Bio schmeckt gar nicht besser

Ist nich‘ wahr, oder? Der Spruch schon wieder…

Manchmal hat man das Gefühl, das Internet sei an eine Toilette angeschlossen. Man kann zwar frei wählen, was man sich anschaut, aber leider tropft überall ein bisschen Scheiße raus. Und der Filter, der sie daran hindert, literweise herauszuströmen, wird bei Diskussionen um das Bio-Siegel generell komplett abgeschraubt. Und dann planschen alle fröhlich in der Argumente-Kloake herum.

kein Geld mehr3

Ich weiß nicht, wo sich die Heerscharen von Leuten aufhalten, die angeblich eine Bio-Paprika am Geschmack erkennen können. Ich kenne keinen einzigen, der das von sich behauptet – wir sind doch alle froh, dass die Teile auf dem langen Weg von Israel hierher überhaupt noch nach was schmecken. Nein, ich mag die trotzdem gern, weil der Typ mit der Pestizid-Gießkanne da eben nur mal kurz drüber gewedelt hat und die Pflanze nicht in BASF-Sirup eingeweicht hat. Der Berufstrottel-Lieblingsbeitrag in dieser Sache „die schmegge doch gaah nät annäs als die normaahle Äbbel“ wird diesem Umstand auch bei 100-facher Wiederholung nicht wirklich gerecht.

Und ja, auch wenn ich Bio-Tierhaltung für Lichtjahre entfernt vom Idealzustand halte, eher so was wie Tierhölle light, so ist das imo die ein kleines Bißchen weniger beschissene Alternative. Klar haben die meisten da eine vollkommen unrealistische Vorstellung von und denken tatsächlich, da seien selbstbestimmte, in Würde lebende Tiere beteiligt. Aber immerhin werden die Ferkel da betäubt, bevor man sie kastriert, damit die verwöhnten Mitteleuropäer keinen herben Ebergeschmack im Mund haben, während sie sich über Tierquäler in China echauffieren. Biofleisch kaufen ist ein Bisschen so, als ließe man das Ebola-Virus im Regal liegen weil man nicht krank werden will und packt sich stattdessen einen fiesen Brechdurchfall in den Einkaufswagen.

Das führt jetzt auch zu weit. Nachdem also 2 recht vernünftige Personen (denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte) mit mir zusammen diesen anderen grenz-debilen Zellhaufen mit Internetanschluss erklärt hatten, dass Bio-Anbau und -haltung Vorteile hat, kam der Spruch. Man fragt sich unweigerlich, wie die Typen es mit der limitierten Denkmotivation geschafft haben, sich selbständig und ohne fremde Hilfe eine Hose anzuziehen, um in einem Geschäft ein interntfähiges Gerät zu kaufen. Aber im Saturn hier in Wiesbaden hängen ja meist ein paar verwirrte ohne Hose am Treppengeländer rum, das nächste Mal frage ich sie einfach direkt, ob sie DosenbierZweiNull und PSJunkie86 sind.

Das sei nämlich so teuer. Das Bio-Zeug.

Und ich ein naiver Gutmenschen-Ökoterrorist, wenn ich glaubte, die ganze Erde könne nur mit Bio-Produkten ernährt werden. Ja danke Sherlock, ist ja echt ‘n Ding. Klar ist das teurer! Ist ja auch für den Bauern teurer! Wieso bitte jammert Ihr darüber nur dann so rum, wenn es um was zu essen geht? Die 19-Zoll-Felgen sind ja auch teuer und die Bude mit Fussbodenheizung auch. Im Schöner-Wohnen Forum bekommt man in der Regel nicht so schöne Schimpfnamen, wenn man seine Liebe zu kleinen dicken Marmorengeln unter der Stuckdecke gesteht, auch wenn die um Größenordnungen teurer sind als schnöde Möhren! Wäre auch absurd oder? Oder wenn man vom Urlaub erzählt:„Hey, wir waren auf Malle, 14 Tage All-Inclusive, geilo!“„Ach ja? Und jetzt glaubst Du, dass alle Menschen auf der Welt in Malle Urlaub machen können, ja?“„äh, nein?!“„Mit Dir rede ich nicht mehr, missionier‘ mich nicht Du Last-Minute-Fanatiker!“„Bernd, testest Du wieder Medikamente für Geld? Mona und ich können Dir doch was leihen“„HAU AB! Es ist so warm hier! Ich zieh mich jetzt aus…“

