hr-iNFO – wer’s hört, hat mehr zu sagen. Im Zweifel Bullshit im Quadrat.

Ich weiß, ich sage das jedes Mal, wenn ein Medium die Messlatte im Niveaulimbo in ungeahnte Tiefen drücken konnte, aber jetzt ist es wirklich so: Das, was hr-iNFO da seit vergangenem Freitag abgeliefert hat ist mit das furchtbarste und am schlechtesten recherchierte Material, das ich seit dem Startschuss dieses Blogs ertragen musste. Und da schließe ich die Werbung für Gutfleisch und dieses himmelschreiend idiotische Video über Schweinchen Lilly in der Ausbildung zum glücklichen Schnitzel explizit mit ein.

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Und um das korrekt einzuordnen muss man mit bedenken, dass hr-iNFO weder mittelständischer TK-Schnitzel-Produzent noch Agrar-Lobby-Kaspertheater mit durchsichtigem Werbe-Auftrag ist, sondern ein Sender mit an sich selbst formuliertem Qualitätsanspruch – nämlich, dass die Hörer am Ende „mehr zu sagen haben“. Ich höre den selbst oft stundenlang auf der Autobahn und ging immer davon aus, dass dort hohe Qualitätsstandards und journalistische Seriosität gelten – ist vermutlich auch bei einem Großteil der Beiträge so.

Was war passiert? Der Facebook-Onkel vom hessischen Rundfunk fand, dass man mal mehr Traffic auf der Seite gebrauchen könnte und postete anlässlich des Weltvegetarier-Tags einen Bilderwitz mit dem Humorverständnis einer deutschen Komödie von 1967 und der angesichts des ernsten Themas notwendigen Sensibilität einer Luft-Boden-Rakete. Ein in eine Salami geschnittenes Smiley-Gesicht mit dem Text, dass dem Sender der Welt-Vegetariertag Wurst sei. Haha, haha, haha, was haben wir alle gelacht. Naja, nicht alle – spontan auf der Strasse befragte Passanten sind beim Nacherzählen spontan ins Koma

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Heute machen wir uns mal über Leute lustig, einfach weil wir deren Motive nicht begreifen. Hahaha

Gibt es auf der Widerwärtigkeitsskala innerhalb der Flüchtlingsdebatte eigentlich überhaupt eine Art Limit oder ist da unbegrenzt Luft nach oben? In schwachen Momenten klicke ich manchmal in einer Art krankhaftem Zwang auf die Profile der Leute, die zu meinen Posts bzgl. Asylpolitik die mit Abstand hohlbirnigsten Kommentare hinterlassen haben. Also nicht der übliche Die-haben-alle-Handys-und-Waschmaschinen-und-waschen-sich-dreist-Quatsch, sondern so Beiträge, bei denen man sich unweigerlich fragt, wie der Autor es überhaupt geschafft hat, das Wort „facebook“ fehlerfrei in die Adressleiste getippt zu bekommen. Haben die denn alle Betreuer? Und werden die wiederum von Steuergeldern bezahlt? Und können die diesen Idioten nicht einfach das Handy wegnehmen und sie zum Spielen raus in den Garten schicken?

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Wer mal ein Top-10-Ranking der bei den hirngebräunten beliebtesten und gleichzeitig ekelhaftesten Statements erstellen will, der wird nicht um das Bild mit den 4 Syrern vorbeikommen, die mit einem Transparent der Sorge um ihre Kinder Ausdruck verleihen. Selbst ein kleiner Rest-Funken Empathie sollte ausreichen, das Schicksal dieser Männer nachzuvollziehen – irgendwer hat sich aber auch den nachhaltig mit Dosenbier in schwarz-rot-gold weggesoffen oder mit systematischer Verblödung von Netzplanet oder pi-News ersetzt und wirft diesen 4 Menschen allen Ernstes vor, ohne ihre Familien „abgehauen“ zu sein, anstatt zu kämpfen. Man kann nur grob erahnen, wie weit das eigene Weltbild von der Realität entfernt sein muss, damit einem dieser Vorwurf nicht himmelschreiend ungerecht erscheint, während man ihn in einem Meme verewigt.

