Die Welt ist einen der schlimmsten Klimaleugner überhaupt losgeworden. Wo ist die Party?

Okay, sorry wegen des Ohrwurms, aber: Celebrate good times, come on! Dedededemmdemmdemmdemmdä! Yahoo! Dedededemmdemm… usw. Im restlichen Artikel sind Fragmente anderer Lyrics eingestreut, damit ihr meinen Blog mit einem anderen Lied im Kopf wieder verlasst. Vorerst gilt jedoch: Yahoo!

Ich weiß, das ist in der deutschen Medienlandschaft kaum zur Geltung gekommen, so dass sich viele von euch jetzt fragen, wovon zum Geier ich rede. Ich rede von einem Mann namens Scott. Das ist Scott:

Scott mag Kohle so sehr, dass er sie mit ins Parlament bringt und da stolz rumzeigt. Ich werde euch jetzt ein paar schaurige Geschichten über ihn erzählen, die wirklich zum Verzweifeln wären, wenn er nicht vorletzte Woche mit fliegenden Fahnen von der politischen Weltbühne abgestürzt wäre. Das ist zwar ein harter Spoiler, aber so lässt sich das ja alles viel besser ertragen.

Scott wurde 1968 geboren, hat Wirtschaftsgeografie studiert, mit 16 Jahren seine Frau kennengelernt und ist Vater von zwei Töchtern. Missbräuchliche Verwendung von Social Media hält er für das Werk des Teufels. Er denkt, er könne Menschen per Handauflegung helfen und ging davon aus, dass er gewählt wurde, um Gottes Werk zu verrichten.

Wir können nur spekulieren, ob Gottes Plan demnach eine Erdüberhitzung jenseits der 4 Grad Celsius beinhaltet oder ob Gott wohl plante, höchstselbst einzuschreiten, bevor die ersten Kipppunkte ausgelöst werden. Aus Scotts Sicht schien Gott jedenfalls kein gesteigertes Interesse daran zu haben, ob Scott sich selbst darum kümmert, dass die 12t-größte Volkswirtschaft des Planeten ihre Klimaemissionen nennenswert senkt. Wie praktisch für Scott.

Wie unpraktisch für Scotts Töchter, die sich später mit horrenden Klimafolgekosten herumschlagen dürfen. Ebenfalls unpraktisch, dass sie das mit ihrem Vater wohl kaum vernünftig werden besprechen können, da dieser dem Irrglauben anhängt, die Prognosen zu den Folgen der Erderwärmung seien alle maßlos übertrieben. Oder zumindest hing er diesem Irrglauben lange an, bis sein Land in den letzten 2 Jahren von heftigen Buschbränden und Flutkatastrophen heimgesucht wurde.

Das brachte die Bevölkerung seines Landes ins Grübeln, ob Scott wirklich geeignet ist für das Amt des Premierministers bzw. für überhaupt irgendein Amt, in dem die eigene Weitsicht die eines brünftigen Hirschs übersteigen sollte. Und so wählte das Volk von Australien Scott „I believe in miracles” Morrison, auch „Scomo“ genannt, am vorletzten Sonntag in die Wüste, wo er hoffentlich bleibt. Das ist aus Klimasicht eine wirklich gute Nachricht.

Die bizarre Klimapolitik Australiens, die ihren Namen nicht verdient

Nun wäre es etwas unfair, Scott Morrison alleine die Schuld zu geben, Australien hat sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich unmöglich aufgeführt, was Klimapolitik und internationale Verhandlungen angeht: Es ist 1996, meine… nee, stop, es ist 1997. 1997 traf sich die Weltgemeinschaft in Kyoto und einigte sich erstmals darauf, in Zukunft Klimaemissionen zu reduzieren. Die Vereinigten Staaten erklärten sich bereit, 7 Prozent zu reduzieren, Japan 6 Prozent, Deutschland 21 Prozent, und zwar verglichen mit dem Ausstoß von 1990.

Klingt jetzt mal wieder totaaal unfair, wir armen Deutschen! Nun war das aber gar kein so krasses Ziel, weil 1990 eine gewisse Wiedervereinigung dafür sorgte, dass ehemalige DDR-Betriebe geschlossen wurden und die Kohleverstromung in den neuen Bundesländern stark zurückging. Von 1990 bis 1995 sanken die ostdeutschen Emissionen um unglaubliche 45 Prozent, während die westdeutschen leicht anstiegen.

Nach 1995 musste dann auch in Westdeutschland und in so ziemlich jedem anderen wohlhabenden Land effektiv eingespart werden. Nur für Australien wurde (als einziges Industrieland) das Ziel definiert, die Emissionen um 8 Prozent zu erhöhen. Ja, richtig gelesen, während bereits allen klar war, dass die Weltgemeinschaft gemeinsam an diesem Ziel arbeiten muss, hat Australien ein paar Fossil-Lobbyisten mit zum Weltklimagipfel genommen und für sich die Extrawurst durchgesetzt, die ohnehin schon auf hohem Niveau liegenden Emissionen nochmal zu erhöhen.

Aber nicht nur das, die australischen Fossilfuzzis bestanden darauf, eine spezielle Klausel in den Vertrag aufzunehmen, den „Australia Clause“. Dieser besagte, dass Australien mehr Emissionen verursachen kann, je stärker seit 1990 die Landrodungen zurückgegangen waren. Ein recht offensichtlicher Trick, da das Jahr 1990 als absoluter Höchstwert in die australische Landrodungsstatistik einging:

Quelle: tinyurl.com/db4ccvek

Genau so könnte jemand sich bereiterklären, in Zukunft weniger zu rauchen, indem er zum Stichtag 8 Packungen Lucky Strike wegballert und die Menge ab denn zu reduzieren gedenkt. Die Folge: Die Landrodungen nicht berücksichtigt stiegen die australischen Emissionen zwischen 1990 und 2012 um entsetzliche 28 Prozent (!).

Australiens Klimaziel war eine Erhöhung der Emissionen

Es war also nicht nur eine Extrawurst, es war eher ein Extra-Wurstsalat. Nun könnte man annehmen, dass ein Land auf so ein Abkommen nicht sonderlich stolz ist und anschließend entsprechend wenige Worte darüber verliert. Darauf angesprochen würde ich wohl betreten zu Boden blicken, an den Bändeln meines Hoodies rumnesteln und irgendwas Unverständliches vor mich hinmurmeln. Nicht so in Australien, wo der ehemalige Umweltminister Greg Hunt sich wiederholt mit vor Stolz geschwellter Brust zeigte, dass Australien sein Ziel erreicht hat und andere nicht (kein Scheiß):

We are one of the few countries in the world to have met and beaten our first round of Kyoto targets and to be on track to meet and beat our second round of Kyoto targets.

Ja, ganz toll, Greg! Und ich habe gestern gegen ein paar 4-jährigen im Scrabble gewonnen und dann im Wettrennen eine sedierte Traumapatientin besiegt, was bin ich nur für ein krasser Dude! Aber nur fast so krass wie ihr, die ihr eure Emissionen NUR um 28 Prozent erhöht habt, wenn man stagnierende Landrodungen nicht berücksichtigt. Hey, Deutschland hat gerade einen Tankrabatt gestartet, was den Erdölverbrauch voraussichtlich nur um ein paar Prozent erhöht, wollt ihr uns dafür nicht den eurasisch-pazifischen Umweltpreis verleihen?

Ja, das klingt zynisch, aber nichts ist zynischer als australische Klimapolitik: Im Jahr 2012 haben sich alle Staaten in Doha getroffen und sich in fröhlicher Runde auf die Schultern geklopft angesichts der Ziele, die erfüllt wurden. Gut die Ziele waren nicht geeignet, um das Weltklima in Sinne der jungen Generation zu stabilisieren, aber hey, Ziel ist Ziel. Alles ist lustiger, wenn ihr Ziele einfach unter der Prämisse eines maximalen Spaß-Faktors definiert: Das Ziel eurer Haushaltsführung könnte z.B. lediglich sein, dass es aufgrund von Verschmutzung nicht zu größeren Rattenpopulationen im Vorratsschrank kommt.

Wenn Samantha und Ralf das nächste mal zu Besuch kommen, werden sie euch vermutlich darauf ansprechen, dass sich im Spülbecken eine undefinierbare Masse aus Töpfen, Essensresten und Schimmelansammlungen in unterschiedlichen Farben befindet, aber die können euch gar nichts. Ihr lauft schnell ins Arbeitszimmer und holt euer laminiertes Dokument mit eurem Ziel raus, reibt es dem hochnäsigen Ralf unter die Nase und wedelt damit demonstrativ in Richtung Küche: „KEINE RATTEN! ZIEL ERFÜLLT“.

Ja, das klingt absonderlich, aber das wäre ja immerhin nur ein Unglück lokaler Natur, das sich mit ordentlich Chlorbleiche lösen ließe. Wir haben aber die globale Klimapolitik lange dieser kruden Logik unterworfen, die über weit mehr entscheidet als den Gestank in eurer Küche. Das Ganze wird jetzt noch etwas bekloppter, wenn Australien ins Spiel kommt, denn deren Ziel war ja eben eine weitere Zunahme der Emissionen oder ins Beispiel übertragen, dass die Rattenpopulation eben nur eine gewisse Maximalgröße annimmt. Ja, verrückt. Wer in aller Welt wählt solche Leute?

Die Welt kam also in Doha zusammen und zeigte sich gegenseitig die Bilder ihrer mehr oder weniger geputzten Küchen und die Länder mit den schmutzigsten Küchen hatten die tatsächlich mehrheitlich etwas sauberer bekommen. Australiens Küche hingegen sah aus, als hätte darin über Jahre eine WG mit Anti-Putz-Challenge gehaust, in die nun noch eine Bombe eingeschlagen ist.

Das war aber irgendwie okay, denn laut Ziel hätte sie sogar noch dreckiger sein können. Küche im komplett hinüber, Ziel erfüllt. Nein, nicht nur erfüllt: Im Rahmen ihrer eigenen Unlogik von Kyoto hatte Australien das Ziel sogar übererfüllt. Und Staaten, die ihre ohnehin schon lahmen Ziele übererfüllt hatten, konnten sich dafür „Kyoto carryover credits“ anrechnen lassen. Da kommt also eine Preisjury in der Küche der Chaos-WG und sagt „Boah, sieht das hier ekelhaft aus. Aber hey, wir hatten etwas noch schlimmeres erwartet, also ist hier ein Pokal für euch und jetzt macht euch erst mal locker, wo ihr das Ziel übererfüllt habt.

Australien bestand auf einer Reihe von Sonderregelungen

Nun war den vernünftigen Menschen bei den Verhandlungen des Pariser Klimaabkommens dann schon klar, was für eine destruktive Wirkung diese Credits gehabt hätten und so verzichteten fast alle Staaten darauf, besagte Credits überhaupt für ihre neuen Ziele anzurechnen (Der Einsatz wäre laut Schätzungen einer zusätzliche Erderwärmung um 0,1 Grad Celsius gleichgekommen). Alle bis auf Australien.

Und hier kommen wir wieder zurück zu Scott Morrison: Dieser saß Ende 2020 mit den Vertreter:innen verschiedener pazifischer Inselstaaten zusammen, die ihn angesichts der Bedrohung durch einen steigenden Meeresspiegel dazu drängten, einen Ausstiegspfad für Australiens Fossilwirtschaft zu nennen. Und was antwortete Scott Morrison angesichts dieser überaus berechtigten Forderung?

Andere Länder hatten zu diesem Zeitpunkt ihre Reduktionsziele von Paris noch mal verringert, feste Ausstiegsdaten für netto-Null CO2 festgelegt und begonnen, ihre Energiewirtschaft umzubauen. Australiens Premierminister war das aber alles zu ambitioniert – da hätte ja wirklich was machen müssen – und so versprach er feierlich, dass Australien seine Anstrengungen jetzt mal so richtig in Schwung bringt, indem es… seine Kyoto Carryover Credits nicht benutzen würde.

Besagte Credits, deren Daseinsberechtigung ohnehin fragwürdig war und die auch kein anderes Land benutzt hat. Wow. Das ist so zynisch, dass ich es nicht mehr in die Rattenmetapher eingebaut bekomme. Die Idee, die Klimazile von Paris mit Hilfe dieser Carbon-Credit-Geschichte zu erfüllen, entpuppt sich nämlich als eine ähnlich effektive Maßnahme wie die Idee, Amokläufe in den USA durch Thoughts and Prayers zu verhindern: Sowohl die Amokläufe als auch die Emissionen bleiben auf sehr hohem Niveau.

Scott Morrison agiert hier ist also in australischen Maßstäben fast schon konsequent, aber aus Sicht von Staatsoberhäuptern wie Fidjis Regierungschef Frank Bainimarama, dessen 900.000 Menschen zählendes Volk bereits Teile seines Inselstaates als unbewohnbar aufgeben musste, ist es schamlose Ignoranz. Im Meeting dachte er vermutlich: Warum hast du mir das angetan?

Bevor das jetzt zu anti-australisch daherkommt: Auch in Down Under gibt es eine Menge vernünftiger Menschen, denen das Ausmaß dieses Wahnsinns schmerzlich bewusst ist. Die Regierungen der australischen Bundesstaaten haben für sich längst Netto-Null-Ziele definiert und organisieren ihre Energiewende, ohne auf die australische Bundesregierung zu warten.

Zudem fußt dieser Artikel hier auf einer Menge Informationen aus australischen Medien, denen ihre Regierung mehr als peinlich ist. Unbedingt empfehlenswert sind hierzu die hervorragend recherchierten (und echt lustigen) Videos von The Juice Media und der Twitter-Account von Ketan Joshi, der auf seinem Blog die bezeichnende Einleitung formulierte:

„It’s never easy to explain the sheer horror of where Australia’s government sits on climate.”

Die Kritik ist also bitte als Kritik an der Regierung, der Fossillobby und allzu fossilfreundlichen Medien zu verstehen, für die Scott Morrison aber eine Art Galionsfigur war. Unvergessen sein peinlicher Auftritt im Jahr 2017, als er im Repräsentantenhaus ein Stück Steinkohle hervorholte, dazu überflüssigerweise erklärte „This is coal. Don’t be afraid, don’t be scared“, um sich abschließend in einen Lobgesang hineinzusteigern, dass die australische Wirtschaft nur mit Kohle wettbewerbsfähig sei. Parallelen zu deutschen Parteien sind möglich.

Scott Morrisons Klimapolitik oder der Traum der Kohlelobby

Was er sonst noch so gemacht hat? Oh, einiges…

All das führt dazu, dass Australien mit 15,3 Tonnen CO2 die höchsten Pro-Kopf-Emissionen aller OECD-Staaten hat, noch mehr als die Vereinigten Staaten und Kanada. Im Climate Performance Index landete Australiens Klimapolitik auf dem allerletzten Platz und für 2021 war es das einzige Land, das in diesem Index nicht einen Punkt sammeln konnte.

Im Jahr 2020 emittierte Australien immer noch 400 Megatonnen CO2. Zum Vergleich: Deutschland liegt bei 640 Megatonnen CO2 und das Vereinigte Königreich bei 330 Megatonnen CO2:

Quelle: https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions#co2-and-greenhouse-gas-emissions-country-profiles

Klingt gar nicht so schlimm? Nun, in Deutschland leben 83 Millionen Menschen, in UK 67 Millionen und in Australien gerade mal 25 Millionen. Das ergibt folgende Emissionen pro Person:

Quelle: https://ourworldindata.org/co2-and-other-greenhouse-gas-emissions#co2-and-greenhouse-gas-emissions-country-profiles

Autsch. Als hätte die Klimagöttin von diesem unwürdigen Gewiesel die Nase voll gehabt, wurde Australien in den letzten Jahren von mehreren Katastrophen getroffen, deren Wahrscheinlichkeit durch die globale Erwärmung stark steigen:

Die Buschbrände von 2019/2020 dürften den meisten noch in Erinnerung sein, als in Australien eine Fläche ungefähr so groß wie Deutschland einer Serie ungewöhnlich heftiger Waldbrände zum Opfer fiel. Scott Morrison, der während dieser stressigen Katastrophe etwas Entspannung in einem Urlaub auf Hawaii gesucht hat, reagiert so: Australien müsse sich in Zukunft besser an die Klimaveränderung anpassen.

Australiens Emissionen/Person die höchsten aller Industriestaaten

Was hierzulande im Zuge des Ukrainekriegs weniger Aufmerksamkeit bekommen hat, ist, dass Australien im Frühjahr 2022 ebenfalls mit einer Jahrhundertflut zu kämpfen hatte. 22 Menschen starben, zehntausende mussten fliehen, der Schaden geht in die Milliarden. Reaktion Scott Morrison: Australien wird in Zukunft schwerer bewohnbar sein (getting harder to live in). Motto: Ich muss durch den Monsun. Erkennt ihr das Muster?

Normalerweise nutzen Leute wie Morrison solche Gelegenheiten gerne, um sich im Krisengebiet als Macher zu inszenieren. Wenn den Menschen aber zunehmend klar wird, dass es außer ein paar warmer Worte für sie keine Hilfe gibt, werden derartige PR-Aktionen zu extrem peinlichen Situationen:

Hier will Morrison einer von den Bränden heimgesuchten Anwohnerin die Hand schütteln, die das ganz offensichtlich nicht will, woraufhin er einfach ihre Hand nimmt und wie einen toten Fisch hin und her schüttelt. Auch nach der dreißigsten Wiederholung kann ich mir die 10 Sekunden nicht angucken, ohne das Gesicht vor Fremdscham zu verziehen.

Hier passiert das gleiche mit einem wirklich nicht begeisterten Feuerwehrmann.

Okay, genug gejammert, denn das Schöne ist ja: Der Typ und seine Partei finsterer Klimadämonen wurde abgewählt. Der neue Premier ist Anthony Albanese von der Labour Party und es ist anzunehmen, dass er eine Menge Dinge besser macht als Morrison, legt aber in Bezug auf Kohleförderung und Erdgasprojekte eine gewisse Olafscholzigkeit an der Tag. Diese ist vielleicht auch der Grund ist, warum bei dieser Wahl über 30 Prozent der Stimmen an kleinere Parteien jenseits der großen beiden Parteien Labour und Liberal ging, die seit 1968 den Premierminister/die Premierministerin stellen.

Das Online-Medium „The Conversation” fragt bereits, ob das das Ende der 2-Parteien-Landschaft in Australien bedeutet, denn die australischen Grünen und die unabhängigen Kandidat:innen konnten die Anzahl ihrer Sitze von 6 auf 16 erhöhen. Es könnten stürmische Zeiten anbrechen für Fossilfuzzis und Klimaverharmlosung, so dass auch der neue Premier sich unangenehme Fragen wird anhören müssen, wenn das nächste Megafire durchs Land zieht.

Dass es auch anders geht, zeigt der Bundesstaat South Australia: Dieser versorgte sich im letzten Dezember bereits für fast eine ganze Woche rein mit Solar- und Windstrom. Damit das klappt betreibt er bereits entsprechende Speicher, z.B. die ehemals größte Lithium-Ionen-Batterie der Welt, durch die das Netz in South Australia zum stabilsten des Kontinents wurde.

Wir dürfen gespannt sein, welche CO2-Ziele Australien uns beim nächsten Klimagipfel präsentiert. Dieser findet im November 2022 in Ägypten statt und wir sollten alle die Augen aufhalten, ob Australien ernst macht oder uns wieder erklärt, dass in jede ordentlich Küche ein paar Ratten gehören😉

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier ein paar Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar und würde Dich dann ebenfalls namentlich erwähnen – sofern Du überhaupt willst.

In eigener Sache: Es wird ein Buch!

Liebste Community, es gibt Neuigkeiten!

Um meinen Dank adäquat auszudrücken, müsste ich hier eigentlich jeden Monat einen Danke-Post schreiben, aber da ich mich immer so schlecht kurzfasse, würde das zu Lasten der anderen Texte gehen und das will ja auch niemand. Also erst mal vielen Dank für eure unfassbare und nachhaltige Unterstützung, ohne die mein kleines Blog-Projekt immer noch ein kleines Blog-Projekt wäre.

Mittlerweile ist es schon ein mittelgroßes Blog-Projekt, was einerseits wahnsinnig viel Spaß macht, mir aber andererseits auch vor Augen führt, wie viele Fake-News und Quatsch-Artikel ich gar nicht behandeln kann. Meine Tage begrenzen sich leider sehr störrisch auf 24 Stunden und meine Experimente zum Erschaffen meines eigenen Klons für den Papierkram sind gänzlich gescheitert, also bekomme ich täglich Nachrichten, Mails, Markierungen auf Twitter, Facebook und Instagram und allerlei Anfragen, die ich alle nicht beantworten kann. Und das frustriert mich.

In den allermeisten geht es um meine Artikelreihe How to Energiewende, die Verkehrswende oder pflanzliche Ernährung. Oft kommt die Frage, ob ich vielleicht ein laminiertes Heft für die wichtigsten Themen machen kann, ob ich bei euch vor Ort einen Vortrag halten kann usw., denn meinen Blog liest nur ein Bruchteil der deutschsprachigen Bevölkerung. All diese Themen werden in den kommenden Jahren vermutlich auch noch heißer diskutiert als jetzt gerade und meine Reichweite ist gefühlt zu begrenzt. Die Idee ist daher: Ein Buch muss her!

Ist nicht mal meine Idee, ich bin schon oft gefragt worden, was das alberne Bloggen soll, das ginge doch auch als Buch. Und ich antwortete „Ja, gute Idee, ich muss nur noch ganz kurz diesen Quatsch im Internet widerlegen!” und vergesse das Ganze dann im nächsten Schreib-Tunnel. Aber jetzt habe ich auch einen Verlag, eine Idee, ein Cover und einen Titel: „Weltuntergang fällt aus“:

Das ist der vorläufige Entwurf, weil die Art, wie hier am Ende U und S in die Anzeige sinken, physikalisch nicht möglich ist 🙂

Nein, das soll kein Versuch werden, unsere Krisensituation zu verharmlosen, es soll nur einfach einen positiven, Mut machenden Blinkwinkel einnehmen und Leute ansprechen, die mit den (sehr berechtigten) Warnungen nicht mehr erreichbar sind – und das sind viele. Ferner gibt es auch eine ganze Menge Leute, die all die Warnungen sehr ernst nehmen und in der Folge in eine Angststarre verfallen, was weder angenehm noch sonderlich hilfreich ist.

Für all diese Menschen möchte ich gerne darlegen, dass die Klimakrise nicht nur ein Risiko ist, sondern dass die richtige Reaktion darauf auch eine riesige Chance für eine bessere Welt wäre: Eine Welt ohne fossile Brennstoffe, ohne Mega-Ställe voller Frankenstein-Hühnchen, mit lebenswerten Städten und Dörfern, in denen der Mensch wieder im Mittelpunkt steht. Und ja, ich weiß, dass das etwas pathetisch klingt, aber das ist eine potentielle Zukunft.

Und hier kommen wir zu Euch: Ich schreibe dieses Buch gerade, werde dafür aber bis Mai weniger klassische Artikel bringen können (es sei denn, bei der Klon-Nummer gibt es einen Durchbruch, fingers crossed!).

Mit anderen Worten: Ihr finanziert die ganze Nummer mit euren Spenden mit, und damit sich das auch für Euch gut anfühlt hier mein Vorschlag: Alle, die mich regelmäßig unterstützen, bekommen ein Exemplar gratis zugeschickt und erhalten damit ungefähr den Gegenwert von 3 Monaten Unterstützung in Höhe von 7 Euro. Ist jetzt blöd für die unter Euch, die mehr spenden als 7 Euro – wollt Ihr vielleicht… zwei Bücher? Oder eine Heizdecke dazu? Oder eine Widmung? Ich würde ja auch eine Zeichnung oder sonstwas anbieten, aber meine Gemälde haben bislang keine sonderlich hohen Auktionswerte erzielt.

Wie klingt das für Euch? Ich bin da ganz offen für Vorschläge und möchte wirklich, dass sich das für alle gut anfühlt. Ach so, und ein paar Artikel und Facebook-Korrekturen wird es natürlich auch noch geben, aber eben weniger.

Was die Grünen mit dem höheren Benzinpreis zu tun haben

Ja, wir schreiben den März 2022 und es gäbe angesichts eines Angriffskriegs mitten in Europa inkl. entsprechend vieler Kriegsflüchtlinge, einer hausgemachten Energiekrise und einer dennoch fortschreitenden Erderwärmung eine Menge wichtigerer Dinge zu besprechen. Stattdessen geht es hier nun aber um vergleichsweise profane Benzinpreise, denn zum Krieg schreiben mal lieber all die Leute, die sich schon länger mit Russland und Osteuropa beschäftigen als ich.

Zu Energiekrise und Erderwärmung schreibe im Moment zudem ein Buch (daher auch etwas wenig Artikel im Moment), in dem das alle schon vorkommt. Also mache ich, was meinen Followern aktuell am meisten hilft: Einen Faktencheck zur Frage, wie stark die Grünen eigentlich gerade das Benzin verteuert haben. Es ist nämlich so: Jeden Morgen noch vor seinem ersten Kaffee bereitet Robert Habeck im Wirtschaftsministerium eine Liste mit den für den Tag geltenden Spritpreisen vor.