Der springende Punkt ist: Es ist nicht mal teuer. Also genau betrachtet, alles eingerechnet. Es gibt einen Unterschied zwischen preiswert und durch massiven Einsatz fossiler Stoffe preiswert. Das zweite ist nämlich nur kurzfristig betrachtet preiswert, es wird künstlich billig gehalten, indem wir die Substanz des Planeten verfressen. Um z.B. mineralischen Dünger herzustellen verbraucht man einen Riesenhaufen Energie und reichert den Boden (und damit mittelfristig auch das Essen und Grundwasser) mit toxischem und radioaktivem Material an. Außerdem braucht man dafür Unmengen an Phosphat, dessen Vorräte auch nicht gerade ewig halten. Die Forderung, alle sofort mit Bio-Produkten zu ernähren ist also realistischer als die, auf ewig alle Pflanzen in Mineraldünger zu tränken, denn der wird irgendwann knapp. Und teuer. Auf das billige gedüngte Zeug schwören hat ein Bisschen was von dem Mann, der sein Bankkonto immer ausgeglichen haben wollte und dafür einfach ständig neue Kredite bei der Mafia aufnahm. Irgendwann war sein Konto dann doch auf Mariannengraben-Niveau und seine Beine mehrfach kompliziert gebrochen.

Videotext

Nun wird dieser Exkurs nichts daran ändern, dass eine allein erziehende Friseurin in der Regel froh ist, wenn sie die Kinder einigermaßen einkleiden kann und vermutlich deswegen aus Alternativlosigkeit den konventionellen Fraß kaufen muss. In den erwähnten Diskussionen aber hat man den Eindruck, die Deutschen bestünden zu 90% aus allein erziehenden Friseurinnen. Zuerst wird noch groß rumgeprahlt, wie viel Kohle man gestern versoffen und verraucht hat und dann sind 40 Cent mehr für 2 Kilo Möhren auf einmal eine unerschwingliche Summe? Ist klar … hey, das ist doch affektiertes Schnösel-Gewimmer, schaut Euch mal an, für was einen unfassbaren Scheiss Deutsche Geld ausgeben: Es kaufen so viele Leute CDs von Pur, dass die „Musiker“ davon leben können! Es gibt Leute, die schicken für 49 Cent eine SMS an die Pro7-Videotext-Vote um dafür zu stimmen, welcher Backstreet Boy den längsten hat! Und von den 250 Hirnis, die da gestern ernsthaft was hingeschickt haben, stimmen 10 auch noch für „ich weiß nicht“!! AAAAAAAAH! Die Kohle ist wohl als Senkblei besser investiert. Oder sie zahlen Eintritt um im Publikum bei einer bekanntermaßen von vorn bis hinten gefaketen Talkshow sitzen zu dürfen. So als wären Milli Vanilli-Fans weiter zu deren Konzerten gelaufen, nachdem raus kam, dass die gar nicht singen können. Nicht zu vergessen die massenhaften Weihnachtseinkäufe die in irgendwelchem komplett sinnfreien Nippes enden, den kein vernünftiger Mensch braucht, frei nach dem Motto People buy things they don’t need, with money they don’t have, to impress people they don’t like.

Ist auch ok, ist ja Euer Geld. Aber dann jammert mich nicht voll wegen 10-20% Aufpreis für Produkte, die einen echten, messbaren, den Planeten erhaltenden Mehrwert haben. Oder wegen 5 Euro mehr für das Schnitzel damit das Ferkel ‘ne Spritze bekommt, bevor man ihm die Hoden raus reißt.

Am Arsch… die feinen Herrschaften haben das Budget leider schon für beheizbare Außenspiegel verfeuert, aber wir wollen ja auch nicht, dass das Fleisch am Ende nach Eber schmeckt. Das wäre ekelhaft.