Leider verweigern sich die meisten dieser kognitiven Standspur-Nutzer ja jeglichem

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Kreatives Schreiben mit Eckhard Fuhr – Lektion heute: Wir machen einen Artikel ganz ohne Recherche

Das Journalisten-Dasein ist ein hartes Brot. Man bekommt vom Chefredakteur ein undankbares Thema, muss vor Ort mit Menschen sprechen, sich tagelang im Archiv ins Thema einlesen und ggf. noch Expertengespräche führen, nur um dann am Ende als Lügenpresse beschimpft zu werden. Das geht auch einfacher, dachte sich Eckhard Fuhr vor ein paar Jahren. Seitdem nimmt er Themen gerne mit nach Hause in die Hängematte oder die Eckkneipe, schaut ein bisschen in die Wolken bzw. tief ins Glas und denkt sich dabei in eine Märchenversion der wirklichen Welt. Aus dieser Perspektive erfindet er dann was lustiges, überprüft nicht eine Sekunde, ob das mit der Realität noch was zu tun hat, lässt sich vom Wirt eine Serviette geben und schreibt seine Wahnvorstellung dann zügig runter. Andere Leute suchen sich für so was dann einen Verlag, der das unter „Fiktion“ veröffentlicht. Fuhr geht damit zum Springer-Verlag, die packen diesen Quatsch in die WELT und nennen es „Essay“. Selbst schuld, wenn man den Laden unterstützt, als Gegenleistung wird man schön angelogen.

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Bei Alice im Wunderland gibt es die Grinsekatze und den verrückten Hutmacher, in Fuhrs Fabelwelt gibt es einen „kollektiven Ekel“ und einen „hysterischen Krampf“, den „viele durch ethisch korrekte Ernährung abstellen wollen“. Keine Ahnung, wie es in der Kantine des Axel-Springer-Hauses so zugeht, aber in den langen Ausgabeschlangen der letzte Woche von mir besuchten Kantine vor Tagesgericht I und II (Würste oder Schweinenacken) war von Krampf oder Ekel wenig zu sehen. Außer mir selbst gab es nicht gerade „viele“, die sich ebenfalls nur Beilagen zusammenkombiniert haben. Und auch landesweit kann man beobachten, dass Ekel primär auf dem Höhepunkt des aktuellen Lebensmittelskandals feststellbar ist, an dem dann die Dioxin-Eier zu Gunsten von vollkommen pferdefreier Lasagne im Regal liegen gelassen werden. Und wenn dann herauskommt, dass „pferdefrei“ einen gewissen Spielraum für Interpretationen zulässt, isst man halt wieder mehr Eier. War da nicht Dioxin drin? Ach egal, Hauptsache lecker!

Was Fuhr hier mit einem Haufen vielsilbiger Wörter umständlich zu sagen versucht, ist, dass er

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From Sarah with Love-Hate

Mit Sarah Wiener verbinde ich so eine Art Hassliebe (ha-ha, der Veganer hat „Hass“ geschrieben). Nein, ich werfe morgens keine Dartpfeile auf ein in eine Zielscheibe eingerahmtes Sarah Wiener-Foto, aber wenn sie irgendwo erscheint, dann ist meine Erwartung erst mal vorsichtig. Das ist so, wie wenn Jogi Löw einen dieser Überraschungsei-Stürmer einwechselt, die an guten Tagen alleine einen 0:3 Rückstand aufholen können, aber an schlechten Tagen ständig nur über die eigene Hose stolpern, so dass man sie nach 5 Minuten wieder auswechseln möchte. Mit dem Unterschied, dass man Sarah Wiener nicht so ohne Weiteres auswechseln kann. Sie wird oft zu Talk-Shows mit Ernährungsthemen eingeladen und ist dann dort zugegeben meist die mit Abstand hellste Person der Runde, aber an schlechten Tagen…

Sarah ist eine der wenigen Personen, der ich ihre „ich esse nur Bio-Fleisch“-Grundsätze tatsächlich abnehme – während die meisten anderen Menschen mit „Ich esse fast nur Bio-Fleisch“ meinen, dass sie im November 2009 mal welches gekauft haben, zieht Sarah das offenbar durch. Ich erkenne das an, auch wenn ich den Grundgedanken dahinter nicht teile. Mir kommt das mit dem Bio-Fleisch so vor als wenn jemand an Silvester den guten Vorsatz fasst, nächstes Jahr nur 10 alte Autoreifen in den Rhein zu schmeißen. Klar, 10 alte Reifen im Rhein sind besser als 50 alte Reifen im Rhein. Aber das Bild, wie die 10 schwarzen Kautschuk-Teile im Wasser herumdümpeln, ist halt irgendwie doch unschön. Da fragt man sich schon irgendwann, ob es überhaupt alte Reifen im Rhein braucht.