Ja, das ist angesichts des Ernstes der Lage sehr albern formuliert, aber die vielen tausend Kommentare, laut denen die jetzt hohen Preise den Grünen anzulasten sind, die scheinbar wie angekündigt alles teurer machen, sind genau genommen nicht viel ernstzunehmender. Ganz grundsätzlich: Nur weil jemand das Wirtschaftsministerium leitet, kann er/sie nicht einfach die Preise für Produkte privatwirtschaftlicher Unternehmen bestimmen. Robert Habeck kann weder die Spritpreise festlegen, noch die Preise für Milchschnitte, Tischtennisbälle oder Klobürsten. Oder wie stellen die Leute sich das vor?

Ja klar, Robert Habeck setzt sich morgens eine Krone auf, kommt in einer Runde mit seinen Staatssekretär:Innen zusammen, die nach einem ausgeklügelten Verfahren überlegen, was ein guter Preis wäre. Wer schon mal Das Schwarze Auge oder andere Rollenspiele gespielt hat, kennt vielleicht diese 20-seitigen Würfel. Die gewürfelten Werte werden in mehreren Runden zusammenaddiert, daraus dann die jeweiligen Quersummen gebildet und quadriert, und dann für den Dieselpreis durch Pi und für Benzin durch die Eulersche Zahl geteilt. Das faxen die dann an Aral, Shell, Esso und Jet und dann ist erst mal Zeit für eine Runde Tischfußball.

Was Wirtschafts- und Finanzministerium machen können, sind Rahmenbedingungen ändern, die dann einen Einfluss auf die Preise haben. Die Entscheidung, welche konkrete Zahl nun aber auf der Preistafel eures Benzin-Fachgeschäfts angezeigt wird, liegt in der Privatwirtschaft IMMER beim Unternehmen. Dieses Unternehmen ist in erster Linie daran interessiert, Geld zu verdienen. Gerade bei Mineralölkonzernen, die bei der Beschaffung ihres Rohstoffs nicht gerade zimperlich vorgehen, solltet ihr jetzt bei der Preisgestaltung keine soziale Verantwortung erwarten.

Hinzu kommt: Die Grünen sind erst seit Dezember 2021 an der aktuellen Regierung beteiligt, in dieser Zeit wurden noch gar keine Gesetze eingeführt, die irgendeinen Einfluss auf die Preise hätten. Ich weiß, dass viele Menschen in Deutschland ins Autosystem gedrängt werden und nun angeschmiert sind, aber dann ärgert euch auch bitte über die Leute, die das verbockt haben.

Ihr könnt hohe Spritpreise gerne ätzend finden, aber der Ärger darüber kanalisiert sich aktuell ein bisschen oft an Leuten, die damit wenig bis gar nichts zu tun haben. Der Staat bereichere sich hier auf Kosten der Autofahrer:Innen, lese ich ständig. „Melkkuh der Nation!!1!“, „Wut bei den Autofahrern groß“ und allerlei Hasstiraden auf die Grünen. Nur hat euch niemand gezwungen, ein Erdöl-Auto zu kaufen. Schon gar nicht die Grünen, die versuchen doch seit Jahren, die Erdölautos loszuwerden (ausgenommen Winfried Kretschmann).

Hartnäckig hält sich die Legende, die Grünen hätten das Benzin teurer machen wollen und jetzt sei es so weit. Ha! Ja, die Grünen halten das Verbrennen von Benzin für keine so gute Idee, aber müssen wir echt darüber reden, dass die mit den Preiserhöhungen nichts zu tun haben? „Korrelation“ ist ein Begriff? Nur weil A und B zeitlich zusammen auftreten, heißt das nicht, das A nun B verursacht hätte oder umgekehrt: Zwischen 1999 und 2009 starben in den USA relativ mehr Menschen an den Bissen von Giftspinnen, je länger das Finalwort des nationalen Buchstabierwettbewerbs war.

Ähnlich wenig Kausalzusammenhang findet sich zwischen der aktuellen Regierung und den Tankstellenpreisen: Die Steuern auf Benzin und Diesel sind genau dieselben wie noch letztes Jahr unter CDU und SPD. Der Preis setzt sich neben den reinen Produktionskosten zusammen aus Energiesteuer, Umsatzsteuer und CO2-Abgabe, und da ist der Vorwurf der „staatlichen Bereicherung“ wirklich hart lächerlich:

  • Die Umsatzsteuer wird tatsächlich nach dem Betrag erhoben. Der Staat verdient also an einem Liter Diesel für 2,40 Euro doppelt so viel Umsatzsteuer wie an einem Liter Diesel für 1,20 Euro. Tanke ich nun aber für 20 Euro mehr und kaufe im Gegenzug für 20 Euro weniger Orangensaft als sonst, nimmt der Staat genauso viel Umsatzsteuer ein.

Diese Abgaben kann nun jeder gerne für zu hoch halten, aber bitte bedenken: Diese Abgaben waren unter Angela Merkel, Peter Altmaier und Olaf Scholz exakt dieselben wie heute. Der Liter Diesel hätte vor einem Jahr genau das gleiche gekostet wie heute, wenn die Erdölkonzerne dieselben Preise abgerufen hätten. Die Grünen haben also, um mal die Frage in der Überschrift zu beantworten, gar nichts damit zu tun.

Ein sehr oft geteiltes Bild in den sozialen Medien ist aktuell die Gegenüberstellung von Rohöl- und Dieselpreis mit scheinbar sensationellem Inhalt: Der Rohölpreis lag 2008 schon mal deutlich über dem heutigen Wert, die Kosten für Diesel-Kraftstoff aber weit unter dem heutigen. Für viele Menschen im Internet DER Beweis, dass die hohen Tankkosten kaum etwas mit dem Krieg zu tun haben, sondern das Ergebnis sinistrer Mächte sein müssen:

Oft ist es ergänzt um die Schlussfolgerung, dass Benzin nun im Einkauf günstiger sei und der Preis folglich nicht am Konflikt liegen könne.

Nun ist es so: Selbstverständlich beeinflusst der Rohölpreis auch die Kosten für Produkte, die aus Rohöl gewonnen werden, aber eben nicht in Echtzeit und auch nicht 1 zu 1. Damit aus Erdöl so wunderbar stinkige Substanzen wie Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl werden können, muss das Erdöl über den halben Planeten transportiert und anschließend in einer Raffinerie veredelt werden (nennt sich Cracken). Das Erdöl, aus dem das aktuell an Tankstellen erhältliche Benzin hergestellt wurde, wurde also lange vor der jetzigen Krise gefördert (Öl fließt mit ca. 5 km/h durch Pipelines, also z.B. zur PCK-Raffinerie in Brandenburg 1,5 Monate).

Im Jahr 2008 lag der Ölpreis tatsächlich sehr hoch, und das hatte seine Gründe: Venezuela setzte aufgrund eines Rechtsstreits seine Verkäufe an ExxonMobil aus, die irakischen Erdölfelder war vom Krieg und Anschlägen geschwächt, nigerianische Gewerkschaften gingen in den Streik und fast zeitgleich legten schottische Pipeline-Arbeiter ihren Job nieder. Die Folge: Erdöl wurde teurer.

Aber warum wird überhaupt irgendwas teurer, nur weil weniger davon da ist? Die Kosten für die Herstellung sind doch die exakt gleichen, sollte der Preis nicht der gleiche sein? Die Erdölpumpen sind sowieso schon installiert, die Pipelines Jahrzehnte alt, die Öltankerkapitäne verdienen genau wie die Menschen in den Raffinerien den gleichen Lohn. Willkommen in der wunderbaren Welt von Angebot und Nachfrage:

Wenn viele Meschen ein Produkt wollen, dann steigt seine Nachfrage. Wenn Firmen im Zuge dessen viel davon herstellen, steigt das Angebot. In freien Märkten entwickelt sich daraus eine Größe, durch die sich Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht befinden: Der Preis. Mit steigender Nachfrage steigt der Preis, mit steigendem Angebot sinkt er.

Das könnt ihr an allen möglichen Produkten beobachten: Aufgrund der Chipkrise konnte Sony letztes Jahr weniger Playstation 5 herstellen als das Unternehmen vorhatte. Als dann an Weihnachten 2021 weniger in den Läden waren als Menschen kaufen wollten, stieg der Preis auf Verkaufsplattformen wie Ebay entsprechend an, obwohl die Herstellung einer Playstation ähnlich viel kostete wie vor Weihnachten.

Oder erinnert sich noch jemand an Fidget Spinner? Im Frühjahr 2017 waren sie weltweit schlagartig so populär, dass Eltern verzweifelt von Spielwarengeschäft zu Spielwarengeschäft pilgerten und dort unter Tränen anboten, eine Hypothek auf ihr Haus aufzunehmen, solange ihr Kind nur eines der begehrten Objekte mit in die Schule nehmen konnte. Bis zu 10 Euro waren locker drin, obwohl es sich einfach nur um ein Kugellager mit etwas Plastik drum rum handelte. Jetzt, 5 Jahre später, sind die Lagerbestände voll und der Hype vorbei, mit 50 Cent seid ihr dabei.

Beim Preis für ein Produkt spielt also nicht nur eine Rolle, wie viel die Herstellung kostet, sondern vor allem was Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen. Eine 3-Zimmer-Bude im Zentrum von München kostet nicht 1.500 Euro Kaltmiete, weil sie im Vergleich zum Jahr 2005 größer oder schöner geworden ist, sondern weil Menschen diesen Preis jetzt bezahlen. Würde eine gute Fee dort nun spontan zehntausende ähnliche Wohnungen erscheinen lassen und diese für 500 Euro im Monat vermieten, würden auch die anderen Wohnungen schlagartig billiger werden.

Und solche Preisänderungen funktionieren sogar, wenn noch gar keine Veränderung des Angebots stattgefunden hat, sondern allein eine glaubwürdige Aussicht auf eine Veränderung vorliegt. An der Börse kann ein Unternehmen von einem auf den anderen Tag Milliarden Euro weniger wert sein, allein aufgrund von entsprechenden Annahmen der handelnden Menschen. Das Unternehmen hat dann nicht eine Maschine weniger, den gleichen Personalbestand und die gleichen Auftragsbücher. Es zählt der psychologische Umstand, dass Menschen den Wert geringer einschätzen.

Andersrum sind viele Menschen davon ausgegangen, dass Schrottanleihen für US-Immobilien ein super-cleveres Investment sind und haben dafür viel zu viel Geld bezahlt. Als dann irgendwann allen schlagartig klar wurde, dass diese Produkte überbewertet sind, „platzte“ die Blase, siehe auch die Entstehung der Weltfinanzkrise von 2007/2008 und den grandiosen Film „The Big Short“ von Adam McKay, dem Regisseur von „Don‘t Look Up“.

Und jetzt zurück zu Erdöl: Hier ist die Preisentstehung grundsätzlich fragwürdiger, denn es gibt nur ein paar Länder und Anbieter weltweit (nennt sich Oligopol), die über nennenswerte Reserven verfügen. Damit der Preis nicht allzu stark sinkt, sprechen sie sich ab und vereinbaren in der OPEC bzw. OPEC+, wie viel Erdöl insgesamt gefördert wird. Das Ziel ist ganz offiziell, eine Preisbildung zu normalen Marktbedingungen zu verhindern, indem das Angebot meist begrenzt und somit den Preis künstlich hoch gehalten wird.

Übrigens: Würden das mehrere Unternehmen in Deutschland mit einem anderen Produkt tun, würden sie sich wegen Kartellbildung strafbar machen. Mögliches Bußgeld gegen Verantwortliche bis zu eine Million € und gegen die Unternehmen bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes.

Es gibt also eine Menge Ursachen dafür, dass Öl- und Benzin- bzw. Dieselpreise sich ändern, auch in Friedenszeiten. Und genau das ist auch letztes Jahr schon passiert: Der Ölpreis hat sich zwischen Januar 2021 und Dezember 2021 fast verdoppelt, während der Benzinpreis verglichen damit recht stabil blieb: Kostete Benzin im Jahr 2020 im Schnitt 1,29 Euro, stieg dieser Wert nur recht moderat um 23 Cent auf einen Durchschnitt von 1,52 Euro für das Jahr 2021 – also nur um 18 Prozent.

Während Öl also fast 100% teurer wurde und Benzin nur um 18 Prozent war Facebook trotzdem nicht voller Charts und Grafiken, die spitzfindig auf diesen Unterschied hinwiesen. Niemand kam auf die Idee, dass die Grünen gerade das Benzin günstiger machen als der Rohölpreis nahelegt. Aber jetzt, wo sich das gleiche Schauspiel nur mit anderen Vorzeichen abspielt, wittern alle die große Polit-Verschwörung dahinter und dass der Staat sich bereichern wolle. Was wollte der Staat dann 2021? Sich künstlich arm machen?

Ja, der Benzinpreis steigt gerade stärker als wir mit dem Erdölpreis erklären können. Damit haben aber nicht die Grünen etwas zu tun, sondern im Zweifelsfall die Raffinerien der Mineralölkonzerne. Malte Kreutzfeldt von der taz hat hier recht plausibel berechnet, dass die Preissteigerung sich mit Steuern und Rohölpreisen allein nicht erklären lässt. Wir können also zumindest mutmaßen, dass das generell knappere Benzin wie bei den Fidget Spinnern höhere Preise ermöglicht.

Das gilt übrigens nicht nur für westliche Konzerne: Deutschlands viertgrößte Raffinerie, die PCK-Raffinerie in Brandenburg, die 95 Prozent des Sprits für Berlin herstellt, gehörte laut letzter Freigabe des Bundeskartellamts zu 92 Prozent dem staatlichen russischen Rosneft-Konzern (Aufsichtsratsvorsitzender: Gerhard Schröder).

Für die aktuellen Preise gibt es also vermutlich mehrere Gründe, von denen einer der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist, durch den die Raffinerien nun ihre Gewinne steigern können. Dass Benzin auf lange Sicht teurer werden und ggf. sogar auf einen Preis über 2 Euro / Liter klettern kann, war aber bereits letztes Jahr auch ohne Krieg ein denkbares Szenario:

„Dennoch stellten bereits im Juni einige Experten den Verbrauchern deutliche Preissteigerungen in Aussicht. Sie warnten, dass der Benzinpreis auf bis zu zwei Euro steigen könnte.“

Ja, Benzin war in absoluten Zahlen noch nie so teuer, aber der Grund, dass das in Deutschland derartige Wellen schlägt, ist vermutlich eher unsere immer stärker gefestigte Abhängigkeit von Erdölautos. Bereinigt um Lohnerhöhungen und den Umstand, dass heute sparsamere PKW-Modelle zur Verfügung stehen, müsste der Liter Benzin laut Gernot Sieg, Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, erst auf 2,40 Euro steigen, um wieder das Preisniveau von 2012 zu erreichen.

Setzen wir das deutsche Median-Einkommen ins Verhältnis zu unseren Tankstellenpreisen, befinden wir uns in Europa nahe am unteren Drittel:

Dass jetzt Menschen von Benzin geradezu abhängig sind und auf Erhöhungen empfindlich reagieren, ist verständlich. Aber das liegt nicht nur an der reinen Höhe, sondern auch aus unserer selbstverschuldeten Ausweglosigkeit, auf die Schnelle keine Alternative zu haben. Wenn Tulpen auf einmal drastisch teurer würden, oder Netflix oder Gelee-Bananen, naja, dann kauft man halt Petunien, wechselt zu Disney+ und… okay, schlechtes Beispiel, an Gelee-Bananen kommt nichts ran.

Wer sein Leben am Auto ausgerichtet hat und jetzt darauf angewiesen ist, kann nicht mal eben schnell wechseln (die aktuellen Lieferzeiten von E-Autos sind entsprechend lang). Und ja, ich habe „Autokorrektur“ von Katja Diehl gelesen. Ich weiß, dass viele Menschen im Auto eigentlich gar kein Auto wollen, Häme liegt mir daher fern. Es gibt dennoch ein paar Abers.

Aber 1: Hey, Autofahrer:Innen seid nicht die einzigen, die von höheren Energie- und Mobilitätskosten betroffen sind. Ja, Benzin kostet jetzt 70 Prozent mehr als noch vor einem Jahr, aber Erdgas ist in dieser Zeit 590 Prozent (!) teurer geworden. Heizöl kostet ca. das Dreifache verglichen mit letztem Jahr, ÖPNV-Preise sind zwischen 2000 und 2018 um 79 Prozent gestiegen. In all diesen Fällen heißt es bislang: Das ist der Markt, deal with it.

Aber 2: Nur 20 Prozent der Autofahrten in Deutschland haben Arbeit oder Ausbildung als Ziel. Die meisten Fahrten (knapp 40 Prozent) finden in der Freizeit und im Urlaub statt. Wer einen Pendelweg von 100 km / Tag hat und ein sparsames Auto fährt, muss selbst bei 50 Cent Spritpreiserhöhung mit 50 Euro Mehrkosten im Monat rechnen. Das ist sicher ärgerlich, kann aber auch durch das eigene Verhalten in der Freizeit abgefedert werden.

Aber 3: nicht mal die Hälfte der prekär Verdienenden haben überhaupt ein Auto.

Lange Rede kurzer Sinn: Ja, jetzt ist alles teurer als noch vor ein paar Jahren und das ist für viele Menschen echt bitter. Aber hey, immerhin wird euch die Wohnung nicht von russischen Panzern in Stücke geschossen, das ist ja auch was. Ärger über teure Energiepreise ist nachvollziehbar, ich ärgere mich auch, aber bitte nicht vergessen, wer Adressat dieses Ärgers sein sollte.

Dass fossile, endliche (!) Rohstoffe irgendwann richtig teuer werden können, davor wurde in den letzten Jahre immer öfter gewarnt, nicht zuletzt von den Grünen. An Robert Habeck wird jetzt die undankbare Erwartung gerichtet, innerhalb von wenigen Wochen ein träges Tankschiff zu wenden, das über die letzten Jahrzehnten von allen anderen mit voller Kraft in die falsche Richtung gesteuert wurde.

Dass die Erdöl-Staaten und Mineralölkonzerne die Preise unter sich ausmachen und jetzt von unser aller Notlage profitieren, ist kein Geheimnis. Das verhindern wir aber nicht durch Spritpreisbremsen, sondern indem wir aus dem Erdöl-System rauskommen.

Nehmt also bitte euren Zorn und nutzt ihn dazu, uns alle aus diesem Klammergriff zu befreien. Macht euch von Ölkonzernen unabhängig. Stärkt Verkehrslösungen ohne Auto und wenn irgendwo über eine Straßenbahn oder einen Radweg abgestimmt werden soll, dann stimmt mit „ja, verdammt!“. Fahrt elektrisch, fahrt mit dem Rad und wenn das alles nicht geht, dann spart einfach Benzin. Jeder Liter, den wir weniger benötigen, muss nicht aus Russland importiert werden.

An der Tankstelle stehen und mit zum Himmel gereckter Faust auf die Grünen schimpfen mag sich im ersten Moment gut anfühlen, löst euer Problem aber ähnlich nachhaltig als wenn ihr euch die Haare orange färbt. Außerdem sähe gelb-blau ja auch besser aus.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

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Mit diesen Tricks rechnet eine Studie von 2010 die Klimabilanz von Hafermilch schlecht

Laut Bauernverband Schleswig-Holstein ist Kuhmilch jetzt sogar klimafreundlicher als Hafermilch. In einem Facebook-Post machte der einschlägig bekannte Verband auf eine Rechnung aufmerksam, laut der die Klimawirkung von Hafermilch sogar zehnmal so hoch wie Kuhmilch sei.

Der Fairness halber: Die Rechnung selbst stammt nicht vom Bauernverband, sondern von Dr. Malte Rubach, Autor der beliebten Klassiker „Gesund mit Kaffee“, „Plädoyer für Milch“, „Essen im Ernstfall – Crashkurs Gesundheitsvorsorge“ und „Kaffee-Apotheke – Die Bohne für mehr Gesundheit“. Dieser wurde vom Blog „Das PResstaurant“ (sic) interviewt und erklärt darin:

„Auf den ersten Blick sind die pflanzlichen Drinks natürlich klimaschonender. Berücksichtigt man jedoch ihren Nährstoffgehalt, ergibt sich ein anderes Bild. Da müsste man schon sehr viel Haferdrink trinken, um auf denselben Nährstoffgehalt wie bei Kuhmilch zu kommen – und es würden immer noch Nährstoffarten fehlen, die der pflanzliche Drink eben nicht liefert. Dann wäre die Klimawirkung von Haferdrink zehnmal so hoch wie die von Kuhmilch.“

Dr. Rubach bezweifelt also gar nicht, dass die Produktion von einem Liter Kuhmilch mit höheren Klimaemissionen verbunden ist als die Produktion eines Liters Hafermilch. Aus seiner Sicht sind ein Liter Kuh- und Hafermilch aber gar nicht vergleichbar, weil in der Kuhmilch mehr Nährstoffe vorhanden sind und ein Mensch davon entsprechend weniger benötigt.

Grundsätzlich ist die Überlegung durchaus berechtigt: Ein Kilo Feldsalat verursacht zum Beispiel nur 270 Gramm CO2-Emissionen, ein Kilo Gnocchi hingegen 1.000 Gramm CO2. Wäre es nun fair, die Gnocchi pauschal klimaschädlicher zu nennen? Naja, das Kilo Gnocchi enthält beruhigende 1.500 Kilokalorien, das Kilo Salat hingegen nur 124 Kilokalorien, Eine Kilokalorie Salat verursacht also 2,2 Gramm CO2 und eine Kilokalorie Gnocchi 0,7 Gramm CO2. Ist also doch der Feldsalat klimaschädlicher als die Gnocchi?

Nein, auch das kann man so pauschal nicht sagen, denn erstens kann ich ja nicht den ganzen Tag nur Gnocchi essen und zweitens wäre es nach dieser Logik am klimaschonendsten, einen Becher Pflanzenöl mit 4 Esslöffeln Zucker zu sich zu nehmen oder einfach eine Flasche Schnaps (zusätzlicher Toilettenpapierbedarf nicht eingerechnet). Entscheidend ist daher eigentlich eher, wie viel CO2 wir für die Ernährung eines ganzen Tages emittieren und dass bei direkten Vergleichen Nahrungsmittel gewählt werden, die sich gegenseitig ersetzen können, anstatt zum Beispiel Gummischlümpfe versus Haferflocken.

Dr. Rubach meint nun, dass genau das auf Kuhmilch und Hafermilch nicht zutrifft – wobei er ulkigerweise allerdings immer „Haferdrink“ sagt. Er möchte das mit der schwedischen Studie „Nutrient density of beverages in relation to climate impact“ aus dem Jahr 2010 belegen, die verschiedene Getränke auf ihren Nährstoffgehalt hin untersucht, dabei aber mehrere Fehler macht. Auf Basis der Ergebnisse hat er dieses Diagramm erstellt:

Auf der Y-Achse sind die Emissionen pro Nährstoff dargestellt und auf der X-Achse … Ja, gute Frage, wozu hat das Ding überhaupt zwei Dimensionen? Was soll das sein, die Mondphase, in der Dr. Rubach am liebsten Milch trinkt? Entweder wusste hier jemand nicht, wie man ein eindimensionales Diagramm erstellt, oder wollte, dass der Haferdrink optisch so richtig evil heraussticht und sich von der guten Kuhmilch so weit weg befindet wie möglich.

Okay, aber was genau bedeutet denn „Punkt Nährstoffindex“ auf der Y-Achse konkret? Damit ist der NDCI-Index gemeint, den die schwedische Forschungsgruppe zu diesem Zweck praktischerweise erfunden hat. Dieser setzt die enthaltenen Nährstoffe mit der empfohlenen Verzehrmenge ins Verhältnis, aber auf eine komische Weise: Wenn 100 Gramm eines Lebensmittels mindestens 5 Prozent des Tagesbedarfs eines Nährstoffs decken, bekommt es eine Art Extrabonus. Auf je mehr Nährstoffe das zutrifft, desto größer der Bonus. Den größten Bonus erhält in dieser Berechnung die Kuhmilch.

Solltet ihr euch jetzt fragen, warum zum Henker 100 Gramm und 5 Prozent ausgewählt worden sind: Gute Frage, denn das ist eine recht willkürliche Entscheidung. Ich kann damit in etwa ablesen, wie gut ich mit Nährstoffen versorgt bin, wenn ich mich den ganzen Tag nur mit 2 Kilo dieses Lebensmittels ernähre. Solltet ihr aber der vollkommen verrückten Idee anhängen, über den Tag verteilt mehrere unterschiedliche Dinge zu euch zu nehmen, zum Beispiel weil ihr schon abgestillt seid, dann bringt euch der NDCI-Index recht wenig.

Zu diesem Schluss kamen auch zwei Forscher der Universität Oxford, die sich hier aus genau diesen Gründen recht kritisch mit dem Index auseinandersetzen: Der Index scheint laut ihnen dazu erfunden zu sein, Kuhmilch eine gute Bilanz zu bescheinigen, denn ersetzt man in der Rechnung die 5 Prozent mit 1, 2 oder 20 Prozent, erzielen auf einmal Orangensaft oder Sojamilch den besten Indexwert.

