… und dann heulte Ralf Sotscheck einfach mal seine ganze Kolumne in der taz voll.

[Edit: Zum Vorwurf, das sei ohnehin alles nur Satire, ist weiter unten ein Nachtrag.]

Angenommen, Ihr geht mit Caroline und Hugh essen. Angenommen, die verhalten sich irgendwie merkwürdig und wunderlich. Angenommen, der Abend ist so ein richtiger Reinfall und Ihr setzt Euch einen Vermerk ins Langzeitgedächtnis, dass man mit Caroline und Hugh lieber zum Kitesurfen geht oder eine Kuschelparty besucht als ein Restaurant – würdet Ihr dann Eure Kolumne bei der taz mit acht Absätzen Mimimi verunstalten, in denen Ihr unerträglich belanglos darüber schwadroniert, dass andere Menschen beim Bestellen des Hauptgangs Eure Gefühle verletzt haben?

Den meisten würde wohl spontan interessanterer Stoff einfallen, zum Beispiel „Wie entstaube ich effektiv meine Knibbelbildsammlung?“ oder so eine Bilderstrecke „Die Einkommensteuerformulare der letzten 10 Jahre – so krass hat sich Anlage N verändert!“. Ralf Sotscheck waren selbst diese Themen irgendwie zu spannend und so tritt er in die Fußstapfen von Philipp Fritz, dessen Text von einem Kumpel handelt, der im gemeinsamen Urlaub was Veganes gegessen hat, und Zhang Danhong, die für die Nachwelt festhielt, dass ein Bekannter angeblich mal mit einer Veganerin essen war, indem er die unbedeutende Nichtigkeit, was genau seine uns unbekannten Freunde an einem willkürlichen Abend irgendwo in Irland gegessen haben, zu einem überregional publizierten Text aufbläht.

Wie auch beim grenzdebilen Text von Zhang Danhong fragt man sich beim Lesen dieses Stückes unweigerlich, wie viel davon wohl einfach frei erfunden ist. Ich umreiße die Passagen jetzt trotzdem erst mal so, als sei es wirklich so gewesen: Ralf Sotscheck und seine Begleitung trafen sich mit Caroline und Hugh bei einem Italiener in der Innenstadt von Dublin, die ihnen praktisch unmittelbar nach Schließen der Restauranttür, gefühlt noch bevor sie ihre Jacken an der Garderobe verstaut hatten, verkündeten, sich nun vegan zu ernähren. Ja, so machen wir Veganer das ja eigentlich immer, wir lieben es einfach, im Mittelpunkt zu stehen. Je mehr Brimborium und Dafdää beim veganen Outing, desto besser. Drama, Baby, Drama!

Da geht eigentlich auch noch mehr: Wenn ich mich mit jemandem zum Lunch treffe, der noch nicht von meiner Abneigung gegen Tiere im Essen weiß, dann warte ich ab, bis wir uns gesetzt haben. Und wenn er dann zum Gespräch ansetzt mit „Und, ist Euer Umzug jetzt…“, dann unterbreche ich ihn jäh mit einem lauten „Halt!“, springe vom Stuhl auf, gebe dem Gospelchor und den beiden Posaunistinnen ein Zeichen, auf dass sie mit ohrenbetäubender Lautstärke den Jan-ist-jetzt-vegan-Song durch den Laden schmettern (C-Dur, sehr fetzig). Wenn ich gut drauf bin, rappe ich dazu ein bisschen und zeige ein paar krasse Breakdance-Moves zwischen den Tischen, aber nicht ohne alle anzurempeln und meinen Bekannten unablässig mit einem leicht irren Blick zu fixieren. Ich weiß, viele von Euch machen das anders, aber ich sage immer: Als Veganer seid Ihr Botschafter der Tiere! Ihr müsst schon auch irgendwie sympathisch und locker rüberkommen, wenn Ihr was bewegen wollt.