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Anyway, sie ist trotzdem meist die Person einer Gesprächsrunde, die meiner Position deutlich am nächsten ist, weil diese Fernseh-Nasen bei der Auswahl von Studiogästen mitunter das Talent einer Stubenfliege auf LSD an den Tag legen und Frau Wiener 4 Hardcore-Wurst-Päpste zur Seite setzen. Zum Thema „Fleischlose Ernährung, ist das nicht was für vollkommen kranke Spinner“ lädt man bei ARD und ZDF gerne mal 5 Fleischesser ein, eine ähnlich vielversprechende Zusammenstellung als würde man zum Thema Schwangerschaftsbeschwerden eine Runde mit 5 alten Männern moderieren. Und dann ist Sarah meist

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Protect our Schotenkresse reloaded

Oh Mann, echt jetzt, schon wieder? Ich wollte da eigentlich gar nichts zu schreiben, denn wir hatten diesen ganzen Unsinn ja letztes Jahr schon, als die halbe Fleisch-Republik spontan ihr Mitleid für eine ihr bis dato mit Namen unbekannte Pflanzenart bekundete und mit diesem zuhauf Vegetarier-Foren fluteten. Leider hat der Praktikant in charge bei Focus Online die Nacht durchgesoffen und daher in Ermangelung einer echten Story einfach genau den gleichen Bockmist von der Huffington Post abgeschrieben, ihn sinnloserweise mit „Für alle Veganer:“ adressiert und allen Ernstes Online-Speicherplatz mit dem Untertitel „Bäume und Gemüse leben in Todesangst“ verschwendet. Und den teilen jetzt die Genießer von Kantinen-Schnitzel für Eur 2,99 und schicken mir vor Häme triefende PNs zu. Familiäre Pflanzengruft

Ach je… Ich meine, auch noch ausgerechnet der Focus! Hat mal jemand in letzter Zeit beobachtet, was eine peinliche Clickbait-Strategie die Focus-Facebook-Präsenz aktuell verfolgt? Da erscheinen nur für sich selbst null informierende Links, dessen Aufmachung stark an heftig.co erinnern, da der User nur bei entsprechendem Klick die vermeintlich bahnbrechende Neuigkeit erfährt. „Ihr werdet nicht glauben, wie diese Frau vorher aussah! Sie hat 400 (!) Kilo abgenommen“, „Dieser Schüler […] macht […] eine spektakuläre Entdeckung“, „Die Maut-Lüge: Politiker packt aus – darum könnten alle Deutschen draufzahlen“ und ähnlicher Quatsch. Und von da bezieht ihr eure Argumentation?

Abgeschrieben hat der Focus sein Veganer-Bashing von der

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Biofleisch esse ich nicht – aus Rücksicht auf arme Menschen!

Echt jetzt, es kommt mir vor wie diese chinesische Wasserfolter, bei der ein Tropfen immer auf die gleiche Stelle trifft. Für sich genommen ist der Tropfen ganz harmlos, aber die ewige Wiederholung, wieder und wieder und wieder, die macht es mit der Zeit unerträglich, so dass man es zwar recht lange aushält, aber irgendwann NUR NOCH SCHREIEN MÖCHTE!

*hüstel* – Zumindest geht es erst mal ganz harmlos um Bioschweine. Ja, das sei ja alles wirklich toll, mit dem Biosiegel. Den Tieren ginge es da echt prima, so richtig im Freien und mit dem gesunden Futter. Die überschüssigen Ferkel werden in Kissenschlachten zu Tode amüsiert, bis sie grinsend sanft entschlafen, und für den Rest sind auf die Kreissägen im Schlachthof lustige Hello-Kitty-Bilder in Feng-Shui-Ausrichtung gedruckt. Eben alles ganz schonend und artgerecht, mancher Mensch denkt schon über ein aufwändiges Umoperieren zu einem Schweinekörper nach, so beneidenswert ist die Aufzucht.