Die Indexberechnung selbst ist also schon fragwürdig, aber dann wird sie auch noch kombiniert mit Daten von 2010. Erinnert ihr euch noch an 2010? Das ist das Jahr, in dem Lena Meyer-Landrut den Eurovision Song Contest gewann und Pflanzenmilch im Supermarkt kaum Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt waren. Heute ist das nicht mehr der Fall und in meiner Hafermilch sind Calcium, Kalium, Vitamin D, Vitamin B2 und Vitamin B12. Das in der schwedischen Studie verwendete Produkt reißt jedoch für all diese Nährstoffe die selbst auferlegte 5-Prozent-Hürde, schneidet also deutlich schlechter ab, als wenn die Studie mit heutigen Produkten durchgeführt werden würde.

Viel entscheidender ist aber, dass der ganze Ansatz mit unserer Lebensrealität nur wenig zu tun hat: Laut (veralteter) Studie ist die Nährstoffdichte von Kuhmilch 53,8 und damit 36-mal so hoch wie die von Hafermilch (1,5). Okay, aber daraus kann ich ja nicht einfach ableiten, dass ich im Gegensatz zu meinem früheren Kuhmilch trinkenden Ich nun 35-mal so viel Hafermilch trinke – allein das ganze Geschleppe, da trinke ich ja lieber das Essigwasser aus alten Gurkengläsern.

Nein, so läuft das nicht. Ich verwende exakt so viel Hafermilch, dass der Pfannkuchen fluffig und das Müsli eingeweicht ist. Ich trage ja nicht in eine Excel-Tabelle ein, welche Nährstoffe ich über den Tag aufgenommen habe, und merke dann: „Oh, mein Kalium-Haushalt ist noch nicht gedeckt, trinke ich besser noch mal vier Liter Oatly!“ Soll ja noch andere Lebensmittel geben als weiße Flüssigkeiten.

Ja, in Kuhmilch mag sechsmal so viel Folsäure enthalten sein, aber Folsäure ist halt gerade für Veganer:innen überhaupt kein Problem. Davon ist in Hülsenfrüchten, Gemüse und Obst so viel drin, dass mein Folsäure-Blutwert beim letzten Test krass hoch war. Es ist daher vollkommen irrelevant für meinen CO2-Fußabdruck, wie hoch die Folsäure-Dichte in Kuhmilch ist.

In der Tabelle ist sogar Rotwein enthalten, der enthält 44-mal „weniger“ Nährstoffe als Kuhmilch. Das wäre aus Klimasicht aber doch nur relevant, wenn sich irgendwer gegen einen Schuss Kuhmilch im Kaffee entscheidet und sich dann stattdessen für seinen Nährstoffhaushalt 2 Flaschen Rotwein reinknallt. Ich kenne niemanden, der sich nach dieser Logik ernährt.

Oder ist das so ein neuer Trend, den ich noch nicht mitbekommen habe? Geht man im Supermarkt neuerdings in die Weinabteilung und fragt den Sommelier altklug, welcher von den Rotweinen gut mit dem Alnatura Früchtemüsli harmoniert? Vermutlich sind Sätze wie „Schatz, bringst du mir für die Fruit Loops noch ‘ne Flasche Chianti mit?“ jetzt bald in aller Munde und ich habe es einfach noch nicht mitbekommen. Hey, wenn die Leute euch schräg angucken, weil ihr um 11 Uhr morgens schon voll wie ein Haus seid, dann kramt ihr die ausgedruckte Smedman-Studie hervor und lallt: „Sssis für meine Sundheit *hicks*.“

Die ganze Nummer wird nicht besser durch den mega-erfolgreichen Hashtag #bleibnatürlich, mit dem der Bauernverband Schleswig-Holstein wohl unterstellen möchte, es sei natürlicher, die Muttermilch 700 kg schwerer Paarhufer zu trinken als in Wasser eingeweichten Hafer. Wer denkt beim Anblick eines Kuhkarussells, auf dem Tiere mit krankhaft vergrößerten Eutern im Kreis herumfahren, um ihnen möglichst kostengünstig 10.000 Liter pro Jahr abzutrotzen, nicht spontan „hach, wie natürlich!“?

Ganz grundsätzlich: Was treibt einen Bauernverband überhaupt dazu, eine Nutzpflanze schlechtzureden, mit der seine eigenen Verbandsmitglieder gutes Geld verdienen? Schleswig-Holstein hat seine Anbauflächen für Hafer zuletzt fast verdoppelt und ist jetzt das Bundesland mit dem meisten Haferanbau relativ zu seiner Fläche, und zwar mit Abstand. Wieso redet der Bauernverband die Ernte seiner eigenen Leute schlecht, die die Nachfrage einer globalen Entwicklung bedienen wollen?

Quelle: Statista

Auf nationaler Ebene agiert der Deutsche Bauernverband übrigens deutlich cleverer: Bauernpräsident Rukwied sieht „Bauern als mögliche Gewinner der Trendwende zum veganen Essen“. Es seien ja nun mal seine Mitglieder, die die Rohstoffe für Ersatzprodukte anbauen würden. Ja, ganz genau, und genau das macht die wiederholten Angriffe des Bauernverbands Schleswig-Holstein auf pflanzliches Essen um so irritierender. Wir, die Typen, die sich pflanzlich ernähren, sind doch deren Kundschaft.

Vielleicht sollte der Deutsche Bauernverband mit seinem Ableger im Norden mal ein ernstes Gespräch führen …

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Nein, durch das Abschalten der Atomkraftwerke droht uns kein Stromausfall

Okay, das wird jetzt bitter für alle, die sich den Keller schon mit Dosenravioli, eingemachtem Rosenkohl und sauren Zungen vollgestellt hatten: Es gibt gar keinen Stromausfall. Und jetzt? Sitzen sie da, müssen den ganzen Rosenkohl trotzdem essen und in Kombination mit den sauren Zungen kann das echt auf den Magen schlagen. Blöd.

Vor 19 Tagen war es nämlich soweit: 3 der verbliebenen 6 Kernreaktoren in Deutschland wurden abgeschaltet. Und obwohl das ein 10 Jahre alter Kompromiss zwischen Energiewirtschaft und Politik war, der da entsprechend lange geplant umgesetzt wurde, ging das Schreckgespenst deutschlandweiter Stromausfälle durch die Gazetten, so als wenn der Strom-Grinch in den Kraftwerken aus einer bösen Laune heraus den Not-Aus-Knopf drücken würde.

Klar, diese Geschichte erzählt natürlich besonders gerne die AfD. Je mehr Angst die Leute haben, umso eher sind sie bereit, vollkommen ungeeignete Leute in Ämter zu wählen. Da wird gepoltert „Mitten in der größten Energieknappheit seit Jahrzehnten werden aus ideologischen Gründen fast 9 GW Leistung vom Netz genommen“ (stimmt nicht) oder „Mit der Abschaltung dreier deutscher Kernkraftwerke Ende des Jahres steigt massiv die Gefahr eines Blackouts“ (stimmt auch nicht).

Aber neben den braunen Terrorschlümpfen gibt es auch ganz seriöse Quellen, die vor einem Blackout warnten. Die Wirtschaftswoche fragte „Droht nun der Blackout?“. Der Bayerische Rundfunk vermeldete: „Kernkraftwerk Gundremmingen wird abgeschaltet: Reicht der Strom?“ und der Ex-Chefredakteur der Zeit, Theo Sommer, durfte eine ganze Kolumne um die Fragestellung „Geht in Deutschland bald das Licht aus, weil wir nicht mehr genug Strom produzieren?“ verfassen.

Nun lauten die Antworten auf all diese Fragen aber schlicht „nein“, „ja“ und „nein“. Nein, es droht kein Blackout, ja, der Strom reicht, nein, das Licht geht nicht aus. Wie ich zu dieser Einschätzung komme? Nun, Folgendes ist am 31.12.2021 passiert: Die Reaktoren Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C sind abgeschaltet worden.

Ui, gleich drei Kernkraftwerke weniger, das klingt natürlich erst mal einschneidend und bedrohlich. Das liegt aber auch daran, dass die wenigsten Menschen eine grobe Idee haben, wie viel Strom so ein Kernkraftwerk liefert und wie viel wir in Deutschland verbrauchen. Unpraktischerweise muss man zu diesen Überlegungen nämlich mit einer Unzahl von Nullen und kompliziert klingenden Einheiten hantieren, wobei viele Menschen nach meiner Erfahrung entweder sehr, sehr wütend werden oder spontan einschlafen.

Bei mir ist es genau andersrum: Ich kann stundenlang durch die Fraunhofer Energy Charts scrollen und denke dann Sachen wie „boah, interessant“ oder „ach, ist ja erstaunlich“, mache mir dabei Notizen und erzähle meinem Coworker etwas über das französische Stromnetz. Der ist nämlich zu höflich, um „das interessiert mich einen Scheiß, Jan!“ zu sagen, so dass ich in der Illusion lebe, er wolle das wirklich hören. Und jetzt, Anfang 2022, ist das Thema auf einmal echt relevant und von Debatten überschattet, so dass ein paar nerdy Zahlen vielleicht doch interessant sind, denn so einen Stromausfall will ja auch niemand.

Also, das war die deutsche Stromerzeugung Ende 2021:

Die einzelnen Farben symbolisieren unterschiedliche Kraftwerkstypen (gelb = Solarstrom, hellgrün = Windkraft, hellblau = Pumpspeicher usw.). Rot steht für den Strom aus Kernkraftwerken und alle übereinander symbolisieren den gesamten Strom, der in Deutschland generiert wird. Und ganz wichtig: Die schwarze Linie, das ist die Last; also der gleichzeitige Verbrauch aller Geräte, die in Deutschland ans Stromnetz angeschlossen sind. Sie schwankte in der letzten Woche des Jahres zwischen 40 und 60 Gigawatt, was urlaubs- und pandemiebedingt etwas weniger ist als in einer durchschnittlichen Woche.

Wer sich das Bild aufmerksam ansieht, stellt schnell fest: Der erzeugte Strom weicht von der Last ständig ab. In Woche 52 war andauernd mehr Strom im Netz als wir verbraucht haben und kurzzeitig am 29.12.2021 gab es auch mal eine Stromlücke von etwa 2 Gigawatt – wie kann das sein? Kann es nicht, Stromerzeugung und -verbrauch müssen sich immer die Waage halten, sonst wird das Netz überlastet. Das Bild ergibt sich tatsächlich nur, weil hier Exporte und Importe ausgeblendet sind. Blende ich sie ein, liegen die Linien nahezu gleichauf.

Was passiert mit diesem System also, wenn wir gleichzeitig 3 Kernreaktoren abschalten? Das ist in der Grafik recht gut zu erkennen: Über dem Timestamp „31.12.2021“ ist deutlich zu sehen, wie der rote Balken sich ungefähr halbiert, aus 8 Gigawatt Leistung werden 4 Gigawatt Leistung. Tatsächlich war das aber kein so harter Cut, das sieht hier nur so aus, weil die deutsche Strombörse ihre Daten mutmaßlich fehlerhaft ins System speist. Einen Kernreaktor kann man nicht einfach ausschalten wie einen Stabmixer, vielmehr dauert es schon ein paar Stunden, bis die Leistung auf null abgesunken ist.

Schaut man sich die blockscharfe Erzeugung an, gibt es ein realistischeres Bild. Grundremmingen C lief um 20 Uhr nicht mehr, Brokdorf und Grohnde waren ab Mitternacht aus.

Der Knick im ersten Bild ist also zu steil und zu früh eingezeichnet, aber für das Gesamtbild ist das unerheblich. Wichtig ist: Der restliche Kraftwerkspark hat die ausbleibende Leistung problemlos abgefangen. Direkt zum Jahreswechsel war sogar so viel Windstrom im Netz, dass kein einziges fossiles Kraftwerk die Leistung hochfahren musste. Wir haben einfach nur weniger Strom exportiert und stattdessen selbst genutzt.

Aber was wäre ohne den vielen Wind passiert? Dafür springen wir in Woche zwei des neuen Jahres, denn ab dem 10. Januar 2022 legte der Wind in Deutschland für 48 Stunden eine ähnliche Motivation an den Tag wie J.J. Abrams beim Schreiben der Drehbücher für die Star Wars-Fortsetzungen und lungerte stundenlang nur in der Gegend herum:

Der Urlaub war zudem vorbei, die deutschen Stanzwerke und Galvanisierungsbetriebe liefen wieder auf Hochtouren und so kletterte der Bedarf auf 70 Gigawatt, ein für deutsche Werktage recht typischer Wert. Und, fiel dann landesweit der Strom aus? Natürlich nicht, stattdessen lieferten nun die fossilen Kraftwerke den fehlenden Strom: 15 Gigawatt kamen aus Gaskraftwerken und 25 Gigawatt aus Kohlekraftwerken, zudem haben wir am Montag 10 Gigawatt importiert.

Aha, Importe! Also ist das deutsche Stromnetz jetzt vom Ausland abhängig und wir schalten hier einfach alles aus, um dann französischen Atomstrom zu importieren, danke Merkel! Ach Mist, hier passt das ja sogar einigermaßen – aber tatsächlich importieren wir den meisten Strom gar nicht aus Frankreich. An besagtem 10. Januar haben wir während der höchsten Verbrauchsspitze 1,6 Gigawatt aus Frankreich importiert und 9,2 Gigawatt aus dem restlichen Europa (primär Norwegen, Niederlande, Dänemark, Schweiz).

Und auch das ist kein Problem. Viele denken, wir würden nur dann Strom importieren, wenn wir gar keine andere Wahl mehr haben, aber tatsächlich importieren wir auch dann, wenn es schlicht günstiger ist als noch mehr eigene Kraftwerke anzuwerfen. Am 10. Januar hätten wir die fehlenden 10 Gigawatt auch selbst erzeugen können, es wäre nur einfach unökonomisch gewesen. Unökonomisch, aber im Notfall möglich:

In Deutschland ist zusätzlich zur Wind- und Sonnenkraft an Leistung aktuell installiert: 30 Gigawatt Gaskraftwerke, 38 Gigawatt Kohlekraft, 8,5 Gigawatt Biomasse, 5 Gigawatt Wasserkraft, 4 Gigawatt Kernkraft und 7 Gigawatt Reservekraftwerke (unter Anderem Mineralöl).

Bedeutet: Selbst wenn in ganz Deutschland nirgends Wind weht und kein einziges Photon auf unsere Solarzellen trifft, können die restlichen Kraftwerke 92,5 Gigawatt Leistung bereitstellen. Die höchste Last hatten wir letztes Jahr am 11.01.2021 mit 79 Gigawatt und auch da waren unsere Kraftwerke alles andere als voll ausgelastet. Wer in dieser Situation also vor akuten, flächendeckenden Stromausfällen warnt, kennt das deutsche Stromnetz einfach nicht (fairerweise muss ich ergänzen: Bei meinen Twitter-Diskussionen zu dieser Frage haben das die meisten Kernkraft-Supporter genauso eingeschätzt).

Deutschland befindet sich nach wie vor in einer deutlichen Überversorgung: Wir haben seit 2006 jedes Jahr mehr Strom ins Ausland exportiert als importiert und auch in der Handelsbilanz mit Frankreich haben wir seit mindestens 2015 einen deutlichen Strom-Exportüberschuss. Bedeutet also , dass Frankreich mehr Strom aus Deutschland importiert als umgekehrt.

Allein letztes Jahr haben wir 8,5 Terawattstunden aus Frankreich importiert und 15 Terawattstunden nach Frankreich exportiert, im Detail sieht das für das Jahr 2021 so aus (Ausschläge über null sind Importe, Ausschlage kleiner null Exporte):

Quelle: Fraunhofer Energy Charts

Stromimporte und -exporte sind übrigens grundsätzlich kein Beweis für irgendwelche schlechten Netze, es zeigt einfach nur, wie gut das europäische Verbundnetz funktioniert. Dass wir bei Überkapazitäten Strom an andere Länder abgeben und bei Bedarf welchen von dort kaufen ist viel effizienter, als wenn jedes Land sein ganz eigenes Süppchen kochen würde.

Tatsächlich ist die folgenreichste Konsequenz aus der Abschaltung, dass nun an Tagen mit weniger Windstrom als dieser Woche mehr fossile Kraftwerke einspringen müssen, um die jetzt fehlenden 4 Gigawatt aus der Kernkraft auszugleichen. Entsprechend mehr CO2 verursacht eine Kilowattstunde aus dem deutschen Strommix dann logischerweise.

Hier stellen viele die Frage, warum wir in Deutschland denn nicht zuerst aus der Kohle und dann aus der Kernkraft ausgestiegen sind und ja, die Frage ist berechtigt. Die Reihenfolge des Ausstiegs kann man gerne kritisieren. Aber die Sorge vor Blackouts wird dadurch nicht plausibler.

Grundsätzlich ist es aber auch nicht richtig zu behaupten, dass statt der Kernkraft jetzt immer Kohlekraftwerke einspringen. Tatsächlich wurde die fehlende Kernkraft in 2022 bislang mit Gaskraftwerken, Windkraft und Kohle kompensiert, immer abhängig von der Größe der Stromlücke.

Am meisten Strom haben wir netto übrigens aus Dänemark importiert, dessen Strommix 2021 fast zu 70 Prozent aus erneuerbaren Quellen bestand. Wenn jemand also schon vor dem Blackout warnt, dann doch eher mit Verweis auf dänischen Windstrom aus auf französischen Atomstrom.

Komischerweise höre ich die Sorge „Ausbau der Windenergie in Deutschland komplett versemmelt – drohen uns jetzt Stromausfälle?“ aber recht selten.

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Wie aus einer WDR-Doku zu E-Autos eines der schlimmsten Fake-News-Videos auf Facebook wurde

Dieser Artikel ist ein Paradoxon: Er kommt viel zu spät und ist dennoch top-aktuell. Wenn ich vorhersagen könnte, welche Sendungen irgendwann in Form leicht verdaulicher Screenshots und Minivideos zu untoten Desinformationsschnipseln der Medienlandschaft verwesen, hätte ich der WDR-Dokumentation „Elektroautos – wie umweltfreundlich sind sie wirklich?“ schon vor 20 Monaten meine Aufmerksamkeit geschenkt. Kann ich aber leider nicht (DAS wäre wirklich mal eine innovative Superkraft für den nächsten Marvel-Film).

Die Situation war folgende: Die Dokumentarfilmer Florian Schneider und Valentin Thurn waren 2019 im Auftrag der ARD-Sendergruppe mit dem Flugzeug um die halbe Welt geflogen, um dem WDR-Publikum mit dem gesammelten Material zu erklären, wie umweltschädlich E-Autos angeblich sind. Dieses Material fand sich folglich im Juni 2019 in der WDR-Dokumentation „Die Story im Ersten: Kann das Elektro-Auto die Umwelt retten“ wieder, dessen irreführende Machart ich in meinem mittlerweile über zwei Jahre alten Artikel ausführlich kritisiere.

Nun war ich längst nicht der Einzige, dem die groben Fehler und irreführenden Aussagen aufgefallen waren. Es gab eine Menge berechtigter Kritik an der Recherche, der Darstellung von Interviewpartnern, dem intransparenten Umgang mit Quellen und der grundsätzlich nicht vorhandenen Bereitschaft, jenseits von Standardfloskeln auf all diese Vorwürfe zu reagieren.

Der WDR legte vielmehr die Selbstreflexion eines Säuglings an den Tag und brachte sieben Monate später einfach ein „Update“ heraus. Update steht in Anführungszeichen, weil Doku-Kompost hier die zutreffendere Bezeichnung gewesen wäre: Der absolute Großteil des „neuen“ Werks, das – sehr einfallsreich – nun auf den exakt gleichen Namen („Elektroautos – wie umweltfreundlich sind sie wirklich“) hörte, bestand schlicht aus dem alten Material, aber in einer anderen Reihenfolge und leicht veränderten Formulierungen. Ergänzt war es um wenige Minuten neues Material und zwei kurze Animationen, die mittlerweile tausendfach geteilt worden sind, funktionieren sie als scheinbarer Beweis dafür, wie heuchlerisch die Klimaschutz-Szene doch agiert.

Das war vor 20 Monaten aber leider nicht abzusehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade erst einen anderen Artikel zum Thema E-Autos veröffentlicht und beim Überfliegen des „Updates“ gesehen, dass hier alter Wein im neuen Schlauch präsentiert wurde, auf den ich ja ausführlich eingegangen war. Die Erinnerung war noch recht frisch, wie ich das erste Werk dazu viele, viele Male hintereinander ansehen musste, Zitate abtippte, entsprechend oft in ein Kissen schrie, die Hintergründe recherchieren musste, mir wiederholt ein Brett vor den Kopf schlug und schlussendlich in einem immer noch lesbaren Text 45 Minuten Bewegtbild einordnete. Mit anderen Worten: Meine Unlust, mich mit dem ganzen Wust nochmal zu beschäftigen, überwog.

Wenn ich gewusst hätte, wie oft dieses Werk in Zukunft genutzt wird, um Erdölautos zu verteidigen, ich hätte mich zusammengerissen und mich direkt drangesetzt. Nun gucken sich die wenigsten Menschen die kompletten 44 Minuten an, viel beliebter ist stark komprimierter Instant-Unsinn, der euch hauptsächlich in drei Formen begegnet:

1. Die schludrige Zusammenfassung auf Grundschulniveau

Sie findet sich besonders oft kommentarlos in Facebook-Städtegruppen, aber auch Privatprofile posten sie so häufig, dass ich jede Woche mehrfach unter den Kopien markiert werde:

Schon verblüffend: Seit 20 Monaten war der Beitrag jetzt „gestern in der ARD“, dabei wird man hier lediglich auf einen komplett toten Link der Sendung in der Mediathek verwiesen. Vorm Posten einmal kurz anklicken und prüfen, ob der Link überhaupt noch funktioniert, scheint zu viel verlangt.

Die unzulässigen Verkürzungen bringen geradezu drollige Formulierungen hervor, wie z. B., dass 80.000 Liter Wasser „für immer“ verschwänden. Entwarnung: Materie verschwindet nicht einfach. Wasser kann verdunsten, was dann ggf. in einer Region zu Trockenheit führt, aber es ist halt immer noch da. Fördert man Lithium in Verdunstungsbecken, verbraucht das in der Tat Wasser, aber die 80.000 Liter stammen aus einem Bericht von Brot für die Welt und unterstellen viermal so viel Lithium pro Batterie, wie realistisch anzunehmen ist.

Ganz grundsätzlich stammt Lithium nur zu einem kleinen Teil aus Argentinien, wo der Wasserverbrauch vergleichsweise hoch ist. Tatsächlich fördert Australien ungefähr siebenmal so viel Lithium und baut es in ganz gewöhnlichen Bergwerken ab, wo der Wasserbedarf eher unspektakulär ist. Ach ja, und wie viele deutsche E-Autos speichern überhaupt 100 kWh? So große Batterien sind in der deutschen Zulassungsstatistik die klare Ausnahme.

Eine vollständigere Liste der Fehler im Originalbeitrag findet ihr hier.

2. Das Kurzvideo mit der Erklärung, wie lange E-Autos fahren müssen, um gegenüber Verbrennern im Vorteil zu sein

Wer dieses Standbild noch nie gesehen hat, war nie wirklich auf Facebook:

Es ist der Beginn einer (netto) 144 Sekunden langen Animation (um sie komplett zu sehen, müsst ihr ab 26:00 noch mal 38 Sekunden vorspulen, dann kommt der Rest), die die Ergebnisse einer Fraunhofer-Studie zusammenfasst. Solltet ihr sie euch gerade nicht ansehen können, hier das Transkript:

„Doch aktuell ist der Klimarucksack noch groß. Forscher des Fraunhofer ISI-Instituts haben für die Story ausgerechnet, dass ein Elektroauto mit einer nur 40 Kilowattstunden großen Batterie, das mit Strom aus der Steckdose geladen wird, 72.000 Kilometer braucht, um einen CO2-Vorteil gegenüber einem Benziner zu erreichen. Bei einer 58 Kilowattstunden großen Batterie sind es schon 100.000 Kilometer. Und ein E-Auto mit einer Batterie wie der des Audi-E-Tron fährt stolze 166.000 Kilometer bis zu einem Klimavorteil. In diesem Fall im Vergleich zu einem Diesel. Auf die gesamte Lebensdauer gerechnet, sparen alle am Ende CO2. Doch gerade E-Autos mit großen Batterien müssen sehr lange dafür fahren.“

Nach dem Einschub mit Bäckermeister (und Betreiber von Europas größtem Ladepark) Schüren geht es weiter mit:

„Wenn sie aber mit 100 Prozent Solarstrom vom eigenen Dach betankt werden, schaffen es Elektroautos viel früher in den Klimavorteil. Der Kleinwagen mit 40 Kilowattstunden großer Batterie schafft das so schon nach 30.000 Kilometern. Das Mittelklasseauto braucht 43.000 und der große Stromer mit der großen Batterie nur noch 60.000 Kilometer. Und wenn dann auch noch die Batterie durch reinen Ökostrom hergestellt würde, also extra für die Herstellung produzierten Solar- oder Windstrom, könnte der CO2-Fußabdruck noch weiter sinken. Selbst das große E-Auto wäre dann schon nach 35.000 Kilometern besser fürs Klima.“ (Nicht erwähnt aber im Bild zu sehen: Der Kleinwagen liegt dann bei 18.000 Kilometern und die Mittelklasse bei 26.000 Kilometern.)

