Das war 2023: Kein Blackout, Kohle auf einem historischen Tief und sinkende Kosten trotz Atomausstieg

Was wurde uns nicht alles prophezeit, wenn in Deutschland die letzten Atomkraftwerke ausgeschaltet werden. Die Kohleverstromung werde in nie dagewesene Höhen steigen, Die Menschen müssen sich gegenseitig ihre letzten Lumpen klauen, weil Blackouts und Niedergang dominieren werden. Deutsche Atomkraft wird mit LNG aus Katar ersetzt, während hier gleichzeitig ohne französische Atomkraft die Lichter ausgehen würden. Alle Welt lache deswegen über Deutschland.

Es scheint tatsächlich nicht wenige Deutsche zu geben, die ihr Weltbild und ihre Wahlentscheidungen davon abhängig machen, was das Ausland vermeintlich von uns denkt. Witzig – einerseits ist Deutschland ja sooo klein, dass es in Klimafragen ohnehin keinen Unterschied macht, aber gleichzeitig beschäftigt sich die ganze Welt mit dem deutschen Strommix? Unwahrscheinlich.

Würde sich aber tatsächlich die ganze Welt mit der deutschen Stromversorgung beschäftigen, dann wäre 2023 eher ein Grund für erstaunte Gesichter voller Hoffnung gewesen. Das lief nämlich unerwartet gut, selbst für mich alten Berufsoptimisten:

1964, ihr erinnert euch? Platz 1 der Single-Charts war da „Liebeskummer lohnt sich nicht“ und der damals leistungsstärkste Supercomputer schaffte an einem ganzen Tag so viel Gleitkommaoperationen wie mein Smartphone in einer Sekunde (ist lange her).

Die Frage, die sich viele Menschen nun stellen: Wie konnten wir 3 Atomkraftwerke abstellen und gleichzeitig die Kohleverstromung so stark senken? Ist das nicht nur eine Folge von wirtschaftlichem Rückgang?

Zunächst ist es ganz grundsätzlich selten zielführend, in derartig komplexen Systemen wie dem Strommarkt eines großen Landes nach monokausalen Ursachen für eine Jahresstatistik zu suchen. Der Rückgang der deutschen Kohleverstromung hat gleich mehrere Ursachen:

  1. Der gesamte Stromverbrauch sank von 2022 auf 2023 um etwa 4 Prozent
  2. Anstatt netto 5 Prozent unserer Stromerzeugung zu exportieren, importierten wir 2023 netto 2 Prozent unseres Bedarfs
  3. Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren stieg um 8 Prozent

Zu Punkt 1: Ein Rückgang von 4 Prozent des Strombedarfs ist schon eher viel, allerdings ging der Strombedarf in den meisten der letzten 10 Jahre zurück, auch weil wir die Energie effizienter verwenden. Für eine Stadtbeleuchtung mit LEDs, Geräte mit Effizienzklasse A und optimierte Prozesse in der Industrie benötigen wir einfach weniger Strom als früher. Ein Teil des Rückgangs wird aber auch dem Kostendruck geschuldet sein.

Zu Punkt 2: Viele von uns gingen davon aus, dass unsere Stromexporte niedriger ausfallen als in den letzten Jahren. Dass wir am Ende auch aufs ganze Jahr bezogen zum Netto-Stromimporteur werden, war eine Überraschung. In den Debatten hatte auch ich selbst mehrfach die falsche Vermutung geäußert, dass sich das aufgrund der gleichen saisonalen Schwankung wieder ausgleicht.

Tatsächlich haben wir in den Wintermonaten wieder mehr exportiert, aber das hat die Importe aus dem Sommer nicht mehr ausgeglichen. Meine Hater können sich in den Kommentaren also gerne an meinem Irrtum laben. Womit ich jedoch Recht behalten habe, ist der Grund warum wir mehr importiert haben:

Deutscher Kohlestrom ist mittlerweile einfach zu teurer und der europäische Strommix zu sauber, um damit große Überschüsse zu erzielen. Unsere Exporte des Jahres 2022 waren noch von einer mit Problemen kämpfenden französischen Atomflotte geprägt, so dass wir da den Rekordwert von 15 Terawattstunden nach Frankreich exportiert haben.

Das hat sich letztes Jahr glücklicherweise entspannt: Historisch gesehen lieferten die französischen Atomkraftwerke in 2023 zwar immer noch wenig Strom, aber doch beruhigende 40 TWh mehr als noch 2022, so dass unser Stromhandel 2023 viel ausgeglichener war: Frankreich exportierte 12,4 TWh an Deutschland, Deutschland exportierte 12,0 TWh an Frankreich.

Die hohen Importüberschüsse erzielten wir mit Strom aus anderen Ländern:

Dänemark: 10,7 TWh (Fossilanteil 20%)

Norwegen: 4,6 TWh (Fossilanteil < 1%)

Schweden: 2,9 TWh (Fossilanteil < 5%)

Niederlande: 2,1 TWh (Fossilanteil >50%.)

Schweiz: 1,0 TWh (Fossilanteil 0%)

Frankreich: 0,4 TWh (Fossilanteil < 7%)

Deutsche Kohlekraft wurde also runtergefahren und stattdessen wurde klimaschonenderer Strom von unseren europäischen Partnerländern importiert. Ein Umstand, der von der Bild als „Strom-Bettelei“ verunglimpft wird, führt wahrhaftig zu deutlich weniger Emissionen.

Quelle Energy-Charts.de, Balken mit positiven Werten sind Importe, Balken mit negativen Werten sind Exporte

Der importierte Strom hätte locker auch mit unseren eigenen Kraftwerken erzeugt werden können. Er macht nur einen kleinen Teil des gesamten Verbrauchs aus und wurde importiert, während unsere Kohlekraftwerke sich historisch langweilten: Unsere Braunkohlekraftwerke liefen 2023 nur die Hälfte der Zeit unter Volllast, die Steinkohlekraftwerke sogar nur zu 22% der Zeit.

Wir können uns jetzt gerne in den Kommentaren streiten, was die Ursachen für den Strommix 2023 waren, aber die Prognosen für Blackouts, mehr Kohlestrom oder Abhängigkeit von Frankreich können wir in der Rückschau ins Reich der Mythen und Legenden verbannen (die Zahl der Stromausfälle sinkt).

Irgendwie auch irre, wie viele Menschen eine Abhängigkeit von französischem, ziemlich klimaschonendem Strom aus einer europäischen Demokratie fürchten und gleichzeitig kein Problem damit zu haben scheinen, dass 98% unseres Erdöls, 100% unserer Steinkohle und 95% des Erdgases importiert sind. Wenn wir in großen Mengen Strom exportieren, für den wir aber erst Steinkohle und Erdgas importieren müssen, was ist dann gewonnen?

Besonders heuchlerisch geriet in diesem Zusammenhang mal wieder die gespielte Empörung von Jens Spahn, dem Energie-„Experten“ der Unionsfraktion.

Dessen Twitter-Account steigerte sich im April 2023 mit „schmutzige Kohle […] wie nie zuvor.“ in immer emotionalere Höhepunkte auf Trump-Niveau hinein, obwohl er selbst diesen Ausstieg genau in der Form im Jahr 2011 im Bundestag mitbeschlossen hatte (in der Folge gingen im Jahr 2011 direkt 8 Kernreaktoren vom Netz, die Kohleverstromung stieg danach deutlich und sankt erst 6 Jahre später wieder unter den Wert von 2011).

