Denk doch auch einer mal an die arme Schotenkresse – die kann Raupen hören!

Aaaaah, das war lecker – endlich mal wieder Eier und Speck zum Frühstück!

blickch

Ja, nicht ganz konsequent, ich weiß… aber ich hatte diese Sachen ja nicht einfach so vom Speisplan gestrichen, sondern weil ich Misshandlungen an Schweinen und Hühnern nicht mit-verantworten wollte. Das macht aber jetzt keinen Sinn mehr, denn: Schotenkresse kann hören, wenn Raupen an ihr rumknabbern. Also nicht hören im eigentlichen Sinne, sie reagiert vielmehr auf die vom Schall ausgelösten Vibrationen. Nach der Definition kann ich Erdbeben hören – ich wache da immer auf, wenn sich der Inhalt des Bücherregals in mein Gesicht entleert und ich die Vibrationen der Buchrücken auf meiner Stirn spüre. Tja, und da mein übliches Frühstück aus 2 Kilo von Raupen vorverdauter Schotenkresse bestand, habe ich diesen Wahnsinn jetzt beendet und esse wieder Fleisch von unbetäubt kastrierten Schweinen. Ich könnte auch einfach was anderes als Schotenkresse essen? Ey, Ihr Veganer seid immer so extrem – erst keine Tierprodukte mehr und jetzt nicht mal mehr Schotenkresse zum Frühstück?!

Aber das stimmt natürlich, bei näherer Betrachtung ist der Schotenkresse-Konsum in den europäischen Veganer-Kreisen überschaubar. Warum nur adressieren sowohl die alte von „I fucking love science“, als auch die Boulevard-Presse (Blick.ch und BILD) dann ihre Artikel um die scheinbar audiophilen Pflanzen an Veganer? Beruhigend: Wer nach eigener Auskunft Wissenschaft über alles liebt, den Begriff „hören“ in diesem Fall aber nicht mal in Anführungszeichen setzt, der bekommt verdientermaßen nur vom Bodensatz der Presselandschaft Schützenhilfe: „Schlechte Nachrichten für Veganer – Pflanzen hören, wenn…“. Wieso noch mal gleich? Weil wir mehr Schotenkresse essen als die Fleischesser? Ach, weil wir generell Pflanzen essen? Breaking News: Das, was da neben Eurem Hacksteak liegt, diese obskuren orangefarbenen Stengel und der gelbe Brei, das nennt man Möhren und Kartoffeln. Und jetzt haltet Euch fest – es sind Pflanzen, no shit! Warum zur Hölle noch mal ist das also eine schlechte Neuigkeit explizit für die Veggie-Fraktion?

ifls

Ich persönlich finde jetzt die Tatsache, dass Pflanzen chemisch auf Fressfeinde reagieren, nicht besonders überraschend. Ich leite daraus auch kein Schmerzempfinden oder Bewusstsein ab. Aber hey, wenn Ihr das tut, liebe Fleisch-Journalisten, dann nur zu. Das ist ein freies Land, Ihr könnt gerne nur Labor-Hacksteak mit synthetisch hergestellten Fake-Möhren essen bzw. Frutarier werden. Euch liegen doch die Pflanzen so sehr am Herzen, gell? Also los, geht auf die Straße und demonstriert gegen Rasenmäher-Hersteller und verfressene Antilopen. Folgt Eurem Herzen und gründet die frutarische Gesellschaft Deutschlands! Ach so, Ihr wolltet damit rechtfertigen, dass Ihr Fleisch esst? Tja sorry, aber das ist einfach hochgradig dumm, dafür werden in der Natur leider noch viel mehr Kresse-Raupen-Splattermovies gedreht, da diese Tiere da, bevor Ihr deren Körper essen könnt, erst mal ein vielfaches an Pflanzen vertilgen. Hätte man wissen können. Nein nein, ich weiß schon, der Zeitdruck ist hoch in der Branche, eine 5-minütige Google-Recherche passt einfach nicht in das Geschäftsmodell.

Irgendwo ist es  ja niedlich – da wird man als Veganer ständig als sentimentaler und verweichlichter Warmduscher belächelt, weil man diesen vollkommen irren Plan hat, Tierleid zu reduzieren – um dann auf dem Betroffenheits-Highway rechts von Typen überholt zu werden, die mit Perversionen wie Gänsestopfleber oder Lammbraten bislang kein Problem hatten, aber auf einmal Petitionen für Löwenzahn ins Leben rufen. Noch vor wenigen Jahrzenten haben diese ganzen Lobby-Arschgeigen sogar behauptet, Tiere spürten gar keinen Schmerz. Ist zugegeben auch schwierig erkennbar – man muss schon wirklich ganz genau hinschauen, aber mit etwas Geduld kann man dann doch sehen, wie z.B. Tiere mit fehlerhafter Betäubung ein herzerweichendes Geschrei von sich geben und mit Tränen in den Augen um sich treten, wenn man ihnen Gliedmaßen abtrennt. Stimmt schon, so eine Szene lässt viel Raum für Spekulationen, vielleicht ist den Tieren auch einfach langweilig oder es ist schlicht Zufall. Aber wenn eine Pflanze Vibrationen einer Schallwelle registriert, dann ist die Sache glasklar: Sie durchleidet Höllenqualen!