Das Positive zuerst: Anstatt sich Zahlen auszuwürfeln, hat der WDR das Fraunhofer-Institut um Hilfe gebeten. Daraufhin hat das Institut bzw. Professor Martin Wietschel auf Basis der verfügbaren Daten im Jahr 2019 eine umfangreiche Analyse vorgelegt. Deutlich umfangreicher als der Beitrag vermuten lässt, denn die Doku geht nur auf einen bestimmten Teil der Berechnungen vom Fraunhofer-Institut ein. Das stand nämlich vor dem gleichen Problem wie alle anderen Organisationen, die den Klima-Impact von E-Autos vergleichen wollen: Wie viel Emissionen sollen für die Batterieherstellung angesetzt werden?

Die Herstellung von Batteriezellen ist ein wenig zu kompliziert, um da einfach ein CO2-Preisschild dranzukleben: Rohstoffe werden sehr unterschiedlich gefördert und in dieser aktuellen Studie werden allein für die anschließende Fertigung 13 verschiedene Prozessschritte auf ihre Emissionen hin überprüft, die dann von Hersteller zu Hersteller auch noch um Größenordnungen auseinanderliegen können. Auf die Frage „Wie viel CO2 emittiert eine Traktionsbatterie mit 50 kWh“ lautet die zutreffendste Antwort daher „kommt drauf an“.

Kommt drauf an, weil seriöse Studien hier keinen einzelnen Wert, sondern eine Spannweite errechnen: Diese Studie kam im Jahr 2019 zum Ergebnis, dass wir pro kWh Batterie 61 bis 106 kg CO2 emittieren. 61 kg CO2, wenn die Batteriezellenfabrik mit klimaneutralem Strom betrieben wird, 106 kg CO2, wenn der Strommix für die Fabrik extrem klimaschädlich ist (1.000 Gramm CO2/kWh).

Professor Wietschel berücksichtigte das in seiner Arbeit, indem er nun einfach die CO2-Rucksäcke für diese komplette Spannweite berechnet und zudem noch einen Worst Case mit aufnimmt für die Batterien von Plugin-Hybriden. Deren Emissionen wurden (allerdings eher aufgrund der intransparenten Daten) auf einen sehr schlechten Wert von 146kg CO2/kWh Batterie geschätzt.

Ihr findet in seiner Berechnung daher für alle Auto-Modelle drei Ergebnisse, eben für 61, 106 und 146 kg CO2/kWh. Das war dem WDR offenbar etwas zu kompliziert, er hat seine Animation komplett auf Basis des Maximums für vollelektrische Autos von 106 kg CO2/kWh erstellt (Studie Seite 7):

Das sind die 72.000 Kilometer und 100.000 Kilometer aus der Animation. Allerdings gelten diese Zahlen eben nur bei einem krass fossil ausgerichteten Strommix von 1.000 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Im Jahr 2019 lag dieser Wert für Deutschland bei 401 Gramm pro Kilowattstunde. Direkt eine Seite zuvor sind die Werte einmal mit dem Minimum berechnet:

… und schwupps, werden aus 72.000 Kilometern eher 51.000 Kilometer bzw. aus 100.000 Kilometern für das etwas größere Modell werden 68.000 Kilometer. Genau diesen Zusammenhang beschreibt Prof. Wietschel dort auch: „Die Ergebnisse zeigen, dass die Höhe der THG-Emissionen der Batterieproduktion einen deutlichen Einfluss darauf hat, wie lange ein Fahrzeug fahren muss, um den Break Even Point […] zu erreichen.“ Davon erfahre ich als WDR-Zuschauer an der Stelle nichts.

Das gleiche Spiel spielt die Dokumentation dann nochmals für den Fall, dass die Autos mit Solarstrom geladen werden. Sie kommt dann auf benötigte Fahrstrecken von 30.000, 43.000 und 60.000 Kilometer, bis die Gefährte einen Klimavorteil erreicht haben. Das ist laut Studie aber ebenfalls nur dann der Fall, wenn die Batteriezellen mit nahezu 100 Prozent Kohlestrom hergestellt werden (siehe Seite 7 und 9). Ganz am Ende wird dann eingeräumt, dass sich die Strecken nochmal auf 18.000, 26.000 und 35.000 Kilometer reduzieren, wenn die Batteriefabriken klimaneutral betrieben werden (Die Realität dürfte sich aktuell zwischen diesen Zahlen befinden).

Dass die Studie auch berechnet hat, wie viel klimaschonender E-Autos mit dem deutschen Strommix von 2030 fahren werden und wie gut diese Zahlen aussehen, erfahren wir beim WDR nicht. und das, obwohl der Strommix für das Jahr 2030 sogar noch pessimistischer angesetzt wurde als der Koalitionsvertrag des Kabinetts Scholz vermuten lässt.

Hinzu kommt, dass neue Batterien voraussichtlich sensationell lang genutzt werden können. Hier spricht Dr. Jeff Dahn über die Tests an der neuesten Generation von Lithium-Ionen-Batterien und verweist auf die schwarze Kurve in seinem Diagramm. Es ist nur keine Kurve, es ist eher einer Gerade:

Screenshot, Quelle

Er hat seinen neuen Prototypen hierfür 15.000-mal zu 25 Prozent entladen und wieder aufgeladen und kann kaum eine nachlassende Kapazität messen. Und genau diese 25 Prozent sind der Rahmen, in dem sich die meisten Menschen beim täglichen Pendeln ohnehin bewegen.

Mit anderen Worten: Diese Batterien werden voraussichtlich viele 100.000 Kilometer nutzbar sein. Break-Even-Rechnungen sind ohne die Betrachtung der Gesamtlebensdauer daher immer etwas unvollständig. Ja, die Batterie mag ein paar 10.000 Kilometer benötigen, um den Klimaschaden ihrer Produktion wieder rauszufahren, aber wenn sie danach 500.000 oder eine Million Kilometer im Dienst ist, dann spielt das doch kaum eine Rolle. Der Eindruck des WDR-Publikums dürfte nach „Doch aktuell ist der Klimarucksack noch groß.“ ein komplett anderer sein.

Grundsätzlich ist die Formulierung „mit Strom aus der Steckdose“ auch wirklich drollig. Damit meinen die WDR-Leute den deutschen Strommix. Fun Fact: Auch Solar- und Windstrom kommen aus irgendeiner Steckdose/Wallbox oder vielmehr einem Kabel, z. B. dem, das Bäckermeister Schüren im Beitrag in der Hand hält, um die werkseigenen Lieferwagen aufzuladen.

3. Das Video mit der Aufstellung der Rohstoffe

Ab Minute 32:56 bekommen wir ebenfalls eine neue Animation zu sehen, also eine, die in der ursprünglichen Dokumentation noch nicht enthalten war. Zu düsterer Musik lautet der Text aus dem Off:

„Für die Herstellung eines Elektroautos wird doppelt so viel Umwelt zerstört wie bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Bei Benzinern und Dieseln kommt überwiegend Stahl zum Einsatz, schon dafür wird viel Umwelt zerstört. Beim E-Auto sind es vor allem die Batterierohstoffe, die noch größere ökologische Schäden anrichten. Und je größer die Batterie desto größer der Umweltschaden. Für Forscher ist damit klar: Ökologisch gesehen ist der Trend zu Elektroautos mit immer größerer Reichweite Unsinn. Für das Klima und die Umwelt.“

Bebildert ist diese Passage hiermit:

An dieser Stelle wäre es schön, wenn wir alle eine Kerze anzünden würden für Menschen, die viel Energie und Liebe in das Anfertigen schöner, leicht verständlicher Diagramme stecken und beim Anblick dieses grafischen Komplettunfalls vermutlich in eine tränenreiche Heulattacke ausbrechen, um den Rest des Tages mit einem XXL-Becher Eiscreme unter der Dusche zu verbringen. Es tut mir leid, das habt ihr nicht verdient.

Fairerweise ist dem Grafikteam hier vermutlich der kleinste Vorwurf zu machen, denn wenn die Redaktion ihm als Grundlage nur einen schlampig zusammengeschusterten Müllhaufen an Informationen zur Verfügung stellt, was soll es dann machen? Shit in shit out…

Mein Physiklehrer aus der siebten Klasse hätte diese wunderliche Aufstellung schon mal nicht akzeptiert, weil sie gar keine Einheiten hat. Vermutlich soll das die zerstörte Umwelt darstellen, also entspricht der linke Haufen vermutlich ca. 415 Kilo-Umwelt und rechte 830 Kilo-Umwelt? Oder war das doch mehr? Mist, ich muss mal wieder nach Paris ins Internationale Büro für Maß und Gewicht und checken, wie groß ein Ur-Umwelt noch mal war.

Und soll hier ernsthaft irgendwer erkennen, wie viel der einzelnen Substanzen das darstellen soll? Nein, vermutlich nicht, denn die einzelnen, unterschiedlich eingefärbten / gemusterten Bereiche spiegeln nie im Leben die tatsächlichen Relationen wider – den dicken Platin-Klops oben auf dem linken Haufen könnte sich kein Mensch leisten, ein VW Polo würde dann mehrere hunderttausend Euro kosten. Dementsprechend kann anhand dieses Machwerks auch niemand vergleichen, welche Antriebsart welche Rohstoffe benötigt.

Und wer in aller Welt hat die einzelnen Elemente zusammengestellt? Sollte es mal Verbrenner-Autos gegeben haben, die nur aus Eisen, Platin, Stahl (?), Kupfer und Erdöl bestanden, so ist das lange her. In der Batterie ist Blei, der Motorblock und diverse Bauteile bestehen aus Aluminium, der Katalysator enthält Palladium und Rhodium. Auch Magnesium, Titan, Chrom und diverse Legierungen mit Mangan, Zink oder Silicium kommen zum Einsatz. Und seit wann ist Stahl ein Element? Die führen hier ernsthaft Eisen auf und beschriften einen anderen Bereich mit „Stahl“, der nun mal aus Eisen besteht. Das Ganze wirkt wie ein übernächtigt hingeschludertes Diagramm aus der Mittelstufe.

Aber viel wichtiger: Die ganze Grafik wirkt massiv irreführend, da eine reine Betrachtung der Auto-Produktion den Großteil der verwendeten Rohstoffe komplett ausblendet: Die, die beim Tanken und Aufladen der Vehikel benötigt werden. Ja, der Beitrag sagt, dass hier die „Herstellung eines Elektroautos“ betrachtet wird, aber am oben besprochenen Facebook-Ausschnitt könnt ihr schön sehen, wie diese Information verarbeitet wird: „Das E-Auto braucht fast doppelt so viel Rohstoffe“ steht da, und das sei ja „ökologischer Unsinn“.

Toll nachgeplappert, lieber Manfred, aber hier kommt die unbequeme Wahrheit: Benzin läuft nicht einfach so in deinen Tank, weil ARAL einen Replikator aus Star Trek in der Zapfsäule verbaut hat, sondern indem Menschen jeden Tag Millionen Liter Erdöl in Raffinerien zu Benzin cracken und dann zu dir fahren. Was während eines Autolebens mit Verbrennungsmotor eben einem riesigen Haufen Rohstoffe entspricht. Wie viel Rohstoffen? So viel Rohstoffen (das vielen Ölfässer rechts):

Quelle Seite 14

Der winzige Klumpen auf der linken Seite symbolisiert die Menge Material, die eine Traktionsbatterie für ein E-Auto benötigt. Wenn in Zukunft die Rohstoffe aus alten Batterien recycelt werden, ist noch mal deutlich weniger. Komisch, sieht jetzt irgendwie gar nicht mehr nach ökologischem Unsinn aus. Zugegeben, Transport & Environment macht es sich hier etwas einfach, denn sie gehen hier einfach davon aus, dass die Stromerzeugung ohne Rohstoffe auskommt. Ich habe es deswegen mal erweitert um die Rohstoffe, die ein mit deutschem Strommix von 2020 beladenes E-Auto verbraucht hätte:

Links: Rohstoffbedarf für das Beladen eines E-Autos mit deutschem Strommix über 225,000 km (1,5 Tonnen Kohle, 500 m³ Erdgas, 10 Liter Öl, 140 kg Baumaterial für Kraftwerke, 160 kg Material für eine recycelte Batterie

Rechts: Rohstoffbedarf für das Beladen eines Autos mit fossilem Kraftstoff über 225,000 km (12,5 Tonnen Ressourcen

Ihr könnt euch jetzt für die Produktion der Autos gerne noch ein bis zwei Tonnen Ressourcen dazu denken, aber an der grundsätzlichen Relation ändert das auch nichts mehr: Das Erdölauto verbraucht selbst dann ein Vielfaches der Rohstoffe, wenn es genauso lange hält wie ein E-Auto. Was es wie oben beschrieben höchstwahrscheinlich bald nicht mehr tut:

Wenn die kommenden Batterien dann so robust werden wie der Batterieforscher im Test zeigen konnte, halten die länger als die Karosserie, so dass diese Autos locker 600.000 km oder noch länger gefahren werden können. Dann ist die ganze Rechnung ohnehin obsolet, denn bei modernen Erdölautos wird aufgrund der immer komplexeren Bauweise eine durchschnittliche Laufleistung von 200.000 Kilometern erwartet.

Bedeutet: Für 600.000 Kilometer Fahrt könnt ihr (bei obiger Schätzung) in Zukunft ein E-Auto oder drei Erdöl-Autos bauen, was dann auch dreimal so viel Ressourcen verbraucht. Und das nach heute entwickelter Technik. der Witz ist nur: In kaum einem Wirtschaftsbereich ist der Entwicklungsdruck aktuell so hoch wie in der Batteriefertigung, so dass hier noch einiges passieren kann. Zum Beispiel könnte Volkswagen in Zukunft auch klimaneutral gefördertes Lithium aus dem Oberrheingraben verwenden. Ach lustig, werden sie voraussichtlich ab 2026 auch.

Es ist daher plausibel, dass die alte Erdöl-Technologie schon bald sowohl in der Herstellung als auch im Verbrauch die umweltschädlichere Variante ist. Die zentrale Schlussfolgerung des WDR-Beitrags somit komplett fragwürdig. Der Fairness halber sei hier angemerkt, dass ich hier mit dem Wissen des Jahres 2021 einen Beitrag von Anfang 2020 kritisiere, nur hindert das Alter der Dokumentation ja leider auch niemanden, sie auch heute noch hervorzukramen und so zu tun, als sei die Entwicklung seitdem stehengeblieben.

Zu guter Letzt wird dann noch Harald Lesch als Anwalt gegen das E-Auto hervorgekramt, aber auch das ist nicht mehr aktuell. Der von mir hochgeschätzte Professor Lesch (keine Ironie) hat zugegeben, in dieser Frage seine Meinung geändert zu haben. Es gehört sehr viel Größe dazu, so einen Fehler einzugestehen, was ich ihm hoch anrechne.

So, und als sei das alles nicht schon krude genug, haben sich ein paar mutmaßliche Fridays for Hubraum-Aktivisten hingesetzt, und diese irreführende Dokumentation nochmal so zusammengeschnitten, dass sie echt noch irreführender ist. Es ist, als würde jemand einen echt entsetzlichen Song von Nickelback nehmen und den noch mal covern, indem der grauenvoll prätentiöse Text durch eine Trump-Rede ersetzt wird.

Dieser Zusammenschnitt ist ein Renner auf Facebook und wann immer er mal wieder hochgeladen wird, gibt es wütende Zustimmung, Empörung und er wird tausendfach geteilt, runtergeladen, auf WhatsApp wieder hochgeladen, wo er Onkel Hartmut und Tante Liesbeth mit dem Gefühl zurücklässt, sich jetzt richtig gut auszukennen. Gebt einfach in der Facebook-Suchmaske „e-autos video wdr“ ein und ihr bekommt diese Liste mit lauter Bekundungen, wie dumm E-Autos seien und Videos von AfD-Politikern, die stolz verkünden, dass die „Mainstream-Medien“ ihnen jetzt recht geben. Keine Ahnung, warum das wichtig ist für eine Partei, laut der die Mainstream-Medien ja ohnehin immer lügen, aber okay…

Der Zusammenschnitt pickt sich schlicht nur die Zahlen raus, in denen Erdöl-Autos mit E-Autos verglichen werden, die deutschen Strommix laden und mit dem denkbar klimaschädlichsten Strommix hergestellt worden sind. Alle anderen Berechnungen aus Beitrag oder Studie werden dem Publikum verschwiegen, es werden nur die für E-Autos schlechtesten Zahlen gezeigt. Dann folgt die Passage über die Rohstoffe und der veraltete Kommentar von Harald Lesch.

Das Ergebnis sehen wir in allen Kommentarspalten, in denen es um E-Mobilität geht. Menschen wettern dort gegen alles Elektrische, weil das ja gar nicht dem Klima helfe und ganz viele Rohstoffe verbrauche. Die beißende Ironie, dass die in ihren Autos jeden Tag ganz selbstverständlich den kritischen Rohstoff Erdöl verbrennen, ist ihnen selbst nicht klar.

Bleibt die Frage: Warum lässt der WDR bei Valentin Thurn überhaupt so einen Unsinn produzieren? Warum geht er nicht gegen diesen Missbrauch des eigenen Materials vor? Und wieso gibt er auf die berechtigte Kritik am ersten Werk nur dieses schlampig recherchierte „Update“ beim selben Filmemacher in Auftrag?

Auf meine Rückfragen hin, wie er zu all seinen Aussagen kommt, hat Valentin Thurn mir bislang nicht geantwortet.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier ein paar Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar und würde Dich dann ebenfalls namentlich erwähnen – sofern Du überhaupt willst.

Breaking News: Jugend nicht so grün, wie ein paar alte Männer dachten

Stellt euch vor, bei euch im Büro oder der Fachschaft geht auf einmal das Gerücht rum, ihr nehmet es mit eurer Körperhygiene nicht so genau, weil die Firmen -oder Campuszeitung getitelt hat „Anneliese Unterberg wäscht sich seltener als gedacht!“. Ihr sprintet also zum vierschrötigen Chefredakteur und stellt ihn zur Rede, immerhin duscht ihr ja täglich. „Ach so“, erwidert der, „aber wir DACHTEN halt, du wäschst dich häufiger. Tja, blöd gelaufen.“

Was für ein Glück, dass das ein fiktives Beispiel ist, oder? Nicht auszudenken, wenn irgendwer auf Basis dieser unseriösen Herangehensweise eine Studie herausgäbe, diese allen großen Redaktionen des Landes schickte, welche diesen Quatsch dann unkritisch übernähmen. Genau das ist aber leider passiert. Nur geht es nicht um Körperhygiene, sondern darum, wie „grün“ die heutige Jugend eigentlich ist.

Es ist wohl eine der beliebtesten Geschichten, die meine Generation sich selbst erzählt, um sich die eigene Trägheit in Bezug auf die Klimakrise schönzureden: Weil Jugendliche selbst auch das Klima belasten, sollen sie von der Politik gefälligst keine Klimaschutz-Maßnahmen fordern. Und obwohl die Stichhaltigkeit dieses Arguments nicht wirklich mehr hermacht als „Eierbätsch, selber doof!“, findet sie in der Bevölkerung und vielen Redaktionen gruselig viel Anklang.

Nach dieser naiven Maßgabe dürften sich ja nur Menschen mit perfekter Lebensführung für bestimmte Veränderungen stark machen: Für ein Tempolimit dürfte nur eintreten, wer nie zu schnell fährt. Eine Lebensmittelampel darf nur fordern, wer seinen eigenen Zuckerkonsum unter Kontrolle hat, und für verbindliche Lieferkettengesetze darf nur sein, wer keine Elektronikprodukte zu Hause hat. Also quasi niemand.

Während die meisten Leute euch einen Vogel zeigen würden, wenn ihr solche Bedingungen aufstellen würdet, schlüpft der exakt gleiche Unsinn beim Thema Klimaschutz durch das Logikzentrum vieler Leute. Noch schlimmer: Obwohl junge Menschen in einer Studie Antworten gegeben haben, die eine überdurchschnittlich nachhaltige Lebensweise nahelegen, zitiert die halbe Medienlandschaft diese Studie damit, dass die Jugend nicht so grün ist „wie gedacht“.

Wer da was gedacht hat und ob das vielleicht von Beginn an grandioser Unsinn war, scheint nicht so wichtig. Wir lesen: „Jugend nicht so grün wie gedacht“ (Tagesschau), „Klimaschutz? Aber nicht ohne mein Auto“ (Spiegel), „Studie: Jugend nicht so „grün“ wie angenommen“ (Arte), „Nicht so „grün“ wie gedacht“ (F.A.Z.) „Jugend in Deutschland: Doppelmoral unter dem grünen Mäntelchen“ (Neue Osnabrücker Zeitung), „Jugend nicht so „grün“ wie angenommen“ (Stuttgarter Zeitung).

In den Kommentarspalten wird frohlockt, wie heuchlerisch und blöde die Jugend doch sei, alte Männer ätzen gegen Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Carla Reemtsma und überhaupt habe man ja schon immer gewusst, dass von dieser Klimajugend nichts zu halten ist. Tja, pauschal auf junge Menschen schimpfen geht halt immer. Der doppelte Haken an der Sache: Die Ergebnisse dieser Studie lassen den vielfach zitierten Schluss gar nicht zu. Es wirkt so, als hätte keine der genannten Redaktionen sie jemals gelesen.

Was ist das überhaupt für eine Studie? Es handelt sich um eine Trendstudie mit dem Namen „Jugend in Deutschland“, die mittels einer Online-Befragung die Einstellungen von 1014 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren abgefragt hat. Studienleiter ist ein gewisser Simon Schnetzer, laut Studienseite ist er „führender Jugendforscher in Europa“ und hat viele zufriedene Kunden, darunter Google, TikTok, die IG Metall und Kirche (sic). Erstaunlich, dass der laut eigenen Angaben führende Jugendforscher Europas gar kein entsprechendes Studium der Sozialwissenschaften abgeschlossen hat, sondern VWL studiert hat und seine Führungsposition in der Jugendforschung mit dem Wissen aus „Workshops“ erlangt haben will. Zudem ist die Studie nirgends publiziert, außer auf der Homepage von Simon Schnetzer, wo man sie dann auch für 29 Euro kaufen muss, wenn man sie lesen will.

Keine Sorge, ihr müsst sie nicht kaufen, eine sehr nette Supporterin hat mir schneller 30 Euro gespendet, als ich „wollen wir zusammenlegen?“ in die Facebook-Gruppe „Europäische Energiewende“ schreiben konnte. Aber was steht denn nun drin? Wie „grün“ ist die deutsche Jugend und was dachte Simon Schnetzer, wie „grün“ sie ist? Und wieso soll es für eine objektive Beurteilung überhaupt wichtig sein, für wie „grün“ Simon Schnetzer, Jahrgang 1979, die Jugend hält?

Die Studie ist unterteilt in 3 Abschnitte, Corona, Klima, Politik. Teil 2, also Klima, beginnt so:

„Die von Angehörigen der jungen Generation initiierte Umweltbewegung hat in den letzten vier Jahren mit vielen Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Selbst während der Corona-Pandemie hat die Organisation Fridays for Future immer wieder gezielte Kampagnen durchgeführt, um auf die Bedeutung von Umweltschutz und die Notwendigkeit der Bekämpfung des Klimawandels aufmerksam zu machen.

Hierdurch ist in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, die junge Generation habe insgesamt ein größeres Interesse an der Sicherung der natürlichen Grundlagen des Lebens als die mittlere und ältere Generation in Deutschland.“

Und diesen Eindruck wollen die Studienautoren nun überprüfen, indem sie das persönliche Konsumverhalten von jungen Menschen untersuchen. Es gibt zwei Gründe, warum dieses Framing hochproblematisch ist:

  1. Es vermittelt der Öffentlichkeit, dass nur solche Menschen politische Veränderung fordern dürfen, die selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

    Wie schon eingangs erwähnt, ist das eine vollkommen naive, nicht praktikable Vorstellung von politischer Teilhabe. Oft sind die Umstände, die wir mit effektiver Klimapolitik zu beseitigen versuchen, ja genau der Grund für unseren hohen persönlichen CO2-Impact. Forderte ich beispielsweise, den ÖPNV auszubauen, wäre es irgendwie nicht zielführend, mir vorzuwerfen, dass ich selbst ja mit dem Auto zur Arbeit fahre. Genau das zu ändern ist ja nun mal das Ziel meiner Forderung.

    Vollends absurd gerät das Ganze, wenn man sich klarmacht, wieviel CO2-Emissionen ähnlich strukturell bedingt sind und damit von uns, den älteren Generationen, mitverursacht werden.