Im Dezember 2023 fabulierte er hingegen einen „Kohlewinter“ herbei, den es bislang ebenfalls nicht gab. Der Dezember 2023 war der kohleärmste Dezember der Statistik und auch 4. Quartal 2023 zeigt ein Minimum der Kohleverstromung.

Ja, das hätte auch anders laufen können. Und ja, wäre Deutschland zuerst aus der Kohle und dann aus der Atomkraft ausgestiegen, dann sähe unsere Klimabilanz noch mal deutlich besser aus, was die Ausstiegsreihenfolge fragwürdig erscheinen lässt. Spahn macht diesen Fehler aber nicht wieder gut, indem er mit Lügen über Kohlerekord-Märchen nach der Atomkraft auch noch Wind- und Solarkraft lahmzulegen versucht.

Denn hey, Im Jahr 2024 stellen wir keine Atomkraftwerke mehr ab. Jede Kilowattstunde, die von jetzt an durch den Wind- und Solarkraftausbau dazukommt, verdrängt eins zu eins eine fossile kWh aus dem Netz. Das kann ziemlich cool werden.

Let’s go!

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Über Gabor Steingarts groteske Thesen zu „Lebenslügen grüner Klimapolitik“

„Jan, du hast keine Ahnung, lies einfach bei Gabor Steingart nach, warum du falsch liegst!“, bekomme ich in letzter Zeit immer öfter als Ratschlag in festgefahrenen Diskussionen. Habe ich gemacht und nach der Lektüre von „Die drei Lebenslügen der grünen Klimapolitik“ bin ich angenehm bestärkt darin, in vielen Dingen goldrichtig zu liegen: Steingart wertet darin Daten falsch aus, fällt auf PR-Tricks von Herstellern rein und ordnet die Wucht technologischer Umbrüche nicht richtig ein.

Screenshot des Pioneer Briefing

Versteht mich nicht falsch, Regierungskritik ist ein wichtiger Bestandteil des Mediengeschehens, manche würden sogar sagen: Der wichtigste. Es ist gut und richtig, wenn Medien der Regierung auf die Finger hauen, aber dazu sollten die Kritiker idealerweise auch den Hauch einer Ahnung vom Thema haben. Das ist beim „Pioneer Briefing“ leider so gar nicht der Fall, hier werden peinlichste Anfängerfehler gemacht, die ich von einem Volontär am ersten Tag nicht erwarten würde.

Steingart verwechselt Tageswerte mit Monatswerten und merkt es nicht

Gabor Steingart war mal Chefredakteur und Herausgeber des „Handelsblatt“, wurde dann aber von Dieter von Holtzbrinck entlassen und hatte kurz Hausverbot in der Redaktion, was eine öffentliche Kontroverse auslöste. In der Rückschau scheint Holtzbrinck den richtigen Riecher gehabt zu haben, denn was Steingart da fünf Jahre später in seinem Morning Briefing verzapft, passt schlecht zu einer Finanzzeitung mit einem gewissen Anspruch:

Drei Lebenslügen der grünen Klimapolitik will er identifiziert haben. Bebildert ist das zwar mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in einer handwerklich schlecht gemachten Fotomontage, aber im Text wird das Ganze direkt ausgeweitet auf „die deutschen Energiepolitiker“, die ausschließlich „auf Irrwegen“ unterwegs seien. Also alle? Auch Peter Altmaier, Philip Rösler und Sigmar Gabriel inkl. der Staatssekretäre und Beratungsstäbe? Gut, an Selbstbewusstsein mangelt es Energie-Vollprofi Steingart offenbar nicht.

„Lebenslüge“ 1: Der Vorrang der erneuerbaren Energie sei teuer und im Winter extrem ineffektiv.

Bebildert ist die „Lüge“ mit einer verschneiten Photovoltaik-Anlage und einem Screenshot der Seite „Electricity Maps“, laut der der deutsche Strom… nun ja… braun ist. Für so neumodischen Kram wie konkrete Werte oder einen Link zur Grafik war keine Zeit, ein paar bunt eingefärbte Karten und eine Legende nach Farbschema müssen der Pioneer-Kundschaft hier reichen.

Es folgt der altbekannte Tenor aus einschlägigen Fossil-Kreisen, dass Deutschlands Strommix wegen der Erneuerbaren im gesamten Winter ganz furchtbar sei, dass diese durch Atomkraft ersetzt werden müssten und es werden unlautere Vergleiche gezogen, dass es in allen anderen Ländern viel besser laufe. Dazu werden die üblichen Kampfbegriffe wie „Flatterstrom“ und „Umweltsau“ bedient.

Leider wertet Steingart, laut dem sich ja alle anderen auf dem Irrweg befinden, hier hoffnungslos falsche Daten aus. Anstatt sich die Erzeugung der letzten 30 Tage anzusehen, auf denen seine Argumente beruhen, hat er nur die Daten eines einzelnen Tages berücksichtigt, obwohl die Schaubilder mit „Stromerzeugung in Europa der letzten 30 Tage“ beschriftet sind:

So ein Fehler kann passieren, besonders wenn man sich auf die grauenvolle Benutzeroberfläche der Seite Electricity Maps einlässt, bei der ein Klick auf die Schaltfläche „30 Tage“ die Daten des gestrigen Tages auf der Karte anzeigt. Wer aber auch nur halbwegs mit dem europäischen Strommix und den Mengengerüsten vertraut ist, dem wäre der Fehler sofort aufgefallen.

Dänemark mit einem schlechteren Strommix als Deutschland ihn im Jahresdurchschnitt hat? Das passiert vielleicht an vereinzelten Tagen mal, aber nicht auf Monatsbasis. Noch offensichtlicher: Der Ex-Chefredakteur des „Handelsblatt“ behauptet in der folgenden Grafik allen Ernstes, Deutschland hätte im vergangenen Monat (!) etwa 1.000 Gigawattstunden Strom verbraucht:

Niedlich, so viel verbraucht vielleicht Slowenien in einem Monat, aber Deutschland? Mit der Strommenge können wir gerade mal so Hamburg einen Monat lang versorgen, aber Deutschland benötigt insgesamt etwa 40 mal so viel Strom. Es ist, als würde Steingart seinen Enkeln für den Kinoabend 50 Cent in die Hand drücken und direkt ermahnen, nicht alles auf einmal auszugeben.

Es sind auch nicht die vier größten Quellen der Stromerzeugung zu sehen (er hat Wasserkraft und Biomasse vergessen) und natürlich auch nicht die von 30 Tagen, sondern mutmaßlich die des für Wind- und Solarstrom besonders schlechten 03.12.2023. Die tatsächlichen Anteile des November sahen so aus:

Steingart hat hier also weder einen Monat oder gar „den Winter“ betrachtet, wie er mehrfach behauptet, sondern hat sich einen Tag oder vielleicht auch nur einen Stundenwert mit besonders schwacher Leistung aus Wind- und Solarkraft ausgesucht. Das ist ein beliebter Trick auf Twitter, um die Energiewende schlecht zu reden, hat aber genauso wenig Aussagekraft, wie wenn ich die Daten des 02. Juli 2023 poste und aufgrund des hohen EE-Anteils behaupte, die Energiewende sei schon zu 84% abgeschlossen.

Wer wirklich wissen will, wie weit der Weg noch ist, muss sich die Werte des ganzen Jahres ansehen und die sind natürlich besser als der willkürlich gewählte Tag von Steingart. Diese Taktik nennt sich auch Rosinenpickerei. Mit ihr kann mittels einer 95 Jahre alten Kettenraucherin scheinbar belegen, Zigaretten seien nicht gesundheitsschädlich oder anhand von Dieter Bohlen argumentieren, Menschen in Niedersachsen machten grauenvolle Musik. Stimmt aber nicht, The Hirsch Effekt stammen aus Hannover und die machen feinsten Artcore.

