Neulich, als der Bauernverband mal witzig sein wollte…

„Jan, immer schreibst Du hier nur was über ganz doofe Argumente von Fleischessern. Du traust Dich ja nur nicht, Dich auch mal mit den guten Argumenten von Profis auseinanderzusetzen!“. Das hat mich jetzt doch etwas getroffen *schnüff*. Habe ich hier nicht schon Argumente besprochen, die höchstselbst von bezahlten Pr-Heinis Lügnern im Fernsehen genannt werden? Hallo, der Löwen-Spruch? Allein damit werden pro Tag Millionen Vegetarier in ihrer Standhaftigkeit geprüft! Nicht wenige kapitulieren vor der monströsen Stichhaltigkeit und beißen spontan in ihre Katze!

Also gut, das will ich nicht auf mir sitzen lassen. Mal sehen, was die Profis so von sich geben… der Bauernverband Schleswig-Holstein z.B. nähert sich dem Thema recht kreativ von einer ganz neuen Seite und hinterfragt, ob diese Negativ-Hysterie um Tiertransporte nicht eigentlich ganz schön übertrieben ist:

Beim Tiertransport schreien alle auf, selbst wenn die Regeln eingehalten werden. Beim Menschen gilt: Hauptsache billig. Ist das so, weil es uns beim „Menschentransport“ ans eigene Portemonnaie geht oder sind uns die Tiere mehr wert als wir selber es sind? Zeit, einmal darüber nachzudenken. Dieser Film kann dabei helfen und zugleich Spass machen

Bevor der geneigte Leser am Ende sauer ist über 1:13 Minuten gestohlene Lebenszeit – das Video hilft weder beim Nachdenken noch macht es Spaß. Generell scheint Nachdenken bei der ganzen Nummer eine ziemlich untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Der Bauernverband hat das Video nämlich leider aus unverständlichen Gründen etwas unglücklich zusammen geschnitten: Damit der Vergleich von in Flugzeugen transportierten Menschen mit in Lastwagen transportierten Schweinen auch nur annähernd hinhaut, werden die Macher des Videos ja sicherlich ein Flugzeug gefunden haben, in dem recht verstörende Szenen stattgefunden haben müssen. Leider konnte ich weder die Stelle finden, an der die Passagiere unter Einsatz von Elektroschockern gegen ihren Willen in die Maschine gedrängt werden, noch die, in der die Klimaanlage ausgestellt wird, so dass die Insassen schutzlos den Außentemperaturen ausgesetzt sind.

Obwohl durch die mangelnde Sicherung immer wieder Tiere Verletzungen durch Stürze auf den harten Boden oder die zu niedrigen Decken davontragen, hat man den Menschen seltsamerweise einen Gurt gegönnt. Auch wäre so ein Flugzeug vermutlich nicht mehr so komfortabel, wären die Insassen auf ihrem achtstündigen Flug gezwungen, ihre Notdurft an Ort und Stelle auf dem Boden zu verrichten – jedoch sind alle Filmszenen mit expliziter Shit-Action rausgeschnitten worden. Ich habe jetzt beim Bauernverband den Director’s Cut angefordert, damit wir uns mal die nackte, unbeqeme Realität von Menschentransporten in der modernen Luftfahrt vor Augen führen können.

Nichtlustig

Ach ja, liebe Bauern – Dass ein Schwein 0,55 qm² Platz hat und ein Passagier in der Ryan-Air-Holzklasse nur 0,3 m² mag eventuell damit zusammenhängen, dass man einfach mehr Fläche braucht, wenn man auf allen vieren läuft! Aber schön, dass Ihr die Zahl noch mal extra eingeblendet habt, so als sei das Video Ergebnis von knallhartem, investigativem Journalismus. Was Ihr bei der ganzen Sache vergessen habt: Im Gegensatz zu Schweinen haben wir ganz konkret was von 8 Stunden Flug in der Sardinenbüchse: Würde uns das Teil nicht in absoluter Rekordzeit an den Palmenstrand bringen würde keiner freiwillig in diese Klaustrophobie-Simulatoren einsteigen.

Freiwillig – ein interessantes Wort. Vielleicht hier eine kleine Kunstpause, damit auch Bauernverbandsmitglieder über die tiefere Bedeutung nachdenken können. *denk* *grübel* *sinnier* Ja, ganz recht, Kein Mensch empfindet einen achtstündigen Economy-Flug als besonders reizvoll! Wir sind beim Aussteigen alle froh, dass wir unsere Gliedmaßen entknoten dürfen und die Durchblutung der Extremitäten irgendwann wieder Normalniveau erreicht. Aber ob ich jemanden an einem Gummiband von der Brücke kicke oder er das aus eigenem Antrieb durchzieht ist ja doch ein winziger Unterschied, oder?