  2. Es vermittelt der Öffentlichkeit, die Klimakrise sei mit persönlichem Verzicht lösbar.

    Ja, jedes eingesparte Gramm CO2 hilft, die Erderwärmung auf ein akzeptables Maß zu reduzieren. Es spricht also nichts dagegen, auch heute schon so klimaschonend wie möglich zu leben, aber als Ansatz zur Lösung der Krise reicht das nicht mal annähernd. Ich persönlich esse keine Tierprodukte, bewege mich zu 90 Prozent mit Füßen und Fahrrad fort, bewohne mit Ökostrom versorgte 34 m² pro Person und dennoch liegt mein Impact bei 4,5 Tonnen CO2 im Jahr.

    Und das bleibt so, solange unsere Gesellschaft noch mit fossiler Energie läuft, da kann ich mich so sehr einschränken, wie ich will. Irgendwann sind Gebrauchsgüter am Ende ihres Lebenszyklus angekommen und dann brauchen wir eben neue Busse, neue Möbel, neue Batterien und neue Heizungen. Die Rohstoffe für diese Gebrauchsgüter werden aktuell fossil aus der Erde gegraben, in Fabriken mit fossiler Energie verarbeitet und dann fossil zu uns transportiert. Sparsam ist nett, aber CO2 wirkt kumulativ. Ohne einen echten Umbau der Gesellschaft ist das also alles nur ein Aufschub des Problems. Das, was in den Kommentarspalten gerne als „Heuchelei der Klimakids“ bezeichnet wird, ist also in Wirklichkeit deren größter, sinnvollster Hebel, um echte Veränderungen zu bewirken.

Das Seltsame daran: Sowohl Schnetzer als auch der Co-Autor Prof. Klaus Hurrelmann scheinen der jungen Generation gegenüber recht wohlgesonnen zu sein und machen in Interviews auf deren schwierig Lage durch gleich mehrere Krisen (Corona, Klima, Politik) aufmerksam. Sie fordern mehr Aufmerksamkeit für deren Themen und mehr Verständnis für ihre von mehreren Seiten bedrohte Lage. Vielleicht können sich die Herren für die nächste Ausgabe ja einen Medienprofi ins Team holen, um der Jugend nicht noch so einen Bärendienst zu erweisen.

Und wenn sie gerade dabei sind, können sie sich vielleicht noch etwas Beratung in Klimafragen einkaufen, denn in der Online-Umfrage werden eine Menge Dinge abgefragt, die mit effektivem Klimaschutz kaum etwas zu tun haben oder bezogen auf die Altersgruppe bizarr anmuten:

„Was tust du konkret, um Klima und Umwelt zu schützen?“

ist die erste Frage und darunter finden sich dann z. B. Antworten wie „Mülltrennung“, „Öko-Strom aus erneuerbarer Energie beziehen“, „Verzicht auf Einweg-Plastik“, „Kompensationszahlungen für CO2-Verbrauch“. Aua:

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 14

Mülltrennung ist gut, hat aber einen sehr überschaubaren Einfluss auf unsere Klimabilanz. (Echter) Ökostrom ist vermutlich wirklich eins der effektivsten, persönlichen Mittel, aber welche 15-Jährigen haben einen eigenen Stromvertrag (48 Prozent der Befragten leben noch bei ihren Eltern)? Auch die Wirkung von Einwegplastik ist je nach Menge kaum ausschlaggebend (in Bezug auf das Klima) und mit welchem Geld Jugendliche CO2-Kompensationszahlungen leisten sollten, ist mir auch nicht klar. Zudem wird das CO2 emittiert, nicht verbraucht (!).

Die nächste Frage lautet „Welchen Beitrag zum Umweltschutz bist du bereit durch persönlichen Verzicht oder Verhaltensänderung zu leisten?“, die Optionen können mit „ja“, „vielleicht“ und „nein“ beantwortet werden. Eine irgendwie recht hypothetische Fragestellung, denn laut Umfragen sind Deutsche zu einer ganzen Menge Dinge bereit, auch zu Frühsport, anteilig mehr Biofleisch und weniger Autofahrten. Ob sich in der Realität an solche Vorsätze gehalten wird, steht dann auf einem ganz anderen Blatt.

Wie auch immer, die Ergebnisse dieser Frage konnten wir in allen oben verlinkten Artikeln lesen:

Rund ein Viertel (26 Prozent) ist bereit, konsequent auf Fleisch zu verzichten. Dauerhaft auf alle tierischen Produkte verzichten wollen hingegen nur 16 Prozent.

Schrieb die Tagessschau und findet offenbar, dass das recht wenig ist. Ist es? Naja, 26 Prozent antworteten auf die Frage mit „ja“ und weitere 27 Prozent mit „vielleicht“. Es sind also 53 Prozent, die eine Ernährung ohne Fleisch zumindest in Erwägung ziehen, was verglichen mit dem hohen Fleischkonsum der Gesamtbevölkerung ein sensationell hoher Wert wäre. Wie passt das also zum Tagesschau-Claim „Jugend nicht so grün wie gedacht“?

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 15

Nun, die zählt halt nur die „ja“-Antworten und orientiert sich zudem an der wirklich merkwürdigen Erwartungshaltung des Co-Autors, der sich in Interviews so ausdrückt:

„Die Vorstellung, die wir Älteren haben: Dass sich fast nur vegan und vegetarisch in der jungen Generation ernährt wird und das Auto nicht mehr benutzt wird […]. Umso überraschender war es für mich zu sehen, dass sie eine Minderheitengruppe ist und es noch nicht geschafft hat, die Mehrheit auf ihre Seite zu ziehen.“

Aha. Wieso geht ein Professor der Soziologie einfach davon aus, in der jungen Generation ernährten sich fast alle vegetarisch oder vegan? Ist nicht genau das etwas, das es im Rahmen soziologischer Forschung herauszufinden gilt bzw. wozu andere Forscher:innen bereits entsprechende Erkenntnisse gesammelt haben? Liest der Mann zur Abwechslung nicht auch mal, was seine Kolleg:innen so erarbeitet haben?

Selbst die Umfragen mit den höchsten Quoten ermitteln in der Gesamtbevölkerung 10 Prozent Vegetarier:innen und 2 Prozent Veganer:innen. Laut der jährlichen Marktanalyse des renommierten Marktforschungsinstituts Allensbach stieg der Anteil der sich vegan ernährenden Menschen von 0,85 Prozent im Jahr 2015 auf 1,13 Prozent im Jahr 2020.

Die Annahme, in der jungen Generation würde sich nur vegan und vegetarisch ernährt, ist also gerade aus soziologischer Sicht eine sehr, sehr steile These. Und im Verhältnis zur Grundgesamtheit aller Deutschen ist das Ergebnis der Studie, dass 16 Prozent der jungen Menschen bereit sind, dauerhaft auf tierische Produkte zu verzichten und weitere 33 Prozent diese Frage mit „vielleicht“ beantworten, ein krasser Kontrast. „Jugend nicht so grün wie gedacht“ ist hier also synonym für „Anteil der sich vegan ernährenden Jugendlichen nur 16-mal größer als bei Älteren“, was genauso plemplem klingt, wie die eigentliche Schlagzeile ist.

Ergänzt wird dieser Themenkomplex in Punkt 3.4 mit der Frage „Wie hast du dich in den letzten 7 Tagen ernährt?“, was die Schwäche der vorherigen Fragestellung offenbart: Rein vegetarisch ernähren sich demnach 15 Prozent der Befragten und rein vegan 4 Prozent (was immer noch eine deutliche Steigerung wäre).

Auch in Bezug auf die Mobilität scheinen sich die Herren hinter dieser Studie derartig in einer absonderlichen Idealisierung der Jugend verheddert zu haben, dass sie von vollkommen erwartbaren Ergebnissen überrascht sind. Gefragt wurde „Wie häufig hast du in den letzten 7 Tagen die folgenden Verkehrsmittel genutzt?“, um dann in den Antworten fröhlich Nah- und Fernverkehr miteinander zu vermischen:

Quelle: Trendstudie „Jugend in Deutschland – Winter 2021/22″ | N = 1.014, repräsentativ für 14- bis 29-Jährige in Deutschland“, Seite 16

So überrascht es eigentlich nicht, dass Fernzug und Fernbus eher niedrige Prozentsätze erreicht. Soll ja gerade während einer Pandemie eine Menge Menschen geben, die innerhalb von sieben Tagen schlicht keine Fernreise unternehmen. Insofern ist fraglich, wie vergleichbar diese Ergebnisse überhaupt sind. Aber zurück zur nicht so grünen Jugend:

Auffällig sei laut den Autoren, dass 40 Prozent der Befragten täglich oder mehrfach mit dem eigenen Auto unterwegs gewesen seien. Die starke Häufigkeit der Nutzung des Autos mache „unzweifelhaft deutlich, welche Schlüsselrolle diesem Verkehrsmittel nach wie vor zukommt.“ Fun Fact: 21 Prozent der Befragten waren jünger als 18, vermutlich ist der Prozentsatz unter den 18- bis 29-Jährigen also noch mal ein paar Prozentpunkte höher.

Aber gut, die Herren Schnetzer und Hurrelmann finden ja schon 40 Prozent „auffällig“ viel. Die 40 ist zugegeben eine große Zahl, sogar größer als 39 und 38,5 (das muss man sich mal vorstellen) und damit quasi der Beweis für eine nicht so grüne Jugend. Aber nur um ganz sicher zu gehen: Wie viel Prozent der Deutschen benutzen das Auto denn mindestens dreimal pro Woche? Leider gibt es aufgrund der Antwortmöglichkeiten keine guten Vergleichsdaten für exakt diese Frage, aber bezogen auf die tägliche Nutzung gibt es sie: Während 18 Prozent in der Jugendstudie angaben, fast täglich ein Auto zu benutzen, liegt dieser Prozentsatz in der Gesamtbevölkerung bei 50 Prozent (Quelle: „Mobilität in Deutschland, Seite 56)“.

Quelle: Mobilität in Deutschland, Seite 56

Unter den jungen Deutschen finden sich verglichen mit der Gesamtbevölkerung also nur gut halb so viele Menschen, die mindestens dreimal pro Woche mit dem Auto unterwegs ist, und trotzdem wird ihnen vorgeworfen, nicht grün genug zu sein?! Was für ein seltsames Anspruchsdenken ist hier am Werk, das von einer jungen Generation fordert, all die Dinge konsequent zu 100 Prozent zu unterlassen, die von den älteren Generationen frenetisch zelebriert werden?

Junge Menschen werden hier in eine Gesellschaft hineingeboren, die verrückt nach Tierfleisch und Autos ist, die vegetarische und vegane Ernährung künstlich verteuert und bekämpft und Mobilität ohne Auto irrwitzig verkompliziert und gefährlich macht. Und jetzt finden zwei Forscher heraus, dass diese ihre Fleisch- und Autonutzung dennoch viel stärker einschränken als wir Älteren das tun, und dennoch meckern die jetzt, dass das nicht genug sei. Uff.

Es ist, als würden ein paar Eltern ein Kinderzimmer mit Süßigkeiten und Fanta vollstellen, das Obst im Keller aufbewahren und dann beobachten, dass das Kind trotzdem in den Keller geht und sich da regelmäßig Obst und Leitungswasser holt. Und dann kommentieren sie es auf Facebook mit „Unser Kind ernährt sich nicht so gesund wie gedacht“, haben dabei selbst 200 Gramm Gammelfleisch im Mund und bekommen von allen Freunden und Bekannten Recht, wie verwahrlost die Jugend doch ist. Wie wenig souverän kann ein Jahrgang mit den eigenen Fehlern umgehen? Meine Generation: Ja!

37,5 Prozent der Befragten von „Jugend in Deutschland“ leben übrigens in Dörfern und Kleinstädten und haben dann dieselben Probleme wie wir Älteren: kaputtgesparter und teurer ÖPNV, kaum Radwege, kaum Sharing-Angebote, aber feste Uhrzeiten, zu denen es in Uni, Berufsschule oder am Arbeitsplatz zu sein gilt. Wer ein System aufbaut, in dem viele Menschen von privatem Autobesitz abhängig sind, was passiert dann wohl? Richtig, viele Menschen kaufen sich ein Auto. Weil sie es müssen.

Oh, auch unter jungen Menschen wollen nicht alle auf Flugreisen verzichten? Ob das daran liegt, dass ein spontaner Flug von Frankfurt nach Berlin oft billiger ist als eine Zugfahrt und die Züge auf dem kontinuierlich zusammenschrumpfenden Schienennetz regelmäßig ausfallen?

Da es bei „Jugend in Deutschland“ angeblich um die Einstellung zum Klimaschutz geht, wäre es da nicht vielleicht noch mal spannend zu sehen, wie viele dieser jungen, ach so ungrünen Menschen elektrisch unterwegs sind? Nein, Auto ist Auto, scheinen sich die Macher gedacht zu haben. Dass die Umfrage zwischen klassischen Fahrrädern und E-Bikes unterscheidet, aber nicht zwischen Erdöl- und Elektroautos, rundet das seltsame Gesamtbild ab.

Als wäre das alles nicht schon konfus genug, ließen sich die beiden Forscher von allen möglichen Medien dazu interviewen und stellen es (unbeabsichtigt?) so dar, als sei die heutige Jugend inkonsequent. Der Klimawandel sei die größte Sorge der Jugend (wird von 56 Prozent als solche genannt), lassen sie sich z. B. von der Tagesschau zitieren, dennoch sei die „Bereitschaft gering, auf das eigene Auto oder Flugreisen zu verzichten.“ Es ist zum Wegrennen.

Sie ist halt nicht gering, sie ist (laut den vorliegenden Zahlen) doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Was sollen die jungen Deutschen denn machen? Alle in Erdlöcher ziehen, um den unrealistischen Ansprüchen von zwei Forschern zu genügen, deren Generation mit diesem ganzen Unsinn erst angefangen und bislang auch nicht aufgehört hat?

Wie viel Prozent Autoverweigerer hätten es denn sein müssen, damit der Anspruch auf Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von zwei Männern Jahrgang 1944 und 1979 als adäquat angesehen wird? Ich meine, ich bin ja kein Soziologe, aber nur weil die Jugend die Generation mit der größten Sorge vor der Klimakrise ist, heißt das ja nicht, dass alle jungen Menschen diese Sorge gleich teilen (und schon gar nicht, dass sie alle konsequent handeln). Woher ich das weiß? Aus den Zahlen der Studie: Von allen Befragten gaben lediglich 23 Prozent an, sich regelmäßig für Klimaschutz zu engagieren. 16 Prozent wählen FDP, 10 Prozent wählen CDU/CSU und 6,5 Prozent wählen die AfD.

Wie kann irgendwer bei solchen Zahlen davon ausgehen, die Jugend würde sich „fast nur vegan und vegetarisch ernähren und das Auto nicht mehr benutzen“ und dann die Ergebnisse seiner Studie aus der Perspektive dieser Fiktion heraus beurteilen?

Die Tagesschau formuliert das alles noch einen Tick verzerrender: 18 Prozent haben die Fragestellung „Welchen Beitrag zum Umweltschutz bist du bereit durch persönlichen Verzicht oder Verhaltensänderung zu leisten?“ bezogen auf „dauerhafter Verzicht auf ein eigenes Auto“ mit ja beantwortet und 28 Prozent mit „vielleicht“. Daraus macht die Tagesschau: „Mehr als 80 Prozent können sich ein Leben ohne Auto nicht vorstellen“.

Die meisten Medien (Tagesschau, Spiegel, Arte, Zeit, Stuttgarter Nachrichten) zitieren auch ohne jede Einordnung die Formulierung:

„Der größte Gegenspieler von Veränderung ist die Komfortzone des Wohlfahrtstaats, in der sich die jüngere Generation nach dem Vorbild ihrer Eltern bequem eingerichtet hat. […] Die große Mehrheit ist noch nicht bereit, die lieb gewordenen Gewohnheiten in den Bereichen Konsum, Mobilität, Ernährung aufzugeben und wartet erst einmal auf Entscheidungshilfen durch die Politik.“

Im Wohlfahrtsstaat? Was hat der denn mit (zu wenig) Klimaschutz zu tun? Mini-Exkurs: Der Wohlfahrtsstaat gewährleistet unsere sozialen Grundrechte, kümmert sich also um unsere Absicherung in Form von z. B. Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und ist damit das Gegenmodell zur individuellen Eigenvorsorge, bei der solche Dinge eigenverantwortlich geregelt werden müssen. Eine private Krankenversicherung hat mit Klimaschutz aber weniger zu tun als Andreas Scheuer mit Anstand, was soll diese groteske Formulierung also?

Und wieso hat die junge Generation sich darin „bequem“ eingerichtet? Ist es nicht besonders die junge Generation, die erst ein Dutzend unbezahlte Praktika absolvieren muss, bevor sie eine sozialversicherungspflichte Anstellung bekommt, und die alles andere als sicher sein kann, mit den Bezügen aus der Rentenkasse ihren Ruhestand finanzieren zu können?

Und noch mal: Es ist vollkommen egal, wie sehr die junge Generation sich in Bezug auf Konsum, Autos und Ernährung einschränkt, solange eine Armee älterer Menschen mit einem vielfach höheren Budget einen viel größeren Klimaschaden anrichtet, als gäbe es kein Morgen, und den Umbau unserer Gesellschaft weg von fossiler Technologie blockiert. In dieser Situation ist es daher das Klügste und Effektivste, so viel Druck auf Gesellschaft und Politik auszuüben, wie es geht.

Solange das System selbst klimafreundliches Verhalten bestraft und verteuert, ist es illusorisch anzunehmen, der Anteil sich freiwillig einschränkender Menschen klettere irgendwann auch nur in die Nähe von 50 Prozent. Und selbst wenn er bei 100 Prozent wäre: Auch sich einschränkende Menschen brauchen ein Minimum an Ressourcen, um Grundbedürfnisse zu decken: Beheizter Wohnraum, Bildung, Medizin, Strom, Lebensmittel, Produkte des täglichen Bedarfs, Kleidung etc.

Solange diese Dinge alle aus fossiler Energie stammen, ist Verzicht allein keine Lösung, sondern nur eine verlängerte Galgenfrist, bis den jungen Menschen dann doch irgendwann die Kipppunkte um die Ohren fliegen. Ein Umstand, den ein Medium ja ruhig mal ansprechen könnte, wenn die Studie des „führenden Jugendforschers Europas“ mit solchen Worten beworben wird. Keines der genannten Medien hat nachgefragt.

Wie gesagt, Professor Hurrelmann scheint sich als Verbündeter der Jugend zu verstehen, so oft wie er betont, unter welch schwierigen Bedingungen diese sich im Spannungsfeld zwischen Pandemie, ökologischen und ökonomischen Krisen befindet und wie solidarisch sie sich mit den von Covid-19 bedrohten Risikogruppen verhalten hat. Vielleicht will er mit Aussagen wie

„Unter diesen Umständen kann der von jungen Leuten mehrheitlich befürwortete Klimaschutz nur mit klaren Regeln und Vorgaben durch die Politik gelingen.“

dafür werben, es nicht der Jugend allein zu überlassen, das Klima zu retten (anders kann ich mir das nicht erklären).

Diese Wirkung verfehlt er jedoch. Durch einen mutmaßlichen Bärendienst epischen Ausmaßes gewinnt eine riesige Leserschaft den Eindruck, die Jugend stelle anmaßende Forderungen, sei bequem, verwöhnt und würde ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Dabei fordert sie einfach nur die Einhaltung des rechtlich bindenden Pariser Klimaabkommens, um massive Verwerfungen zu verhindern. Der Beitrag der Tagesschau wird hämisch in der Anti-Fridays-for-Future-Bubble geteilt und dort dutzendfach mit Aussagen wie „Wasser predigen, aber Wein saufen“ kommentiert.

Sorry, liebe Jugend. Meine Generation ist unfähig, das Klima zu stabilisieren, und sinnvolle Berichterstattung kann sie auch nicht mehr.

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Mit diesen 4 Tricks sät der aktuelle Spiegel unlautere Zweifel an der Energiewende

Das Traurigste an der neuen Spiegel-Geschichte ist nicht, dass das Hamburger Verlagshaus seinen klimafeindlichen Leitartikel ausgerechnet zum Weltklimagipfel veröffentlicht. Das Traurigste ist auch nicht, die wievielte Wiederholung des immergleichen Fehlschlusses das ist, oder dass ich, ein BWL-Typ mit grafisch dringend mal überarbeitungswürdigem Blog, das Werk professioneller, preisgekrönter Vollzeit-Journalisten kritisch einordnen muss. Das Traurigste ist, wie gut das hätte werden können, wenn ein Verlag mit der Reichweite des Spiegels dieses Thema mal ernsthaft und differenziert angegangen wäre. Stattdessen bekamen wir das:

Allein, dass ich „dieses Thema“ schreibe, ist eine maßlose Untertreibung. Es ist DAS Thema: Wie verhindern wir die Klimakrise? Es hätte – bzw. wir hätten – verdient, dass sich ein Team extrem aufgeweckter Journalist:innen über Wochen in ein abgelegenes Chalet zurückzieht und mit nicht weniger als einem Meisterwerk an Ausgewogenheit und Aktualität zurückkehrt. Für andere Themen wie die Verwerfungen im Springer-Konzern oder den Rückzug des Westens aus Afghanistan gibt es ja auch umfangreiche, brillante Artikel, nur dass die Bedeutung dieser Themen – wenn auch unzweifelhaft relevant as f**k – im Schatten der Klimakrise zusehends zusammenschrumpft.

Aber anstatt zum Königsthema unserer Zeit ein ähnlich differenziertes Werk abzuliefern, bekommen wir in der Geschichte „Raubbau für die Rettung des Planeten“ leider nur den zehnten Aufguss des hochgradig problematischen Framings, in dem klimafreundliche Technologien durch die verzerrende Brille einer Perfect Solution Fallacy betrachtet werden, also gemessen an einem unerreichbaren Ideal. Was nur scheitern kann.

Der Fehlschluss ist so alt wie gravierend: Anstatt eine Lösung nach realistischen Maßstäben zu bewerten, wird so getan, als gäbe es eine perfekte Alternative, die Perfect Solution. Jede Lösung, die das Problem nicht optimal und ohne unerwünschte Nebeneffekte löst, wird als unperfekt zurückgewiesen, selbst wenn sie klar die beste verfügbare Option darstellt. Typisch für solche Betrachtungen ist, dass die Nachteile der Lösung lang und breit diskutiert werden, ohne konkret zu vergleichen, welcher Schaden denn überhaupt ohne diese Lösung entsteht.

Mit dieser Herangehensweise lassen sich wunderbar Beiträge schreiben, die jede noch so sinnvolle Errungenschaft der Menschheit scheinbar plausibel in Frage stellen, denn perfekte Lösungen sind in der realen Welt rar. Ihr könntet z. B. eine Dokumentation über eine Frau drehen, die eine Sinusvenenthrombose in Folge der Astra-Zeneca-Impfung nicht überlebt hat. Darin sehe ich als Zuschauer, wie schwer es für die Familie ist, mit dem Verlust umzugehen. Im Interview kämpft die kleine Schwester mit den Tränen, die Eltern berichten von der Therapie, die sie machen. Ein paar Schwarzweißfotos der Verstorbenen erscheinen, die traurige Klaviermusik weicht ein paar düsteren Disharmonien, das Bild wechselt zu einem Arzt mit einer Spritze. Ende.

Wäre das guter Journalismus? Hey, ich berichte ja nichts Falsches, es hat sich alles genau so zugetragen. Ja, hat es, aber indem ich gar nicht auf den Nutzen der Impfung eingehe, verzerre ich das Risiko an dieser Stelle massiv: Viele Millionen Menschen wurden mit dem auf den etwas sperrigen Namen hörenden Vaxzevria-Impfstoff gegen Covid-19 geimpft, davon sind [EDIT: z.B. in Großbritannien] 19 verstorben. Gleichzeitig konnten aber allein in Deutschland geschätzt 38.300 Todesfälle durch die Impfkampagne verhindert werden, von denen ironischerweise auch eine Menge auf Sinusvenenthrombosen hätten zurückgeführt werden müssen (das Risiko für eine solche ist nach einer Covid-19-Infektion um den Faktor 100 erhöht).

Die Perfect Solution, ein effektiver Schutz vor der Erkrankung ohne Impfung, existiert schlicht nicht. Ja, schade. Sorry, that’s life. Wir können zwischen Optionen wählen, von denen manche besser und manche schlechter sind, aber Perfektion? Spielt im realen Leben abgesehen vom Gitarrensolo in Comfortably Numb leider keine Rolle. Und obwohl das eine absolute Binsenweisheit und eigentlich der Rede nicht wert ist, haben fünf Journalisten des Spiegels nun eine Geschichte geschrieben, die konsequent aus der Wahnvorstellung heraus erzählt wird, es gäbe eine perfekte Lösung, um 7,8 Milliarden Menschen mit Energie zu versorgen. Spoiler: Gibt es nicht bzw. noch nicht.