Ich weiß natürlich nicht, ob Caroline und Hugh vielleicht wirklich so eine Fotopräsentation gemacht haben, zu der sie „Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein veganer Apfelstrudel…“ aufgezählt haben, aber der gute Ralf findet es ja ganz generell blöd, dass Veganer „die Sache“ nicht diskret behandeln. Die Sache, soso… Veganer sollen diese ominöse Sache, dass sie was essen wollen, also diskret behandeln. In einem Restaurant. Ralf, lies das doch einfach selbst noch mal ganz langsam, was genau stellst Du Dir vor? Dass wir der Bedienung unseren Wunsch unauffällig in Gebärdensprache mitteilen? Oder es ihr ins Ohr flüstern? Wie diskret ist eigentlich so eine Kolumne, in der Du allen erzählst, dass Du „Milkshake“ und Rindfleisch verputzt hast?

Zum Abrunden dieses Vorwurfs schiebt Sotscheck anschließend ohne den Anflug einer Begründung hinterher, dass Veganismus „ein Kult reicher Mittelschichtskinder“ sei. Ein durchaus glaubhafter Vorwurf von einem Mann, der in Restaurants der Dubliner Innenstadt Rindercarpaccio zu dinieren pflegt. Unser Abendessen gestern war Zucchini-Auberginen-Pfanne mit Reis, die Kosten für die Zutaten dürften um die 4,50 EUR liegen, es hat für zwei Erwachsene und drei Kinder gereicht – klingt für mich gar nicht mal so teuer, aber was weiß ich reiches Mittelschichtskind schon darüber.

Woran erkennt man, dass ein Autor sich auch nicht eine Minute ernsthaft mit dem Thema auseinandergesetzt hat? Daran, dass er so was schreibt:

‘Fünfundsiebzig Prozent der Weltbevölkerung vertragen Laktose nicht‘, sagte Caroline mit dem für Veganer typischen Ton des moralisch Überlegenen.

Hä? Wieso sollte Caroline sich hier moralisch überlegen fühlen? Was hat das mit Moral zu tun, wenn jemand aus akuter Unlust auf Darmkrämpfe keine Milchprodukte kauft? Yeah, Moraldefinition Ralf-Sotscheck-Style: „Ich esse keine Robbenbabys, weil ich davon immer furzen muss. Latte Macchiato? Nicht für mich, ich bin aus ethischen Gründen laktoseintolerant.“ Was für ein harter Unsinn.

Anyway, wir kommen zu einer Runde wirklich wunderlicher Bestellungen: Weil Ralfs Darm ständig unmoralisch Laktose aufspaltet, bestellt er sich extrem lässig einen Milchshake, ein Rindercarpaccio und Spaghetti Bolognese. Caroline und Hugh hingegen fragen nach einem Mandelmilchshake und bekommen keinen, fragen nach veganem Wein und bekommen keinen, bestellen dann erfolgreich Avocado auf Toast und fragen, ob man die Bolognese auch mit Quorn anstatt mit Rinderhack zubereiten könne und ob sie Pommes mit veganer Mayonnaise kriegen könnten. Wer hätte es geahnt: Sie bekamen beides nicht.

Sorry, ich wollte das durchhalten, aber ich packe es nicht: Gibt es außer in Sotschecks blühender Fantasie irgendwo die Kombination aus einem italienisches Restaurant und zwei Veganern, mit der der Abend sich tatsächlich so zutragen konnte? Zugegeben, ich war noch nie in Dublin, aber welcher Italiener hat denn Milchshake auf der Karte? Und wer bestellt das zu einem Rindercarpaccio, ist das die Empfehlung des Hauses? „Ah, senior, Empfehlung des Abends ist Milchshake mit Schlumpfeis und dazu das Carpaccio mit Dampfnudeln in Mohnsoße.“ Alles klar, genau so wird es gewesen sein.

