Wenn der Pottwal Schiffe rammen darf dann will ich das auch!

Heute mal einen Klassiker, ok? So was wie die unangefochtene Grande Dame der Un-Argumente aus der Wurst-Fraktion: Der Löwen-Spruch! *Bitte an dieser Stelle die Eurovision-Melodie denken*. Der Löwen-Spruch ist wirklich etwas einzigartiges, ein ganz besonderer Leckerbissen für die Debattier-Feingeister unter uns. Dürfte außerdem jede Statistik der meistgebrauchten Wortketten ohne Sinn anführen, da schon unendlich lange in Gebrauch –man konnte bereits in antiken Schriften von Philolaos nachweisen, dass Pythagoras beim Verzehr einer Portion Hummus mit Oliven genervt wurde mit „Gar kein Fleisch? Aber Löwen essen doch auch Antilopen!“.

pythagoras

Bemerkenswert übrigens, dass es 100e Raubtier-Spezies gibt, aber immer nur der Löwe zur Sprache kommt. Was ist denn mit Blobfisch, Schabe und Sternmull? Schon klar, das sind nicht die Spitzenprädatoren, mit denen man sich gerne identifiziert. Nur: Wir sind keine Spitzenprädatoren, wir sind untersetzte, degenerierte Affen. Ohne das Geschummel mit Gewehren und Jeeps würdet Ihr in freier Wildbahn, einen Löwen im Angesicht, ganz schön mit runtergelassenen Hosen dastehen. Und da 99% von uns weder Jeeps noch Gewehre herstellen können ist das ein weniger künstliches Szenario als widerwärtige, ihren Penis-Komplex mit großkalibrigen Waffen bekämpfende Trophäen-Jäger.

Ja, korrekt, die Löwen „dürfen“ die Antilopen aufessen. Dieses Ableiten von menschlichem Verhalten aus den Handlungen von Löwen hat nur einen kleinen Haken. Da kommt man auch selbst drauf, wenn man nicht einfach den erstbesten Gedanken ohne jegliche Prüfung ins Sprachzentrum vordringen lässt. Tiere essen nicht nur andere Tiere, die machen auch allerlei andere drollige Sachen – wollt Ihr trotzdem an dem Konzept festhalten? Wenn ja dann stattet Euch doch bitte mit GPS-Marken aus, damit ich sicher sein kann, niemals zeitgleich mit Euch in der Nähe eines Affengeheges zu stehen. Die Affen dürfen nämlich als Gegenleistung für ihre lebenslanges Gefangenschaft mit Fäkalien um sich schmeißen – nehmt am besten Wechselklamotten mit. Für den Fall, dass Ihr in einem spontanen Anflug von Speziesneid beschließt, auch mal mit den eigenen Ausscheidungen um Euch zu werfen.

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Doofes Beispiel? Ok, ein Vorschlag zur Güte: Da der Veggie-Day so schlecht aufgenommen wurde kombinieren wir diesen Tag der totalen Öko-Diktatur zwecks Akzeptanz mit einem weiteren Tag, und an dem zählt nur die Freiheit des einzelnen: Ab sofort ist jeder Dienstag der „Behave-like-an-animal Day“, kurz BLAA-Day! Man darf machen, was immer man möchte, solange sich irgendwo im Tierreich entsprechende Beispiele finden. Das wird super, der ganze langweilige Alltag wird so richtig aufgepeppt!

Ich würde dann potentiell langweilige Dinner-Einladungen konsequent nur auf Dienstage legen. Schon zur Begrüßung ersetzt man diese erzwungenen 1 – 3 Küsschen auf die Wange direkt mal damit, der Gastgeberin aufgedreht im Gesicht herumzulecken und bellt in infernalischer Lautstärke im Hausflur herum. Am Esstisch sind Geschirr und Besteck komplett überflüssig, man isst und trinkt einfach alles, was man will und wie man es will. Scheisst auf Servietten und affektiertes Getue, unterdrückt nicht vollkommen zwanghaft Eure Körpergase! Spürt die Freiheit in Eurem Haar, wenn Ihr, Nudelsalat in der einen und Mousse au Chocolat in der anderen Hand, mit einem fulminanten Rülpser die Hängelampe zum Vibrieren bekommt, um dann das Gesicht in einen Napf Fusel zu versenken.