Und das vergleicht Ihr jetzt ernsthaft mit einem Tiertransport? Ja, wir schreien alle auf, selbst wenn die Regeln eingehalten werden. Weil die Regeln ein großer Scheiß sind! Es ist regelkonform, die Tiere durch halb Europa zu karren. Auch gerne bei 45 Grad im Schatten und ohne eine Tränke. Man muss nur alle acht Stunden anhalten und ein bisschen Pause machen, auf die Art ist es legal, Tiere tagelang von Dänemark bis in die Osttürkei zu karren. Und selbst diese immer noch recht suboptimale Regelung gilt als Meilenstein in Sachen Tierschutz, sie musste erst ziemlich mühsam Eurer Arschgeigen-Lobby abgetrotzt werden. Juhu, wir haben die Bedingungen von extrem katastrophal zu mäßig katastrophal „verbessert“.

Beim Menschen gilt: Hauptsache billig. Ist das so, weil es uns beim „Menschentransport“ ans eigene Portemonnaie geht oder sind uns die Tiere mehr wert als wir selber es sind?

hauptsache billig

Sorry, aber für diese Frage muss man sich schon entweder zu viel ammoniakgeschwängerte Luft eingeatmet haben oder schlicht und einfach ein unfassbar widerwärtiger Kotzbrocken sein. Ist ja nicht so, als würden Schweine aus Selbstzweck ins Reisebüro wetzen, um dann dort in Eigenregie eine Passage von Mecklenburg-Vorpommern nach Süd-Holland zu buchen, weil sie das so geil finden. Nein, anders als behauptet, geht es nicht nur beim Menschentransport sondern ganz besonders beim globalen Schweineverfrachten einzig und allein um unser eigenes Portemonnaie. Deswegen findet dieser ganze ekelhafte Unsinn ja überhaupt statt! Nein, (bestimmte) Tiere sind uns gar nichts wert – man bürdet diesen Kreaturen diese unwürdige Behandlung nur deshalb auf, weil man hierdurch ein Schnitzel für 1,99 Euro verkaufen kann.

Das ist doch überhaupt der zentrale Aspekt an der Idee, winzige Ferkel aus Bayern zu einem Mäster nach Nordeuropa zu karren, um sie dann nach erbärmlichen 18 Wochen wieder zum Mega-Schlachter in NRW zu bugsieren. Energie und Tierleid sind so billig zu haben, dass sich dieser außerdem mit EU-Subventionen geförderte ökologische und moralische Wahnsinn leider hervorragend rentiert. Wie kann man da denn bitte ausgerechnet am Beispiel von Schweinen argumentieren, Tiere seien uns mehr Wert? Die Sauen hält man in winzigen Kastenständen fixiert, die Ferkel kastriert man ohne Betäubung und hält sie anschließend unter Bedingungen, derer man sich für seine Spezies schämen muss. Man transportiert sie dann (nicht wie in Eurem niedlichen Verblödungsvideo ausgedacht) in 3 niedrigen, übereinander liegenden Etagen an einen fernen Schlachthof, um ihnen schließlich am Ende ihres kurzen Lebens nicht mal eine Schlachtung unter Betäubung zu garantieren – ein Prozent der Tiere landen bei Bewusstsein im Brühbad.

schwein im Laster

Na gut, fairerweise muss man sagen, dass die EU nur für die Tiere bereitwillig zahlt, die lebendig am Zielort ankommen. Wenn der Spediteur auch für die an Überhitzung, Stress oder Sturzverletzungen verendeten Tiere Zuschüsse abgreifen will, dann muss er umständlich ein Formular ausfüllen, in dem er sich selbst von der Schuld am Tod der Tiere freispricht. Tierschutz at it’s best! Dazu kommt, dass dieser ganze Unsinn insofern komplett überflüssig ist, als dass man Fleisch technisch gesehen vollkommen problemlos gefroren in die letzte Ecke Europas kutschiert bekäme. Der Konsument lehnt Gefrierfleisch aber ab. Tja, und wenn der verwöhnte, feine Konsument was will, dann setzen wir natürlich Himmel und Hölle – oder manchmal nur Hölle – in Bewegung und halten zur Not auf dem gesamten Kontinent eine komplett entbehrliche Logistikmaschinerie am laufen, weil Europäer TK-Fleisch blöd finden. Und wenn die Europäer herben Eber-Geschmack blöd finden, dann kastrieren wir halt alle Ferkel.