Electrity-Maps-Screenshots von einzelnen Tagen haben wenig Aussagekraft

Aufgrund von Steingarts mangelhaftem Umgang mit Daten und Farben zerbröselt auch seine Behauptung, Deutschlands Strom sei zusammen mit dem von Polen der CO₂-intensivste ganz Europas im Winter. Selbst für seine im Screenshot zu sehende falsche Tagesauswertung stimmt das nicht, da haben Estland, Nordmazedonien, Kosovo und mutmaßlich auch Zypern schlechtere Werte als Deutschland.

Der kalendarische Winter hat hingegen nicht mal begonnen und das Winterhalbjahr misst man üblicherweise vom 01.10. bis zum 31.03. des Folgejahres – ein schwieriges Unterfangen Anfang Dezember. Aber selbst bei Betrachtung von Steingarts ungenauer, mit fragwürdigen Methoden rechnender Quelle Electricity Maps hatte Deutschland im November 2023* einen klimafreundlicheren Strommix als Polen, Tschechien, Bosnien, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien, Bulgarien, Türkei und Zypern. Das war der Zeitraum, den er eigentlich auswerten wolle.
* Auf „12 Monate“ klicken und den Schieberegler auf November ziehen

Er behauptet weiter, die Kohle- und Gaskraftwerke liefen auf „vollen Touren“ und deswegen seien Menschen, die E-Autos oder Wärmepumpen nutzen, „Umweltsäue“. Anstatt so was aus bunten, schlecht geschätzten Europakarten abzuleiten, hätte er sich die prozentuale Volllast auch einfach von den Energy-Charts ausrechnen lassen können, und siehe da: Unsere Kohlekraftwerke waren in keinem November seit 10 Jahren so niedrig ausgelastet wie im Jahr 2023. Es hätte also keinen besseren November für E-Autos und Wärmepumpen gegeben als diesen.

Zwischenfazit: Steingart bezieht seine Aussagen auf vollkommen falsche Daten, und zieht daraus Schlüsse, die nicht mal die falsch erhobenen Daten zulassen.

„Lebenslüge“ 2: Der Ausstieg aus der Kernenergie wirft Deutschland technologisch zurück

Das kann man gerne so sehen, aber grün ist diese Lebenslüge nur, wenn man die Bundespolitik der letzten 15 Jahre verschlafen hat. Der Atomausstieg folgte ja nun mal einem Beschluss, dem im Jahr 2011 Union, SPD, FDP und Grüne zugestimmt haben. Der von Steingart zitierte Jens Spahn hat 2011 höchstselbst dafür gestimmt, alle deutschen Atomkraftwerke stillzulegen und hat danach in 10 Jahren Regierungsverantwortung nichts daran geändert:

Wenn Kernkraft also wirklich eine Renaissance erlebt, wie Jens Spahn zitiert wird, wieso hat er diese dann ignoriert, solange er mitregiert hat? Wieso wurden unter Philipp Rösler von der FDP dann die meisten Reaktoren stillgelegt? Oder gibt es die Renaissance erst seit der Ampel-Regierung? Unwahrscheinlich. Er behauptet:

„Derzeit gibt es 439 Kernkraftwerke in 32 Ländern, die rund zehn Prozent des weltweiten Stroms und etwa ein Viertel der kohlenstoffarmen Energie liefern. Weitere 62 neue Reaktoren werden weltweit gebaut, 110 befinden sich in der Projektierungsphase.“

Da Steingart konsequent auf Quellenangaben verzichtet, lässt sich schwer nachprüfen, warum seine Anzahl für die laufenden Reaktoren 27 über dem Wert des World Nuclear Industry Report liegt, aber immerhin stimmt hier die Größenordnung.

Generell vergisst er komplett zu erwähnen, dass „Projektierungsphase“ nicht heißt, dass diese Reaktoren tatsächlich alle gebaut werden. Projektiert wurden schon eine Menge Kraftwerke, bei denen am dann aber trotzdem nie ein Spatenstich erfolgte (Seite 67) – das hat allerdings weniger mit Atomkraft als generell mit Großprojekten und ihrer Finanzierung zu tun.

Ebenfalls wichtig zu wissen: Fast alle genannten Reaktor-Neubauten finden in Asien statt und stehen einer immer älter werdenden Atomkraft-Flotte im Westen gegenüber. Das Durchschnittsalter französischer Kernkraftwerke liegt bei 38 Jahren (Seite 115), das der 93 US-Reaktoren liegt bei 42 Jahren (Seite 206), während in beiden Ländern in Summe an zwei (!) Reaktoren gebaut wird:

Quelle (Seite 50)

In obiger Grafik könnt ihr das ganz gut sehen: Der Boom der Atomkraft fand im Westen in den 80er Jahren statt. Alter hingegen ist für Kernreaktoren ähnlich erstrebenswert wie für Kniegelenke, und so lagen die durchschnittlichen Ausfallzeiten der französischen Reaktoren bei 152 Tagen im Jahr 2022 Seite 108).

Die französische Atomstromproduktion lag daher letztes Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 1993. Für das Jahr 2023 werden zwar bessere Werte erwartet, was dann aber auch nur den zweitschlechtesten Wert seit 1993 bedeutet:

Quelle (Seite 104)

Um eine echte Renaissance auszulösen, müsste der Zubau also dramatisch gesteigert werden. Die zusätzlichen geplanten 14 französischen Reaktoren werden die Alterung der bisherigen Kraftwerke nicht kompensieren könnten, so dass mit einem weiteren Rückgang der westlichen Atomstromproduktion zu rechnen ist.

Kleinere Reaktortypen, wie Polen sie bauen will, könnten eine Entwicklung in diese Richtung erleichtern, aber auch hierzu gibt es aktuell leider ein paar Rückschläge. Die Idee, diese Reaktoren seien dann in Kühlschrankgröße erhältlich, haben bislang auch eher mit Science Fiction als mit der Realität zu tun: Das IFE schätzt die Größe eines sogenannten Small Modular Reactor (SMR) in der Tat deutlich kleiner als den in einem konventionellen Kernkraftwerk, aber auch der Sicherheitsbehälter von NuScale ist 20 Meter hoch.

„Lebenslüge“ 3: Das Aus für den Verbrennermotor ist ein Jahrhundertfehler.

Auch hier stellt sich die Frage, was das mit den Grünen oder gar der deutschen Politik zu tun haben soll, befindet sich die Elektromobilität weltweit im Hochlauf:

Die größten Hersteller sind Tesla und BYD Aus China, die weltweiten Verkaufszahlen lassen wenig Zweifel, wie schnell der Markt wächst:

2021: 6,5 Millionen verkaufte E-Autos

2022: 10,5 Millionen verkaufte E-Autos

2023: 14,2 Millionen verkaufte E-Autos (geschätzt)

Und wir befinden uns immer noch am Anfang dieser Entwicklung. Höhere Produktionsmengen und verbesserte Batterietechnik werden die Stückpreise voraussichtlich weiter senken, so dass es richtig interessant werden könnte, wenn die ersten Kleinwagen auch in der Anschaffung günstiger sind als ihre Verbrenner-Pendants.

Gabor Steingart lässt sich Wachstumsraten aber nicht groß beirren, seine Logik ist folgende:

„Die globale Autoindustrie setzte 2022 über 71,7 Millionen neue Autos ab. Davon waren rund 8,7 Millionen rein elektrisch betrieben – also rund zwölf Prozent.