Ist das Dessert dann passé und Bernd packt seine Dias raus, welche die Entstehung seiner Einkommensteuererklärung 2003 dokumentieren, dann bedeutet das nicht zwingend Langeweile: Anstatt Interesse zu heucheln und gegen die Müdigkeit anzukämpfen bietet sich einem plötzlich ein bunter Blumenstrauß kurzweiliger Beschäftigungen: Zuerst würde ich mal schön versuchen, mit bloßen Händen die Vorhänge zu erklimmen. Dürfte die gläserne Gardinenstange nicht lange mitmachen so dass irgendwer das Desaster wegsaugen muss. Beim Einschalten des Staubsaugers renne ich panisch kreischend ins Bad und setze ein Geschäft neben das Katzenklo.

Sobald Türklingel oder Telefone bimmeln schreien wir komplett von Sinnen das Haus zusammen und zwischendurch kann man immer mal das Knie eines Anwesenden begatten. Hätte irgendwer was dagegen, wenn ich nach dem Essen etwas Gras auf den Tisch kotze und mir danach am After rumlecke? Also nicht als Vorspiel oder so sondern aus Hygienegründen… keine Ahnung, ob ich gelenkig genug bin.

SinndesLebens

Ich muss nicht extra erwähnen, was ich entgegne, wenn irgendwer ein Wort der Kritik über das aus Sicht von unverbesserlichen Spießern recht freizügige Verhalten äußert, oder? „Willst Du mir jetzt vorschreiben, wie ich mich zu benehmen habe?? Ihr BLAA-Day-Verweigerer haltet Euch wohl für was Besseres nur weil Ihr noch Klamotten anhabt!“ Um meinen Führungsanspruch im Rudel zu unterstreichen produziere ich irgendein sonores, aber lautes Körpergeräusch und bringe meine Genitalien in eine besonders prominente Position oder klopfe mir auf der Brust herum.

Klingt jetzt witzig. Aber als Gastgeber wärt Ihr alle längst ausgerastet. Zurecht. Man stelle sich Eure Entrüstung vor, wenn die Chaos-Gäste sich achselzuckend damit rechtfertigen, dass ihre Hunde und Katzen sich ähnlich benehmen dürfen. Oder anstatt einer Antwort einfach nur ein „Kraaaaa, Jan will einen Keks!“ von sich geben. Und dabei ist hier nicht mal wirklich jemand zu Schaden gekommen, lediglich das Esszimmer ist ramponiert. bevor Ihr also jetzt von der Geschichte inspiriert die Klamotten vom Leib reißend auf die Strasse rennt um Eurer Natur freien Lauf zu lassen – es gibt da noch andere, weniger lustige Dinge im Tierreich. Elefanten rammen ihren Artgenossen gerne mal exzessiv den Kopf in die Seite. Löwen dezimieren nicht selten den Nachwuchs der Konkurrenz und Katzen sind mit dem stattfindenden Geschlechtsakt nicht immer uneingeschränkt einverstanden.

Wir müssten nach dem Essen vermutlich mit dem Panzerwagen nach Hause fahren, da am BLAA-Day wohl nicht wenige bewaffnete Banden marodierend durch die Städte ziehen und die für 24 Stunden ausgesetzten Strafen für Mord, Raub und Vergewaltigung nutzen. Die Polizei könnte den ganzen Abend Überstunden abbauen, Opfer von Gewalt haben da halt mal verloren. Und sollten sich moralinsaure Weltverbesserer in Internetforen beschweren, dass aufgrund des BLAA Days die Freundin 3 mal in Folge überfallen und ausgeraubt wurde, dann antworte ich gewitzt und originell mit „Heul doch! Ich ess‘ jetzt erst mal ein Steak Ich gehe jetzt erst mal ein paar Obdachlose verprügeln“.

