass sie keine 3 km mehr mit dem Fahrrad zurücklegen kann. Dass das bei Euch im Dorf so zu sein scheint, tut mir leid. Aber selbst dann ließe sich der PKW-Verkehr doch halbieren. Das wäre doch was!

          • „Welche Fakten denn?“
            – dreckige Sitze
            – dieselverqualmte Waggons
            – Bahnsteige ohne jede beheizte Wartemöglichkeit
            – verqualmte Bahnsteige
            – kein Sicherheitspersonal
            – Gewaltandrohungen und tatsächliche Gewalttätigkeit anderer Fahrgäste
            – Geräuschpegel, der im Arbeitsschutz das Tragen von Gehörschutz verpflichtend macht
            – Zwangsbeleuchtung
            – Zwangsbeheizung / -kühlung
            – Zwangsbelüftung
            – unnötig ruppiges Anfahren und Bremsen
            – Abfahren vor der Abfahrtzeit bzw. einfach Vorbeifahren an der Haltestelle,
            alles Fakten. Und ja, die nehmen wir natürlich wahr. Sonst könnten wir sie nicht kommunizieren. Dass verschiedene Leute aus ideologischen Gründen, also quasi „der guten Sache“ wegen so tun, als wäre man eine abartige Ausnahme, wenn einen das massiv stört bzw. krankmacht, dient der guten Sache nicht wirklich. Und wäre ich eine Ausnahme, könnte ich hier nicht Medienbeiträge zum Thema verlinken.

            „Aber selbst dann ließe sich der PKW-Verkehr doch halbieren.“ Aufgrund welcher Fakten bist du denn zu dieser Erkenntnis gekommen? Soll ich zu meinen Eltern und zu meinen Jobs nur hinfahren, aber nicht zurück? Du hast keine Ahnung und behauptest einfach irgendwas. Noch nicht mal aufgrund von Wahrnehmung. Das ist launiges grünes Volksermunterungsniveau, von dem sich Menschen, die täglich vielfach Verantwortung übernehmen, nur übergangen und veräppelt fühlen.

            Nicht zuletzt ist die Wahrnehmung jedes einzelnen Menschen an sich ebenfalls ein Fakt. Es ist Fakt, dass von den über 20 Menschen, die ich seit meinem zweiten Kommentar hier auf ÖP(N)V – ob sie ihn nutzen und wenn nein, warum nicht – angesprochen habe, weit mehr als die Hälfte geantwortet haben, dass sie es nicht tun, weil ihnen die Umgebung da drin zu mistig und zu distanzlos ist. Es gibt Körperkontakte, die will man einfach nicht. Viele haben auch explizit den Geruch genannt. Von meinen privaten Bekannten weiß ich das alles sowieso.

            In der Bahn gibt es wenigstens noch die 1. Klasse, wo sich ein Teil der Zumutungen ausschließen lässt. In der S-Bahn so halbherzig. Bus und Straßenbahn – Fehlanzeige.

  2. … „er wohl bei dem Tegut-Typen in den Lehre“??? Lieber Graslutscher, offensichtlich spielt deine Freundin wieder Kampf-PC-Spiele. Oder du hast den Text an ihr vorbeigemogelt. Oder ich muss ganz brutal fies sein, weil ich die Streber-Dooftusse bin die noch nie ein Auto besaß (EHRLICH!!!) und deshalb gerade den Kopf blutig schüttelt. Nein, keine Sorge: ich kenne Gehirnpilze an anderer Stelle. Ring ihn nieder, mach ihn alle!!! Schreib weiter und lass deine Lektorin vor der Veröffentlichung drübergucken. 😉

    • Oh ja, Du hast Recht 🙂 Das war eine Ausnahme, weil ich das schnell online bekommen musste, denn: Der Wiesbadener Kurier hat über die Aktion berichtet, was zu schlimmen Entgleisungen auf deren Facebook-Seite führte: https://www.facebook.com/wiesbadenerkurier/posts/10157192993851054

      Liebster Vorwurf: „Audofasten mid Miettauto, voll duhm!“

      Da wollte ich etwas eher zeigen, was Autofasten tatsächlich bedeutet und dass eben die Autofahrten stark reduziert werden. Der nächste Text nimmt wieder den Weg durch Lektorat, versprochen 🙂

  3. Womit ich NICHT meine: Gehirnpilze anderswo als im ‚Gehirn. Zu anderer Thematik. Hach, es ist Gründonnerstagabend und die Flasche Bier nicht meine erste, ICH GEBS JA ZU.