Das bedeutet: Die Elektrifizierung der gesamten globalen Fahrzeugflotte dauert viele Jahrzehnte – selbst bei einem zügigen Hochfahren der Elektroproduktion. Ein Rechenmodell verdeutlicht das Problem: Wenn im bisherigen Tempo weiter elektrifiziert wird, stünden nach 100 Jahren erst 870 Millionen reine Elektrofahrzeuge bereit, von denen allerdings zwei Drittel schon wieder verschrottet werden müssten, weil sie zu alt wären.“

Aua. Das liest sich wie der Auszug aus einer Beratungsmaßnahme für finanziell zu gut aufgestellte Unternehmen. Sie wollen Ihr Unternehmen zum nächsten Nokia machen? Kein Problem, unterschätzen sie einfach exponentielle Marktveränderungen und fragen Sie sich in zehn Jahren, warum niemand mehr ihre Produkte kauft.

In der Nokia-Zentrale in Espoo hätte Ende 2007 auch irgendein Vertriebsfuzzi zum anderen Vertriebsfuzzi sagen können „Ach, ich mache mir wegen des iPhones keine Sorgen, wir verkaufen im Jahr 440 Millionen Handys und Apple nur 1,4 Millionen. Bei der Geschwindigkeit dauert es ja noch hunderte Jahre, bis die so viel Geräte verkauft haben wie wir dieses Jahr. LOL“

The Pioneer Briefing ignoriert Strategien der großen Autokonzerne

Ja, aber nur bei der Geschwindigkeit, das ist ja der Witz. Steingart bemängelt, dass der Umstieg selbst bei einem „Hochfahren der Elektroproduktion“ 100 Jahre dauert, rechnet es dann aber, als frören die Verkaufszahlen jetzt für alle Zeiten auf den Werten von 2022 ein.

Der Witz bei technologischen Umbrüchen ist aber nun mal, dass die Produktionsgeschwindigkeit sich sehr stark ändert, so dass Nokia nur vier Jahre später nicht mehr Marktführer war. Apple hat nämlich bereits ein Jahr später 10 mal so viele Smartphones hergestellt und fünf Jahre später hundert mal so viel. Und boing, schon wurde das Vertriebsteam von Nokia bald kleiner.

Bei E-Autos wird es vermutlich nicht ganz so schnell gehen, weil der Lebenszyklus eines Autos in der Regel etwas länger dauert als der eines Smartphones, aber Zuwachsraten von 60% und 35% (Verkaufssteigerungen von 2021 auf 2022 und 2023) sprechen eine klare Sprache.

Hier noch ein kleiner Einwurf aus der BWLer-Ecke: Schrumpfende Märkte sind etwas, wobei Wirtschaftsfuzzies so gar nicht auf Touren kommen. Der Hochlauf eines neuen Produkts macht oft gleichzeitig die Produktion des alten schwieriger und teurer: Es gibt dafür dann weniger Investoren-Gelder, weniger Verkäufe bedeuten im Zweifel wieder höhere Stückkosten und gutes Personal, das zur Konkurrenz wechselt.

Ist also erst mal klar, dass das Ende einer Technologie gekommen ist, entsteht eine Art Abwärtsspirale, die den Umstieg dramatisch beschleunigt.

Fazit: Die drei Lebenslügen entpuppen sich bei näherer Betrachtung einfach als drei globale Wirtschaftstrends, die weder auf Deutschland noch auf grüne Politik beschränkt sind. Wind- und Solarstrom, Elektromobilität und Batteriezellen verzeichnen weltweit starkes Wachstum und werden von den mit Deutschland konkurrierenden Wirtschaftsräumen USA und China massiv staatlich gefördert, um die globalen Märkte der Zukunft zu dominieren.

Jetzt müsste nur noch irgendwer Herr Steingart informieren, dass die Grünen weder in den USA, noch in China oder einem der anderen Länder mit Hochlauf grüner Technologien regieren und auch nicht die vielen Firmen leiten, die gerade den Technologiewechsel vorantreiben. Seine Quellenauswahl offenbart eklatante Wissenslücken in Bezug auf die entscheidenden Mengengerüste und ein fehlendes Verständnis für exponentielle Entwicklungen.

Für die kommenden Umbrüche könnte ein Blick in Steingarts Morning Briefing aber durchaus einen Mehrwert bieten, indem ihr nach der Lektüre einfach das genaue Gegenteil von dem macht, was er empfiehlt.

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Warum die Bezeichnung „Strombettler“ selbst für BILD-Verhältnisse unfassbar hirnrissig ist

Dass das Boulevard-Magazin BILD Fehler macht, ist eigentlich keine Nachricht wert. Das ist so vorhersagbar wie Kälte im Winter und Wespen im Sommer. Aber das hier ist schon kein bloßer Fehler mehr, das ist eher ein medialer Totalausfall in der Dimension Top-3 der allerdümmsten Meldungen des gesamten Jahres 2023.

In der Redaktion müssen die entweder komplett geschlafen haben oder es gibt beim Springer-Verlag nur noch Leute, deren Kenntnisse in Wirtschaft und Energiepolitik zu schlecht sind, um in der Projektwoche bei der Schulzeitung in der Mittelstufe mitmachen zu dürfen.

Wir müssen uns diesen unausgereiften Gedanken-Kompost leider trotzdem mal kurz zur Einordnung ansehen, weil er sich wie zu erwarten Verbreitung in den sozialen Medien erfreut und dann steht Ihr am Ende in der Kaffeeküche, wo es die größten Büro-Dullis wiederholen werden:

Am 08.08.2023 hieß es dort: „Neuer Bericht zeigt: Deutschland wird zum Strombettler“ und „Was für ein Absturz!“. Nun ist der Begriff „Strombettler“ einfach so unglaublich lächerlich, dass die adäquateste Reaktion wäre, Leute einfach hart auszulachen, die ihn ohne Ironie benutzen.

Deutsche Kunden betteln nicht um Strom, sie kaufen ihn. Kaufen heißt: Sie tauschen ihn gegen Geld. Genau wie französische, schweizerische oder niederländische Kunden auch, und das tun sie täglich. Für Geld/Zaster/Moneten.

Die BILD findet es offenbar schlimm, dass wir im ersten Halbjahr 2023 mehr Strom importiert haben als im Jahr zuvor, so als sei Stromexport olympisch und wer am meisten exportiert, hat gewonnen:

„Lag der Netto-Stromexport in der zweiten Jahreshälfte 2022 noch bei 9,2 TWh, sind es jetzt gerade einmal 0,6 TWh. Vom Strom-Exporteur zum Strom-Bettler!“

Aua. So einen infantilen Blödsinn findet ihr nicht mal in den Leserbriefen der Blitz-Illu. Wir haben in besagtem Zeitraum ja immer noch mehr Strom verkauft als gekauft, waren aufs Halbjahr betrachtet also nach wie vor Stromexporteur.

Ich helfe dem hilflosen Springer-Personal aber gerne dabei, ihr eigenes Argument ordentlich zu formulieren, denn das macht es nicht weniger harmlos: In der Moment-Betrachtung des ganzen Jahres, Stichtag 18.08.2023, sind wir aktuell tatsächlich Netto-Importeur, das gab es zuletzt im Jahr 2011. Das Jahr ist aber noch nicht zu Ende, die starken Export-Monate liegen noch vor uns, das kann sich bis zum 31.12.2023 also noch ändern.