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Oops! Aus der Nähe betrachtet wäre das ja gar nicht so toll wie sich das zuerst anhört! Ach ja richtig, dafür war ja dieses Ding da, wie hieß das noch mal … ehm … Rechtsstaat, genau! Geht es bei moralischer Bewertung auch nur im Ansatz darum, was parallel so im Tierreich passiert?
„Herr Richter, ich plädiere für mildernde Umstände! Ja, meine Mandanten haben der alten Frau die Handtasche geklaut – aber Elstern dürfen das ja auch“
„oh sie haben Recht, Sie sind freie Männer und können alle nach Hause gehen. Dann kann ich endlich nach Hause und meine Frau windelweich schlagen. Paviane dürfen das ja auch.“
„EY – haben Sie mir eben ins Gesicht gespuckt? Gerichtsdiener!!! Ach Moment, Lamas dürfen das ja auch“.

Wenn Ihr also dieses in meinen Augen etwas fragwürdige Konzept ernsthaft in Erwägung zieht, dann macht doch vielleicht ein entsprechendes Pilotprojekt auf einer abseitigen Insel – Aggressic Park oder so. Wir sammeln dann ein paar Monate später die überlebenden ein und die erzählen uns, wie es war. Solange bin ich aus der Nummer raus.

Es sei denn Ihr findet ein Tier, das Castingshows in Brand steckt, dann überlege ich es mir noch mal.

15 Gedanken zu “Wenn der Pottwal Schiffe rammen darf dann will ich das auch!

  1. Hi ,gute Begründungskette,Graslutscher.
    Geht aber auch anders,mußte mir gestern einen unsäglichen Post durchlesen(von einem alten ,,Freund„)-Vegetarier sind Größere Tiermörder als Fleischesser weil durch die Getreideproduktion soundsovielte Mäuse und Rehe als Kollateralschaden hops gehen(Kommentarfunktion ausgeschaltet) ,so dumm und trotzdem ernst gemeint,was Wunder wenns die Lebensmittelindustrie versucht, wie damals die Zigarettenmafia,aber normale Konsumenten unklar,echt. Bios demnächst

  2. Haarrrr! 🙂 Ich seh das richtig vor mir. Beim nächsten stinklangweiligen Dienstags-Meeting wird mal eben ostentativ in der Nase gebohrt, Popel genauestens inspiziert und danach der Nachbar ausgiebig gelaust.

    Da hast Du was frei gesetzt… Weiah! Ich seh mich schon losprusten und keiner versteht warum.

    *kicher*

    Achja, bevor ich’s noch vergesse: Danke! War wieder mal köstlich. 🙂

  3. Ich liebe diesen Text einfach. Bei Diskussionen im Internet verlinke ich den und das Löwen-Video vom Artgenossen, da muss man nicht selbst so lange schreiben. Und jedes Mal, wenn ich den wieder lese, könnte ich laut lachen.
    Musste einfach mal gesagt werden.

  4. Jan Hegenberg, der Mario Barth der Veganer 🙂 Ja, an manchen Stellen kommt mir schon ein Grinsen an. Ansonsten – Humor der Smartphonegeneration. Wann hat das angefangen, dass alles mit der Dampframme eingeürpgelt werden muss?
    Vielleicht bin ich irgendwann – so nach dem zehnten Satz – zum gelangweilten querlesen übergegangen und habe den dezenten Hinweis, dass Löwen (Stenmulle, Schaben, Blobfische) zwar Fleisch oder Fisch essen, aber keine Tiere extra nur dafür einsperren und züchten, überlesen. Genau den hätte ich gerne gesehen, denn DAS ist für mich als Fleischesser mit Gewissensbissen ein zentrales Argument. Und es ist irgendwie schwer zu entkräften, oder? Ameisen, die Blattläuse hegen, zählen nicht. Die fressen sie nicht und sie züchten sie nicht in unmenschlicher Manier.
    Apropos unmenschlich – bezeichnend, dass es den Begriff „untierisch“ nicht gibt, oder?

    PS.: Wie man am Datum sieht, rolle ich die Seite gerade von hinten auf. Es war, glaube ich, gut, dass ich seinerzeit mit „Aber China…“ eingestiegen bin 🙂

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