Das Plastiktüten-Paradoxon

Eeehm, Seriously? Jauch würde fragen “Wollen Sie nicht doch noch mal einen Joker nutzen?“

mann mit kleinem Penis

Lieber Bernd, ich weiß schon, es ist einfach bequemer, den erstbesten aus den Gehirnwindungen plumpsenden Gedanken in die Tasten zu tackern – vielleicht einfach mal 10 Sekunden sacken lassen und in sich hineinhorchen, ob das Logik-Zentrum vielleicht doch unter Schmerzen aufheult oder das Nonsensometer deutlich ausschlägt – in dem Fall kann man die Frage auch einfach runterschlucken. Aber ok – auch wenn ich mir vorkomme als antwortete ich auf eine irreführende Suggestivfrage eines schmierigen Großkonzern-Anwalts: Ja, ich verwende auch mal Plastiktüten. Ich bin jetzt nicht gerade ein Großabnehmer, gehöre aber zu den Leuten, die unfreiwillig Unmengen dieser praktischen, wiederverwendbaren dm-Tragetaschen im Keller horten, da ich grundsätzlich vergesse, sie zum einkaufen wieder mitzunehmen. Wenn ich dann an der Kasse stehe und mit Wehmut an die 150 Mehrweg-Behältnisse in meinem Keller denke, die ja leider auch nicht nur aus biologisch abbaubarem Rindenmulch hergestellt sind, dann lasse ich mir die Jogging-Schuhe oder den neuen Lego-Kram schon mal in die (dort) alternativlosen Plastikteile einpacken.

UND? Was sagt der Herr Anwalt jetzt?? Das war ja eine Rückfrage darauf, dass ich kein Fleisch esse. „Was, kein Fleisch – aber kaufst Du dann auch keine Plastiktüten??“ So als würde das für sich genommen jetzt irgendwie keinen Sinn mehr machen, solange ich nicht auch meinen Plastiktütenkonsum auf minus 10 pro Monat beschränkte. Das ist auf so viele Arten komplett doof, dass mir die Häufigkeit, mit der diese oder eine ähnliche Frage gestellt wird, in Hinsicht auf unsere demokratische Grundordnung ein Bißchen Angst macht.

Doof, weil man der Logik zu Folge wohl gar keine Verbesserung des eigenen Lebensstils rechtfertigen kann, solange man nicht CO2-neutral, sich von Luft und Liebe ernährend in der eigenen Einsiedler-Höhle schwebt. Selbst wenn ich vegan und mit einem Plastiktütenverbrauch von 0 lebte, fallen mir leider noch 100 andere Sachen ein, mit denen ich den Planeten kaputt mache. Und auch Amöben-Bernd hier wird vermutlich schon mal Dinge getan haben, die seine Marke auf der „wie beschissen ist mein Einfluss auf die Umwelt“-Skala ein paar Millimeter runtergedrückt haben, auch ohne damit spontan ihr unteres Ende zu erreichen. Zumindest hoffe ich das. Ich hoffe auch, dass er sein soziales Umfeld nicht mit ähnlich gearteten Fragen terrorisiert. Sonst sollte man ihn lieber nicht zum Abendessen einladen, er könnte mit hochrotem Kopf aus der Toilette gestürmt kommen um allen anwesenden lautstark zu erklären, dass der Gastgeber ein inkonsequenter Pseudo-Arsch ist, weil er eine Stop-Taste am Klo hat, obwohl der Badezimmerschrank gar nicht mit Energiesparlampen läuft. In dem Fall am besten zügig sedieren den Mann