Schon lächerlich – als hätte einer dieser Trottel sich überzeugen lassen von „Eine Studie hat gezeigt, dass Schweine die Vibration vom Schall der Schlachthofgeräusche auf der Haut spüren und dann mehr Adrenalin ausschütten“. Quatsch, obwohl die Kreaturen schreiend und wimmernd vor ihnen lagen, haben sie ihnen das offenkundig vorhandene Empfinden abgesprochen. Und jetzt feiern diese Flaschen so eine Studie mit überschaubarer Aussagekraft ab? Weil man Tiere ruhig quälen kann, solange Pflanzen Schmerz spüren? Also kann ich auch gerne auf der Straße einen Hund zusammentreten, und wenn dann so ein Moralapostel daherkommt und mich daran hindern will, dann rechne ich ihm seinen Schotenkresse-Konsum vor oder was?

plants tho2

Aua aua aua, Eure Prämisse mit dem Pflanzenschmerz steht schon auf echt wackligen Füßen – Ein Seismograph reagiert auch auf Vibrationen, aber Schmerz spürt der meines Wissens nicht. Aber ok, Ihr könnt ja auch noch einen Verein zur Eindämmung der weltweit ansteigenden Seismographen-Misshandlung gründen. die werden auf die Erde gestellt und zeichnen dann vor lauter Qual Striche auf Papier! Und dann zieht Ihr aus Eurer Prämisse auch noch komplett hohle Schlussfolgerungen. Ihr solltet entweder Euren Lebensmittel-Konsum radikal in Richtung Frutarismus überdenken ODER um Geschichten wie diese in Zukunft einen ganz großen Bogen machen.

Denn wenn Pflanzen wirklich Schmerz spürten, dann wäre das ein um so triftigerer Grund, möglichst wenig Tiere zu essen.

12 Gedanken zu “Denk doch auch einer mal an die arme Schotenkresse – die kann Raupen hören!

  1. Mal zur Ehrenrettung von IFLS: die Überschrift „Sorry vegans!“ ist schon gestern wegmoderiert worden und beruhte wohl eher auf der missglückten Suche nach einem kreativen Titel als auf Angriffslust.
    Wenn ich bedenke, dass geistige Tieftaucher wie Herr von und zu Pollmer frei rumlaufen und ihren Dünnpfiff verbreiten, kann ich mich über sowas nicht ernsthaft aufregen.
    Dumme Sprüche sind nun mal leider veganer Alltag, und je mehr man sich davon beeindrucken lässt, desto mehr Spaß macht es bekanntlich…

    • Moin,

      ja, mich hat aber immer noch gestört, dass

      1. der alte Artikel immer noch drinstand
      2. eine bekannte von mir ihr eine sehr nette Mail geschrieben hat, und ganz nüchtern erklärt hat, warum ein solcher Witz gerade von jemand mit so enormer Reichweite schlechte Folgen haben kann. Die Antwort war: „aah please, fuck off“

      • Falls die Dame wirklich so geantwortet hat, fliegt die aber sofort aus meiner Timeline. Ein Mindestmaß an Respekt und guten Manieren setze ich dann doch voraus!

  2. Sehr schön. Wie immer 😉

    Aber noch schöner fände ich, wenn du dich zu dem wundervoll beschissenen Beitrag äußern würdest, dass eine „Veganerin“ ihr Kind fast verhungern ließ, weil sie es nicht gestillt hat. Da stürzt sich nämlich der Herr Pollmer gerade drauf.

    Und ich wurde ernsthaft schon im Bekanntenkreis darauf angesprochen, ob Veganer sich wirklich so dumm verhalten! Ich war einfach nur sprachlos. Bitte, finde Worte für mich! 😉

  3. Vielleicht fühlen Pflanzen ja Schmerz auf eine Weise, die wir als Menschen nicht nachvollziehen können, weil sie nicht nach dem zentralen Nervensystem eines Wirbeltiers funktioniert?

    Wenn ich so weiter überlege:

    Denk doch mal einer an die armen Steine!
    Wie die Z.B. behauen werden, um uns Häuser zu bauen! :O

  4. Die stellenweise durchaus anerkannte Forschung zur Pflanzenneurobiologie https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenneurobiologie ist insofern relevant, als sie die Wahrnehmungsskala erweitern und dadurch unterbewerteten Lebewesen eine ungeahnt feinere Empfindsamkeit zugestehen könnte(?), wenn auch in teilweise übertriebenen Anthropomorphismen und falschen Metaphern. Fähigkeit zur Signalverarbeitung bedeutet ja nicht gleich Bewusstsein, hochkomplexe Persönlichkeit, Schmerzempfindung oder Seele. Die unwissenschaftlichen Quellen sollten aus dem Gros der Publikationen aussortiert werden. Immerhin haben sich schon eine Menge Leute mehr oder weniger ernsthaft mit Pflanzenkommunikation als Bereich der Pflanzenphysiologie befasst: Quellensammlung in
    https://sensiblochamaeleon.blogspot.com/2013/12/seelenleben-und-musikalitat-von-pflanzen.html

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