ErnährungsministerNun würde ich selbst die landesweite Umstellung der Tierhaltung auf Biostandard nicht als wirkliche Lösung des Problems bezeichnen, zugegebenermaßen aber als durchschnittliche Abschwächung besonders schlimmer Zustände. Aber selbst von diesem Minimalziel sind wir ja mehrere astronomische Einheiten weit entfernt. Denn nachdem irgendwer sich dafür ausgesprochen hat, Hühnern gemäß Bioverordnung mehr Fläche als ein Din-A4-Blatt zur Verfügung zu stellen, kommt er, der ultimative Wasserfolter-Schwachsinnsspruch mit Prädikat „Auch Gehirne von Ernährungsministern produzieren Ausscheidungen“:

„Nicht jeder kann sich ein Huhn für 25 Euro leisten!“

Aua aua, welch Schmerz. Ja, stimmt schon, rein faktisch betrachtet ist das natürlich richtig falsch … ehm … ungenau. Der Aussage würde für ihre ultimative Aussagekraft eine zeitliche Dimension irgendwie echt guttun. Tatsächlich kann sich jeder ein solches Huhn leisten, die Frage ist nur, wie oft. Ich kann mir auch mit dem Gehalt eines Webdesigner-Assistenten eine Weltreise leisten, nur muss ich dafür entsprechend lange sparen. Okay, sollte das gemeinte Produkt tatsächlich mehr kosten als mein gesamtes Lebenseinkommen beträgt, bin ich aus der Nummer raus – aber wir reden von 25 Euro.

Was mit diesem verbalen Fluchtversuch wirklich gemeint ist, ist natürlich, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht genug Asche auf der Bank haben, um ihren Fleischkonsum bei gleicher Menge einfach mal komplett auf bio umzustellen. Und auch, wenn das so dahingesagt fürchterlich edel klingt, als würde es der Person wirklich um arme Menschen gehen, so wird mit diesem Gedanken erst mal nur das Schicksal armer Menschen abzumildern versucht, indem man einem Vielfachen an Tieren ein noch viel schlimmeres Schicksal aufbürdet.

Bio or not bio

Und das sagt dann auch noch der Bundes-Ernährungsminister (bei 48:55) als Beleg dafür, dass er sich „um die ganze Gesellschaft“ zu kümmern hat. Lieber Herr Schmidt, ein klarer Blick auf die Realität dürfte mit viel Einfluss von CSU-Kollegen kompliziert sein, aber: Wenn Sie sich für die ganze Gesellschaft verantwortlich fühlen, dann ist das Verfüttern von gesundheitlich fragwürdigen Massenstallhühnern an die Ärmsten der Armen und das Opfern der planetaren Substanz für nachfolgende Generationen ein mit diesem Gedanken ziemlich unvereinbares Verhalten. Ihre Wähler mögen ja nach Billigfleisch schreien – aber das auch zu ermöglichen, hat mit gesellschaftlicher Verantwortung so viel zu tun wie die flächendeckende Versorgung mit Alkopops zu vertretbaren Preisen, weil die eben gerne getrunken werden.

Es ist halt eine ökonomische Gesetzmäßigkeit, an der man nicht rütteln kann: Zum heute üblichen Preis kann man Fleisch nur produzieren, wenn daran massiv Kreatur und Planet leiden. Wer für einen „fairen“ und damit viel höheren Preis dann noch wie viel davon kaufen könnte, ist nüchtern betrachtet ein theoretisches Gedankenspiel unserer modernen Welt. Geboren aus der sehr besonderen und zeitlich begrenzten Situation, dass es eben jetzt gerade so absurd billig ist. Hätten vor 50 Jahren Leute gesagt „Zu den jetzigen Preisen können sich nicht alle Menschen jeden Tag Fleisch erlauben“, wäre die Antwort schlichtweg gewesen: „Stimmt, das Leben ist kein Ponyhof. Deal with it.“ Heute ist die Antwort: „Stimmt, wie furchtbar! Lass uns Tiere in winzige Verschläge sperren und mit Scheiße füttern, damit jeder immer Fleisch essen kann!“

Ich will damit jetzt nicht verharmlosen, dass es in Westeuropa immer noch bitterarme Familien gibt, für die soziales Abseits und unerbittliche Perspektivlosigkeit den traurigen Alltag ausmachen – aber deren Probleme löst man nicht, indem man ihnen billiges Fleisch in den Kühlschrank subventioniert, im Gegenteil. Es ist viel eher eine Frage von einer immer weiter auseinanderdriftenden Einkommensverteilung und unfairen Voraussetzungen in unserem Bildungssystem – das hat aber mit Biofleisch nur bedingt was zu tun.