Aber gut, mal angenommen, das passiert nicht und Deutschland importiert 2023 insgesamt mehr Strom als es exportiert, was dann? Sollten wir uns dann den Bademantel anzünden und darin vom Balkon springen? Oder warnt die Bild-Redaktion hier vollkommen übernervös und schreckschraubig vor einer normalen, zu erwartenden Marktentwicklung?

Wenn Import nämlich „Bettlerei“ ist, dann befänden wir uns in einer illustren Runde von astreinen Bettel-Nationen: Die Schweiz, Österreich, Luxemburg, Italien, UK, Belgien und viele andere Staaten haben im ersten Halbjahr alle mehr Strom importiert als exportiert (ist ja auch mathematisch logisch, es kann ja nicht in jedem Land Überschüsse geben).

Wer kennt es nicht, dieses kirchenmausige Bettelpack aus Luxemburg und der Schweiz, das in Kartoffelsäcken am Straßenrand sitzt und wahllos Passanten um Strom anhaut. Ham se ma ne Kilowattstunde junger Mann?

Ach nee, Moment, das sind ja die einkommenstärksten Länder Europas. Und sie betteln auch nicht um Strom, sie kaufen den. Wie wenig kann man von Marktwirtschaft verstanden haben, um in einem Handel (!) Bettelei zu sehen? Italiens Importe lagen übrigens 8 mal höher als die deutschen.

Ständig werden irgendwelche Promis von der Klatschpresse umworben, um dem Pöbel in exklusiven Home-Storys ihre Designerklamotten, „Sport“-wagen und Brillantringe zu zeigen. An die Überschrift „Hier zeigt uns Schmuck-Bettlerin Naomi Campbell ihre zusammengeschnorrte Diamant-Kollektion“ kann ich mich nicht erinnern.

Aber hey, wenn Importe jetzt gleich Betteln sind, dann habe ich ganz schlechte Nachrichten für schwarz-rot-goldene Twitter-Profile: Dann wäre Deutschland zuallererst mal Erdölbettler und Erdgasbettler, gefolgt von Software-Bettler, Smartphone-Bettler, Klamottenbettler, Nahrungsmittelbettler und Medikamentenbettler.

Hey, liebe Springer-Belegschaft, Deutschland hat allein 2022 Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,5 Billionen (!) Euro importiert. Das sind 1.500 Milliarden Euro, eine Zahl mit 11 Nullen. Davon gingen allein 140 Milliarden nur für fossile Brennstoffe drauf. Verglichen damit ist der Wert unserer Stromimporte ein Witz, aber Rechnen im Zahlenraum bis eine Billion ist vermutlich kein Springer-Einstellungskriterium.

Und warum haben wir mehr importiert als im letzten Jahr? Richtig, weil es arschbillig war! Wir haben genau das gleiche gemacht wie Monika, wenn sie in der Saturn-Filiale steht, elektrische Kaffeemühlen vergleicht und dann das Gerät wählt, das bei gleicher Qualität am preiswertesten ist. Monika wählt jetzt ein Gerät vom italienischen Hersteller De’Longhi anstatt eins von Bosch, weil es 10 Euro weniger kostet.

In Bild-Logik ist Monika jetzt eine Kaffeemühlen-Bettlerin. Wer aus UK einen neuen Aston Martin importiert, ist ein Auto-Bettler, und wer sich einen Privatjet vom US-Hersteller Gulfstream Aerospace kauft, ist ein Flugzeug-Bettler. Das ist selbst für Bild-Verhältnisse so unfassbar hirnlos.

In der Logik von Menschen mit funktionierender Großhirnrinde hat Monika hingegen einfach einen guten Deal gemacht. Und genau das machen wir beim Strom aktuell auch: Deutscher Strom liegt preislich so im Mittelfeld, der dänische, schwedische, norwegische und niederländische Strom ist besonders dieses Jahr meist billiger.

Was machen schlaue Monikas also? Genau, sie kaufen den billigen Strom anstatt mehr deutsche Kohlekraftwerke hochzufahren (was natürlich auch ginge). Sie spart Geld und kann sich von der Ersparnis was anderes kaufen, erhöht also ihr Vermögen (solange wir die Kaffeemühle noch funktioniert und zu ihrem Vermögen gezählt werden kann).

Sowohl Monika als auch die Firma De’Longhi haben am Ende was davon, man spricht in der VWL auch davon, dass Handel die Wohlfahrt beider Seiten steigert. Deswegen gibt es Handel in so ziemlich jeder Kultur in jedem Land der Welt, unabhängig von der Staats- und Wirtschaftsform.

Das mag eine Binsenweisheit sein, aber im Jahr 2023 scheinen das selbst Leute zu vergessen, die sonst sehr gerne mit dem Markt argumentieren : Martin Huber, Generalsekretär und CSU und Torsten Herbst, der parlamentarische Geschaftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, teilen diesen esoterischen Unsinn aus dem Springer-Haus tatsächlich noch auf Twitter.

Wie wenig Ahnung kann jemand von Marktwirtschaft und Energiepolitik haben, um dieses dilettantische Produkt aus Restalkohol und Inkompetenz zu verbreiten? Huber schreibt sogar noch dazu, Deutschland sei wegen der Ampel-Politik zum Bittsteller geworden, hat den ausgemachten Unfug also offenbar gelesen und weiß, was er da retweetet. Herbst von der FDP hingegen will mit dem Textchen der BILD belegt sehen, dass Import böse ist und Atomkraft ihn verhindert.

Beide Behauptungen lassen sich mit einem Blick in die Vergangenheit widerlegen: Im Jahr 1995, also in Jahr 13 der Helmut-Kohl-Regierung, hatten wir den Atomstrom von 19 Kernreaktoren im Strommix (170 Terawattstunden) und dennoch war Deutschland Nettoimporteur – oh, Pardon, ich meine natürlich Strombettler und Bittsteller in CSU-Logik.

Das war übrigens damals wie heute vollkommen unproblematisch, der Import machte 1995 etwa 0,9 Prozent des Bedarfs aus und liegt für 2023 aktuell (Stichtag 18.08.2023) bei 1,4 Prozent des Bedarfs. Die Bild schürt hier also Angst und Wut auf Basis unseres Handels, der nicht nur vollkommen ungefährlich ist, sondern tatsächlich unsere Kosten senkt.

Die Bild gehört zum Springer-Konzern. Ein Unternehmen, das zu 48% Private-Equity-Firmen mit massiven Investitionen in der Fossilwirtschaft gehört. Kann also gut sein, dass diese Berichterstattung nicht wirklich dumm, sondern bewusst gefährlich und spalterisch ist.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

Damit der hiesige Blogger sein Leben dem Schreiben revolutionärer Texte widmen kann ohne zu verhungern, kannst Du ihm hier ein paar Euro Unterstützung zukommen lassen. Er wäre dafür sehr dankbar und schreibt dann auch endlich wieder mehr.

Hans-Werner Sinn wärmt seine Klimalügen von 2022 auf und alle fallen drauf rein

Naja, alle ist zum Glück übertrieben, aber gemessen daran, wie hoffnungslos unplausibel Sinns Gefasel mittlerweile ist, ist das Medienecho doch erstaunlich naiv und unprofessionell. Der Energiesektor wandelt sich gerade so rasant, große Verlagshäuser könnten eigene Fachzeitschriften nur zu den Entwicklungen von Traktionsbatterien oder Wärmesystemen herausgeben. Sie könnten spannende Interviews mit den führenden Köpfen der Speicherforschung führen oder mit Start-Up-Gründerinnen für neuartige Elektrolyseure. Oder oder oder.

