Schockierendes Recherche-Ergebnis: Super-billig hergestelltes Essen oft von schlechter Qualität

Mir wird ja oft vorgeworfen, ein unverbesserlicher Wutbürger zu sein, der nie zufrieden ist und sich für sein Leben gerne über irgendwas aufregt. Stimmt aber nicht, tatsächlich bin ich nach dem aufregen wieder recht entspannt und amüsiere mich über solches Feedback, für das ich die Kommentarspalte mit einem FSK-18-Sticker versehen müsste. Mir wäre außerdem eine Welt ohne Aufregenswertes viel lieber, ich würde dann vermutlich stattdessen stricken oder so was ähnliches. Viel wichtiger: Ich rege mich über Dinge auf, die auch wirklich aufregenswert sind! Ja, das ist ein Unterschied:

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Derzeitig regen sich ja nicht gerade wenig Leute ernsthaft darüber auf, unter was für Bedingungen man bei Burger King Nahrung gehaltlosen Fraß herstellt. Weil der gute Onkel Wallraff das mit düsterer Musik unterlegt und recht sinnfreier Kunst-Dramatik garniert für das RTL-Publikum aufbereitet hat. Aber jetzt mal abgesehen von der albernen Machart, ohne die der geneigte DSDS-Zuschauer offenbar nicht mehr zu 20  Minuten Aufmerksamkeit am Stück in der Lage ist – wen in aller Welt überrascht das denn bitte? Ok, also dass die Typen erst Klos sauber machen und dann direkt wieder mit bloßen Händen die Burger zusammenkleben verleiht dem Ausspruch „Bei Burger King schmeckt alle scheisse“ eine ganz neue Bedeutungsebene. Aber irgendwie muss man doch auch mal den Preis von 2,89 Euro für einen Double Cheeseburger ins Verhältnis setzen.

Von der Kohle müssen die Zutaten gekauft und durch Europa gekarrt werden, die Mitarbeiter „entlohnt“, die Miete bezahlt, die Veterinäre bestochen und 50 Quadratkilometer Werbefläche mit austauschbaren Motiven zugekleistert werden. Nicht zu vergessen die Millionen an ein paar naive Hofschranzen, die ihren Hals nicht voll bekommen und selbst nach Profi-Fußball-Karrieren ihre unvorteilhafte Visage für diesen Unsinn in die Kamera halten. Klingt das irgendwie nach Haute Cuisine? Kann man da auch nur im entferntesten davon ausgehen, sich nicht den letzten Müll einzufahren? Achtung, das Wallraff-Team deckt auf (irgendwo ab Minute 5): Das Fleisch kommt nicht wie in der Werbung versprochen frisch vom Grill! Nein so was! Am Ende erzählt Ihr mir noch, dass mit den EUR 1,99-Kopfhörern aus dem Penny-Markt die Bässe unangenehm schnarren obwohl „Premium“ auf der Packung steht.

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Nee, jetzt mal ernsthaft – was ich daran echt bizarr finde, ist, dass in den Bereichen des angesagten Posertums alle genau andersrum ticken. Essen? Ruhig schön billig! Nach dem Lebensmittel-Skandal ist vor dem Lebensmittel-Skandal – wenn er kommt empören wir uns alle künstlich und schreiben wehklagend die Kommentarspalten der Republik mit selbstbemitleidendem Gewimmer voll. Wir sind dann aber auch froh, wenn die unappetitlichen Nachrichten endlich wieder Fussball spielenden Millionären oder dem Paarungsverhalten der B-Prominenz weichen und man wie gewohnt Erdbeerkäse im großen Stil verzehren kann, ohne dass die Tagespresse einem da ein schlechtes Gewissen einredet.

