fragwürdige Schützenhilfe für fragwürdige Artikel

Was ist eigentlich peinlicher?

A) Einen komplett faktenresistenten Artikel in der Zeit zu veröffentlichen, der so tendenziös geschrieben ist, dass selbst die vom Artikel gebauchpinselte Lesergruppe dem Machwerk unterirdische Recherche unterstellt…

oder B) Die berechtige Kritik daran pauschal im Lager von hetzerischen Scheuklappen-Veganern zu verorten und die einleuchtenden Begründungen dafür komplett ignorierend in ein Meta-Veganer-Bashing umzuformulieren?

Peter Gnaiger von den Salzburger Nachrichten versucht diese Frage gerade hier http://www.salzburg.com/nachrichten/kolumne/teufelskueche/sn/artikel/wenn-eingefleischte-veganer-zur-digitalen-jagd-blasen-114811/ mit B) zu beantworten.

Gnaiger

Die Online-Kommentare unter dem Artikel der tattrigen E. Raether fasst er zusammen mit „Schämen sie sich…“ „Sie haben ja null Ahnung …“. Denken Sie sich eine unsachliche Polemik aus.“ Nun ist die Ironie an der Sache aber, dass in diesen 185 Kommentaren recht sachliche Argumente präsentiert wurden, aus denen man schließen könnte, dass vielmehr der Raether-Schrieb selbst als unsachliche Polemik umschrieben werden könnte. Man gewinnt den Eindruck, dass der gute Peter nach „Sie haben ja null Ahnung…“ mit dem lesen aufgehört hat, sonst hätte sein Logik-Modul sich ja mal mit den vielen Argumenten beschäftigen können.

Mit Argumenten, die mitnichten nur von Veganern stammten – sondern auch von Vegetariern! Kleiner Scherz, selbst 2 meiner Fleisch-essenden FB-Kontakte haben sich den Artikel heftig kritisierend an der Diskussion beteiligt, da Raether ja nicht nur Veganern unsinnige Motivation unterstellt, sondern selbst einer Reduzierung des Fleischkonsums den Sinn abspricht. Wenn also selbst Fleischesser sich über fehlende Grautöne in der Argumentation beklagen, könnte man dann evtl. davon ausgehen, dass nicht die Veganer, sondern die offenbar bisweilen unter Sonnenstichen leidende Raether missionarische Pamphlete verbreitet?

Ok, Herr Gnaiger scheint mit der Thematik nicht so recht vertraut zu sein. Ich vermute das einfach mal, weil die im Titel verwendet Floskel „eingefleischte Veganer“ mittlerweile abgegriffener ist als die Tastenfelder von Kölner ÖPNV-Ticketautomaten und selbst bei Wurstproduzenten nicht mehr als ein müdes Lächeln erzeugen dürfte.

Weil die Behauptung „Fleischesser lesen seit Jahren unaufgeregt über die vermeintliche segensreiche Wirkung veganer Ernährung“ eine fast schon niedlich anmutende Unerfahrenheit zum Thema vermuten lässt. Ist das die erste Kommentarspalte zum Thema, die der Mann gelesen hat?

Weil er Raethers plumpen Täuschungsversuch mit der Landwirtschaft ohne Kuhmist als ein „Hinterfragen mit feiner Klinge und Liefern schlüssiger Antworten“ nennt. Auch für Gnaiger scheint der Gedanke in all zu weiter Ferne zu liegen, dass man Kühe nicht essen muss, um sich ihre Kacke auf ein Feld streuen zu können. Dabei hätte er einfach ein paar der 170 von ihm als „Kommentarhagel einer Selbsthilfegruppe“ bezeichneten Kommentare zu Ende lesen können, um nicht ganz so dumm sterben zu müssen.

Ich verstehe auch nicht so recht, was daran besonders mutig sein soll, eine eigentlich seriöse Zeitung mit hartem Nonsens zu verunstalten. Mutig fände ich es, wenn das Geschriebene einer fundierten Recherche entspräche und jemand damit gegen eine überholte Mainstream-Meinung argumentierte. Die Raether sucht sich aber doch nur billige Schein-Gründe, um damit der absoluten Mehrheit der Leser unter Vorspielung falscher Tatsachen ihr Gewissen zu entlasten – man könnte es auch als recht niederträchtiges Fishing for Compliments bezeichnen. Nur, dass es eben so derartig platt war, dass sich selbst die anvisierte Zielgruppe nicht damit identifizieren konnte.

Am Ende rät Gnaiger uns dann, Voltaire zu Hilfe zu nehmen, zitiert ihn aber leider mit Worten, die eigentlich von Evelyn Beatrice Hall stammen. Vielleicht ist das auch einfach Schützenhilfe innerhalb der Gruppe der ganz besonders Recherche-faulen Mimimi-Autoren? Zumindest das Zitat gefällt mir: „Ich teile Ihre Meinung nicht, ich werde aber bis zu meinem letzten Atemzug kämpfen, dass Sie Ihre Meinung frei äußern können.“

Komisch nur, dass dieser schlaue Ausspruch in Gnaigers Denke für die Meinung von Veganern nicht zu gelten scheint.

Der Original-Artikel von E. Reather: http://www.zeit.de/zeit-magazin/essen-trinken/2014-07/fleisch-argumente-vegetarier-veganer
Meine erste Reaktion dazu: https://graslutscher.de/so-geht-die-raether-die-raether-die-geht-so-so-gehen-die-veggies-die-veggies-die-gehen-so/

4 Gedanken zu “fragwürdige Schützenhilfe für fragwürdige Artikel

  1. Ganz besonders schön auch der Anfang.
    „Sie lesen eine Geschichte – und schon nach den ersten Zeilen wird klar: Oje. Da wird gleich jemand im Internet beschimpft.“

    Warum hatte ER denn dieses Gefühl beim Lesen? Vielleicht weil man tatsächlich beim Lesen der ersten paar Sätze Raethers merkt, dass diese plumpen Verbal(l)hornungen nicht mehr als einen Verriss verdienen?

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