Stattdessen werden einem emeritierten VWL-Professor wiederholt dieselben unkritischen Fragen gestellt wie in den vorangegangenen Jahren auch, die er vorhersehbar mit seinem Weltbild von 2003 beantwortet. Das ist journalistisch schon eine ziemliche Bankrotterklärung, weil dabei Nachrichten mit dem Neuigkeitswert null produziert werden. Man hätte auch Gargamel dazu interviewen können, was er von Schlümpfen hält oder Michael Wendler dazu, ob Deutschland ein Rechtsstaat ist.

Die von Sinn aufgestellten Behauptungen sind altbekannt und längst widerlegt:

1.: Sinn behauptet, sinkender Ölverbrauch hätte keine Klimaschutz-Wirkung

Ja, das ist schlicht Unfug. Seine Logik ist Folgende: Wenn wir in Deutschland weniger Öl kaufen, dann sinkt auch der Preis etwas. Das wiederum motiviert andere Länder dazu, mehr davon zu verbrauchen (ist ja dann etwas billiger), und zwar exakt so viel, wie wir in Deutschland eingespart haben. Und dadurch ändert sich am Ende gar nichts.

Das mag eine ganz witzige Theorie sein, auf deren Basis man auf VWL-Fachtagungen nerdige Diskussionen an der Hotelbar darüber führen kann, welche Auswirkungen irgendwelche fiktiven Spezialfälle in hätten. Aber die Realität sieht nun mal komplett anders aus. Zur Klarstellung für Fans von Hans-Werner: Realität, das ist dieses Ding, was man sieht, wenn man das Haus verlässt.

In dieser Realität gibt es das oben beschriebene Phänomen in dieser Form nicht bzw. es ist empirisch nicht nachweisbar. In dieser Realität gibt es nämlich andere lustige Sachen, z.B. die OPEC. Das ist die Vereinigung Erdöl fördernder Länder, also ein Preise absprechende, internationales Kartell, dessen Mitglieder sich mit den irren Gewinnen aus ihrem klimaschädlichen Geschäft gerne Ferraris, diamantbesetzte Handys und güldene Klobrillen kauft.

Problem aus deren Sicht: Wenn wir, die Erdöljunkie-Länder auf die verrückte Idee kommen, weniger Öl zu kaufen, dann geht der Preis runter und der saudische Prinz muss mit einem schnöden Smaragd-Handy vorlieb nehmen. Das ist natürlich vollkommen inakzeptabel, ein ordentlicher Prinz braucht schließlich ein paar dicke Diamanten auf dem Display. Um den steten Diamantenstrom aufrechtzuerhalten, macht die OPEC daher folgendes: Wenn der Ölpreis zu sinken droht, reduziert sie die Fördermenge und damit das Angebot auf dem Weltmarkt.

Das funktioniert so gut, dass manchmal schon das bloße Gerücht, die OPEC senke die Fördermenge, zu Preissprüngen führt. Wenn das nicht mehr ausreicht, wird die Fördermenge wirklich begrenzt und spätestens dann geht der Preis hoch. Bevor der Preis also gemäß Hans-Werner Sinns Logik so stark sinkt, dass andere Länder die fehlende Menge aus Deutschland einfach aufkaufen können, hätte die OPEC höchstwahrscheinlich längst Ferrari-erhaltende Maßnahmen getroffen – oder zumindest war das in der Vergangenheit so gut wie immer der Fall.

Und WENN der Preis tatsächlich doch so stark sinken sollte, dann hätte auch das Auswirkungen, weil manche Ölförder-Anlagen teurer sind als andere. Sinkt der Marktpreis etwa unter 60$ pro Barrel, lohnt sich das z.B. für viele Fracking-Firmen nicht mehr und sie gehen pleite. Wenn er noch stärker sinkt, dann gehen Raffinerien pleite und stehen erst mal nicht zur Verfügung.

Was es in der Realität auch noch gibt, sind Lagerkosten. Hans-Werner Sinn spielt ja immer wieder Hobbypsychologe und prophezeit, dass zu starke Klimamaßnahmen in Europa dazu führen, dass die Ölländer erst recht ganz viel Öl fördern werden, aus Angst, es später nicht mehr loszuwerden. Was mit der weltweiten Logistik passiert, wenn auf einmal extrem viel Erdöl auf wenig Bedarf trifft, konnten wir im April 2020 während der Corona-Pandemie beobachten: Die globalen Lagerkapazitäten waren so voll, dass der Ölpreis kurzzeitig negativ wurde. Keine Gute Idee, wenn eure Ölgewinne weiter den Ferrari-Fuhrpark unterhalten sollen.

Ach, und wäre es eigentlich sehr vermessen, wenn wir vom Ex-Präsidenten eines Instituts für Wirtschaftsforschung erwarten, sich mit aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen auszukennen? Sowohl Sinn als auch seine Fanboys und -girls auf Twitter und LinkedIn werden seit einer Woche nicht müde vor dass Alleingängen zu warnen. Es geht die Horror-Vorstellung um, dass die armen Deutschen extra auf E-Autos umsteigen und die anderen Länder einfach weiter Öl verfahren und uns auslachen.

Wäre das wirklich der Fall, dann wäre die Auswirkung auf die globalen Ölfördermengen in der Tat begrenzt. Wer sich aber auch mal andere Medien konsumiert als die in Energiefragen hoffnungslos überforderte Bild, merkt, dass diese Angst unbegründet ist. Alle großen, Auto produzierenden Länder stellen auf E-Antriebe um:

Der elektrische Anteil an Neuzulassungen steigt in den automobilen Kernregionen China, Europa und USA signifikant an, im ersten Halbjahr 2023 stiegen die elektrischen Zulassungen um 36 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Meistgekaufter Hersteller bleibt Tesla (+57 %), Chinas größter E-Auto-Konzern BYD legt mit +90 % aber kräftig zu. Beide Konzerne produzierten zusammen ein Drittel aller neuen E-Autos in diesen Regionen.

In Deutschland wurden 220.000 E-Autos zugelassen, das waren 19 Prozent aller Zulassungen. China hatte im gleichen Zeitraum mit 2,5 Millionen zugelassenen E-Autos einen Marktanteil von 23 Prozent und die USA hängt mit 7 Prozent noch hinterher. Zudem sind andere Länder und diverse Großstädte ambitionierter (Vorsicht, nicht alle Links sind in dieser Sammlung aktuell) beim Zulassungsverbot von Verbrennungsmotoren: Für sie ist zum Beispiel in Kalifornien ab 2035 Schluss und in der chinesischen Provinz Hainan ab 2030.

Die Sorge, Deutschland könnte als einziges Land auf E-Autos umsteigen, ist also ähnlich begründet wie die Sorge, dass nur Deutsche Brot essen. Im Gegenteil: Der Umstieg auf grüne Technologien ist zu einem Wettlauf geworden, in den andere Wirtschaftszonen riesige Geldsummen pumpen. Aktuell ist Deutschland noch gut aufgestellt, aber Angst machende Beiträge wie dieser von der Springerpresse machen es deutschen Firmen schwerer.

China hat längst erkannt, dass die westliche Dominanz in der Autobranche wackelt und dass konsequente Förderung von Batterietechnik eine wichtige Rolle spielt. Chinas größter E-Auto-Hersteller BYD plant bereits, auf den europäischen Markt zu drängen, hat einen Deal über 100.000 PKW mit Sixt abgeschlossen, und sucht parallel Standorte für Fabrik(en) auf dem europäischen Festland. Sinns Angst um die deutsche Industrie, weil deutsche Hersteller auf E-Autos umstellen, könnte also falscher nicht sein.