Gab es aber auch noch nie. Selbst als unsere frühesten Vorfahren sich für die benötigte Wärme zu 100 Prozent regenerativ mit Holz oder Mist versorgten, hatte das ärgerliche Auswirkungen auf ihre Atemwege (ja, so ein offenes Feuer ist romantisch, aber eure Lungenbläschen sehen das anders). Je größer die Bevölkerung wurde, desto schwieriger war die nachhaltige Versorgung mit Holz als Brennstoff, und so wich Holz mehr und mehr der Kohle, deren Emissionen dann bei entsprechender Wetterlage schon mal tausende Menschen in London tödlich vergiften konnten. Dass unsere Abhängigkeit von Erdgas, Kohle und Erdöl zudem ein paar wirklich unerfreuliche Auswirkungen auf unsere Atmosphäre hat, muss ich hier vermutlich niemandem erzählen.

Aber solltet ihr irgendwann mal im Zug neben Jens Glüsing, Simon Hage, Alexander Jung, Nils Klawitter oder Stefan Schultz sitzen, dann erzählt es doch am besten mal denen. Vor lauter knallharter Recherche, welche Rohstoffe in einer Energiewende zum Tragen kommen, scheinen sie nämlich komplett vergessen zu haben, dass auch unsere heutige Energieversorgung bereits darauf basiert, dem Erdreich gigantische Mengen Material abzutrotzen, nur eben um Größenordnungen mehr.

Will ich damit sagen, dass wir Bergbau für klimafreundliche Technologie nicht kritisieren dürfen, weil er ja einem höheren Ziel dient? Natürlich nicht. Grundsätzlich wäre es großartig, wenn der Fokus sich im Zuge der Diskussion so weit verschiebt, dass es in Zukunft effektive Lieferkettengesetze gibt. Das Problem: Der Spiegel-Text liest sich so, als sei Bergbau grundsätzlich ein vollkommen neues Konzept, das jetzt spontan für die Energiewende neu erfunden worden ist – dabei ist er ungefähr so allgegenwärtig wie Hausstaub. Macht mal einen Test: Guckt euch dort um, wo ihr diesen Text gerade lest und sucht den ersten künstlichen Gegenstand, der ohne Zuhilfenahme von Bergbau hergestellt wurde. Nein, ich finde auch keinen (selbst euer alter Holzfußboden dürfte mit Metallgegenständen bearbeitet worden sein).

Zugegeben, die Spiegel-Leute machen das rhetorisch recht geschickt. Müssen sie ja auch, immerhin verbraucht die Menschheit jährlich 5,4 Milliarden Tonnen Kohle, 4,6 Milliarden Tonnen Erdöl und 3,6 Billionen m³ Erdgas. Vor dem Hintergrund kommt die Warnung vor zu viel Rohstoffverbrauch für Windkraftanlagen dem Versuch gleich, die Feuerwehr zu überzeugen, den Einsatz an einem brennenden Krankenhaus abzubrechen, um erst das Dixi-Klo in eurem Vorgarten zu löschen. Das geht natürlich nicht ohne Tricks:

Trick 1: Große Zahlen klingen unheimlich, sind ohne Kontext aber wertlos

Die Autoren von „Raubbau für die Rettung des Planeten“ werfen mit allerlei Zahlen um sich, wo auf der Welt wie viel Tonnen von was verbraucht wird. Nun ist gegen Zahlen an sich natürlich nichts einzuwenden, ich nutze selbst ständig welche, aber ohne Einordnung dürfte den wenigsten Leser:innen klar sein, was sie bedeuten. Habt ihr auch nur eine grobe Vorstellung davon, wie viel 67 Tonnen Kupfer, 50.000 Tonnen Erde, 11 Tonnen Silber oder 32.000 Giftseen sind? Diese Zahlen sollen nicht wirklich informieren, sie sollen dem Publikum nur vermitteln: Das ist alles viel zu viel! Zitat:

„Rund 67 Tonnen finden sich in einer mittelgroßen Offshore-Turbine. Um diese Menge Kupfer zu gewinnen, müssen Bergleute fast 50.000 Tonnen Erde und Gestein bewegen, das entspricht dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Das Geröll wird geschreddert, zermahlen, gewässert, gelaugt. Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom.“

Das ist beim Spiegel recht beliebt, wenn etwas als bedrohlich geframet werden soll. Ende August lautete eine Überschrift dort auch „Das Milliardengeschäft mit der Hafermilch“, was irgendwie sensationell klingt, in einem Land mit einer 83-Millionen-Bevölkerung aber nur bedeutet, dass Deutsche dafür im Schnitt pro Monat und Person einen Euro ausgeben. Aber hey, Milliardengeschäft, da muss doch was faul sein bei so viel Geld!

50.000 Tonnen Erde und Gestein, so lernen aufmerksame Leser:innen, das entspricht dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms. Ui. Und in einem Tesla Model S sei so viel Lithium verbaut wie „in ungefähr 10.000 Handys“, wird später noch erklärt. Ja, schlechte Nachrichten für alle, die die wenig einfallsreichen Vergleichseinheiten „Fußballplatz“ und „Badewanne“ schon genervt haben: In Zukunft rechnet die Rumpeljournaille für das maximale Bedrohungspotenzial in Eiffeltürme und Handys um, weil das ja so anschaulich ist.

Aber nicht mal das scheint hier zu reichen: Um ganz sicherzugehen, dass Kupfer sich als die umweltschädlichste Ressource schlechthin im kollektiven Gedächtnis einnistet, wird die Zahl noch mal schnell in einen fluffigen Slogan eingebaut, der in der Form gut auf ein AfD-Facebook-Sharepic passen würde:

„Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“

Vorteil: Bleibt gut hängen. Nachteil: Ist komplett falsch.

Die viele „zerstörte Natur“ ist auf einem Bild im Artikel selbst zu bewundern, besagte Mine liegt im trockenen Grenzgebiet der Atacama-Wüste mit der gemutmaßten Artenvielfalt eines dieser lebensfeindlichen Star-Wars-Sandplaneten. Ob ein weiterer Abbau an dieser Stelle, an der ohnehin nur ein riesiger Krater die Kupferförderung der letzten 105 Jahre bezeugt, nun wirklich großen Schaden an der Natur verursacht, darf bezweifelt werden. Aber viel wichtiger: Sind 50.000 Tonnen Erde eigentlich viel oder wenig?

Aufgrund des bekloppten Vergleichs könnte man jetzt intuitiv annehmen, es handele sich um einen Erdhaufen fünfmal so groß wie der Eiffelturm, aber der verteilt sein Gewicht aufgrund der hübsch filigranen Bauweise ja auf viel mehr Volumen als ein Erdhaufen. Für eine grobe Vorstellung: Wenn die Monster-Truck -Show „Monster Jam“ in einem Stadion stattfindet, werden dort laut Veranstalter 5.000 Tonnen Erde verteilt, also ein Zehntel. Das sieht dann so aus:

Ja, der Eiffelturm ist dann doch etwas imposanter. Und noch wichtiger: Wie viel oder wenig ist denn „wenig Grünstrom“ aus dem Claim „Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“? Leider verlinkt der Spiegel hier keinerlei Quellen (Moin nach Hamburg, wir haben 2021), so dass auch nicht klar ist, woher die angeblichen 67 Tonnen Kupfer für eine mittelgroße Offshore-Anlage stammen. Laut Europäischer Kommission entspricht das Kupfer in einer WEA-Gondel einem Prozent des Turbinengewichts. Bezogen auf eine „mittelgroße“ Offshore-Anlage, wie sie z. B. im Trianel Windpark Borkum installiert sind, entspräche das eher 3 Tonnen Kupfer. Natürlich wird auch für die Verkabelung Kupfer benötigt, aber die von mir angefragten Branchenexperten halten die 67 Tonnen für um den Faktor 3 zu hoch angesetzt.

Ja, die Anlage besteht aus mehr als nur Kupfer, und gerade Offshore-Anlagen sind aufgrund ihres Fundaments äußerst schwere Konstruktionen. Aber selbst, wenn wir dafür realistische 1.000 Tonnen Material annehmen, ist das für so eine Anlage – verglichen mit fossiler Technik – sensationell wenig: Zum Vergleich: Für 1.000 Tonnen Kohle müssen wir im Braunkohletagebau Garzweiler 5.000 Tonnen Erde abbauen, ein modernes Braunkohlekraftwerk erzeugt daraus bei guter Kohlequalität 17,2 Gigawattstunden Strom.

Eine der 1000-Tonnen-Windkraftanlagen im Windpark Borkum (EAD5-116-Anlagen der Firma Adwen) generiert im Laufe ihrer 25 Jahre Betriebsdauer hingegen knapp 500 (!) Gigawattstunden Strom, also etwa das 30-Fache. Der Abbau von Kohle verursacht zudem massive Luftverschmutzung, zwingt tausende Menschen zur Umsiedlung, übersäuert den Boden und schädigt Feuchtgebiete. Die reine Bergbau-Bilanz einer Windkraftanlage ist also dramatisch besser als wenn ich dieselbe Menge Strom mit Kohle erzeugen wollte, und da sind die massiven Umweltschäden durch die Klimabelastung dieser albernen Veranstaltung noch gar nicht berücksichtigt.

Zudem wird das Windrad nach verrichteter Arbeit halt auch nicht verbrannt wie Kohle, so dass wir aus vielen Einzelteilen – tadaaaa – nach den 25 Jahren Lebensdauer einfach eine neue Windkraftanlage bauen können. Die ca. 20 Tonnen Kupfer können also an der Erzeugung von noch viel mehr Strom beteiligt sein, wenn sie einfach immer wieder in neuen Anlagen verbaut werden, und viele 1.000 Gigawattstunden Strom erzeugen. Die 1.000 Tonnen Braunkohle sind hingegen einfach weg, nachdem sie in 17,2 Gigawattstunden Strom und eine Menge Klimagase umgewandelt wurden. Und für die nächsten 17,2 Gigawattstunden müssen wir wieder 1.000 Tonnen Braunkohle aus der Erde holen.

Bei genauem Hinsehen zerbröselt der Claim „Viel zerstörte Natur für ein wenig Grünstrom“ also ähnlich fulminant wie Julian „Wir haben Corona besiegt“ Reichelts Einschätzung zum Ende der Pandemie. Es ist nicht viel zerstörte Natur und es ist eine gewaltige (!) Menge Grünstrom, die wir mit einem Zwanzig-Tonnen-Klumpen Kupfer in den kommenden Jahrhunderten mittels effektiven Recyclings erzeugen können. Das ist um Größenordnungen mehr als der gleiche Bergbau-Schaden in einem fossilen System ermöglicht.

Ja, es ist ein Eingriff in die Natur. Willkommen in der tristen Wirklichkeit, in der Metalle nicht einfach von der Flut angespült werden. Aber ob „brutal“ das richtige Wort dafür ist? Wenn Kupferabbau auf einem ohnehin schon lebensfeindlichen Mad-Max-Gedächtnisareal brutal ist, was ist dann ein Braunkohletagebau, der sich für viel weniger nutzbare Energie pro Kubikmeter Erde durch historische Ortskerne, Kirchen aus dem 19. Jahrhundert und tausende Jahre alte, ökologisch hochwertige Mischwälder frisst? Ultra-Violence?

Dieses Spielchen spielen die Spiegel-Journalisten nun immer wieder mit abwechselnden Rohstoffen. Wir lernen, wie viel Treibhausgase die Förderung einer Tonne Neodym emittiert, wie viel Silber in PV-Modulen verbaut ist, dass in neuen Technologien Nickel, Platin und Iridium zum Einsatz kommen und wie in Afrika Aluminium gefördert wird. Das ist nun alles grundsätzlich wissenswert, aber als Basis für eine sinnvolle Bewertung unserer realistischen Optionen krass unvollständig, solange all diese Zahlen nicht mit unserem heutigen fossilen Energiesystem ins Verhältnis gesetzt werden. „19 Tote durch Impfstoff-Nebenwirkung“ klingt halt deutlich bedrohlicher ohne die Information „Fünf Millionen Corona-Tote“.

Es ist mir schleierhaft, wie jemand überhaupt annehmen kann, es würde wenig Ressourcen benötigen, wenn ich Sachen aus der Erde grabe, daraus ein Kraftwerk baue, und dann jeden Tag noch mehr Sachen aus der Erde grabe, um sie darin zu verbrennen. Das ist das grundsätzliche Wesen fossiler Technik: Wir VER-brauchen den ganzen Tag aus der Erde gebuddeltes Zeug, während ich bei erneuerbarer Technik die Rohstoffe eben nur einmal aus der Erde buddele und dann GE-brauche. Mit dem entscheidenden Vorteil, dass sie anschließend nicht in ihren molekularen Bestandteilen durch die Atmosphäre wabern, sondern immer wieder genutzt werden können. Wer daraus den Take macht, dass wir für Erneuerbare viel Bergbau benötigen, hat diesen Zusammenhang, den man selbst Grundschulkindern in einer Folge Sendung mit der Maus vermitteln könnte, wohl nicht im Ansatz begriffen.

Trick 2: Emotionen anstatt konkrete Zahlen

Noch besser als Zahlen ohne Kontext wirken maximal aufgeladene Begriffe. Wenn ich einen Impfstoff in einem Beitrag immer wieder „gefährlich“ nenne, dann wirkt das auf viele Menschen stärker als eine Statistik des RKI mit einer Risikoabwägung. Eine Information wie „da verbrauchen wir 67 Tonnen Kupfer“ ist für alle Menschen außerhalb der Kupferbranche vermutlich recht abstrakt. Um also die Energiewende als DEN Faktor für den Raubbau der Zukunft in Szene zu setzen, ohne dafür Zahlen zu recherchieren, die das auch belegen, ist der Artikel mit einer Menge aufgeladener Adjektive durchsetzt:

Windkraft, solare Stromerzeugung und elektrische Mobilität seien wahrweise „schmutzig“, „extrem belastend“ und „verheerend“. Der „gigantische Materialbedarf“ dafür „verschlingt unfassbare Mengen“ und „extreme Massen an Ressourcen“, die resultierenden Zerstörungen an der Natur sind „brutal“, „enorm“, „immens“. Wie viele Spiegel-Leser:innen prüfen das wohl nach? Hey, das sind ja 67 Tonnen Kupfer pro Anlage – ob das wohl viel ist? Ach, laut Text ist es extrem, enorm und brutal, das reicht mir, Windkraft ist ganz umweltschädlich, werden sich viele denken.

„Ein Elektroauto benötigt sechsmal mehr kritische Rohstoffe als ein konventionelles Fahrzeug, vor allem Kupfer, Grafit, Kobalt und Nickel für das Batteriesystem. Eine Onshore-Windkraftanlage enthält sogar rund neunmal mehr solcher Rohstoffe als etwa ein Gaskraftwerk vergleichbarer Leistung“

Zudem bekommen viele der thematisierten Rohstoffe vom Spiegel das Attribut „kritisch“ verbraten, ohne dass irgendwann erklärt wird, was einen kritischen Rohstoff von einem unkritischen unterscheidet. Praktisch, dann kann der geneigte Autor einfach „ein Elektroauto benötigt sechsmal mehr kritische Rohstoffe als ein konventionelles Fahrzeug“ formulieren, denn Erdöl und Erdgas scheinen ja eine recht unkritische Angelegenheit zu sein. Gut, dafür werden aktuell kanadische Waldflächen so groß wie ganz England in ein Real-Life-Mordor verwandelt, aber hey, Hauptsache jemand tut was gegen diese schlimmen E-Autos voller kritischer Rohstoffe.

Das funktioniert übrigens sehr gut zusammen mit…

Trick 3: Möglichst viele Missstände aufzählen, die mit dem Thema nur bedingt was zu tun haben

Genau genommen ist schon das Kupferthema nicht sonderlich gut geeignet, um daraus einen monokausalen Windkraft-Nachteil zu stricken: Im Jahr 2020 wurden weltweit 20 Millionen Tonnen Kupfer produziert. Um die Größenordnungen zu begreifen: Das bedeutet, dass die Menge an Kupfer, das in den letzten 30 Jahren in ALLEN weltweit errichteten Windkraftanlagen verbaut wurde, gerade mal einem Drittel der Kupfer-Jahresproduktion von 2020 entspricht. Der viel größere Anteil wird für elektronische Bauteile und Leitungen aller Art verwendet, ohne dass der Spiegel mit einer halb zerstörten Erdkruste und ausgetrockneten Meeren auf dem Cover davor warnt. Da aber der Windkraftausbau deutlich beschleunigt werden soll, können wir die Branche gerne als Mitverursacher zählen, die hier natürlich auch eine Verantwortung trägt.

Aber auch in Bezug auf diverse andere Rohstoffe versucht die Spiegel-Geschichte das Zerrbild zu errichten, dass insbesondere die Energiewende reicher Länder ihr größter Verbraucher ist. Graphit, Kobalt und Nickel werden genannt, weil wichtige Bauteile moderner Batterien daraus bestehen. Tatsächlich werden aber nur vier Prozent der Weltnickelproduktion für Batterien verwendet, während aus über 70 Prozent davon rostfreier Stahl hergestellt wird.

Vollends absurd wird es, wenn auch die Folgen der Aluminiumförderung in Westafrika und eines Dammbruchs in der Nähe einer brasilianischen Eisenmine irgendwie der Energiewende in die Schuhe geschoben werden sollen:

„Im Januar 2019 brach in Brasilien ein Damm nahe einer Eisenerzmine, eine Schlammlawine ergoss sich ins Tal, mehr als 270 Menschen starben.
[…]
Das Beispiel des umstrittenen Bauxitabbaus [Ausgangsmaterial für Aluminium] in Westafrika zeigt, welche Verbindungen sich ergeben zwischen den glänzenden Ökoprodukten »made in Germany« und der staubgrauen Herkunft seiner Ingredienzien“

Keine Ahnung, in was für einer naiven Traumwelt die Autoren dieses Stückes leben, aber Aluminium und Eisen sind derartig vielseitig einsetzbar, dass sie aus unserem Alltag überhaupt nicht mehr wegzudenken sind. Bauteile aus Aluminium sind nämlich bei gleicher Bauweise nur halb so schwer wie andere Metalle, dementsprechend beliebt ist das Metall mit der Ordnungszahl 13 bei uns Menschen.

Wir stellen daraus Flugzeuge her, Nutzfahrzeuge, Druckluftbehälter, Schienenfahrzeuge, Fahrräder, Konservendosen, Tetra Paks, Dächer, Fensterrahmen, Fassaden, Brückenteile, Raketen, Bügeleisen, Feuerwerk und Antennen. Kennt ihr diese klassischen Kaffeekannen, die man sich auf den Herd stellen kann?

You guessed it, bestehen aus Aluminium. Aber, o weh! Der Artikel raunt uns zu: „Ein Audi E-Tron besteht zu 804 Kilogramm aus Aluminium.“ Ach, echt? Ein riesiger Elektro-SUV besteht auch aus Aluminium? Na, wer hätte das ahnen können? Auflösung: Alle, die nur 5 Minuten recherchieren. Wir stellen bei Verbrennerautos Motorblock, Zylinderkolben, Zylinderköpfe, Getriebegehäuse, Wärmeabschirmungen, Fahrwerke, Türen, Motorhauben, Stoßfänger und Kotflügel mindestens teilweise aus Aluminium her, und das nicht erst seit gestern: Bereits im Jahr 2015, als Tesla bei vielen noch als albernes Start-Up galt, landeten 50 Prozent des deutschen Aluminiums im Fahrzeugbau.

Der Skandal ist jetzt also offenbar schon, dass E-Autos die Abhängigkeit von Erdöl beenden, ohne gleichzeitig komplett ohne Metall auszukommen. Scheiß-E-Autos, dass die nicht aus Tannenzapfen hergestellt werden! In manchen Rechercheteams des Spiegels scheint der Druck, mit dem Artikel krasse Missstände aufzudecken, so groß, dass man zur Not vollkommen profane Umstände ohne jeden Neuigkeitswert dazu hochjazzt:

„Keine andere Industrie [als die Bergbaubranche] greift so erbarmungslos in die Umwelt ein.“

Ja, schon möglich, aber Bergbau gibt es halt schon seit hunderten von Jahren und eben verstärkt für Kohle und Erdöl mit besonders schädlichen Auswirkungen, von denen wir mit der Energiewende ja eben wegkommen wollen.

Ich weiß, mit der Argumentation bewege ich mich nahe am Whataboutismus-Vorwurf, daher kurz zur Klarstellung: Wenn Aluminium-Förderung ein Problem darstellt, dann können E-Tron-Fahrer sich NICHT damit rausreden, dass andere Autos auch aus Aluminium hergestellt werden. Für die Familien in Guinea, deren Trinkwasserquellen dem Bauxitabbau zum Opfer gefallen sind, ist das sicherlich kein Trost. Der Spiegel-Artikel liest sich aber so, als sei dieser Missstand exklusiv elektrischen Autos zuzuordnen und als könnten die Familien in Guinea wieder ein unbeschwertes Leben führen, wenn wir einfach weiter mit Erdöl-Autos rumfahren.

Die Dekarbonisierung ist außerdem aktuell neben Bestrebungen zum Weltfrieden das wichtigste Projekt der Menschheit. Es spiegelt nicht wirklich korrekt diese Priorität wider, wenn eine Spiegel-Titelstory auf dem Silberbedarf für Solarzellen herumreitet, während die Menschheit die fünffache Menge benutzt, um daraus Münzen, Schmuck oder anderen vergleichsweise unnützen Tinnef herzustellen.

Trick 4: Klimaschutz als heuchlerische Aktivität framen

Das ist keine sonderlich neuerlich neue Strategie, aber sie ist so effektiv, dass sie sogar bei der Klimabubble verfängt:

„Damit der reiche Norden ökologisch korrekt leben kann, wird der arme Süden ausgebeutet: Konzerne zerstören ganze Landstriche, um Rohstoffe für Windräder und Solarzellen zu fördern.“

Menschen haben eine wirklich seltsame Tendenz: Sie bewerten eine schädliche Handlung viel schlimmer, wenn sie von jemandem getätigt wird, der eigentlich eine gute Absicht verfolgt. Im schon etwas älteren Video von einem Science Slam mit Mai-Thi Nguyen-Kim wird dieses Konzept gut erläutert: Wenn Klaus und Jerome Plastikmüll in den Wald schmeißen, Klaus aber regelmäßig erklärt, dass Umweltschutz das Allerwichtigste ist, dann kann Klaus sich auf einen mittelgroßen Shitstorm einstellen, während Jerome halt so ein ehrlicher, edgy Typ ist, der es einfach nicht so mit der Umwelt hat. Der Witz ist nur: Es ist dem Wald scheißegal, ob Klaus ein Heuchler ist.

Ferner funktioniert das leider auch, wenn Klaus sich nicht mal konkret für „Umweltschutz“ stark gemacht hat. Damit die Leute reihenweise ausflippen, reicht es vollkommen, eine Position einzunehmen, die von vielen lediglich als Umweltschutz aufgefasst wird: Fast schon legendär sind Rückfragen nach dem Schema: „Was, Du bist Veganer, aber du fährst Auto / hast ein Handy / isst Sojaburger aus der Fabrik?“ Das mag intuitiv erst mal nicht zusammenpassen, aber beim Veganismus geht es definitionsgemäß erst mal darum, nur die Viecher in Ruhe zu lassen.

Gefördert wird die Empörung über vermeintliche Heuchelei oft noch dadurch, dass Medien gerne mal recht ungenau berichten, indem sie Handlungen und Produkte gerne möglichst pauschal auf einer eindimensionalen Skala für „Umweltschutzigkeit“ einordnen möchten. Ja, das klingt eigentlich zu albern, als dass irgendwer das ernsthaft machen würde, aber nichts anderes passiert meist, wenn irgendein Produkt als „schmutzig“, „sauber“ oder halt pauschal „umweltfreundlich“ gelobt/gebrandmarkt wird. Und ja, das passiert leider sehr oft, im vorliegenden Spiegel-Text beispielsweise allein fünfmal:

Da ist die Rede von einem sauberen Energiesystem, sauberen grünen Technologien, sauberen Wertschöpfungsketten, sauberen [Handels-]Quellen und sauberen Lösungen. Das unbedarfte Publikum stellt sich unter einer „sauberen“ Technologie dann leider allzu oft etwas vor, das es nicht gibt: Irgendeine Maschine, die ohne jede Schattenseite quasi aus dem Nichts Energie erzeugt. Tja, mit dem Setup könnt ihr so ziemlich jede Verbesserung mit einem unfairen Heuchelei-Vorwurf blockieren:

Pflanzliche Ernährung? Verbraucht Pestizide, ist nicht perfekt, viel Fleisch für alle! Fahrrad fahren? Die Dinger sind aus Aluminium und dann leiden Menschen in Afrika für saubere Luft im reichen Norden, da kann ich auch weiter Diesel fahren. Secondhand-Klamotten bei Ebay kaufen? Die Server emittieren doch irre viel Klimaemissionen, da gehe ich lieber zu Primark. Tja, komplexe Wertschöpfungsketten haben so viele Attribute, dass ihr kaum eine finden werdet, die in allen Kategorien, also Rohstoffverbrauch, Abgase, Klimaemissionen, Lärmemissionen, Entsorgung, Menschenrechte, Tierleid usw., eine weiße Weste hat.