Nein, unter keiner denkbaren Perspektive kann man behaupten, diese Tiere seien uns mehr wert als wir uns selbst. Wir setzen empfindsame Kreaturen für einen zwanzigprozentigen Preisnachlass auf eine Geschmacksgewohnheit einer grotesken Hölle auf Erden aus. Ich wüsste nicht, wie man einem Wesen noch weniger Wertschätzung entgegenbringen könnte.

Außer vielleicht indem man extrem zynische Videos dreht, in denen man ihr Martyrium komplett verharmlost darstellt und unfassbar peinlich das vermeintliche Leid der eigenen Spezies beweint.

28 Gedanken zu “Neulich, als der Bauernverband mal witzig sein wollte…

  1. Kurz und knapp: Danke. Danke für die verbalen Entgleisungen, Danke für die Empörung und überhaupt Danke für den Beitrag. Das Video ist der pure Zynismus und an Dummheit kaum noch zu überbieten. Halt – man könnte die Dummheit problemlos durch einer ebenso großen Portion an Frechheit und Geschmacklosigkeit ersetzen. Man hat also die Wahl: Entweder strunzdoof oder ekelhaft geschmacklos. Noch mal halt, ich habs: Ich nehme einfach beides! Raus kommen am Ende also strunzdoofe Arschlöcher. Das finde ich gut.

    Bleibt nur die Frage, wen ich jetzt eigentlich so betitelt habe… Die mAcher des Videos oder die passenden Konsumenten? Scheisse, jetzt bin ich von meiner eigenen These überfordert.

  2. Danke Jan, danke! Deine Texte zu lesen gibt mir wieder Hoffnung, dass doch nicht alle Menschen irre doof und gleichgültig sind. DANKE <3

  3. Hallo, mit deinem geistigen Dünnschiss kann man eine Biogasanlage betreiben. Dann bräuchte man auch keine armen Rinder und Schweine mehr nötigen ihre Hinterlassenschaften dafür abzugeben. Also schreib bitte weiter, damit tust du den Tieren einen Gefallen.
    Würde gern weiterschreiten, aber mein Schnitzel ist fertig.

    • Putzig 🙂 Ich hätte den Post noch beeindruckender gefunden, wenn er so was wie ein Argument oder eine Begründung für die Fekal-Vergleiche enthielte. So ganz ohne wirkt er wie das wütende auf den Boden stampfen eines 6-jährigen, weil er keine Folge DragonBall mehr schauen darf.

      Ja, vielleicht schreitest Du einfach weiter 😉

    • versuchs mal mit einem guten Abführmittel, oder besser gleich mit veganer Ernährung, dann klappt es sicher auch mit der Wortwahl und dem logischen Denken.

  4. Also für mich sind Nutztiere wie Schweine nur eine Nahrungsquelle. Ob die leiden müssen ist doch egal, Hauptsache es schmeckt.

      • Klar Hunde würde ich auch essen, egal ob die vorher gebrüht, gedünstet oder sonst was mit denen geschieht. Und alle anderen „Nicht-Nutztiere“ sind natürlich ebenfalls eine potenzielle Nahrungsquelle.
        Weitere gute Gründe gegen Hunde im allgemeinen und für ihren Verzehr im speziellen findest du auf https://www.gegenhund.org .

        Viel Spaß beim Lesen! 🙂

        • Wieso schreibst Du dann zuerst „Also für mich sind Nutztiere wie Schweine nur eine Nahrungsquelle“? Was soll die Unterscheidung, wenn es Dir eigentlich egal ist?

          Wenn jemand auf der Strasse mehrmals mit einer Eisen-Stange auf seinen Hund einschlägt würdest Du demnach auch nicht einschreiten?

      • Schon dein Kommentar lässt auf eine gewisse Grammatikschwäche schließen. Dass dir der Unterschied zwischen „Dass“ und „Das“ nicht bekannt ist, passt dazu.

        😀

  5. Auch wenn ich dir generell zustimme, scheint sich aber hier eine Ungenauigkeit eingeschlichen zu haben:
    „Es ist regelkonform, die Tiere durch halb Europa zu karren. Auch gerne bei 45 Grad im Schatten und ohne eine Tränke. Man muss nur alle 8 Stunden anhalten und ein bißchen Pause machen, auf die Art ist es legal, Tiere tagelang von Dänemark bis in die Osttürkei zu karren.“

    Zumindest steht hier:
    http://europa.eu/legislation_summaries/food_safety/animal_welfare/f83007_de.htm
    „Die Verordnung enthält sehr viel strengere Vorschriften für Transporte, die über 8 Stunden hinausgehen. Diese Vorschriften betreffen sowohl die Fahrzeuge als auch die Tiere.