2. Sinn behauptet E-Autos würden den Klimawandel beschleunigen

Ja, richtig gelesen. Der Ex-Präsident des Ifo-Instituts tritt mit einer Position an, mit der er eine Podiumsdiskussion gegen eine Sechstklässlerin verlieren würde, solange sie nur Dreisatz beherrscht und über ein Kurzzeitgedächtnis verfügt. Auch sprachlich einfach unterirdisch, was er hier abliefert:

E-Autos sind keine Lösung! Der schmutzige Auspuff liegt nur etwas weiter entfernt im Kohlekraftwerk. Da der grüne Flatterstrom es vorläufig nicht schafft und die Atomkraftwerke abgestellt sind, bedeuten mehr E-Autos mehr Braunkohleförderung

BILD-„Zeitung“ vom 01.08.2023

Da der grüne Flatterstrom ES nicht schafft? Was genau schafft der nicht? E-Autos aufladen? Weil E-Autos allergisch gegen Solarstrom sind? Eine Kilowattstunde Solar- oder Windstrom ist nicht mehr oder weniger Energie als eine Kilowattstunde Atom- oder Kohlestrom. Bei Strom gibt es keine Güteklasse und der Strom aus einer Biogasanlage schmeckt auch nicht nach Himbeere.

Ja, ein E-Auto KANN den Braunkohleverbrauch erhöhen. Die Frage muss aber doch immer sein, um wie viel und ob das am Ende besser oder schlechter ist als ein Erdöl-Auto. Sorry, falls das hier jetzt rhetorisch langsam den Eindruck erweckt, als würde ich das Drehbuch für eine Folge Sendung mit der Maus schreiben, aber die Widerlegung eines VWL-Professors muss jetzt offenbar auch die absoluten Basics von Klimabilanzen abdecken.

Im Juli 2023 machte Braunkohlestrom nur noch 14 Prozent des deutschen Strommix aus (Im Jahresschnitt natürlich mehr), während sensationelle 70 Prozent des Mix EE-Strom waren. In den meisten Erdölautos wird hingegen 100 Prozent fossiler Kraftstoff verbrannt. Ferner haben E-Autos einen sehr guten Wirkungsgrad, das heißt die meiste der geladenen Energie wird auch wirklich in Bewegung umgesetzt, während ein deutscher Diesel-PKW 75% der im Kraftstoff gebundenen Energie in nutzlose Abwärme verwandelt. Ein E-Auto benötigt deswegen laut Spritmonitor etwa 175 Wattstunden Energie pro Kilometer und ein Diesel-PKW etwa 650 Wattstunden pro Kilometer.

Na, ob batterieelektrische Autos bei diesen Voraussetzung die klimafreundlicheren sind? Und ist der Papst eigentlich katholisch? Ja und ja (ersteres zumindest ganz sicher). Auf 10.000 Kilometern emittiert ein Verbrenner-PKW nach den oben genannten Verbrauchsdaten eine Tonne CO2 mehr als ein gleich großes Batterieauto, selbst wenn letzteres den ganz normalen Strommix lädt.

Und ja, die Batterieproduktion verursacht mehr CO2 als ein Verbrenner-Antriebsstrang, aber das holt das E-Auto eben schnell wieder auf. Mit allen Treibhausgasen für Herstellung, Gebrauch und Entsorgung geht selbst die jüngste Studie des ADAC davon aus, dass das E-Auto den Klimarucksack nach 45.000 bis 60.000 km wieder eingefahren hat. Und auch das gilt nur in der pessimistischen Annahme, dass wir wenig Erneuerbare zubauen und E-Autos Strommix laden. Wer Solarstrom vom eigenen Dach lädt, ist nach 25.000 bis 30.000 Kilometern besser als das Erdöl-Pendant.

Quelle ADAC

Und wie sieht Hans-Werner Sinns Rechnung aus? Tja, die gibt es leider nicht. Der VWL-Professor ist sich für Rechnen mittlerweile offenbar zu schade und hat sich stattdessen dem professionellem Schätzen zugewandt. Und so schätzt er einfach, dass das E-Auto schon ab einem einzigen Prozent Kohlestrom im Netz gegen den Verbrenner mit 100 Prozent fossilem Erdöl verliert. Tja, und ich schätze, das ist absoluter Mumpitz.

Witzig daran ist übrigens, dass Sinn sich hier komplett selbst widerspricht, denn was in Punk 1 für Öl gilt, müsste ja auch für Kohle und Gas gelten: Wenn ich mit meinem E-Auto keinen Kohlestrom lade bzw. wenn wir die den Kohlestrom für die Batterieherstellung einsparen, dann geht der Weltmarktpreis für Kohle etwas runter und dann kaufen diese Kohle doch einfach andere Länder und verbrennen sie selbst! Wieso sollen wir auf E-Autos verzichten, nur damit andere Länder dann den Kohlestrom verbrauchen, den wir mühevoll eingespart haben (natürlich wäre auch diese Behauptung hoffnungslos unterkomplex, zumal speziell Braunkohle für den Transport eine zu geringe Energiedichte hat)?

3. Strohmannargumente, Falschaussagen und Uninformiertheit

Sinn recycelt sein eigenes Argument „Wenn wir es nicht verbrennen, verbrennt es jemand anders“ für Wärmepumpen und plädiert für den weiteren Einsatz von Heizöl, solange die anderen Länder bei der Umstellung nicht mitmachen. Surprise: Die anderen Länder machen nicht nur mit, die sind viel schneller als wir (die USA lagen 2022 bei 33,2 Einheiten pro 1.000 Haushalte):

Quelle: European Heat Pump Association

Strohmannargument: „Wind- und Sonnenstrom werden uns nicht alleine versorgen.“. Das ist richtig, nur hat das auch niemand ernsthaft behauptet. Sinn scheint nicht vertraut mit den großen Studien zum Umbau des Energiesystems in Deutschland, die alle von einem Energiemix aus Sonne, Wind, Wasser, Biomasse, Geothermie, Batteriespeichern, Pumpspeichern, Wasserstoff- oder E-Methan-Kraftwerken ausgehen.

Sinn behauptet, Deutschland hätte mit Dänemark die höchsten Industrie-Stromkosten der Welt. Das ist falsch, der Preis für deutschen Industriestrom lag in der zweiten Hälfte von 2022 knapp unter EU-Schnitt:

Quelle: Eurostat

Auch beim Börsenstrompreis im Jahr 2023 steht Deutschland gut da:

€/MWh, Quelle: Fraunhofer ISE Energy-Charts

Sinn behauptet, grüne Technik könne nur funktionieren, wenn die EU sich mit den USA und China zu einem Klimaklub verbinden. Sonst ginge Deutschland ganz allein voran und die anderen Länder würden daraus dann fossile Profit ziehen und so könnte man „die OPEC nicht bezwingen“.

Dass grüne Technik in diesen anderen Ländern längst das Geschäftsmodell wachsender, auf den europäischen Markt drängender Konzerne geworden ist, scheint er nicht mehr mitzubekommen. Die Umstellung der Automobilindustrie ist längst beschlossene Sache, alle Hersteller gehen diese Weg. An wen genau die OPEC in dieser Zukunft all das Öl verkaufen will, das laut Sinn ja am besten in den Tanks deutscher PKW herumschwappen sollte, wird hier nicht beantwortet.