7 Gedanken zu “Bio schmeckt gar nicht besser

  1. Danke für den Beitrag! Die Diskussion „ich esse ja gar nicht so viel Fleisch, und wenn, dann nur bio“ sowie „ja, aber Gemüse ist doch sooooo teuer!“ (wohlgemerkt Gemüse allgemein, nicht bio im Speziellen!) hatte ich auch schon. Meist immer mit der gleichen Person. Ich umschiffe die Thematik inzwischen einfach. 😉

    Und zu Bio hatte ich heute auch ein schönes Erlebnis: Ich stehe im Supermarkt beim Biogemüse. Wohlgemerkt ist das ein großer Markt mit zwei kompletten Regalreihen (beidseitig bestückt) voller Biogemüse und -obst (nebst etwa der doppelten Menge an konventionell angebautem Grünzeug). An der Waage steht eine Dame mittleren Alters und wiegt drei Porreestangen. Guckt aufs Etikett und sagt voller Entsetzen: „Das ist ja bio!“ Guckt ihren Mann an, der fragt: „Gibt es denn hier nichts Normales?“
    Sie guckt sich um: „Doch, dahinten. Pack das hier mal wieder weg.“
    Während sie den „normalen“ Porree holt, geht er laut zeternd hinterher: „Immer dieser Bioscheiß, ist doch mal wahr, Bio ist der letzte Dreck …“ Und so weiter und so fort. Ich war leider nicht schlagfertig genug, um ihn auf den Müll in seinem Einkaufswagen (Hochprozentiges, Dosenbier und irgendein Fertigessen) hinzuweisen … Und eigentlich hätte ich ihn gerne nach seinen Zivilisationskrankheiten gefragt, aber ich trau mich dann immer nicht.

    Logisch übrigens, dass ich das Etikett selber entsorgen musste, anstatt dass sie es auf die groß markierte Fläche für Fehletiketten geklebt hätte, oder? 😉

  2. Genial!
    Ich liebe diesen Text!

    Schön sind auch immer die Leute die meinen ‚die Biosachen sehen aber gar nich so lecker aus!‘ …
    Da würd ich am liebsten sagen ‚Du siehst auch nicht lecker aus, soll ich jetzt gehen?‘.

  3. Über die verdrehten Prioritäten vieler Menschen (gefühlt der meisten) wundere ich mich auch regelmäßig. Ich kann deine Verärgerung daher sehr gut nachvollziehen. Ähnliche Gedanken beschäftigen mich oft.

  4. Ich bin nicht in allen punkten deiner meinung. Ich bin keine alleinerziehende friseurin, mache keinen all inclusive urlaub auf malle und ernähre mich nicht hauptsächlich von fertigzeug.
    Und trotzdem könnte ich es mir nicht leisten, gemüse, obst, milchprodukte immer in bio zu kaufen. Flaisch kauf ich so selten, da wär das drin.

    Zu dem punkt, dass gemüse und obst teuer sind. Es wäre eine lüge das gegenteil zu behaupten. Aber es gibt mittel und wege. Z.b. beides auf dem markt kaufen. Kostet meist weniger als die hälfte wie im supermarkt.

    Oder aber sich die sachen über foodsharing besorgen. Auch brot und brötchen kaufe ich nur noch selten selbst.
    Ich spare dadurch wöchentlich 10-20 euro. Und tu noch was gutes dabei.

    • Obst und Gemüse ist nicht billig? Karotten, Kohl, rote Beete, Zwiebel und Kartoffeln kriegst du alle zwischen 1 und 2 Euro das Kilo. Das ist verdammt billig. Und das sind dann auch oft regional Produkte weil sowas ind Deutschland wächst. Selbst Bio ist da absolut bezahlbar. Und ich bin kein Schnösel sondern Student mit knappem Budget.

  5. Ich kann dir da nur zu stimmen. Ich diskutiere auch gerne mit bekannten, oder Klassenkameraden darüber. Es bringt nichts! Immer dann, wenn man das Totschlagargument bringt, hören sie nicht mehr hin, weil sie kein schlechtes Gewissen haben wollen. Ähnlich verhält es sich mit der echtpelz Diskussion, wo ich erst recht nicht verstehen kann, warum die das immer noch kaufen. Es ist meistens teuerer als Kunstpelz und für den Hersteller auch noch billiger her zu stellen. Die Tiere werden meistens sogar noch lebendig geheutet und dennoch kaufen die leute diese Echtpelz scheiße, wie die verrückten. Z.B diese Wollmützen, mit dem hasenpuschel oben drauf, der einfach mal so gar nichts bringt, da hat sogar der pelzkragen mehr Sinn.

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