Hierzu ist besonders diese „arme Länder müssen für unsere grünen Technologien im reichen Norden leiden“-Erzählung sehr beliebt, denn da läuft das Empörungszentrum schnell auf Hochtouren angesichts dieser un-fass-ba-ren Heuchelei. Der Spiegel setzt hier noch eins drauf und verdreht die tatsächlichen Umstände, indem er den Zweck einer Energiewende zu „ökologisch korrekter“ Lebensweise kleinredet.

Dass so was zeitgleich zur Weltklimakonferenz publiziert wird, kann man erwarten, aber eher bei Tichys Einblick oder anderen strammrechten Portalen als beim sich selbst als Leitmedium verstehenden Spiegel. Der Norden will also ökologisch korrekt leben, soso. Bei der Formulierung dürften die meisten Menschen ein paar erbsenzählerische Blödmänner vor Augen haben, die sich an irgendwelche ideologisch motivierten, quasireligiösen Vorschriften halten, um ihrer Peer-Group zu gefallen, aber ohne damit irgendein Problem zu lösen. Ein effektiveres Zerreden der Energiewende habe ich echt schon lange nicht mehr gelesen.

Bei der Energiewende geht es aber darum, dass wir unser Energiesystem umstellen müssen, nicht mehr und nicht weniger. Es hat so wie es heute ist katastrophale Auswirkungen auf unseren Planeten, ist unfair, ineffizient, ungesund und basiert auf endlichen Rohstoffen; wir müssen es also so oder so irgendwann beenden. Und das ist kein Projekt allein für den reichen Norden, sondern für alle Länder, die das Pariser Klimaabkommen ratifiziert haben. Sollen auch ein paar arme Länder dabei sein, die von den Auswirkungen der Klimakrise ganz besonders hart getroffen werden, wenn der Norden nicht endlich seine Zusagen einhält, habe ich mir sagen lassen.

Überhaupt krankt dieser allzu simple Vorwurf daran, dass sich die Welt nicht einfach einteilen lässt in Rohstoff-Länder und Länder mit Wind- und Solarkraft-Ausbau, im Gegenteil: In all den Ländern, hinter denen der Spiegel sich hier als Entschuldigung versteckt, nichts tun zu müssen, gibt es ebenfalls Bestrebungen, von Kohle, Öl und Gas wegzukommen:

In China, wo die meisten seltenen Erden abgebaut und verarbeitet werden, stehen die mit Abstand meisten Windkraft- und Photovoltaikkraftwerke und fahren mehr E-Autos / Einwohner als in Deutschland.

In Afrika werden voraussichtlich neun weitere Staaten dem „Gigawatt Club“ beitreten, also den Ländern, deren installierte Photovoltaik ein Gigawatt Leistung übersteigt. Das ist auch kein Wunder, haben viele Länder des riesigen Kontinents kaum stabile Stromnetze, aber dafür sehr viel Sonneneinstrahlung, so dass dezentrale Lösungen bestehend aus Solarstrom und Batteriespeichern dort sehr attraktiv sind. Bei den Ländern mit entsprechenden Plänen handelt es sich um Algeria, Zimbabwe, Zambia, die Demokratische Republik Kongo, Angola, Namibia, Äthiopien, Marokko und Botswana.

Chile verfügt über die Region Haru Oni, die über die beständigsten Starkwinde des Planeten verfügt. Das ist ein sensationeller Standortvorteil, weswegen dort bereits mehrere Projekte geplant sind, bei denen mit Windstrom synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. In dem Land werden also nicht nur Kupfer und Lithium abgebaut, diese Metalle werden dort vielmehr auch genutzt, um die eigene Energiewende voranzutreiben.

Am Ende wird es also in Chile Windkraftanlagen mit chinesischem Neodym geben, in China fahre E-Autos mit kongolesischem Kobalt und im Kongo laufen Pufferbatterien mit chilenischem Lithium. Natürlich decken sich auch die reichen Länder im Norden mit diesen Rohstoffen ein, das ändert aber nichts daran, dass das Projekt Energiewende ein globales ist, von dem insbesondere arme Länder ohne Ölvorkommen profitieren werden.

Fazit:

Bei genauer Betrachtung bleibt vom Vorwurf des Raubbaus für die Rettung des Planeten am Ende kaum etwas übrig, und für die Missstände, die tatsächlich berichtenswert sind, werden bereits seit Jahren Lösungen diskutiert. Die Spiegel-Autoren versagen hier auf ganzer Länge, die Ergebnisse ihrer Recherche sinnvoll einzuordnen und zielen offenbar nur darauf ab, beim Publikum eine auf den Boden stampfende Empörung zu triggern.

Wie auch in den geistigen Vorbildern „Planet of the Humans“ von Michael Moore und der massiv desinformierende ARTE-Dokumentation „Die verborgene Seite der grünen Energien“ von Jean-Louis Pérez und Guillaume Pitron, steigern sich hier ein paar privilegierte, von der fossilen Weltwirtschaft profitierende Männer in einen dauerhaften Erregungszustand hinein, in dem jedes Gramm Solarzelle mit der Lupe auf Probleme untersucht wird, während so getan wird, als würde Erdöl auf lieblichen Almwiesen herangezüchtet.

Auch sie scheitern fulminant daran, auch nur eine einzige sinnvolle Alternative zu präsentieren und verirren sich am Ende genau wie Moore, Pérez und Pitron in der hochproblematischen Erzählung, dass das globale Bevölkerungswachstum das eigentliche Problem sei. Abgesehen davon, dass so ein Lösungsansatz aus dem extrem dicht bevölkerten Deutschland in Richtung ehemaliger Kolonien in Afrika einen ganz unappetitlichen Beigeschmack bekommt, ist sie auch in der Sache vollkommen naiv:

Klimaemissionen wirken kumulativ. Selbst wenn wir die Weltbevölkerung kurzfristig halbieren würden, so würde der Klimakollaps mit dem Erreichen unwiderruflicher Kipppunkte nur herausgezögert, solange weiterhin vier, zwei oder auch nur eine Milliarde Menschen weiter Erdöl, Kohle und Erdgas verbrennen.

Und bevor sich die Kritik jetzt pauschal am Medium selbst entlädt: Der Spiegel veröffentlicht in Bezug auf die Klimakrise auch extrem gute Beiträge. Auf der Themenseite zur Klimakrise finden sich exzellente Texte, von denen ich allerdings das starke Gefühl habe, dass Jens Glüsing, Simon Hage, Alexander Jung, Nils Klawitter und Stefan Schultz sie dringend mal lesen sollten. Auch die Kolumne von Christian Stöcker gehört mit zum besten, was es im deutschsprachgien Raum zum Thema zu lesen gibt.

Um so irritierender, dass dieses Stück Desinformation es zur Titelgeschichte gebracht hat.

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Warum Klimaschutz uns Wohlstand und Stabilität bringen wird und die Bild das Gegenteil behauptet

Zugegeben, die Antwort auf die zweite Frage könnte ich sehr kurz halten und darauf verweisen, dass das Medium mit den vier Buchstaben in letzter Zeit noch spalterischer agiert als ohnehin schon, dass ihr Chefredakteur immer weiter ins Coronaleugner-Milieu abdriftet, das mit Klimaschutz ebenfalls auf Kriegsfuß steht, und dieses Blatt spätestens seit der Einmischung der jungen Generation mit allem auf junge Klimaaktivisti schießt, was das Arsenal hergibt.

Dass in der Bild Lügen über Klimaschutz, -maßnahmen und Politik zu finden sind, ist daher ebenso wenig überraschend wie der Zustand der Wohnzimmertapete, nachdem ihr ein paar 3-Jährigen Fingerfarbe und Spraydosen in die Hand gedrückt habt und den Raum für zwei Stunden mit den Worten „Macht, was ihr wollt!“ verlasst.

Ich widme diesem Boulvardblatt nun aber dennoch meine Aufmerksamkeit, weil die hier zu Papier gebrachte Erzählung weit über den Dunstkreis der Bild hinaus verbreitet ist und Ihr sie in den kommenden Jahren wohl leider sehr oft zu hören bekommen werdet. Sie geht so: Beim Klimaschutz geht es nur darum, dass wir alle ganz dolle verzichten und arm werden müssen, und die Schnösel sitzen in der ERSTEN KLASSE UND TRINKEN DA LATTE MACCHIATO UND LACHEN ÜBER UNS!!!11!eins.

Es gibt eine Menge konservativer Medien, die mit diesem Schreckgespenst effektiven Klimaschutz zu verhindern versuchen, aber auch in manchen linken Kreisen findet man sie in eher technologiefeindlichen Bubbles, so hatte ich hier z.B. eine Dispute mit selbsterklärten Sahra-Wagenknecht-Fans, die ähnlich argumentiert haben bzw. der Film „Planet of the Humans“ vom eindeutig links eingestellten Michael Moore verrennt sich komplett in diesem Fehlschluss.

Der Witz ist: Verzicht kann nur ein kleines Puzzlestück der großen Lösung der Klimakrise sein, während es hier von der Bild und Moore als zentraler, scheinbar allein funktionierender Lösungsansatz ins Spiel gebracht wird, und das ist er absolut nicht. Klar, wir alle können den eigenen Konsum runterschrauben und überlegen, ob es nicht auch mit dem Zug in den Urlaub gehen kann oder ob wir jeden Monat neue Klamotten kaufen müssen, aber dieser Ansatz hat einen stark sinkenden Grenznutzen.

Selbst ich abgefreakter Verzichtsfuzzi (Veganer ohne Auto und Flüge und ausgeprägter Liebe zu Secondhand-Klamotten) komme auf satte 4 Tonnen CO2 im Jahr, wenn der Winter kalt wird eher 4,5 Tonnen. Das ist immer noch viel zu viel und außerdem nicht mal auf alle anderen Deutschen übertragbar, denn während ich zu Fuß zum Coworking gehen kann haben Millionen andere Menschen lange Anfahrtswege abseits irgendwelcher ÖPNV-Strukturen oder Radwege und eine Ölheizung im Keller.

Es geht hier ja nicht um Luxus-Artikel, sondern erst mal um Grundbedürfnisse. Wir brauchen alle Strom, Medikamente, eine warme Bude im Winter und nutzen dafür Produkte aus Stahl, Zement und langen Lieferketten. Im Deutschland des Jahres 2021 ist es nicht möglich, dieses Dilemma durch individuelle Kaufentscheidungen zu lösen.

Kurz gesagt: Arm werden bringt dem Klima vielleicht kurzfristig ein kleines bisschen was, ist aber als langfristige Lösung ähnlich gut geeignet wie die Behandlung einer entzündeten Zahnwurzel mit Ibuprofen. Und was in der Metapher die entzündete Zahnwurzel ist, sind in der Realität primär unsere auf fossilen Energieträgern beruhende Wirtschaft und unsere nicht nachhaltige Landwirtschaft, die müssen raus.

Die Bild framet das nun komplett anders und tut so, als sei es DIE Kernstrategie des Klimaschutzes, einfach alle arm zu machen – auch wenn niemand aus der Klimaschutz-Bewegung das jemals so vorgeschlagen hat. Verfasst hat diesen himmelschreienden Unsinn unter Anderem Filipp Piatov, der Bild-Redakteur, der letztes Jahr versucht hat, in einem maximal durchsichtigen Versuch, Prof. Drosten zu diskreditieren und damit phänomenal gescheitert ist.

Ganz grundsätzlich scheint der Mann mit Zahlen und komplexen Zusammenhängen große Probleme zu haben, so dass es nicht verwundert, wie dilettantisch er hier argumentiert:

Sack und Asche statt Hightech und Handy? Sollen wir arm werden, um das Klima zu retten? […] Fakt ist: Egal, ob Friseurbesuch (plus 3,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat) oder essen gehen (3,7 Prozent mehr): Deutschland trifft derzeit schon ein Teuer-Schock! […] So gut wie nichts, was in den Supermarktregalen zu finden ist, bleibt preislich stabil“

No shit, Sherlock. In einem freien Markt gibt es Inflation und die Preise ändern sich, wer hätte das gedacht? Komisch, dass ausgerechnet die Leute, die immer vor dem Sozialismus warnen, sobald sich irgendwo linke Regierungen bilden, mit weit aufgerissenen Mündern vor Preissteigerungen stehen, wenn der Markt dazu führt.

„Eine Verzichtskultur hilft dem Klimaschutz wenig, da große Teile der Bevölkerung ihren Konsum nicht wesentlich einschränken können oder wollen“

sagt Captain Obvious Ulrich Schmidt (53), Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft. Bebildert ist dieses riesige Strohmannargument mit einem in Lumpen gehüllten deutschen Michel, der inmitten von Dingen sitzt, die bei man bei der Bild wohl mit Klimaschutz assoziiert, unter Anderem Flugtaxis und Bio-Tomaten (niedlich).

Warum der arme Michel nicht in das neben ihm stehende E-Auto steigt (ist in meinem Vorschaubild von Robert Downey Jr. Augenrollen überlagert), das durch das Windrad ja vermutlich mit echt günstigem Strom aufgeladen ist, wird nicht ersichtlich. Vielleicht meditiert der Mann auch einfach nur und fährt danach zum Yoga-Retreat nach Blankenese? Wer weiß…

Wie auch immer, diese ganze Erzählung ist so falsch wie alt. Sie ignoriert, dass internationale Klimaschutzbemühungen zu Millionen neuen Jobs, günstiger Energie und eingesparten Gesundheitskosten in Milliardenhöhe führen werden und dass allein Deutschland aktuell jährlich ca. 150 Milliarden Euro Klimafolgekosten für die nachfolgenden Generationen verursacht – optimistisch gerechnet. Wer die bezahlt? Ist der Bild halt egal.

Aus Zufall habe ich schon letzte Woche eine Entgegnung zu dieser Erählung geschrieben. Mein Internet Buddy Ralph Ruthe (der Cartoonist) hatte mir angeboten, für einen Tag seinen Twitter Account zu übernehmen. Dieser lange Thread stammt also tatsächlich von mir, auch wenn er jetzt auf seinem Account steht. Ich klaue ihn also nicht von ihm, sondern von mir, weil es hier einfach zu gut reinpasst (leicht abgeändert und um Quellen ergänzt):

Der Witz an einer klimaneutralen Gesellschaft ist übrigens, dass darin niemand ein schlechtes Gewissen wegen seines CO2-Ausstoßes mehr haben muss. Daran kranken alle Erzählungen, der Klimabubble ginge es eigentlich nur um moralische Überlegenheit.

Im Wahlkampf und in auch in fast jeder Diskussion dazu kommt der Punkt, an dem behauptet wird, es ginge bei Klimaschutz um eine fortschritts- und wohlstandsfeindliche Verzichtsgesellschaft, in der „Klimasünder“ an den Pranger gestellt werden sollen. Das ist kolossaler Unsinn.

Ein Tag im Jahr 2040 könnte so aussehen: Ihr steht an einem Dezembermorgen in der Küche und genießt ungefähr die gleichen Annehmlichkeiten wie heute: Der Fußboden ist schön warm, der Kaffee brühend heiß und die Wohnung hell beleuchtet, aber euer CO2-Ausstoß liegt bei null.

Eure Wohnung wird von einem Fernwärmenetz warm gehalten, dessen Speicher im Sommer aufgeheizt wurden (so was gibt es in Dänemark längst). Die Kaffeemaschine und die restlichen Stromverbraucher laufen mit Windstrom oder eurem Batteriepuffer im Keller.

Deutschland hat seine EE-Erzeugung nämlich auf 1.500 Terawattstunden im Jahr hochgefahren, dadurch gibt es kaum noch Tage, an denen zu wenig Strom in den kurzfristigen Speichern ist. Für mehrere Tage Windflaute am Stück stellen wir mit überschüssigem Strom Methan her oder importieren es aus dem Rest Europas.

Das können wir in unserem gigantischen Gasnetz speichern (in dem im Jahr 2021 bedrohliche Leere herrschte) und bei mehreren Tagen Flaute wieder in Gaskraftwerken in Strom umwandeln. Auf dieselbe Weise können wir synthetischen Schiffsdiesel herstellen, mit dem im Jahr 2040 fast alle großen Frachter unterwegs sind und mit dem wir uns auch Kaffee liefern lassen können.

Da der Anbau von Pflanzen wie Kaffee und Kakao aber auch viel Fläche benötigt und in Konkurrenz zu Wäldern steht wurde er im Rahmen des Pariser Klimaabkommens recht teuer. Es sind daher Firmen entstanden, die eher problematische Nahrungsmittel synthetisch herstellen, so wie das 2021 bereits die finnische Firma Solar Foods mit Protein konnte.

Großer Nachteil war damals ein Mangel an sauberem Strom, aber 2040 gibt es unermesslich viel davon. Zur Arbeit kommt ihr ganz ähnlich wie heute, allerdings sind weniger Menschen unterwegs, weil sich Remote Work kulturell stärker etabliert hat und die meisten von uns nur 2 von 5 Tagen im Büro sind, wenn der Job keine Anwesenheit erfordert. In vielen Städten treffen sich daher viele Menschen unterschiedlicher Firmen in Coworking–Spaces, unabhängig davon, wo ihr Arbeitgeber sitzt.

Den Deutschen gehören immer noch ein paar Millionen Autos, aber sie funktionieren nicht mehr mit Verbrennungsmotoren und werden kaum noch in Städten gefahren. Eine Autofahrt dauert dort viel zu lange, weil Lieferdienste, Busse, städtische Fahrzeuge usw. als wichtige Verkehrsteilnehmer Vorrang vor PKW bekommen haben.

Die Straßenflächen sind gerecht aufgeteilt, wodurch es viel mehr Menschen gibt, die per Fahrrad, zu Fuß oder mit Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Wer also auf ein Auto angewiesen ist, kann damit etwas oder jemanden transportieren, aber es bringt keinen Zeitvorteil mehr.

In Städten stehen dafür überall Leih-Autos auf festen Parkplätzen bereit, damit es keinen Parksuchverkehr gibt. Wer ein eigenes Auto in der Stadt parken will, muss nach japanischem Vorbild in ein Parkhaus oder einen privaten Stellplatz nutzen.

Mit den ehemaligen Parkplätzen sind riesige Flächen frei geworden, auf denen sich die Menschen nun wieder begegnen, wo Kinder zusammen spielen und Nachbarn abends zusammensitzen. Wer mit dem Auto anreist, kann es vor der Stadt abstellen und kostenlos mit dem ÖPNV weiter.

In dünner besiedelten Regionen ist der Autoverkehr immer noch verbreiteter, aber durch ein Netz von gut ausgebauten Radwegen und Ladestationen vollelektrisch und nicht mehr alternativlos. Für Fernreisen gibt es ein eurasisches Hochgeschwindigkeits-Zugnetz mit hochwertigen Schlafwagen. Wer abends in Madrid einsteigt, kann am nächsten Mittag ausgeruht Kopenhagen bewundern.

Für weitere Reisen gibt es nach wie vor Flugzeuge, aber sie fliegen auf Kurzstrecke elektrisch und auf Langstrecke mit aus Strom gewonnenem E-Kerosin und sind entsprechend teuer, weswegen ein City-Trip von Frankfurt nach New York wieder eher etwas besonderes geworden ist.

Okay, das sind jetzt nur 3 von 100 Aspekten, aber ich hoffe, die Idee wird klar: Für ein erfülltes Leben brauchen wir keine fossilen Brennstoffe. Auch in einer 100 Prozent klimaneutralen Gesellschaft würden wir Leben führen, um die uns der Hochadel des 19. Jahrhunderts beneiden würde.

Wir wären eine wahrhaftig reiche Gesellschaft, die von so einem Umbau auch extrem profitieren könnte. Unsere Städte und Dörfer könnten zu wunderbar lebenswerten, ruhigen, sauberen Orten werden, in denen wieder der Mensch im Mittelpunkt steht.

Wenn wir unter der Dusche stehen, ist es vollkommen egal, ob eine Wärmepumpe das Wasser erwärmt hat oder ein Gasboiler. Strom ist Strom, ein Elektron schmeckt nicht nach Kirsche, wenn es aus dem Kohlekraftwerk kommt. Das, was heute als Verzicht geframed wird, muss gar nicht wirklich schlechter sein. Ein Fahrt mit dem Rad durch Utrecht ist kein Verzicht, sondern einfach schön.

–> Wir können eine Menge verlieren, aber auch wahnsinnig viel gewinnen. Und in dieser fiktiven Welt im Jahr 2040 ist es eben nicht wichtig, wer wie gut das Klima schützt, da es gar nicht mehr möglich ist, ihm nennenswert zu schaden.

Wozu dann noch ein schlechtes Gewissen? Wozu dann noch Verzicht?

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How to Energiewende in 10 Jahren, Teil 6: Halten die Netze das aus, was ist mit den Rohstoffen und wie viel kostet das`?

Herzlich willkommen zu Teil 6 und damit dem Finale meiner Artikelreihe zur Energiewende. Solltet ihr die vorherigen Teile noch nicht gelesen haben, ist es vermutlich besser, erst mal dort anzufangen. Ihr findet sie hier. Solltet ihr sie schon gelesen, aber längst vergessen haben, was genau drinstand, kommt jetzt ein kurzer „Was bisher geschah“- Absatz:

Wir können in Deutschland mit einem Bruchteil der vorhandenen Fläche sehr viel Strom aus Wind und Sonne erzeugen. So viel, dass wir mit der reinen Energiemenge locker die ineffizienten fossilen Energieträger ersetzen können. Wir werden nicht umhin kommen, einen Teil dieser Energie für den späteren Einsatz zu speichern, was technisch aber sowohl kurz- als auch langfristig möglich ist.

Da Deutschland ein dicht besiedeltes Industrieland mit hohem Strom- und Wärmebedarf ist, ist eine solche Umstellung in den meisten anderen Ländern noch einfacher. Wir könnten dann in einer Welt ohne sich verschärfende Klimakrise leben, zudem hätten wir sauberere Luft, ruhigere Städte und müssten keine historischen Kirchen abreißen, weil unter ihnen Kohleadern verlaufen. Klingt ja erst mal ganz toll, aber was ist mit den Nachteilen? Halten unsere Netze das aus? Wie viele Rohstoffe verbraucht das? Und wie wollen wir das alles finanzieren?

Fangen wir mit dem Thema an, das reihenweise Goldmedaillen abräumen würde, wenn Menschen langweilen olympisch wäre: Dem Netzausbau. Solltet ihr mal bei einem ersten Date merken, dass das absolut nichts werden kann, dann erzählt Eurem Gegenüber 15 Minuten lang möglichst enthusiastisch davon, wie im örtlichen E-Werk jetzt der neue Hochspannungstrafo installiert wurde. Spart nicht mit Details, zeigt Fotos von den Bauteilen und sagt Sachen wie „Sind die Kupferspulen nicht schön?“ oder tragt euer selbstgeschriebenes Gedicht „Ode an den Strommast“ vor. Ihr seid dann bald wieder allein und könnt den Rest des Abends Herr der Ringe lesen (dankt mir später).

Dabei ist die Grundlage eigentlich recht spannend, denn seit Einführung elektrischen Stroms war das Prinzip nun mal Folgendes: Es gibt ein paar große Kraftwerke im Land und wer Strom braucht, der muss ihn bei denen kaufen. Klingt zugegeben ziemlich lässig – zumindest wenn euch zufällig eins dieser Kraftwerke gehört, das gibt Spielraum für die ein oder andere Monetenschlacht mit der Familie. Gehört euch aber kein Kraftwerk, dann nehmt ihr an der Monetenschlacht nur indirekt teil: Sie wird mit eurer hart verdienten Kohle veranstaltet.

Unsere bereits begonnene Energiewende kehrt diese Verhältnisse nun radikal um: Während früher nur ein paar hundert Kraftwerke unseren gesamten Strom erzeugten, sind an dieser Aufgabe jetzt zusätzlich ein paar tausend Biogas-Kleinkraftwerke, ca. 30.000 Windenergieanlagen und 1,5 Millionen Solaranlagen beteiligt. Gingen unsere Netze also früher einer ziemlich monotonen Arbeit nach, indem sie den Strom von ein paar hundert Orten in die gesamte Republik schaufelten, kommt dieser nun von bis zu Millionen verschiedener Orte und muss je nach Wetterlage ganz unterschiedlich verteilt werden.

Außerdem gibt es in Zukunft noch eine deutlich wachsende Anzahl von Verbrauchern, denn wir wollen ja auch mit Strom Auto fahren, mit Strom heizen und einen Teil davon für später speichern. Die berechtigte Frage lautet also: Halten die Netze das aus? Kurze Antwort: Jein. Lange Antwort: Je nach Konzentration von Stromverbrauchern und Kraftwerken an einzelnen Orten werden besonders die Verteilnetze verschieden große Updates brauchen und solange keine extrem großzügige, gute Fee auftaucht, wird das auch Geld kosten.