    So sieht die Verordnung eine verbesserte Ausstattung der Transportfahrzeuge vor, u. a. ein Temperaturregelungssystem (mechanische Belüftungseinrichtungen, Temperaturschreiber, Warnsystem für den Fahrer), den ständigen Zugang zu einer Tränkvorrichtung und bessere Transportbedingungen auf Tiertransportschiffen (Belüftung, Tränkvorrichtungen, Zulassungssystem usw.).“

    Weiter unten steht dann allerdings:
    „Die Vorschriften über die Fahrtzeiten und den den Tieren im Transportfahrzeug zur Verfügung stehenden Platz bleiben von der neuen Verordnung unberührt. So sieht die Verordnung je nach Tierart unterschiedliche Fahrtzeiten vor: noch nicht entwöhnte Tiere, d. h. Tiere, die noch gesäugt werden (9 Stunden Transport, dann 1 Stunde Ruhezeit mit Tränke, dann 9 Stunden Transport), Schweine (24 Stunden Transport bei ständigem Zugang zu Trinkwasser), Pferde (24 Stunden Transport mit Tränke alle 8 Stunden), Rinder, Schafe und Ziegen (14 Stunden Transport, dann 1 Stunde Ruhezeit mit Tränke, dann 14 Stunden Transport). Die genannten Transportabschnitte können wiederholt werden, wenn die Tiere an einer zugelassenen Kontrollstelle entladen, gefüttert und getränkt werden und 24 Stunden Ruhezeit haben.“

    Jetzt bin ich verwirrt…

  6. Hallo Herr Graslutscher,

    ich bin über Jane auf deinen Blog aufmerksam geworden und finde ihn einfach nur genial. Deine Art zu schreiben unterhält und der Text informiert. Allerdings weiß ich nie, wenn ich nach dem Lesen auf dem Boden liege, ob die tränen vom Lachen oder vom Weinen kommen 😀 :/

    Danke und weiter so! 🙂

  7. Hallo Herr Graslutscher, leider kann ich die Fäkalsprache nicht so gut. VIelleicht versuchen Sie es mal mit gesunder Mischernährung, dann werden Sie auch für nicht Veganer oder Vegetarier verständlicher.

    • Lieber Herr Bauer,

      was genau haben Sie denn nicht verstanden? Ich bin mir sicher, wenn Sie die unverständlichen Punkte aufschreiben wird Jan oder jemand anderes hier diese nochmal detailliert erklären.

    • ?? Sie können Fäkalsprache nicht so gut? Ist „Fäkal“ Ihrer Meinung nach die Fremdsprache im fiktiven Statt Fäkalia oder was ist damit gemeint?

      Da der Artikel ohne selbige aufkommt scheinen Sie wohl eher ein Problem mit Sprache generell zu haben. Da gibt es aber Leute, die einem helfen, einfach mal googlen 😉

  8. Also mit Gemüse also z.b. Zucchini oder flaschenkürbissen kann man der dildomafia Konkurrenz machen und so für eine gerechtere gemüsewelt sor

  9. Ich arbeite mich gerade durch alle alten Beiträge in diesem großartigen Blog und bin vollkommen begeistert! Muss aber mal einen Off-Topic-Kommentar loswerden (sorry, der Grammar-Nazi in mir kann nicht anders :D): es heißt „insofern, als …“, nicht „insofern, dass …“ und auch nicht „insofern, als dass …“ Also müsste dein Satz im Artikel korrekt lauten: „Dazu kommt, dass dieser ganze Unsinn insofern komplett überflüssig ist, ALS man Fleisch technisch gesehen vollkommen problemlos gefroren in die letzte Ecke Europas kutschiert bekäme.“

    Ansonsten: riesiges Lob für deinen Humor, dein Formulierungstalent und deinen Durchblick!

    • Oh yeah! Ich freue mich immer total, wenn auch die älteren Artikel noch gelesen werden 🙂

      Ich stehe auf Grammar-Nazis, immer her mit den Anmerkungen, habe es gerade geändert. Ich habe erst seit Anfang 2016 ein Lektorat, die früheren Artikel können noch so einige orthografische Sünden enthalten.

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