Die Neuveganer sind zudem extrem gut informiert. So wissen sie, dass Wein oft mit Fischblase filtriert wird und bestellen deswegen keinen. Stattdessen fragen sie aber nach Bolognese aus Quorn, einem Fleischersatz mit Hühnereiweiß als Bindemittel. Der Leser denke sich hier bitte einen derartig skeptischen Blick, dass ich einen Krampf in der einen Augenbraue bekomme. Auweia, der Mann hat als Beispiel für seinen Titel „Aufgehübschter Dreck für Veganer“ tatsächlich ein Produkt gewählt, das nicht mal vegan ist. Und das sind auch wirklich dieselben Veganer, die wie die naivsten Anfänger beim Italiener nach Milchshake aus Mandelmilch fragen? Das ist ungefähr so aussichtsreich, als wenn ich im ICE-Bordbistro einen 16 Jahre alten Scotch verlange. Und anstatt eine der vielen typisch italienischen, oft rein pflanzlichen Vorspeisen wie Antipasti, Minestrone oder Bruschetta zu bestellen, ordern sie Avocado auf Toast und Pommes mit Mayonnaise. Wer kennt nicht dieses tolle Rezept für Avocadotoast auf Pommes Frites nach Toskana-Art, das man bei jedem guten Italiener bekommt? Ich bezweifle, dass ein guter italienischer Koch überhaupt einen Toaster in seiner Küche hat.

Klar, ich kann es nicht beweisen, aber wenn irgendein Wettbüro meinen Einsatz annimmt für die Wette, dass das mal schön frei erfunden ist – das ein oder andere Monatsgehalt würde ich schon riskieren. Diese Bestellung hat der Autor sich mutmaßlich schlicht deshalb zurechtgeschummelt, damit er gaaaanz beiläufig die schlechte Ökobilanz von Mandeln und Avocados sowie die industrielle Verarbeitung von Quorn erwähnen kann. Wenn seine angeblichen Bekannten nämlich einfach eingelegte Artischocken, Penne all‘arrabbiata und Spaghetti aglio e olio bestellt hätten, so wie Veganer das halt üblicherweise machen, wäre sein ganzes Aber-veganes-Essen-ist-voll-unökologisch-Argument in Flammen aufgegangen:

Die Avocado stammt bei besagtem Besuch natürlich aus Mexico, wo sie „verheerende Schäden“ anrichtet. Das Carpaccio wurde hingegen schonend aus einem irischen Rind rausgeschnitten, das mutmaßlich auch eine Gasmaske trug, damit es kein Methan ausstößt. Woher das Hackfleisch für die Bolognese und die Milch für den Milchshake stammen und wie nachhaltig eine pflanzliche Bestellung ohne tropische Früchte gewesen wäre? Lieber nicht so genau nachfragen, das machen nur selbstgerechte Veganer.

Damit alle kapieren, wie selbstgerecht und krank wir sind, wird am Ende noch Gwyneth Paltrow in diese unwürdige Geschichte mit reingezogen, die angeblich vegane Mayonnaise toll findet und Jadeeier zum vaginalen Einführen für den Hormonhaushalt verkauft. Nun ist Gwyneth Paltrow weder Veganerin noch Vegetarierin, sondern vielmehr eine Fleischesserin, die mit unwissenschaftlichem Schwurbelkram Geld verdient. Daraus schlussfolgert Ralf Sotscheck komplett ohne Kausalkette, dass Veganer doof sind, empfiehlt Caroline so ein Jade-Vagina-Ei, worauf sie mit Hugh angeblich fluchtartig das Restaurant verlässt. Mann, was ein lässiger Typ dieser Ralf doch ist. Empfiehlt beim gemeinsamen Abendessen einfach Jade-Eier für Carolines Vagina, was muss es toll sein, mit diesem kultivierten Mann zusammen zu speisen.

