Der Wolf – das Lamm – HURZ!

Na, ist das aber süß? Das ist Nido*, das Lamm. Lämmer sind wirklich ziemlich putzige Kreaturen, besonders, wenn sie wie kleine Flummibälle spielerisch in der Gegend herumhüpfen. Generell sind sie schlauer, als der Volksmund erahnen lässt: Sie können sich die Gesichter anderer Schafe und von Menschen über Jahre merken, können akustisch signalisieren, wenn sie unter Stress stehen und empfinden – wenig überraschend – Gefühle. Generell reagieren sie auf ihre Umgebung in vielerlei Hinsicht wie Menschen.

Ein Schaf könnte also ein recht erfülltes Leben haben, wenn da nicht all diese vielen Menschen wären, denen man von Kindesbeinen an erzählt hat, so ein Lamm sei primär eine super Quelle für zartes Fleisch und praktisch unabdingbar, um einen menschlichen Säugling lebendig über den Winter zu bringen. Im Ernst, sobald das Thermometer Werte unter 5 Grad anzeigt, bekommen eine Menge Eltern Panik bei dem Gedanken, ihr Säugling könne erfrieren, wenn man ihn nicht in die Hülle eines toten Schafbabys einrollt.

Hey, wir haben dann übrigens 2017. Die Menschen fliegen seit knapp 50 Jahren zum Mond, können Häuser mit 3D-Druckern herstellen und bauen Tunnel unter Meerengen durch. Dementsprechend gibt es da eine ganze Menge tierfreie Materialien, mit denen man einen deutschen Winter auch ohne abgefrorene Fingerkuppen überlebt. Ich finde es außerdem extrem verstörend, wenn ausgerechnet junge Mütter und Väter ihre kleinen Babys auf die Haut eines anderen Babys legen. So ein Schaf kann 20 Jahre alt werden, die zu Lammfell verarbeiteten Tiere werden maximal ein Jahr alt. Das ist so, als würde eine außerirdische Spezies die Erde erobern und seinen Nachwuchs mit der Haut menschlicher Kleinkinder zudecken.

Komisch auch, dass Lämmer nicht in die Hunde- und Katzenkategorie fallen. Tiere in dieser willkürlichen Kategorie werden nämlich nur von bösen Chinesen gegessen, die man dafür einmal im Jahr beschimpfen darf, am besten mit einem Stück Lammfleisch im Mund. „Diefe miefen Barbaren!, *schmatz*“. Je länger ich darüber nachdenke, desto unrealistischer kommt mir der Film „Gremlins“ vor. Gizmo ist ja auch echt niedlich, aber würden Menschen wirklich mal einen dieser goldigen Mogwais entdecken, sie würden sie züchten und daraus eine Delikatesse machen, wenn das Fleisch nur zart genug wäre. Ja, ich darf das so sagen, ich habe in meinem Leben auch schon mal Lammfleisch gegessen und hätte mir, den Kopf voller Vaterhormone, bestimmt auch so ein beknacktes Fell für den Kinderwagen gekauft, hatte da aber schon dem Fleisch abgeschworen.

Dementsprechend liest sich auch der Wikipedia-Artikel zu Lämmern so, als unterläge das Zentrum für rationale Bewertungen und Empathie im menschlichen Gehirn komplett dem Vetorecht einer prolligen Zunge, praktisch dem Donald Trump der menschlichen Organe. Da meldet der Sehnerv dem Logikzentrum: „Schau mal, ein Lamm. Es sieht aus, als könne es Schmerz und Angst empfinden, wollen wir es füttern und beschützen?“ In dem Moment dröhnt aber auf einmal die dumpfe Stimme der Zunge aus allen Lautsprechern im Denkorgan: „Aaah, das Fleisch ist bestimmt ganz zart, lasst uns das Lamm schlachten und aufessen!“, worauf sich das Logikzentrum mit irgendeiner kognitiven Dissonanz aus der Affäre zieht und man bei Wikipedia lesen kann: „Als Lamm wird ein juveniles Schaf bezeichnet. Lebensmittelrechtlich dürfen Tiere bis zum Alter von einem Jahr als Lamm bezeichnet werden.“

Es dauert gerade mal sieben Wörter, bis das Lamm als etwas zu essen definiert wird, ganz großartig. Weiterhin liest man: „Lämmer werden aufgrund ihres zarten Fleisches geschlachtet, das milder ist als das der erwachsenen Tiere“. Wow, menschliche Gehirne funktionieren manchmal echt scheiße. Ständig lese ich in der Kommentarsektion, Veganer seien wohlstandsverwöhnt, aber wenn man kleine Tierbabys aufisst, weil einem die erwachsene Version nicht mild genug ist, dann ist das ja quasi DIE Definition für anspruchslose Bescheidenheit.

Natürlich schieben die Fellhändler den Fleischhändlern gerne die Schuld zu, das Fell sei ja nur ein Abfallprodukt des Fleischs, damit man auch guten Gewissens Felle in den Bugaboo gelegt bekommt. Ist aber Blödsinn, wie auch bei Kuhleder ist das Fell der Lämmer neben dem Fleisch des Tieres das lukrativste Standbein der Schlachter, beim Kauf des Fells subventioniert man also das Fleisch. Und würde man das Fell nicht mit Aldehyd gerben und danach behandeln, würde es nach kurzer Zeit von Mikroorganismen zersetzt werden, also vergammeln – bevor mir einer mit dem Argument Natürlichkeit um die Ecke kommt.

Wäre also schön, wenn unsere rationalen Hirnzentren die Zunge und den Hirnlappen für elterliche Panik wieder in den Griff bekämen, mir gefällt Nido irgendwie besser, wie er da auf der Wiese liegt, als in Einzelteile zerlegt in menschlichen Därmen und unter menschlichen Babys.

* Name von der Redaktion geändert.

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4 Gedanken zu “Der Wolf – das Lamm – HURZ!

  1. Hallo Jan,
    Schön, dass es wieder einen neuen Artikel gibt. Ich lese deine Artikel jetzt seit etwa 3 Monaten, bin im übrigen 11 und stimme dir vollkommen zu. Es ist dämlich, das es eine Gruppe von Tieren gibt, die man nicht töten darf.

    Beispielsweise Hunde. Und ein Schwein, welches genauso Intelligent ist, genauso fühlen kann und genauso denken kann, darf natürlich gegessen werden. Weil ich sowas schlimm finde, bin ich auch Veganer.

    Mit viel Grüße, Finn

  2. Hallo Jan,

    dazu fält mir nur die Situation ein, wenn ich mit meinen Schafen spazieren gehe, jemanden treffe und dem erlaube, die beiden zu streicheln. Die Frage: „Die werden aber nicht geschlachtet, oder?“ (Kommt echt oft)
    Je nach Fragesteller bekommt der/die dann auch mal die Antwort: „Doch. Ich möchte schließlich auch Gulasch.“ Oder „Klar, dann kann ich mir das Fell vors Bett legen.“ Schön, dann die Reaktion zu beobachten. Vielleicht denkt der ein oder andere mal ordentlich nach.

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