Bla bla… das Klima ändert sich immer schon… blabla

Ha! Es tut sich wieder so einiges an der Klimafront, manches echt Tolles und manches echt Beschissenes. Und sobald man auf ein paar davon eingeht, kann man die Uhr danach stellen, dass wieder mehrere Super-GAUs (größter anzunehmender Unsinn) in Form von Kommentaren eintreten werden, die unsagbar tranig darauf hinweisen werden, dass das Klima sich immer schon geändert hat.

Andes_Mountains_as_seen_from_Gemini_400Damit wir die tollen Neuigkeiten und die beschissenen Neuigkeiten also besser genießen können, werde ich dann immer auf diesen Post hier verlinken, damit uns der Diskussionsfluss bzgl. des eigentlichen Themas hübsch fluffig erhalten bleibt. Solltest Du, werter Leser, also hier markiert worden sein, weil Du Klimaschutz mit der Begründung ablehnst, dass das Klima immer schon Änderungen unterworfen war, hier ein paar Fun Facts:

(1.) Das ist für niemanden eine Neuigkeit. Nicht für mich, nicht für Umweltaktivisten, und schon gar nicht, überhaupt nicht, niemals niemals niemals (!!!) nicht für: KLIMAFORSCHER! Dieser Umstand des sich immer schon wandelnden Klimas wird in Diskussionen gerne unerträglich borniert vor sich hergetragen, so als wäre das etwas die gesamte Fachwelt total Überraschendes. Wie stellt Ihr Euch das vor? Denkt Ihr echt, dass da weltweit viele 1000 Wissenschaftler über Jahrzehnte hinweg Wechselwirkungen und Verlauf des Weltklimas erforschen, aber die Temperaturkurve der letzten Milliarden Jahre nicht kennen? Das ist insofern vollkommen absurd, dass diese Temperaturkurve eben erst durch die Arbeit von Klimaforschern zu Stande kam, hier im Schaubild zum Beispiel basiert der Graph zwischen 500 Mio. Jahren und 10 Mio Jahren auf den Arbeiten der Teams um die die Wissenschaftler Dana Royer und James Zachos. 

Das ist so, als wenn ein Arzt Euch die Diagnose „Mandelentzündung durch Streptokokken“ nennt und Ihr entgegnet, dass laut irgendeinem Typen im Internet Bakterien aber viel zu klein seien, um so eine Krankheit auszulösen. Klingt absurd, nicht wahr? Vermutlich, weil die medizinische Forschung in den letzten 100 Jahren genau diese Dinge extrem genau untersucht hat, wodurch die beteiligten Wissenschaftler über UND die Ärzte über die Größe von Bakterien sehr wohl Bescheid wissen.

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Genau so absurd ist es aber, Klimaforschern zu unterstellen, nichts von der recht abwechslungsreichen Klima-Vergangenheit unseres Planeten zu wissen. Denn genau das ist ihr Job: Millionen von Terabyte an Klimadaten aus Gegenwart und Vergangenheit zu sammeln, auszuwerten, und daraus ein möglichst genaues Klimamodell zu entwickeln. Wer sich dann hinstellt und vergangene Wärmeperioden als schlagenden Beweis anführt, dass die Klimaerwärmung so gar nicht existiert, handelt genau genommen etwas peinlich. Als würdet Ihr dem mit einem Problem konfrontierten Chefingenieur eines Teilchenbeschleunigers mit ernstem Gesicht empfehlen, das ganze Teil mal aus- und wieder einzuschalten.

Das alles muss natürlich nicht heißen, dass das derzeitige Klimamodell zu 100% korrekt ist, so wie in der Wissenschaft eben nie etwas zu 100% bewiesen wird. Wer aber die aktuellen Modelle widerlegen möchte, sollte sich schon ein bisschen mehr damit beschäftigen und ein besseres Modell entwickeln, denn: Dass es früher auch schon mal wärmer war, das ist in die aktuellen Modelle eingeflossen.

(2.) Ja, es war früher schon mal wärmer. Viel wärmer. Vor 80 Millionen Jahren etwa war unser Planet im Schnitt zehn Grad wärmer als heute. Zehn Grad! Warum also machen wir uns wegen zwei Grad überhaupt in die Hose? Ist das nicht alles eine furchtbare Hysterie? Nein, leider nicht, denn: Vor 80 Millionen Jahren lag der Meeresspiegel auch unbequeme 170 Meter höher als heute. Einen Städtetrip nach Amsterdam, London oder Hannover ohne Tauchausrüstung kann bei solchen Wasserständen eine echt enttäuschende Veranstaltung werden. Na ja, wer will auch freiwillig nach Hannover 😉

Man kann nicht genau sagen, um wie viele Meter die Meere ansteigen würden, wenn es heute wieder 10 Grad wärmer wäre, da auch die Meeresbecken an Tiefe gewonnen haben. Jedoch wäre schon ein Anstieg um einen Meter eine viele Millionen Menschen in ihrer Existenz bedrohende Veränderung: Bis zu 150.000 km² heutige Landfläche wären permanent überschwemmt, auf denen momentan 180 Millionen Menschen leben, deren materielle Verluste 1,1 Billionen Dollar betragen würden. Gegen die dann entstehenden Flüchtlingsbewegungen nimmt sich die Million Menschen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland einwanderte, vermutlich niedlich aus.

