Ich esse Fleisch, weil für australisches Getreide Mäuse sterben

Kann nicht mal jemand ’ne Petition starten, damit diese „I fucking love science“-Tante ihre Seite umbenennen muss in „I fucking love Science as long as it supports my world view. Which is not science anymore.“?

ifls

Nachdem sich hier in Deutschland in der ersten Hälfte/2014 unheimlich viele Leute darüber freuten, dass bei der Getreideernte Tiere sterben, und in diesem Sinne unterirdisch recherchierten Artikeln zu hoher Bekanntheit verholfen hatten, geht das ganze jetzt in UK los. „Esst Fleisch aus Weidehaltung! Für die Tiere!“ lautet das Mantra der Menschen, vollkommen unabhängig davon, wie viel Fleisch aus Weidehaltung denn nun auf ihrem Teller landet. In unzähligen Diskussionen gaben die hiesigen lautstarken Verfechter der Alternative zum Millionenfachen Mäusemord dann aber doch kleinlaut zu, dass sie nicht ausschließlich Rindfleisch aus Weidehaltung essen.

Wie auch – einem Rinderbraten in der Kantine sieht man nun mal nicht ab, ob die Ex-Kuh Gras oder nur Silage zu fressen bekam. Ferner gibt es in selbiger Kantine noch viel mehr Gerichte aus Schweine-, Hühner-, Puten- oder Fischfleisch, deren Ursprungs-Kreaturen mit Weidehaltung nicht viel am Hut haben. Zumindest nicht, um satt zu werden, weswegen man für die Fütterung dieser Tiere eben Felder mit Getreide und Soja bestellt und mit modernen Erntemaschinen aberntet. Gemessen daran und der Tatsache, dass laut mehreren weisen Druiden auch Fleischesser ab und zu Brot und andere Getreideprodukte verzehren sollen, fällt die Bilanz in puncto Tierleid für eine Mischkost wohl trotz Weidehaltung schlecht aus.

Es scheint den Verfechtern auch nicht aufzufallen, dass tote Wildtiere keine notwendige Bedingung für Getreide sind. Tote Schweine für ein Schnitzel aber schon. Und während Menschen den Fischfang mit Sonar- und Satellitentechnik stützen und man Schlachthöfe und Milchkuhbetriebe mit automatisierter Fabriktechnik auf hohem Niveau ausstattet, fährt zur Ernte eines Getreidefeldes eben ein plumper Mähdrescher übers Feld – auch dieser mit einem hohen Automatisierungsgrad und autonomer Steuerung, jedoch mit dem einzigen und herzlosen Ziel, Kosten zu senken. Dabei wird auch unter Landwirten bereits beraten, wie man z.B. Rehkitze besser schützen kann. Die Maßnahmen reichen von simplen Methoden wie Wildscheuchen oder indem man am Vortag der Ernte die Felder mit Hunden durchquert bis hin zur Umstellung der Ernte-Ausrichtung, von innen nach außen zu mähen oder Jungtiere mit Hilfe von Drohnen aufzuspüren.

drohne

Die Frage ist da also eher nicht, ob man Opfer unter Wildtieren vermeiden kann, sondern ob man will. Und damit meine ich nicht nur die Landwirte sondern auch die Verbraucher, die für so was höhere Preise akzeptieren müssten. Höhere Preise Für Weizen, aber noch wesentlich höhere für Fleisch von Tieren aus Stallhaltung, die hierzulande mehr als 90% ausmachen.

Warum also der Aufguss dieser alten Geschichte? Weil ein australischer Autor das Ganze noch mal auf australische Verhältnisse angewandt hat und man in Down Under die meisten Rinder tatsächlich in Weidehaltung hält. Das dürfte bezogen auf die dortigen Schweine und Hühner immer noch keine Auswirkung haben, aber für die Aufrechnung von Rindfleisch hebt es die Bilanz natürlich an. Inwieweit man auch hier die Kollateralschäden unter den Wildtieren begrenzen könnte, wenn man es nur wollte, wird in dem Artikel nicht nachgegangen.

Die ganze Nummer hat nur eben wenig bis gar keine Bedeutung für die Auswirkung West-europäischen Konsumverhaltens. Warum das ganze bei der britischen Seite IFLScience trotzdem unter der Überschrift „Ordering The Vegetarian Meal? There’s More Animal Blood On Your Hands“ läuft, ist wohl nur für die Autorin erklärbar. Sie hat sogar extra eine Passage vor den Artikel gestellt, die auf die besondere Situation in Australien hinweist und dass man das nicht global gleichsetzen könne. Trotzdem sorgen der griffige Titel des Artikels und der Facebook-Anreißer „Are you a vegetarian for ethical reasons? I might have bad news …“ für knapp 50.000 (!) Shares und bereits mehreren persönlichen Anfragen bei mir, ob das mit dem Vegan denn nicht eigentlich Mäusequälerei sei.

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Nein, ist es nicht. Zumindest nicht mehr als unveganes Essen und insb. im bundesdeutschen Durchschnitt aufgrund der oben genannten Argumente im Schnitt wesentlich weniger. Ja, auch Veganer verursachen Tierleid – ein Gedanke, auf den man auch ohne eingefärbte Artikel kommen kann, da auch Veganer Produkte aus fragwürdiger Herkunft konsumieren, z.B. Palmöl, Kaffee oder Treibhaus-Tomaten. Wenn wir Probleme nur angehen wollen, wenn wir die 100%ige Lösung dafür parat haben, wollen wir dann nicht auch wieder Kühlschränke mit FCKW oder verbleites Benzin verwenden? Das würde niemand ernsthaft vorschlagen. Aber wenn herauskommt, dass auch Veganer keine weiße Weste haben, dann wird gleich deren ganze Idee verworfen.