Würde es hier wirklich um Chancengleichheit gehen, wieso höre ich dann nicht auch ähnliche Forderungen zu anderen Produktionsbedingungen? Ist die Flugbenzinsteuer nicht hochgradig unsozial? Nicht jeder kann sich einen Interkontinentalflug für 1200 Euro leisten! Abkommen gegen Kinderarbeit beim Kaffeeanbau? Nicht jeder hat genug Bares, um 20 Euro für 500 Gramm Bio-Fairtrade-Kaffee zu bezahlen! Lohnfortzahlung im Krankheitsfall? Dann wird am Ende ja das Bier teurer, wenn diese Faulpelze in den Brauereien ständig krankfeiern!

Hand aufs Herz – trotz der Preissteigerung sind das doch alles erstrebenswerte Errungenschaften, auch im Sinne der Mehrheit, weil der vorher niedrige Preis eben nur mit inakzeptablen Methoden möglich war. Oder würde sich ernsthaft jemand zu „hart aber fair“ setzen und Frank Plasberg erklären „Ja, mir tun diese 10-Jährigen ja auch leid, dass sie in diesen Schuhfabriken eingesperrt sind. Aber Markensneaker für 180 Euro kann sich eben nicht jeder leisten“? Ein Aufschrei der Empörung wäre die Folge.

Ach ja richtig, der Unterschied ist eben, dass es bei Kinderarbeit um Menschen geht und bei Fleisch um irgendwelche bedeutungslosen Viecher. Aber Schmerz ist Schmerz, für den muss man nicht auf zwei Beinen laufen können. Ich glaube ja nicht an Wiedergeburt oder so was, aber hätte ich für das nächste Leben die Wahl zwischen dem Schicksal eines indischen Jeansnäherkindes und dem eines Huhns in einem Wiesenhofbetrieb, dann würde ich mir schon mal das Hindi-Wörterbuch in den transzendenten Warenkorb legen. Und nein, Fleisch ist kein unersetzbares Grundnahrungsmittel, der menschliche Körper kommt ohne sehr gut klar, sogar weit besser als mit großen Mengen davon.

Warum ich den obigen Satz aber geradezu schmerzhaft doof finde: Ich höre ihn wahnsinnig oft von nicht gerade armen Leuten. Ich sitze in Kantinen von großen Unternehmen herum, an meinem Tisch ausnahmslos Personen mit Gehältern jenseits der 50.000 Tacken im Jahr, ein paar sicher auch noch weit darüber. Und alle haben 250 Gramm Tierprotein auf dem Teller, das im Stammmenü unfassbar günstig ist, während sie sich über Hobbys unterhalten, die alle nicht unbedingt günstig sind. Coole Tablets, edle Uhren, teure Urlaube, alles tipptopp. Niemand käme auf die Idee, an den hohen Preisen was Verwerfliches zu finden. Im Gegenteil: Dass Qualität auch was kostet, scheint auf einmal zur belächelten Binsenweisheit zu verkommen. Keiner von Euch würde dem anderen seinen Audi-Firmenwagen madig reden, weil sich ja nicht alle einen A4 leisten können.

Dann fällt der Blick auf meinen Teller. „Woran erkennt man einen Veganer? Keine Sorge, er wird es Dir sagen!“ Es fragen ihn nämlich alle Löcher in den Bauch, warum denn auf seinem Teller nur unmotiviertes Beilagengemüse rumliegt und dieses in Ermangelung einer echten Soße ohne Tier drin mit schnarchigem Salatdressing garniert ist. „Woran erkennt man einen Menschen, der sich über Veganismus noch nie Gedanken gemacht hat? Er wird sich furchtbar albern aufführen und Dir erklären, dass sich aber nicht alle Biofleisch leisten können.“

Nein, das können nicht alle. Aber Ihr mit Euren Preisvergleichportalen für Markenhandtaschen, Pay-TVs und Cabrios, Ihr könnt das! Ihr wollt nur nicht. Ihr steht zu Hunderten in den Schlangen der Essensausgaben und macht Euch nicht einen einzigen Gedanken darüber, wie es der Kreatur mal ging, die jetzt Tagesgericht A heißt. Ihr bewohnt die viertgrößte Volkswirtschaft der Erde mit Export-Weltrekord. Die stolz ist auf ihre guten Arbeitsbedingungen und sozialen Errungenschaften und sich darüber empört, wie es anderswo ist.