Der Umstand, dass es früher schon mal wärmer war, bedeutet also nicht automatisch, dass diese frühere Erde auch ein besonders praktischer Ort zur Aufbewahrung von knapp 7,5 Milliarden Menschen war. Besonders, wenn die derzeitig auch noch 50 Milliarden Landtiere pro Jahr aufessen wollen.

MeteoritMit der Logik, dass die Erde früher viel wärmer war als heute, kann ich auch einem bevorstehenden Meteoriteneinschlag ganz gelassen entgegen sehen. Ich meine, die Erde wurde auch früher schon von dicken Gesteinsbrocken aus dem All getroffen, oder? Ja, wurde sie, aber die folgenden Jahrzehnte waren auch eine echt beschissene Zeit für ein Picknick im Freien.

(3.) Dass es früher auch wärmer und kälter war, ist kein Argument dafür, dass bei der aktuellen Erwärmung der Mensch keine große Rolle spielt. Die Mechanismen von Treibhausgasen sind ziemlich gut erforscht. Wer das für eine Verschwörung von Solarpanel-Herstellern hält, der kann einfach mal eine Lampe auf ein Glasgefäß halten, den CO₂-Gehalt darin erhöhen und schauen, was die Temperatur dann macht. Da man keine Millionen Tonnen Fleisch essen und den ganzen Tag Benzin und Kohle verbrennen kann, ohne entsprechend riesige Mengen CO₂ und Methan in die Atmosphäre zu pusten, lässt sich der Einfluss des Menschen recht gut beziffern.

Wir haben den CO₂-Anteil seit Beginn der Industrialisierung von 280 ppmV auf über 400 ppmV gesteigert, die Methan-Konzentration von 730 auf 1800 ppbV. Das bedeutet für beide Werte den höchsten Stand seit mindestens 800.000 Jahren, den wir da in gerade mal 250 Jahren erreicht haben. Verglichen damit gingen die bisherigen, natürlichen Klimaveränderungen wesentlich langsamer vonstatten, üblicherweise schwankte das Klima seit einer Million Jahren in einem Bereich von ca. 6 Grad Celsius, benötigte für einen solchen Zyklus aber auch jedes Mal mehrere 10.000 Jahre.

Angesichts dieser Fakten zu behaupten, der Mensch habe nur einen geringen Einfluss auf das Klima, ist, als würde man beobachten, wie ein paar Männer mit Fackeln aus einem brennenden Waldstück kommen und sagen „Das waren die nicht, Waldbrände hat es immer schon gegeben, das ist ein Teil der Natur.“ Auch wenn uns kleinen Menschen die Atmosphäre unendlich groß vorkommen mag, so ist sie gemessen an der Erde nur eine dünne Schicht (siehe Bild ganz oben). Da Planeten allgemein kaum geeignet sind, um sich Zusammenhänge solcher Dimensionen gut vorzustellen, mache ich das etwas anschaulicher:

Das ist das London Eye, das mit einer Höhe von 135 Metern größte Riesenrad Europas:

London-Eye-2009
Wir nehmen nun an, dieses Riesenrad sei unsere Erde und stellen uns eine maßstabsgetreue Troposphäre vor (das ist der untere Teil der Atmosphäre, der 90% der Luft enthält). Selbige ist nicht überall gleich hoch, aber laut den Berechnungen eines mir bekannten Physik-Studenten müsste sie in unserem Breitengrad ungefähr eine Dicke von 10,2 km besitzen. Das ist gemessen am Durchmesser der Erde von 12.756 km die gleiche Höhe, als würde man auf die oberste Gondel des Riesenrads klettern,und dort, tadaaaa, diesen 10,5 Zentimeter langen Textmarker aufstellen:

textmarker

Das ist dann unsere Atmosphäre. Im Bereich zwischen dem Gondeldach und dem Stiftdeckel befindet sich fast die gesamte atembare Luft. Wer extrem, extrem(!) genau hinsieht, der kann erkennen, dass ich den Textmarker mit Photoshop in korrektem Maßstab in das Riesenrad-Bild editiert habe. Und diese filigrane, gedachte Schicht mit der Dicke eines popeligen Stifts ist nun mal dem Einfluss des Menschen unterworfen, wenn dieser über wenige Jahrzehnte all den in Jahrmillionen in der Erde abgelagerten Kohlenstoff in die Atmosphäre pustet. Sie (die Schicht) ist zudem auch noch der einzige Ort im Umkreis vieler Lichtjahre, an dem wir überleben können.

Machen wir sie besser nicht kaputt…

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Na, immer noch nicht genug? Dir gefällt der Artikel wohl und Du würdest gerne mehr solcher Texte hier sehen, was? Du denkst, der Autor dürfte ruhig mal weniger faulenzen und mehr in die Tasten hauen? Du hast die richtige Einstellung!

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3 Gedanken zu “Bla bla… das Klima ändert sich immer schon… blabla

  1. Danke für den Beitrag! Sehr gut erklärt. Es wäre ja nicht so schlimm, wenn Leute, die keine Ahnung davon haben sich äußern. Traurigerweise sitzen viele davon in der Politik und in den Vorständen 🙁

    Sollte ich mal mehr als 3 Mark fünfzig verdienen, schmeiß ich dir auch mal was in deinen Recherchetopf 🙂

  2. Fest steht: Seit Menschen mehr und mehr fossile Energie nutzen, wird mehr und mehr fossil gebundene Sonnenenergie zusätzlich in die Erdatmosphäre emittiert. Naturgesetz der Physik
    Fossile Energie = gespeicherte Sonnenenergie.
    Das kann doch nicht so schwer sein.

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