Wenn Euch wirklich was an Mäusen liegt, dann tut halt verdammt noch mal was für Mäuse. Einfach 2 Cheeseburger mehr pro Woche essen hilft da aber wenig, auch wenn dümmliche Überschriften Euch das Gegenteil vermitteln.

6 Gedanken zu “Ich esse Fleisch, weil für australisches Getreide Mäuse sterben

  1. Och nö,nicht schon wieder dieser Mist…

    Ich habe aber da noch ein wunderschönes Argument: Nämlich die Frage, wieviel Fleisch pro Person sich hierzulande in reiner Weidehaltung produzieren ließe — also ohne Zufütterung von etra dafür angebauten Pflanzen (wobei auch das Heu für die Winterfütterung irgendwo herkommen muss, ergo auch einiges an Fläche dafür gemäht wird und das eben auch Wildtiere tötet).

    Sentience Schweiz hat das für die Schweiz mal durchgerechnet:
    http://sentience.ch/2014/04/weil-die-schweiz-ein-grasland-ist/

    Ergebnis: knapp 14 (in Worten: vierzehn) kg pro Kopf und Jahr (und gerade mal 6 Eier und etwa 60% der Milchprodukte).
    Das wären ca. 270g pro Woche, also zwei üppige oder drei kleinere Mahlzeiten mit totem Tier drin — etwa ein Viertel des derzeitigen Konsums.

    Dafür stehen für 8 Millionen Schweizer_innen zwischen 500 und 600 000 ha Naturwiesen und 450 000 ha Alpwiesen zur Verfügung. Selbst wenn die 400-500 000 ha Ackerland in der Schweiz auch noch in Weideland verwandelt würden, könnte damit nicht einmal die Hälfte des derzeit in der Schweiz gegessenen Fleisch produziert werden, von pflanzlichen Lebensmitteln ganz zu schweigen.

    Ohne dass jetzt extra durchgerechnet zu haben, behaupte ich mal, dass die Rechnung für Deutschland nicht auf höhere Fleischmengen käme:
    In Deutschland gibt es 80 Millionen Menschen und etwa 4 Millionen ha Dauergrünland — pro Kopf deutlich weniger als in der Schweiz, die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche ist pro Kopf ähnlich groß wie in der Schweiz.

    Wo in alles in der Welt (im wahrsten Sinne des Wortes) sollen denn bitte die ganzen Weiden herkommen, wenn alle Fleischesser nur noch Weidefleisch (das aber in den bisher konsumierten Mengen) essen wollten?

  2. Schon witzig & weltfremd das es ausgerechnet die Australier interessieren soll, was mit den Mäusen passiert … Australien leidet alle paar Jahre, unter Mäuseplagen in biblischen Ausmaßen … fast keine natürlichen Feinde etc …

    Ich spekulier mal deshalb einfach, das sie ohne Getreide auch nicht zu Tode gestreichelt werden … und wo wir schon bei Absurditäten sind … australische Mäuseplagen sind teilweise so schlimm, das Weidetiere lebendig gefressen werden … also was war nochmal die Argumentation …

    Hier ein paar ausralische Mausefreunde bei der Arbeit :
    http://www.abc.net.au/reslib/201105/r765626_6473202.jpg

  3. Ich empfehle jedem Veganer und jeder Veganerin mit Garten einen ausgleichenden Ort für Mäusefamilien: Den Komposthaufen. Da kann man die Bilanz dann wieder ins Positive drehen. ^^

    Blödsinnige Rechenaufgaben, um vom eigenen schlechten Gewissen abzulenken: Das ist die Königsdisziplin von Carnivoren. Da müssen wir mit leben (lernen), ihr Lieben. Freundlich lächeln und die andere Seite je nach Vorliebe spüren/nicht spüren lassen, dass man ihr albernes Manöver durchschaut hat.

  4. Wenn ich das zu den toten Tieren beim Ackerbau rekapituliere:

    Mehl ist also vegan, weil man eventuell Mehl produzieren könnte ohne Tiere dabei zu töten. Es kommt nicht darauf an, dass für ein Produkt Tiere drauf gehen, sondern nur ob es vielleicht auch ohne gegangen wäre.

    Das ist ja mal eine interessante Betrachtungsweise.

    Sind jetzt Gummibärchen vegan, weil es auch welche gibt, die nicht auf tierischer Gelatine beruhen?

    ist jetzt Mayonaise vegan, weil man auch welche ohne Milch/Sahne/Ei machen könnte?

    Da ja Veganer tierisches und menschliches Leben gleichstellen, ergeben sich aus diesem Gedanken ganz neue Betrachtungen für Fahrlässigkeitsdelikte.

    Wenn ich Schulkinder tot fahre, sollte ich dann freigesprochen werden, wenn ich ja auch hätte vorsichtig fahren können.

    Im Übrigen ist das natürlich alles Humbug, da bei der Mehlproduktion nicht nur Kitze geshreddert sondern auch Karnickel, Mäuse, Ratten, Hamster beim Pflügen gekillt werden, von der Schadnagerbekämpfung in den Silos ganz zu schweigen

    Mal ganz abgesehen vom Overkill bei der Insektenbekämpfung (wir wollen doch nicht spezieszistisch sein und uns nur auf Wirbeltiere fokussieren, hm?)

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