  4. Ich bin seit längerem (ich glaube zwei Jahre) leidenschaftliche Protestfahrradfahrerin. Was mir immer wieder auffällt sind diese ungeduldigen Autofahrer, die meinen, einen 50 Meter vor einer roten Ampel mit Vollgas und anschließender Vollbremsung überholen zu müssen. Erhöhter Abgasausstoß sowie Bremsabrieb inklusive. Sollte meiner Meinung nach härter geahndet werden als auf der Autobahn über dem Tempolimit zu fahren. Oder bei Rot über die Ampel zu fahren, um Fußgängern und Radfahrern die Vorfahrt zu nehmen. Ist mir heute passiert. Ich hab echt nicht schlecht geguckt.

    • Seit ich mehr Rad fahre staune ich generell nicht schlecht, wie gefährdend manche Leute fahren. Abgesehen von diesen bescheuerten Kickstarts und dem viel zu nahen Überholen fällt mir auch oft eine ziemlich starke Aggressivität auf, wenn Autofahrer endlich aus einem Staubereich rauskommen, den sie selbst verursacht haben und dann ganz besonders aufs Gas treten. Voll mutig so mit einer Tonne Stahl als Schutzpanzer.

  5. Ich bin seit gut 3 Monaten auf Auto-Diät.

    Habe mir ein total schickes E-Bike gekauft und fahre damit jetzt fast täglich meinen Arbeitsweg ab (35 km insgesamt). Ich liebe es und habe den Kauf null bereut.

    An den ganzen g´spinnerten Autofahrern fahre ich jetzt ganz gemütlich vorbei (haben hier viele gute Radwege, Stau ist mir jetzt sowas von egal) und erfreue mich an der sanften Bewegung, der frischen Luft und den Landschaften, die ich seither entdeckt habe.

    Mein Autochen ist jetzt nur noch so ein Wochenendgefährt, wenns mal weiter weg gehen soll. Was ich seit dem Benzin gespart habe.

    Einkäufe habe ich schon vorher nur mit dem Rad (ohne E) gemacht. Geht wunderbar.

    Wohne allerdings nicht in einer Großstadt. Eher ländlich. Finde es hier aber auch schon etwas nervig durch unsere Kreisstadt zu radeln.

  6. Da trotz Winterzeit es in der Regel abends dunkel wird, wie machen Sie die 35Km bei Dunkelheit und Regen? Sicher nur auf gut beleuchteten innerstädtischen Radwegen und nicht in der Einsamkeit der Natur auf dem Donau-Radweg, wobei ich die Einsamkeit in der Freizeit eigentlich liebe, aber gern mit Hund, aber Radfahren bei Pflichtbereitschaft am Telefon über 7Tage durchgehend scheitert z. B. an den Fragen: Wie schütze ich mein Handy vor Regen trotz Jack-Wolfskin-Outfits während des Telefonierens, wie schütze ich mich selbst vor Starkwind und Hagel,da ich selbst mit dem Auto auf einer kleinen Straße abseits der B8 durch Schneeverwehungen steckengeblieben bin,und auch mit Auo bei Windböen, Starkregen in Blitzeis fast von der Straße abgekommen bin, ich kann zu jeder Wetterlage einen Bericht schreiben ich habe bei der Schneeverwehung im Tiefschnee ohne Allrad nachts den ADAC angerufen. Wer rettet mich bei selbigem Problem auf dem Fahradsattel? DerADFC? Wie schaffe ich es, bei totaler Dunkelheit nicht vom Weg abzukommen, und im Schlamm und Morast der Vogelschuzreservate und Überschwemmungsflächen der Donauseitenarme zu landen, was mir schon passiert ist, ich bin schon knietif eingesunken und sah mich schon als Moorleiche enden; wie fahre ich sicher nässegeschützt mit Navy, weil es keinen durchgehenden Radweg gibt, sondern nur die Fahrt durchviele Dörfer an der B8 und die partielle Nutzung des sehr einsamen Donau-Radweg. Wenn ich mich auf die belebteren öffentlichen Straßen, auch die B8, begebe, wo ich allerdings noch nie Radfahrer gesehen habe, während ich als Autofahrer dort unterwegs bin, kan ich nicht mit Gelassenheit und Genuss den innerstädtischen Verkehr beobachten, sondern nur mit Angst und Unterlegeheitsgefühl. Ein flexibles, selbstgewähltes Arbeitsende zwischen 20und 22Uhr ist auch schwer in Übereinstimmung zu bringen mit den Fahrzeiten der Öffis, welche eine tägliche zusätzliche Zeitlast von 1 1/2 bis 4Stunden mit sich brächten,die durch unsere planetare Konstellation (Erdrotation) überhaupt nicht vorgesehen und nicht wieder zeitlich einholbar ist. Ferner sind abends auch manchmal Kundenkontakte erforderlich, diese sind ich immer nur im 10km-Entfernungsradius angesiedelt. Deshalb bin auch ich sehr gespannt auf sinnvolle Vorschläge bzgl. ökogischerer Alternativen bei dünner Öffi-Infrastruktur.

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