Natürlich ist das nicht wirklich so passiert. Ralf Sotscheck wäre gerne so ein ganz harter Fleisch-Outlaw, der mit coolen Sprüchen Veganerinnen aus Restaurants vertreibt. Klingt dann aber doch eher wie ein Achtjähriger, der vom aussichtlosen Unterfangen träumt, eines Tages den drei Jahre älteren Schulhofschläger zu verprügeln. Ähnlich unwahrscheinlich ist auch, dass der Wirt seinem Gast anbietet, „im Garten zu grasen“, nur weil der was Veganes bestellen will. Der Witz mit dem grasenden Veganer ist aber so innovativ und einfallsreich, den musste Ralf einfach noch irgendwie in den Text bugsieren.

So, und was ist wohl wirklich passiert an diesem Abend, wenn er denn überhaupt stattgefunden hat? Ich gebe mal einen Tipp ab: Caroline und Hugh sind zu ihrem Lieblingsitaliener gegangen und haben beim Kellner wie immer Pizza ohne Käse bestellt. Am Nachbartisch sitzt ein leicht angetrunkener Typ mit Milchshake-Flecken auf dem Hemd und fragt recht übergriffig, warum sie keinen Käse äßen. Caroline antwortet kurz, dass sie laktoseintolerant sei, woraufhin der angetrunkene Typ aufsteht und dem Pärchen ungefragt vorrechnet, dass die meisten Iren Laktose verdauen könnten und anzügliche Witze über Jadeeier macht. Der Mann wird von der Polizei aus dem Restaurant geworfen und schreibt tief beleidigt eine Kolumne, die es auf wundersame Weise durch das Lektorat einer überregionalen Zeitung schafft

Oder Caroline und Hugh sind wirklich Freunde von Ralf Sotscheck und wollten einfach nur was zu essen bestellen, um dann drei Stunden in vergangenen Zeiten zu schwelgen. Ging aber nicht, weil Ralf Sotscheck sie mit drei Dutzend albernen Fragen dazu genervt hat, dass sie die Sahne abbestellt haben. Die haben sie alle brav beantwortet, woraufhin Ralfs schlechtes Gewissen den ganzen Abend ruinierte und das Geschehen in einem Anflug von kognitiver Dissonanz komplett umdeutete, um sich weiter auf der Seite der Guten zu wähnen.

Ist echt so: Ich will nicht immer und überall darüber reden, dass ich vegan lebe. Ganz besonders bei alten Bekannten birgt das Thema das Risiko, dass der Abend komplett kippt. Ich würde dann oft wahnsinnig gerne einfach irgendein Gericht von der Karte bestellen, ohne extra Eier oder Sahne abzubestellen, und hätte meine Ruhe. Geht aber leider nicht immer, und dann hat man halt oft einzelne Personen an der Backe, die ihren Alltag trotz erstaunlicher Ahnungslosigkeit, gepaart mit einem ausgeprägten Ego, meistern und deswegen genau solche flachen Sprüche machen wie Milchshake-Ralf weiter oben mit den Mandeln und der Avocado.

Die Erzieherin unseres Sohnes erklärte mir mit altklugem Gesicht, dass ihm tierische Enzyme fehlen werden, ohne den Hauch einer Ahnung, was ein Enzym ist. Beim gemeinsamen Essen in der Kundenkantine fällt den Leuten auf, dass ich nur Beilagen auf meinem Teller habe. „Essen Sie kein Fleisch? Aber Soja macht den Regenwald kaputt.“ Bei einem Firmenausflug hat ein Kollege bemerkt, dass man extra meinetwegen pflanzliche Würste organisiert hatte und fragte mich dann aus heiterem Himmel, woher ich denn wüsste, dass Kartoffeln beim Garen keinen Schmerz empfänden.