Es gibt aber einen Weg, diese Kosten nicht komplett ausufern zu lassen: Strom im Idealfall dort erzeugen, wo er gebraucht wird. Das mag profan klingen, ist aber aufgrund der Historie unseres Stromnetzes alles andere als selbstverständlich. In Deutschland ist es so geregelt, dass der Großhandelspreis für Strom überall derselbe ist – dementsprechend unerheblich war für die Standortwahl von Unternehmen bislang, wo er eigentlich herkommt. Dieses Konzept wird manchmal auch etwas spöttisch „Kupferplatte“ genannt, weil in ihrer nicht wirklich der Realität entsprechenden Logik ganz Deutschland wie ein einziger, riesiger Stromleiter funktioniert. Nach ihm ist es dann relativ egal ist, wo auf dieser Platte ich nun ein Gaskraftwerk und wo eine Google-Serverfarm hinpflanze, der Strom wird schon den Weg vom einen zum anderen finden.

das könnte im Jahr 2030 eure Monetenschlacht sein

Besonders heftige Kritik an der Energiewende wird ja gerne garniert mit dem Ausspruch „Höhö, der Strom kommt ja aus der Steckdose, höhö“, was insofern unfreiwillig komisch ist, dass genau dieser Gedanke eigentlich viel eher unserem aktuellen System zu Grunde liegt. Damit Windstrom aus Niedersachsen aber die Maschinen eines bayerischen Aluminiumherstellers betreibt (eine sehr stromhungrige Branche), sind entsprechende Leitungen nötig, in der Presse auch gerne „Stromtrassen“ genannt. Eine davon soll nach Fertigstellung aus zwei 12 Zentimeter dicken, 700 Kilometer langen Kabeln bestehen, die von Brunsbüttel bis Heilbronn führen und auf den Namen „Suedlink“ hören.

Ich weiß, so ein Hochspannungskabel klingt nach einem wirklich kreativen Geschenk zum Hochzeitstag, aber solltet ihr das in die engere Wahl nehmen, dann bittet schon mal um einen Gehaltsvorschuss: Die Investitionskosten werden auf 10 Milliarden Euro geschätzt. Diese Kabel können zusammen 4 Gigawatt übertragen, vornehmlich Windstrom aus dem Norden in den Süden.

Das ist schon ganz ordentlich, bei voller Auslastung könnte man damit 3 DeLoreans aus Zurück in die Zukunft gleichzeitig ins Jahr 1985 zurückschicken (lustig, dass Marty McFly nicht weiß, was ein Gigawatt ist). Oder vielleicht etwas plastischer: Die besten Supercharger von Tesla können Spitzenladeraten von 250 Kilowatt liefern – Suedlink könnte also 16.000 solcher extrem schnellen Ladevorgänge gleichzeitig ermöglichen (alternativ wären 350.000 gleichzeitige Ladevorgänge mit alltäglichen Ladezeiten drin).

Klingt erst mal fluffig, ist aber eben nicht ganz billig: Der Transport einer Kilowattstunde aus dem Norden nach Bayern kostet damit mehrere Cent (der genaue Wert hängt stark an der schlecht vorhersehbaren Lebensdauer der Trasse (Seite 48) – eine  Kilowattstunde Windstrom kostet in Deutschland aber ohnehin nur 4 bis 8 Cent in der Erzeugung. Eine Windkraftanlage in Bayern kann das örtliche Aluminiumwerk also in vielen Fällen mit günstigerem Strom beliefern als eine an der Nordsee, selbst wenn an ihrem Standort eigentlich weniger Wind weht.

Es stellt sich ein bisschen so wie bei der Gießkannenmetapher bei den Stromspeichern dar (vergleiche Teil 5): Direkt den Strom verbrauchen, der vor Ort erzeugt wurde, entspricht einer Gießkanne voller Wasser. Sollte die nicht reichen, habe ich noch Suedlink, meinen löchrigen Gartenschlauch als Backup, den ich aber aus Kostengründen nur einsetzen sollte, wenn es nicht anders geht. Es würde sich also lohnen, wenn große Stromverbraucher sich zumindest ein paar dieser Gießkannen zulegen würden, was mich zu einem Mann führt, der diese Umstände konsequenter beherzigt hat als die meisten:

Es war einmal ein Bäckermeister aus Haan im Königreich Nordrhein-Westfalen. Er wohnte mit seiner Frau und seinen Kindern im Fürstentum Essen, backte die leckersten Brötchen im ganzen Königreich und fing im Jahr 2010 an, sich über den Strom- und Gasverbrauch seines Gehöfts Gedanken zu machen. In der Folge baute er eine große Photovoltaikanlage auf das Dach der Bäckerei, erzeugte aus alten Broten Strom mittels eines Biomassekessels und wollte die frischen Brote am liebsten emissionsfrei mit seinem Sonnenstrom ausliefern.

Tesla war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch ein vielerorts belächeltes Startup, in dessen einzige Modelle nicht sonderlich viele Brötchen passten und der Umbau eines Diesel-Transporters in einen E-Lieferwagen kostete noch schlappe 80.000 Euro. Bäckermeister Schüren ließ sich nicht entmutigen und schrieb kurzerhand selbst ein Lastenheft für vollelektrische Lieferwagen, versiegelte dieses und schickte es an Automobilhersteller. Leider kapierten die alle nicht, dass schon bald nicht nur der fleißige Bäckermeister, sondern auch der Schmied, die Köhlerin und der Kupferstecher nach so einem Gefährt Ausschau halten werden und dieses ganze Geschäft an eine Tochterfirma der Deutschen Post verlieren werden (Quelle ebenfalls der Wiwo-Artikel).

Diese Firma nannte sich Streetscooter und mit ihrer Hilfe konnte Bäckermeister Schüren seine Brötchen nun mit Sonnenstrom ausliefern. Er war von diesem Umstand berechtigterweise so begeistert, dass er sich fortan der Aufgabe verschrieb, all den anderen Menschen im Land den Transport via Sonnenstrom näherzubringen, so dass er heute Europas größte E-Auto-Raststätte betreibt. Diese befindet sich am Autobahnkreuz Hilden, wo ich (wirklich) zufällig im Juli 2020 auf dem Weg an die Ostsee ein geliehenes Model S aufgeladen habe. Versprühte der Ort damals noch nicht so viel Charme:

Hat sich das Bild heute ziemlich gewandelt:

Bild von Tomás Freres, lizenziert nach CC BY-SA 4.0

Hier stehen über 100 Ladesäulen zur Verfügung, darunter auch 12 Tesla-Supercharger der dritten Generation und Fastned-Schnellladestationen, mögliche Spitzenleistung: 250 und 300 Kilowatt. Die Frage, die sich den meisten Menschen (auch mir) intuitiv stellte: Bricht nicht das örtliche Stromnetz zusammen, wenn hier an allen Plätzen gleichzeitig geladen wird?

Beantworten musste diese Frage Daniel Heuberger, Chef der Netzsparte der Stadtwerke Hilden. Damit ein lokales Verteilnetz so große Strommengen bewältigen kann, muss es im Zweifelsfall mit Höchstspannung arbeiten – was in diesem Fall den Bau eines kompletten Umspannwerks erfordert hätte und entsprechend teuer geworden wäre.

Die auf dem Bild zu sehenden, großen, schrägen Dachflächen waren aber keine rein ästhetische Entscheidung: Die dort installierten Photovoltaik-Module liefern in der Spitze 700 Kilowatt und füllen bei Überschuss einen 2-Megawattstunden-Batteriepuffer (zum Vergleich: Der Batteriespeicher in Schleswig-Holstein aus Teil 2 speichert 50 Megawattstunden). Für Tageszeiten mit besonders viel Nachfrage kann Roland Schürens E-Tankstelle also mehrere Ladevorgänge aus eigener Kraft versorgen und drosselt die Ladegeschwindigkeit, bevor die aus dem öffentlichen Stromnetz entnommene Strommenge zu hoch wird. Die Lastspitzen des Netzes werden so „geglättet“, mit dem Ergebnis, dass in Hilden erst mal kein Umspannwerk gebaut werden musste. Und so lebten Roland Schüren und seine Familie glücklich bis an ihr Lebensende und luden eine Menge E-Autos mit sehr klimafreundlichem Strom auf.

Das ist einer der Vorteile einer sogenannten dezentralen Energiewende, praktisch dem Gegenentwurf zur Kupferplatte: Anstatt nur die Nordseeküste mit Windkraft zuzustellen hat es mehrere Vorteile, Wind- und Solarkraft gleichmäßiger über das ganze Land zu verteilen, die Energiewende also eher dezentral zu gestalten. Zu diesem Ansatz könnte ich eine eigene Artikelreihe schreiben, daher verlinke ich hier für Interessierte weiterführende Artikel zum Einlesen: Grundlagen, Einschätzungen der führenden Expert:innen auf dem Gebiet, umfassende Forschungsarbeit für lange Abende vor dem Kamin

Strom könnte dann eben nicht mehr überall und zu jeder Zeit dasselbe kosten und damit sowohl Menschen als auch Unternehmen motivieren, ihn dann zu verbrauchen, wenn ohnehin viel vorhanden (und er damit billig) ist. Im Haushalt könnte zum Beispiel die befüllte Waschmaschine dann loslegen, wenn ein mit dem Stromanbieter kommunizierender Sensor ihr grünes Licht gibt. Aber auch manche Unternehmen könnten besonders energieintensive Prozesse auf Zeiten legen, in denen bei ihnen ohnehin viel Strom erzeugt wird.

Das bedeutet nun nicht, dass wir unsere Netze einfach so lassen können. Im Rahmen einer vollständigen Energiewende wird es sicher auch Engpässe geben, besonders in den 880 lokalen Verteilnetzen, die sich nicht durch so ein Lastenmanagement kompensieren lassen. Ja, die Netzbetreiber werden hier Geld in die Hand nehmen müssen. Der Energieversorger E.On hat für die Wirtschaftswoche berechnet, wie viel sie bei einem kompletten Umstieg auf E-Autos in die Infrastruktur investieren müssten: Bis 2045 ca. 400 Euro pro E-Auto, bezogen auf die E.On Kundschaft bedeutet das fünf Milliarden Euro in 25 Jahren.

Klingt erstmal viel, aber E.On investiert ohnehin eine Milliarde Euro in seine Netze – pro Jahr. Zudem ließe sich auch das per Lastenmanagement verringern, indem das nächtliche Aufladen der Autos staffelt. Wen interessiert es schon, ob die eigene Karre nun zwischen 19 und 23 Uhr oder zwischen 2 und 6 Uhr aufgeladen wird? Das spart nicht nur eine Menge Geld, sondern auch kostbare Ressourcen, solange wir Umspannwerke und Strommasten nicht aus Tannenzapfen und Moos herstellen können, sondern auf diverse Metalle zurückgreifen müssen.

Apropos Ressourcen: Wenn wir wirklich alles umstellen wollen, müssen wir dann nicht den kompletten Planeten umgraben, um an all das Material dafür zu kommen? Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, nachdem man verschiedene Dokumentationen öffentlich-rechtlicher Sender zu diesem Thema gesehen hat. Hätte eine Außerirdische Zugriff auf unsere Facebook-Kommentarspalten, sie könnte schnell den Eindruck gewinnen, dass sämtliche kritischen Elemente der irdischen Rohstoffwirtschaft ausschließlich für E-Autos, Windkraftanlagen und Solarzellen verbraucht werden.

Hätte ich für jedes Mal, dass mir jemand „DU WEIẞt ABER SCHON, DASS DA TOTAL UMWELTSCHÄDLICHES GIFTIGES, VON KINDERN GEFÖRDERTES LITHIUM IN DEN E-AUTOS STECKT???“ geantwortet hat, einen Euro bekommen, ich könnte meine Supporter-Seite offline nehmen. Daran ist mitunter merkwürdig, dass es die Durchschnittsdeutschen vor der Energiewende recht wenig interessierte, wo all ihr Lithium, ihr Kobalt und ihr Nickel herkam. Lange bevor E-Autos nennenswerte Verkaufszahlen erreichten, fand Kobalt, ein Nebenprodukt der Kupfer- und Nickelproduktion, seinen Weg zielsicher in deutsche Konsumgüter: Damit wurden Magnete hergestellt, irgendwelcher Plunder blau gefärbt, Metalle gehärtet und Diesel-Kraftstoffe entschwefelt. Und Deutsche so:

Ja, wenn durch Rohstoffabbau Ökosysteme nachhaltig zerstört oder Menschen ausgebeutet werden, ist das großer Mist. Nun benötigen halt alle Produkte irgendwelche Rohstoffe, die Frage sollte also immer sein: Wie viel ist das im Vergleich zur Alternative? Die meisten Krachbumm-Artikel der deutschen Medienlandschaft würden sich selbst erübrigen, wenn die Autorin bzw. der Autor gezwungen wären, bei Innovationen immer auch den Vergleich zum Status-Quo zu ziehen.

Solange wir weder Kreislaufwirtschaft noch effektives Lieferkettengesetz haben, müssen wir uns leider damit abfinden, dass alle Produkte, auch die für die Energiewende benötigten, Rohstoffe verbrauchen, und dass der Abbau mancher dieser Rohstoffe problembehaftet ist. Nein, das ist alles andere als ideal, aber eben ein Argument für Lieferkettengesetz und Kreislaufwirtschaft, nicht gegen Windkraftanlagen oder E-Autos, denn bei den Rohstoffen für die Fossilwirtschaft ist das Problem noch größer.

Erdöl-Autos gibt es seit über 100 Jahren, trotzdem wirkt das Recyclingkonzept nicht so wirklich zu Ende gedacht: Die Blei-Batterien werden von nigerianischen Jugendlichen ohne Schutzkleidung auseinandergesägt, die Folgen sind dramatisch. Für Displays, Zündkerzen und Katalysatoren werden seltene Erden und andere kritische Metalle benötigt und der größte Rohstoffeinsatz, das Erdöl, verursacht gigantische Umweltzerstörungen und wird beim Verbrennen einfach in unserer Atmosphäre verklappt – mit den bekannten Auswirkungen.

Bei den neuen Energien passiert indes eine Menge: Lithium-Ionen-Batterien können heute schon zu einem hohen Grad recycelt werden, und das, obwohl es dafür noch gar keinen nennenswerten Markt gibt, da die meisten E-Autos einfach noch nicht alt genug sind und die Batterien sehr hohe Lebensdauern haben. Die kommende Generation wird zudem voraussichtlich ganz ohne Kobalt auskommen, eine höhere Energiedichte haben und damit weniger Material / Kilowattstunde benötigen (vergleiche Teil 4). Es gibt übrigens auch in Deutschland Lithium: Zwischen Frankfurt und Basel liegt die vermutlich größte Lithium-Quelle Europas, der Abbau kann in bereits bestehenden Geothermie-Anlagen integriert werden.

Auch bei Windkraftanlagen hält sich das Gerücht, diese seien am Ende kompletter Sondermüll und ein riesiges Umweltproblem, weil irgendwelche dubiosen Typen in Wyoming mal alte Rotorblätter im Boden vergraben haben und dieses Bild seitdem um die Welt geht. Diese „Entsorgungs“-Methode ist in Deutschland seit 2005 verboten, während Siemens-Gamesa gerade die erste Windkraftanlage installiert, deren Rotoren recyclebar sein werden, indem eine neue Art von Kunstharz verwendet wird.

Ja, wenn wir unsere Energieversorgung auf Erneuerbare umstellen, dann müssen wir mit den Rohstoffen sorgsam umgehen, keine Frage. Was ich bei der Frage immer etwas vermisse, ist der Vergleich mit dem Status-Quo: Wie viele Rohstoffe verbraucht denn fossile Stromerzeugung aktuell? Vergleiche ich eine moderne Windkraftanlage mit Kohleverstromung sieht das folgendermaßen aus:

Das ist eine Enercon E-126 -Anlage:

Bild von Jfz, lizenziert nach CC BY 3.0

Sie erzeugt im Jahr um die 20 Gigawattstunden Strom und wiegt 7.000 Tonnen, davon entfallen ca. 95% auf Beton und Stahl, der Rest sind Verbundmaterialien und die Komponenten für Generator und Stromanschluss etc.

Ja, so eine Anlage sollte euch nicht auf den Fuß fallen, wenn ihr noch eine Karriere im Profi-Volleyball plant, aber sind 7.000 Tonnen nun viel oder wenig? Vergleichen wir dafür einfach mal, wie viel Kohle ein Kohlekraftwerk verbrennen muss, um dieselbe Strommenge zu erzeugen. Ein Kilo Braunkohle hat einen Brennwert von 7,7 Kilowattstunden, beim Verbrennen in einem Braunkohlekraftwerk geht aber ein Teil der Energie verloren. Mit 40% Wirkungsgrad bekommen wir also noch 3,1 Kilowattstunden pro Kilo Braunkohle raus. Um den Jahresertrag unseres Beispiel-Windrads von 20 Gigawattstunden zu erzielen, muss das Kohlekraftwerk ungefähr 6.450 Tonnen Kohle verbrennen, also schon fast so viel wie das ganze Windrad wiegt.

Der Witz ist jetzt, dass sich so eine Windkraftanlage ja nicht nach einem Jahr spontan in Luft auflöst, sondern in der Regel mindestens 20 Jahre lang Wind in Strom verwandelt. Um sie über diese gesamte Lebensdauer zu ersetzen, muss ein durchschnittliches deutsches Braunkohlekraftwerk also 130.000 Tonnen Kohle verbrennen, das entspricht in etwa dem 19-fachen der Windrad-Masse. Zudem werden die meisten Komponenten der Anlagen bereits heute recycelt: Stahl und sonstige Metalle werden zerteilt und an den Schrotthandel verkauft, der Beton wird zu Betonsplitt und Brechsand zerkleinert und kann dann im Straßen- und Wegebau genutzt werden.

Die 130.000 Tonnen Kohle hingegen nerven noch eine gefühlte Ewigkeit in der Atmosphäre herum und fallen dort unseren Kindern und Enkeln auf den Wecker. Auch Photovoltaik-Module haben immer bessere Recycling-Quoten bzw. gibt es erste Firmen, die gebrauchte Solarmodule wieder aufbereiten, so dass diese weiter genutzt werden können.

Zwischenfazit: Ja, auch Erneuerbare verbrauchen Rohstoffe, aber eben viel weniger. Das entlässt uns nicht aus der Verantwortung, Lösungen zu finden, so dass alle Bereiche sorgsam mit den planetaren Ressourcen umgehen. Die Energiewende abzulehnen, weil sie so viele Rohstoffe benötigt, ist aber ähnlich zielführend als würde jemand bei einsetzendem Regen aus Angst, dass sein Porte­mon­naie nass wird, in den Fluss springen.

Letzter Teil: Was kostet uns eine Energiewende?

Das ist einerseits eine sehr berechtigte, andererseits aber auch recht irreführend gestellte Frage, denn durch diese Formulierung bekommen viele Menschen den Eindruck, nur Wind- und Solarkraftwerke kosteten Geld, während Kohle- und Kern- und Gaskraftwerke ja ohnehin schon in der Gegend herumstehen und von einer Schar Hauselfen betrieben werden. Nun ist die Realität aber folgende:

Solltet ihr nicht ungeheures Glück haben und ein Kohlekraftwerk in der örtlichen Free-Your-Stuff-Gruppe auftreiben können, dann kostet so eine Anlage einen ganzen Batzen Geld. Für den berühmt-berüchtigten Kohlekraftwerksblock Datteln 4 liegen die Baukosten zum Beispiel bei 1,5 Milliarden Euro. Musste jetzt im Wahlkampf irgendwer vor der Kamera beantworten, warum das so viel Geld kostet? Nein, ist doch klar, für den Strom natürlich. Was für eine doofe Frage!

Okay, aber warum müssen Politikerinnen und Politiker in diversen Sendungen zur Bundestagswahl dann immer wieder die Frage beantworten, mit welchem Geld denn die Energiewende bezahlt werden soll? „Wie teuer wird die Energiewende für uns?“ ist ein beliebter Aufmacher, um sie in Erklärungsnot zu bringen, während in keiner der vielen Talkshows die lieben Fossil-Onkels gefragt werden, mit welchem Geld denn all der fossile Strom bereitgestellt werden soll.

Und wieso fragen die dann nicht gleichzeitig nach dem Nutzen? Klar, wenn ich mir immer nur die Kosten angucke, dann kann ich damit ja irgendwie jede Investition als vollkommen sinnlos einordnen. „Eine Toilette mit Wasserspülung? Pah, das kostet inkl. Anschluss an die Kanalisation doch tausende Euro“ könnte man sagen, aber dann sitzt man halt auch ständig auf einem zugigen, wenig stimulierenden Plumpsklo im Garten herum, und kann da sein gespartes Geld zählen – will das irgendwer wirklich?

Die Bundesregierung setzt Investitionen für die Energiewende von insgesamt 550 Milliarden Euro an. Nun scheint die Bundesregierung hier aktuell noch auf göttliche Hilfe zu hoffen oder setzt darauf, dass CO2-Moleküle ab dem kommenden Jahr anders mit Wärmestrahlung wechselwirken als die letzten 13,8 Milliarden Jahre, deswegen würde ich jetzt um es richtig pessimistisch zu rechnen das doppelte ansetzen. Bei ambitioniertem Ausbau in nur 10 Jahren wären das 110 Milliarden Euro pro Jahr.

Ja, das klingt erst mal nicht nach einem Schnäppchen, aber was kostet denn fossiler Strom? im Jahr 2019 haben wir allein für Rohöl- und Erdgasimporte 63 Milliarden Euro bezahlt, für Steinkohleimporte zahlen wir aktuell 2,6 Milliarden Euro pro Jahr und der Braunkohleabbau wird mit Hilfen und Steuervergünstigungen in Milliardenhöhe querfinanziert. Das bräuchten wir in Zukunft alles nicht und könnten diese gigantischen Beträge komplett einsparen, und da sind noch keine Kosten für den Bau von Kraftwerken, Pipelines, Raffinerien etc. berücksichtigt. Zudem läge die Wertschöpfung dann im Land, anstatt vergoldete Protzkarren saudischer Prinzen zu finanzieren.

Diese Rechnung ist aber auch aus einem anderen Grund unvollständig: Einen großen Teil der Kosten bezahlen wir aktuell ja gar nicht, sondern überlassen ihn unseren Kindern als sauteures Vermächtnis in Form von Klimafolgekosten. Allein die Flutkatastrophe dieses Jahr kostet uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahler voraussichtlich 30 Milliarden Euro. Ich weiß, es ist nicht belegbar, ob die Flutkatastrophe 2021 vom Klimawandel ausgelöst wurde, aber eine weitere Erwärmung macht solche Ereignisse deutlich wahrscheinlicher und wird mehr solcher Kosten verursachen. Mit 30 Milliarden Euro kann man eine Menge Windkraftanlagen installieren, just saying.

Wir benehmen uns aktuell so, als würden wir mit der Familie ins Restaurant gehen, dort fürstlich speisen, am Ende zahlen wir aber nur die Hälfte und stellen für die andere Hälfte einen Schuldschein auf unsere Kinder aus. Dann streicheln wir ihnen über den Kopf und sagen „Na, das war jetzt aber lecker, was? Herr Ober, wir nehmen noch eine Runde Champagner!“ Die energiebedingten Emissionen lagen im Jahr 2019 bei 662 Megatonnen CO2. Selbst bei optimistischen Klimafolgekosten von 200 Euro pro Tonne CO2 entspricht das Klimafolgekosten von 132 Milliarden Euro (!). Nur für das Jahr 2019. Der Begriff „schwarze null“ wirkt vor diesem Hintergrund fast schon zynisch.

Und das sind keine nebulösen Fantasiezahlen, das werden die Generationen nach uns bezahlen müssen für Reparaturen, Lebensmittel, Gegenmaßnahmen, Versicherungsbeiträge und vieles mehr. Sagen nicht irgendwelche bekifften Hippies, sondern erläutert zum Beispiel Frank Best, Professor für BWL an der Uni Konstanz hier sehr anschaulich. Selbst mit dieser echt großzügigen Rechnung kostet uns die Verhinderung der Energiewende doppelt so viel, als wenn wir jedes Jahr 100 Milliarden Euro dafür in die Hand nehmen.

Hinzu kommen noch die zehntausenden verlorengegangenen Jobs und die Schwächung des ganzen Wirtschaftsstandorts, wenn wir hier Firmen im zentralen Energiesektor der Zukunft pleite gehen lassen. Allein die USA wollen im PV-Sektor 1,5 Millionen neue Jobs schaffen, dann liefern die in Zukunft halt Solarmodule in alle Welt. Wenn also jemand sagt, eine Energiewende sei zu teuer, ist das im Grunde eine massive Diskriminierung junger und ungeborener Menschen, auf deren Kosten er/sie aktuell lebt.

Fazit: Die Energiewende scheitert nicht an der Technik. Wir können klimaneutral genug Energie erzeugen und auch speichern. Wir können auch unsere Netze entsprechend ausbauen, sie verbraucht weniger Rohstoffe als fossile Technik und kommt uns viel günstiger als ein Festhalten am alten System.

Was uns dafür aktuell fehlt: Politischer Wille und die Weitsicht, dieses Jahrhundertprojekt endlich mit dem nötigen Ernst anzugehen. In diesem Sinne kann ich nur raten, am übernächsten Sonntag Menschen zu wählen, die das verstanden haben.

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