Doof, weil mir das ausgerechnet der Hansel sagt, der auf besagter Skala vermutlich ein paar Größenordnungen über mir hängt. Zumindest verbraucht Bernd wohl sowohl Plastiktüten als auch Fleisch. Gut, er könnte abseits davon Eremitengleich auf einem Ast hausen, seine Klamotten aus Ahorn-Blättern geklöppelt und sich den ganzen Tag an Bäume schmiegen bzw. seine einzigen Besitztümer, in Plastiktüten vom Ast runterhängende Schnitzel, bewundern – sein Profilbild lässt da aber anderes vermuten. Und ausgerechnet der wirft mir jetzt vor, dass ich, wie er auch, Plastiktüten benutze? Sorry, aber ist das mal vollkommen absurd oder was? Bernd, wie ist das? Wenn Dein Nachbar Dich ermahnt, weil Du gerade Deine Kartoffelschalen nicht in die Biotonne entsorgst – wie ernst nimmst Du das im Falle, dass selbiger im gleichen Moment mehrere Kanister Altöl in seinen Restmüll kippt? Versteh‘ mich nicht falsch, Dein Einsatz für unseren sauberen Planeten in Ehren, aber Du kannst Menschen nicht erklären, sie sollten bitte keine Kaugummis auf die Straße werfen wenn Du kurz vorher vor versammelter Mannschaft einen Haufen auf den Gehsteig gekackt hast.

Doof, weil sich diese Typen immer aufführen, als hätten sie eben gerade nach einem außerordentlichen Geistesblitz etwas die gesamte Fachwelt revolutionierendes herausgefunden. Nein, Bernd, hast Du nicht. Die Leute die nicht ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen vegan leben, die haben ja offensichtlich schon mal über ihren eigenen Umwelteinfluss nachgedacht. Gut, es mag da ein paar Typen geben, die sich aufgrund ihres genullten Tierkonsums für Engel auf Erden halten, denen Blumen aus dem Hintern fliegen und Quellwasser aus dem Auspuff tropft. Aber hey, jede Minderheit braucht ein paar komplett verwirrte Vollnasen, sonst kommt man ja nie in die Presse *narf*. Ich lehne mich jetzt mal in Ermangelung dienlicher Umfrageergebnisse aus dem Fenster und behaupte, dass gerade die meisten Veggies wissen, dass auch ihre Lebensweise weit von einem den Planeten erhaltenden Ideal entfernt ist. Der Earth Overshoot Day war dieses Jahr am 20. August, da hatten wir Menschen alle Ressourcen verbraucht, die der Planet innerhalb eines Jahres nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Ein Klick auf den nebenstehenden Ökologischen-Fußabdruck-Generator offenbarte schonungslos, dass auch in Deutschland lebende Veggies deutlich zu viel Ressourcen verbrauchen, um langfristig mit 7 Milliarden Menschen auf diesem Planeten klar zu kommen. Die ganzen veganen Gruppen und Foren waren komplett zugepflastert mit dem Zeug.

Du siehst, wir sind tatsächlich unabhängig voneinander davon auf die Idee gekommen, dass das Leben eines durchschnittlichen Europäers umweltschädliche Auswirkungen hat, auch wenn er keine Tiere auf seinen Teller legt. Ich schlage vor wir teilen uns den Nobelpreis sobald diese Stümper in Stockholm unsere Genialität endlich mal auf den Radar bekommen haben!

ärzte ohne grenzen

Doof, weil diese unsinnige Frage immer nur dann kommt, wenn es um das Essen von Tieren geht. Unsere ganze Gesellschaft funktioniert aber ansonsten nach dem Prinzip, dass man Missstände beseitigt, so gut es eben geht. In welchem Bereich des täglichen Lebens werden denn bitte Verbesserungen abgelehnt, weil sie die Welt nicht automatisch in einen Idealzustand bugsieren? Oder schreibt Bernd auch Drohbriefe an Ärzte ohne Grenzen, dass sie bitte mit diesem Unsinn, kranke Menschen zu heilen, aufhören sollen, solange man damit nicht weltweit alle auf einen Schlag gesund machen kann? Care-Pakete für Taifunopfer auf den Philippinen?? Haha, Ihr Spinner, das macht ja mal null Sinn, solange in Mauretanien Dürre herrscht! Und dann diese Dummköpfe, die im Winter mit einem Bus Obdachlose abklappern, bislang sind doch trotzdem immer ein paar erfroren – diese ganzen Unter-100%-Effektivität-Luschen bringen uns einfach nicht weiter!

Also scheiß auf den Bus, scheiß auf Ärzte und Hungertote, besorgt stattdessen einen großen Berg Koks, Nutten und Atomstrom für alle und obendrauf sitzt dann Bernd und isst Würste aus Plastiktüten.

Oder wäre das doof?

1 Gedanke zu „Das Plastiktüten-Paradoxon“

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