Man kann auf diese Fragen so nüchtern antworten, wie man will, am Ende drohen die Fragesteller ihr Gesicht zu verlieren. Und wie schon Apollon der Sage nach den Überbringer der Nachricht bestrafte, sind manche Leute dann erst mal sauer auf mich. Veganer wollten immer alle bekehren, ist das nicht selten der Vorwurf? Klar, und zum Bekehren setzen wir uns in Restaurants, bestellen was und hoffen auf Rückfragen, klingt ja nach einer krass effektiven Strategie. Als nächstes werfen mir die Zeugen Jehovas dann vor, sie zum Atheismus bekehren zu wollen, weil die an meiner Tür geklingelt haben, ich aber die besseren Argumente hatte.

Die meisten Menschen sind übrigens deutlich lässiger und fragen gar nicht nach. Die sind einfach im Jahr 2018 angekommen und kommen damit klar, dass ich in ihrer Anwesenheit keine Tierprodukte esse, auch wenn sie das anders halten mögen. Andere wiederum schreiben lieber selbstgerechte Märchenkolumnen über erfundene Pärchen, weil die tatsächlich existierenden Veganer leider nicht genug Empörungspotential entfalten. Diese Pärchen essen beim gehobenen Italiener Avocadotoast, fragen nach Fleischersatz aus Hühnereiweiß und sind per se missionierende Wohlstandskinder und vollkommen verrückt, weil Gwyneth Paltrow Vagina-Eier verkauft.

Ganz schon viel absurdes Gewimmer für einen Text, der einfach nur „Veganer sind voll doof“ in viel zu viele Worte verpackt.

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Ohne Euch gäbe es diesen Text jetzt nicht, dafür aber ein toll graues Web-Formular in irgendeinem noch effizienter arbeitenden Ticketsystem 😉

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Generell zum Vorwurf, das sei doch alles Satire: Nur weil jemand etwas Satire nennt, ist es noch keine. Ja, ich weiß, die taz nennt die Rubrik selbst Satire, aber auch Satire muss man können, damit sie funktioniert. Ich kann auch einfach Tomaten aus der Dose eine leckere Suppe nennen, aber das macht sie nicht zu einer.

Entweder ich überzeichne den ganzen Text und vermittle irgendwo schon deutlich, dass die ganze Geschichte erfunden ist, so wie der Postillon das tut. Dann passen da halt schlecht echte Produktnamen, denen ich echt vorwerfe, gepanschter „Chemiekram“ zu sein. Dann passen schlecht echte Probleme beim Mandel- und Avocado-Anbau. Dann passen auch schlecht Vorwürfe, die der satirisch zu verspottenden Seite tatsächlich täglich gemacht werden.

Das ist so ein bisschen AfD-Taktik, die ein Fake-Meme erstellen, auf dem „Hier wüten Merkels Flüchtlinge“ steht, und dann unten rechts einfach „Satire“ dazuschreiben. Ist aber keine Satire. So könnte ich auch nicht einfach bloggen, dass bei der taz systematisch sexueller Misbrauch verschleiert wird, weil ich es unter der WordPress-Kategorie „Satire“ veröffentliche.

Vielleicht wollte er wirklich eine Satire schreiben und kann es einfach nicht? Auch die Kommentare der Fleischesser lesen sich nicht gerade, als sei die angebliche satirische Natur zu ihnen durchgedrungen, sondern als würden der Text bei Ihnen einfach Vorurteile über Veganer erhärten:

„Eine vegane Bekannte von uns hat ein Bauernhofparadies für ehemalige Massentierhaltungstiere aufgemacht. Finde ich ja auch ganz schön, die Idee. Allerdings hat sie übersehen, dass diese Tiere dementsprechend überzüchtet sind, und als eine Milchkuh dann dort kalbte, hat man sie nicht gemolken. Weil eben Veganer. Daraufhin ist das bedauernswerte Tier an Mastitis verendet. Wahre Geschichte. Das Nachspiel: eine Trauerfeier für die Kuh, und auf Facebook fand das alles niemand in ihrem Freundeskreis merkwürdig. Nur wir, und deshalb sind wir nicht mehr in ihrem Freundeskreis.“