Wenn ich mich aber ähnlich merkbefreit anstellte und großspurig darüber beschwerte, dass der für hammergeile 400 Euro erstandene gebrauchte 87er Ford Escort ständig liegen bleibt, dann würde ich im großen Stil ausgelacht. Die ganzen bauernschlauen Experten kämen um die Ecke und dozierten mit einer Bratwurst in der Hand darüber, wie dumm und kurzsichtig es sei, bei so was an der falschen Stelle zu sparen. Dass man eben einen gewissen Preis zu zahlen bereit sein muss, wenn man Qualität erwarte und ich schön selbst schuld bin, wenn ich das nächste Mal mit geplatztem Kühlerschlauch am Strassenrand stehe und gelb gefärbte Autolobby-Vereinigungen um Hilfe anbetteln muss. Am Ende steht die Frage im Raum, ob das Ganze dann insgesamt günstiger ist als wenn man direkt was vernünftiges kauft.

Und das ist nicht nur bei Autos der Fall, generell eher technische Produkte erfreuen sich einer überraschenden Würdigung von Qualität und Material. „Was, kein IPhone? Irgendso ein Billig-Teil von Samsung? Du armer… Schau mal hier, wie glatt sich die Oberfläche anfühlt!“ Fuß-Klamotten dürfen auch ruhig mal den Wert einer Jahresverpflegung im Kindergarten übersteigen – dafür sind die Teile ja auch aus Krokoleder oder ähnlichem Perverso-Material, das kostet halt! Wie will man sonst auffallen, wenn man durch die Wiesbadener Innenstadt flaniert und in der Schminkmurmel Vakuum herrscht? Gern gesehen sind auch sündhaft teure Möbel oder Uhren im Wert von Kleinwagen, die dafür aber mehreren Saturn-Atmosphären standhalten können. Ich finde das ja im Prinzip gar nicht schlecht (bis auf die Lederschuhe) – diese eher teuren Produkte sind vermutlich seltener das Ergebnis fragwürdiger Massenfertigungen.

Aber wieso ist das nur dann wichtig, wenn es sich um Gebrauchsgegenstände und sonstige Annehmlichkeiten handelt? Wieso stellen sich die gleichen Leute, die im Internet Stunden mit der Konfiguration des optimalen Handy-Vertrags verbringen, in eine Schlange von Leuten auf dem Wochenmarkt, die weniger als 3 Euro (In Worten: Drei Euro) für ein halbes Hähnchen ausgeben wollen? In dem Preis ist der Platz für das Tier enthalten, das Futter für ein halbes Hühnerleben, die Aufzucht, der Transport, die Antibiotika, der Standplatz, die Zubereitung, der mobile Verkaufsstand und noch eine Marge für den Verkäufer. Man muss nicht gerade Zahlentheoretiker sein, um sich auszurechnen, dass das nur in gigantischen Maßstäben funktionieren kann und man hiermit weder dem Tier noch seinem Körper einen großen Gefallen tut.

Wieso erzählen mir die gleichen Leute was darüber, wie bescheuert es ist, bei Autos zu sparen? Ist doch genau das selbe Prinzip – wenn Ihr für Müll bezahlt bekommt Ihr auch Müll – Shit in Shit out. Der winzige Unterschied ist, dass die Felgen eures Autos oder die Form Eures Handys realistisch betrachtet ungefähr so wichtig sind wie das Umfallen des vielzitierten Sacks Reis. Schon klar, sieht besser aus und Essen klingt vergleichsweise lapidar, schnöde und überflüssig. Tatsächlich ist das aber der Rohstoff, mit dem Eure Körper am Leben erhalten werden. Und ggf. die Körper Eurer Kinder. Ist das nicht eigentlich das Wichtigste überhaupt? Ist das nicht um Größenordnungen wichtiger als das Logo des Blechhaufens in der Garage? Schon allein, weil man all die anderen schönen Dinge nach mehrjähriger Pudding-Diät nicht mehr wirklich genießen kann. Was macht man mit einem R8 im Carport und einer Rolex am Handgelenk, wenn einem die Diabetes einen Tag nach dem anderen versaut?