Aber wenn sich dann die Erkenntnis nähert, dass andere Leute auch die sogenannten Nutztiere in dieses Wertesystem von Fairness und Gerechtigkeit aufgenommen haben, dann entdeckt Ihr ganz plötzlich Euer soziales Gewissen exklusiv für Menschen. Dann mutiert Ihr zu einer Art Fleisch-Robin-Hood und schiebt die Armen vor als Begründung dafür, dass man aus Tieren leider auch den letzten Eurocent herausquetschen muss. Ihr sitzt in Talkshows und erklärt, dass 20.000 Hühner in einer Halle schon irgendwie blöd sind, aber anders würde man halt die Armen ausgrenzen. Oder Ihr sitzt im Publikum und beklatscht diesen Redebeitrag frenetisch. Auch wenn Ihr in einem Hochgeschwindigkeitszug angereist seid, in einem hübschen Hotel übernachtet, satt vom 3-Euro-Dönersandwich seid und Euch um Armut sonst nicht besonders schert.

Das Problem sind doch nicht die Armen. Laut Armutsbericht sind 16 Prozent der Deutschen von Armut bedroht. Wenn also die anderen 84 Prozent auf das konventionelle Zeug verzichten würden, dann wäre ja schon was erreicht (wenn auch lange nicht genug). Ständig erzählen mir Fleischesser, dass man zurückkehren müsste zu Zeiten, in denen es nur einen Sonntagsbraten gab. Ja, dann macht das doch einfach, was hindert Euch daran? Die Tatsache, dass in das Budget von armen Menschen kein Biohuhn passt? Wow, klingt so sinnig wie „Tut mir leid, ich kann Dich nicht vom Bahnhof abholen, mein Nachbar hat nämlich keinen Führerschein“.

Ja, für jemanden ohne große Geldsorgen ist es einfach, die Verteuerung von Fleisch in Kauf zu nehmen. Auf der anderen Seite tut die Bitte-schön-billig-Fraktion immer so, als gäbe es ein Menschenrecht auf 1,99-Euro-Schnitzel und die tägliche Druckbetankung des eigenen Körpers mit Gammelfleisch. Aber nicht, weil Fleisch echt wichtig oder unersetzbar wäre, sondern weil es wirrerweise immer noch als eine Art Statussymbol verstanden wird. Würde ich im Bundestag dafür plädieren, die Umsatzsteuer für Flugananas auf 7 Prozent zu drücken, weil sich „nicht jeder eine frische Ananas für 5 Euro leisten kann“, ich würde ausgelacht. Damit würde man ja den umweltschädlichen Transport subventionieren, würde die Christlich-Soziale Partei der Nächstenliebe vermutlich entgegnen. Und außerdem: Dann kann man halt nicht jeden Tag erntefrische Ananas essen.

Warum diese Aussage in Bezug auf Flugobst in diesem Land als plausibel gilt, aber dieselbe Logik auf noch viel schädlichere Fleischprodukte angewandt in einem Aufschrei der Empörung mündet, wird mit dieser Frage betraute Historiker in 100 Jahren vermutlich in die Verzweiflung treiben.

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Na, immer noch nicht genug? Dir gefällt der Artikel wohl und Du würdest gerne mehr solcher Texte hier sehen, was? Du denkst, der Autor dürfte ruhig mal weniger faulenzen und mehr in die Tasten hauen? Du hast die richtige Einstellung!

Damit der hiesige Blogger weniger Zeit mit schnöder Prozessberatung verschwendet und sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier einen Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar, würde sich gegen all die Mangelerscheinungen was vernünftiges zu Essen kaufen und Dich dafür gerne namentlich erwähnen (wenn Du das denn überhaupt willst).

Flüchtlinge? Sollen ihre Waschmaschinen doch selbst mitbringen…

Aaaaah, I don’t want to live on this planet anymore!

Dass der Vorwurf, Kriegsflüchtlinge besäßen voll teure Handys, ziemlich lahm ist, hatten wir ja schon.
Eine andere recht merkbefreite Variante ist, dass die echt krasse Marken-Klamotten tragen. Denn wenn man Klamotten für Flüchtlinge spendet, dann bitte nur alte Kartoffelsäcke und verdreckte Lumpen. Generell sollten die Flüchtlinge bitte aus Rücksicht auf das Selbstwertgefühl von Versagern möglichst klein gehalten werden.