Weitere Beispiele, die zwar einen ironischen Unterton haben, aber irgendwie nicht wirklich Satire sind:
http://www.taz.de/!5486136/
http://www.taz.de/!5482808/

10 Gedanken zu “… und dann heulte Ralf Sotscheck einfach mal seine ganze Kolumne in der taz voll.

  1. Was mir bei den Kommentaren zu diesem Machwerk (auch diesem) noch fehlt, ist der Hinweis, dass die Rubrik „Die Wahrheit“, in der es erschienen ist, die Satireseite der taz ist.
    (Dieser Satirerubrik verdanken wir z.B. auch den urban myth, dass Kühe mangels Schließmuskel nicht schwimmen können)

    Entsprechend beschweren sich auch einige Kommentatoren über die Humorlosigkeit der bösen VeganerInnen, die jetzt diesen Text kritisieren, obwohl er doch total satirig und lustig usw. ist.

    Das könnte man als berechtigten Einwand verstehen. Andererseits werden Texte gleicher Couleur (wie die oben erwähnten von Fritz und Danhong) auch ernst gemeint und verstanden. Mein Ironiedetektor wird nicht so ganz schlau daraus, ob hier wirklich satirisch ein solcher Text mit ironischem Augenzwinkern auf der Satireseite veröffentlicht wurde oder wie ich das verstehen soll.
    Vermutlich brauchte die taz / der Autor einfach etwas Aufmerksamkeit…

  2. Mal wieder ein grandioser und super humorvoller Artikel, der uns aus dem Herzen spricht! „Latte Macchiato? Nicht für mich, ich bin aus ethischen Gründen laktoseintolerant.“ gefällt uns besonders gut. 😉

    Aber mal ganz off-topic, es wäre mega cool, wenn es den Blog auch für mobile Geräte optimiert geben würde, lässt sich am Smartphone besser lesen und dann könntest du bestimmt auch noch mehr Menschen erreichen 🙂

    Danke für die Versüßung des Tages (kann man das so sagen? ?) und liebe Grüße aus Ägypten!

  3. ich liebe deine kolumnen, möchte an dieser stekke hedoch erwöhnen, dass es inzwischen auch veganes quirn gibt und wein aus kostengründen meist durch kies gefiltert wird 🙂 nur die deklaration „vegan“ kostet extra, das machen daher nur wenige winzer.

  4. Danke, das Du das für mich gelesen hast, ich fand schon die Überschrift des taz-Artikels so bescheuert, dass ich nicht klicken wollte…

  5. Der scharfsinnige Autor unterstellt Silke Burmeister zwar eine Affinität zu totalitärem Denken („Das ist der Sound, aus dem der Totalitarismus kommt () zeigt eine Verachtung für Diskurs und eine Totalisierung der Ideologie. Es offenbart Unfähigkeit und Unwilligkeit, das Eigene überhaupt noch in Frage zu stellen“) vermeidet es aber, sie direkt eine Ideologin des Totalitarismus zu nennen. In Kenntnis des am 13.08.2016 von Burmester in der taz veröffentlichten Artikels „Zu Besuch in idyllischem Nazidorf. Der Kuchen schmeckt nicht“ wäre der vorsichtig abwägende Jurist vermutlich zu einer mit Recht wesentlich schärferen Aussage gekommen. Jener Artikel wurde von der taz kommentarlos aus dem Archiv gelöscht, ist im Netz aber noch hier und da gespiegelt, z.B. auf Genios,Indexexpurgatorius“s Blog, forum.digitalfernsehen und politikforen. Furchterregend ist dabei weniger, dass die Einzelperson Burmester damals ihre fanatische Gedankenwelt (m.E. Zwangsvorstellungen) publizierte, sondern dass maßgebliche Medienhäuser sie auch heute noch in der Mitte der politisch-medialen Nomenklatura promovieren.

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