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Ist natürlich jedem selbst überlassen, wie gesund er sich ernähren will. Wer mehr Wert auf Kippen und Schnaps legt und mit einer Lebenserwartung von Mitte 50 kein Problem hat, der bleibt bei diesem Text ganz entspannt und trinkt sich danach einen. Der empört sich aber auch nicht darüber, wenn unterbezahlte Burger King-Mitarbeiter im Rahmen ihrer Möglichkeiten „Essen“ zubereiten. Wer aber irgendwann mal seinen Enkelkindern Fahrrad fahren beibringen möchte und sich dennoch blödsinnig überteuerten Marken-Schnickschnack mit Hilfe der Sondermüll-Entsorgung von billigem Fast-Food im eigenen Körper subventioniert, der sollte sich mal überlegen, ob das sinnvolle Prioritäten sind.

Und ob man solche Läden nur nach entsprechenden Skandalen boykottieren sollte (wie gerade der Fall) oder ob der Fehler da nicht im System steckt, einen 320 kcal-Burger für weniger als 3 Euro zu produzieren. Man kann es sich natürlich einfach machen und die Verantwortung bequem inkompetenten Politikern oder raffgierigen Unternehmern in die Schuhe schieben.

Tatsächlich aber ist man solange selbst Teil des Problems, wie man diesen Blödsinn mitfinanziert.

18 Gedanken zu “Schockierendes Recherche-Ergebnis: Super-billig hergestelltes Essen oft von schlechter Qualität

  1. Recht hast du. Essen taugt leider insofern nicht als (offensichtliches) Statussymbol, als dass man es v.a. nur vor der Verzehr „präsentieren“ kann (es sei denn, man postet es bei Instagram – und auch da sieht man kaum FastFood-Burger). Da werden ganz eindeutig falsche Prioritäten gesetzt. Hauptsache der schöne Schein stimmt.

  2. Ach wunderbar, ich war jeden Tag hier im Blog und habe auf was Neues gewartet 🙂 Hat sich mal wieder gelohnt! Du sprichst mir aus der Seele!! Als Stand-up-Comedian wärst du bestimmt auch der Oberknüller! Weiter so! 🙂

  3. Prinzipiell hast du Recht: Jeder sollte sich die Frage stellen, warum Fleisch so billig ist und jeder, der etwas rechnen kann, sollte die Frage auch beantworten können. Leider informiert sich nicht jeder Konsument aktiv, sondern bezieht seine Informationen aus dem, was an an ihn herangetragen wird. Und gerade beim Thema Fast-Food-Industrie wird es in der Medienlandschaft etwas dünn. Zwar gibt es einige sehr gute Reportagen über Fleischherstellung- und weiterverarbeitung, doch diese werden dann Sonntag 23:45 Uhr (oder ähnlich unvorteilhaften Sendezeiten) ausgestrahlt. Ganz im Gegensatz zu Sendungen über Autos und Handys. Zu diesen Themen wird informiert und nun weiß auch der Otto-Normal-Verbraucher, dass Qualität her muss (oder das, was ihm als Qualität verkauft wird). Unter diesem Aspekt finde ich die Wallraff-Doku sogar begrüßenswert, weil RTL endlich mal das Schweigen über solche Verhältnisse gebrochen hat. Über die künstliche Dramatik und Effekthascherei sehe ich gerne hinweg. Natürlich kann man die Motive von RTL oder Wallraff in Frage stellen, aber das Ergebnis ist doch nach nur wenigen Wochen größer als jede Reportage auf ARTE, weil es die Masse erreicht hat.

    Für dich und mich, gut informiert und aktiv, sind das keine neuen Fakten. Für viele Zuschauer schon.

    • Das sind für niemanden neue Fakten- es sind nur Fakten, die keiner sehen will, weil es Konsequenzen für das eigene Verhalten hätte, würden die Leute es an sich ranlassen.

      • Das glaubst Du, weil Du Deinen Kopf benutzt. Geh mal offenen Auges durch einen Discounter und schau Dir die Leute genau an, was und wie sie es in den Einkaufskorb legen.