Aber jetzt wird es richtig absurd – ein paar ganz aufrechte haben festgestellt, dass man den Flüchtlingen nicht nur Wasser und Brot gönnt, nein, irgendwelche linksgrün-versifften Naivlinge in der Stadtverwaltung stellen dem Flüchtlingsheim doch tatsächlich Waschmaschinen. Zwei Waschmaschinen? NOOOIN! Es handelt sich nicht um 2, nicht um 4, vielmehr handelt es sich um 8 (acht) (sic!) (#CantBelieveThisIsTrue) „HIGH-END-Waschmaschinen“. (doublesic!)

Flüchtlinge waschen

High-End, also mit Klappe zum aufmachen und einem Extra-

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Von unglaubwürdigen Vegetariern und defekten Replikatoren

Breaking News: Vegetarier sind unglaubwürdig! Denn wer Fleisch komplett ablehnt, der isst auch kein aus dem Labor gezüchtetes, sog. In-Vitro-Fleisch und das ist ein ganz klares Anzeichen für naive Gutmenschen-Hippies mit Tofu-Kränzen im Haar und Vakuum zwischen den Ohren. So zumindest der Vorwurf dieses Wochenende. Just for the record: Ich wollte nur in den Mai reinfeiern und irgendwer kam auf den Film „Los Veganeros“ zu sprechen, worauf dann wieder jemand anders ein sehr, sehr böses, mit dem Buchstaben „V“ beginnendes Wort vernahm, um dann spontan auf der Bierernstigkeits-Skala in den roten Bereich vorzustoßen.

Ja, wir Veggies, wir sind ja echt so doof! Essen kein Labor-Fleisch, tsss, wie behämmert. Ok, meine Entschuldigung: Man kann noch keins kaufen. Bzw. wenn doch, dann liegt der Preis für 100 Gramm je nach Forschungsteam zwischen 80 und 250.000 Euro. Aber sollte das mal erschwinglich werden, so dass man aus einem Klumpen Stammzellen unter Zufuhr von Nährlösung und Sauerstoff ein Burger Patty herstellen kann, dann hätte ich null Probleme damit, das zu essen. Da müsste dann nämlich mutmaßlich kein Tier drunter leiden, das ganze wäre um Größenordnungen umweltfreundlicher und viel besser kontrollierbar was Krankheitserreger und Giftstoffe angeht:

Ist vermutlich nicht jedermanns Sache… wenn also jemand aus ästhetischen Gründen einfach lieber eine Linsensuppe isst als

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Besinnlichkeit 2.0

Morgen wird das Land wieder ganz besonders besinnlich. Denn vor 2000 minus x Jahren ist Jesus laut biblischer Überlieferung für unsere Sünden gestorben, indem man ihn brutal einen mehrtägigen Todeskampf am Kreuz durchleiden ließ. Dieser Anlass ist für viele so unsagbar traurig, dass man auch von den Nicht-Christen Solidarität in Form einer Art mentaler Trauerbeflaggung einfordert. Es soll bitte nicht getanzt werden, Sportveranstaltungen sind in vielen Gegenden verboten und auch die religiösen Bräuche anderer Religionen sollen bitte auf andere Tage verlegt werden.

Demut 2.0_sm

Ich bin bekanntermaßen nicht gerade ein Freund dieser Praxis. Dass die Stadt Köln für diesen Tag keinen Karnevals-Umzug durch die Innenstadt genehmigt – ok. Aber inwiefern fühlen sich Christen darin gestört, wenn ihnen unbekannte Menschen in schallisolierten Hallen in abgelegenen Gewerbegebieten tanzen? Dr. Haverkamp antwortet darauf in der NOZ, der Karfreitag solle eben „ein Tag des Nachdenkens über Sterben, Tod und Leid sein“. Und das seien „existenzielle Themen, die jeden etwas angehen.“.

Gut, dann seien wir mal besinnlich anlässlich des Todes Jesu, der sich ja angeblich für uns geopfert hat und damit zu einem Synonym für Nächstenliebe geworden ist. Denken wir mal nach über Sterben, Tod und Leid. Da fällt mir ganz spontan zum Thema Ostern ein: Warum zur Hölle noch mal begehen wir dieses Wochenende eigentlich damit, im großen Stil Tierkinder zu

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