        Ich habe den Glauben daran verloren, dass mehr als 10% der Bevölkerung sich überhaupt mal kurzfristig Gedanken über Herkunft und Wirkung ihrer Nahrung machen. Ernsthaft, die Erkenntnis, dass Gesundheit mit Ernährung zusammenhängt, ist selbst in meinem Bekanntenkreis (und da sind die meisten doch eher sogenannte Bildungsbürger) nicht wirklich verbreitet. Und da stehe ich dann auch und denke: „Hallo, gesunder Menschenverstand? Wie soll der Körper denn aus Müll Gold machen?!“

        Um beim Autovergleich zu bleiben: Dass sich Benzin im Dieselmotor nicht so gut macht (und umgekehrt), begreift der größte Depp (naja, bis auf Ingo aus der Werbung vielleicht), aber wenn man sagt: „Siehst Du, der Körper ist das Auto, und Du versuchst gerade, ihn mit etwas zu füllen, was viel Schlacke und wenig Antrieb erzeugt“, dann bekommt man ein bildgewordenes „Hä?“ zur Antwort. Ich finde den Gesichtsausdruck immer wieder unbezahlbar und provoziere ihn hin und wieder mit Absicht. 😀

        • Ich möchte Dir Recht geben, was den Großteil der Bevölkerung angeht. Leider. Oft „reicht“ es einfach nicht weiter als RTL und die Bild es vorgeben, aber es geht mir wie Dir- in meinem Bekanntenkreis sind viele Menschen, die sich über viele Dinge Gedanken machen und die ich durchaus als überdurchschnittlich intelligent bezeichnen würde. Und genau die sind es, die mir knallhart sagen, dass ich mit allen meinen Argumenten richtig liege, dass alles nachvollziehbar ist und dass ihnen klar ist, dass Fleisch in diesen Massen und in der Art wie es entsteht weder für die Tiere, noch für Natur und Umwelt tragbar sein kann- geschweige denn, dass es mit Sicherheit nicht gesund ist.
          Im nächsten Satz erklären sie mir, dass sie trotzdem niemals so konsequent und diszipliniert sein könnten (wtf???) und dass es ja außerdem nicht an dem bisschen teuren Biofleisch liegen kann, welches sie kaufen. Und natürlich tue ich ihnen leid, weil ich auf sooooo vieles verzichten muss.
          Und niemals liegen ihre Zipperlein wie Sodbrennen, Magendrücken, Darmpolypen etc. an der Ernährung.
          Da werden alle möglichen Ausflüchte gesucht, nur damit sie nichts an ihren Gewohnheiten ändern müssen.

          Da sind mir ehrlich noch die am liebsten, die einfach sagen, dass sie nicht darauf verzichten wollen- das ist wenigstens ehrlich!

          • Yo, dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Die Cousine meines Mannes erklärt mir jedesmal, wenn wir uns sehen, genau das, was Du, Claudia, oben ansprichst. „Hach, ich esse ja nur noch so ein bisschen Fleisch und so, es ist ja eigentlich schon kaum noch sichtbar (zuletzt gestern, während sie im Restaurant an einem Steak herumsäbelt, das knapp soviel wiegt wie mein Stubenkarnickel)… aber ganz darauf verzichten, das könnte ich niiiiiiiie!“ Jaja, so tun einem die armen Tiere leid, aber man kann sich schlicht nicht überwinden, da nicht mehr mitzumachen. KANN nicht? Eher WILL nicht. Ich fand die Umstellung ziemlich schmerzlos, mir gruselt es allerdings auch nicht davor, mal ein Kochbuch in die Hand zu nehmen.

  4. vielen dank für diese brilliante zusammenfassung dessen, was mir in ungeordneterer form tagein tagaus durchs denkorgan wabert.
    auch von hier ein heirate-mich-aufruf. ^^

  5. Wieder ein super Artikel! Danke!
    Viele Menschen leben eben auch nach der Devise „Nur ein ungesundes Leben ist auch ein gutes!“ Deshalb erntet man, wenn man sich als (gesundheitsbewusster) Veganer „outet“ auch oft diese mitleidigen Blicke… „Oooohh, dann kannst du dir nicht mal bei Fastfoodkette xy was holen? Was ist denn das für ein Leben…“ Ja, die pure Selbstfolter ist das. Nicht.

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