Fazit:

Ginge es Hans-Werner Sinn wirklich um gute Argumente, würde er seine Thesen in wissenschaftlichen Journals veröffentlichen und mit dem Forschungskollegium diskutieren. Dass diese Aneinanderreihung gefühlter Wahrheiten stattdessen nur noch von der Boulevardpresse abgedruckt wird, hat einen Grund. Das Niveau der Bild ist seit Jahren schon unterirdisch und vielleicht auch noch motiviert von den Beharrungskräften der Fossilwirtschaft, gehört sie zu großen Teilen KKR, einer der größten fossilen Investmentgesellschaften.

Es ist nicht die Frage, OB Erdgas, Erdöl und Kohle abgelöst werden, sondern wann. Für die großen Konzerne geht es hier immer noch um Milliarden Euro, da sind kreative Argumente gefragt. Dass diese nun ausgerechnet die Sorge vor sich hertragen, Deutschland könne durch zu ambitionierte Klimapolitik wirtschaftlich abgehängt werden, ist an Zynismus kaum noch zu steigern.

Deutschland hat kaum noch ökonomisch nutzbare fossile Lagerstätten und kann stattdessen mit seinem Erfindungsreichtum und seinen vielen innovativen Unternehmen ganz vorne mitspielen in einer nicht-fossilen Welt, während die Öl- und Gasländer immer mehr Bedeutung verlieren werden. Eine der größten Gefahren bei dieser Umstellung sind Ökonomen, die uns einreden wollen, möglichst lang an alten sterbenden Systemen festzuhalten.

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Dieser Text wäre nicht zu Stande gekommen, wenn mich nicht viele großzügige Menschen unterstützen würden, die zum Dank dafür in meiner Hall of Fame aufgelistet sind.

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Über die Frage, wie die Letzte Generation wirkt

Aus dem Plan, einfach nur ein kurzes Facebook-Statement zur Letzten Generation zu verfassen, wurde mal wieder nichts. Je mehr ich schrieb, desto mehr dachte ich nach und desto mehr schrieb ich dann auch wieder and here we are. Ich hatte mich lange davor gedrückt, die vielen Rückfragen zu beantworten, was von deren Aktionen halte, weil ich nicht wusste, wann ich die Kommentare moderieren soll.

Erste Überraschung: Die Kommentare sind der Hammer und mein Moderationsaufwand war minimal, weil sich fast alle, ob pro oder contra, sehr sehr vernünftig über dieses wirklich hardcore umstrittene Thema unterhalten haben. Mit stabilen Communites ist es wie mit Glück, könnt Ihr euch nicht kaufen. Ich bin sicher, das schafft ihr auch hier in den Kommentaren 😉

Zweite Überraschung: Meine Kritik über fehlende Kommunikation seitens der Letzten Generation steht der Transparenz halber noch im Text, hängt nun aber ziemlich in der Luft, denn es dauerte wirklich nicht lange, bis der offizielle Letzte-Generation-Facebook-Account mir in den Kommentaren antwortete. Diese Antwort kopiere ich als Bild an die entsprechende Stelle und als Text unter das Ende des Textes, damit auch Lese-Software ihn erfassen kann.

Hier also der Text, den ich vor 24 Stunden verfasst habe und den ich auch schon wieder nicht mehr ganz so formulieren würde, weil die Diskussion was mit mir gemacht hat. Wie auch immer, das hat der 24-Stunden-in-der-Vergangenheit-Jan geschrieben:

Die Aktionen der Letzten Generation sind nicht meine persönliche Lieblings-Protestform, aber ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Menschen angesichts der immer stärker dröhnenden Ignoranz seitens der Politik drastischere Mittel wählen als nur bei Demonstrationen mitzulaufen.

Wer verstanden hat, was globale Erderhitzung bedeutet und dann sieht, dass wir jetzt in Deutschland Sektorziele abschaffen, hat gute Gründe, schockiert und rastlos zu sein und es nicht auszuhalten, diesem Wahnsinn länger von der Seitenlinie aus zuzusehen.

Der Gedanke, dass alle ganz normal ihren Alltag bewältigen und währenddessen scheinbar so tun, als gäbe es diese Krise gar nicht, irritiert dann umso mehr. Das Stören des Alltags soll dieses Zerrbild aufbrechen, soll den Menschen zeigen: Das ist nicht normal. Die Krise ist da und wird nicht verschwinden, nur weil uns ein lauer Frühlingstag mit offenen Fenstern und Phil Collins aus dem Autoradio Normalität vorgaukelt.

Aber wie viele Menschen wissen sehr wohl, dass das nicht normal ist? Die Klimakrise nervt ja nicht nur tierisch, sie ist auch eine psychologische Herausforderung, weil Menschen rein kognitiv nicht rund um die Uhr im Krisenmodus sein können. Bei einem Tsunami oder einem Erdbeben ist es extrem hilfreich, dass Adrenalin den Körper flutet und uns ein paar Stunden weit mehr Kraft gibt, als wir sonst so zur Verfügung haben, aber nach 14 Tagen Erdbeben wären unsere Kräfte komplett am Ende. Die Klimakrise wird aber nicht nur 14, sondern tausende Tage dauern.

Es ist daher in meinen Augen legitim, sich davon auch abmelden zu dürfen und zu sagen: „Jetzt gucke ich mir zwei Stunden einen hirnlosen Actionfilm oder ein E-Auto-Rennen an und schiebe die Krise so lange von mir weg, weil ich sonst durchdrehe.“ Als Privatmensch müssen wir das tun können.

In den Medien oder der Politik ist das aber inakzeptabel, und dennoch wird das Klima dort von vielen so behandelt wie ein Erdbeben in Sonstwo oder eine Hungersnot in Elbonien: Gucken wir uns mal an, streiten ein paar Wochen darüber, beschließen irgendwas, aber dann ist es bitte auch mal gut damit.

Hier müssen wir vielleicht auch als Gesellschaft einen Weg finden, der das Thema immer in der Diskussion hält, ohne uns komplett zu zermürben. Die LG möchte verhindern, dass das Thema in Vergessenheit gerät und blockiert deswegen den Alltag der Menschen. Eine Strategie, die dieses Ziel erfüllt, wie immer ihr auch dazu steht.

Und hier kommen wir zum Knackpunkt, die Abwägung ist folgende: Ist die Wirkung dieses Aufmerksamkeitsboosts stärker als der mutmaßliche negative Impact, wenn Menschen von den Protesten abgeschreckt sind und sich mit dem Vorhaben Klimaschutz nicht mehr identifizieren?

Tja, gute Frage. Leider (oder im Fall von Dieter Bohlen zum Glück) kann ich keine Gedanken lesen und weiß nicht, wie viele Menschen negativ darauf reagieren. Ich sehe Menschen, die den Protesten ihre Solidarität aussprechen und ganz offen begeistert sind, selbst wenn sie im Stau stehen und andere, die sehr, sehr wütend darüber sind, selbst ohne selbst konkret betroffen zu sein (und noch mehr dazwischen).

Meine ganz persönliche Einschätzung, die nicht belegbar ist: Leider sind die Menschen, die den Aktionen etwas abgewinnen können, ohnehin bereits im Klimateam. Es gibt ja eine Bevölkerungsgruppe, die das Problem erkannt hat und entsprechend handelt und vor Allem auch wählt (wichtig).

Um nun schneller vorwärts zu kommen, muss diese Anzahl von Menschen sich noch erhöhen, damit zukünftig in den Machtpositionen mehr Leute sitzen, die ernsthaft unsere Emissionen reduzieren wollen. Und ob die LG das aktuell erreicht, bezweifle ich. Andererseits hat sie es geschafft, 2 Stunden mit Volker Wissing zu reden, und das scheinen 2 Stunden mehr zu sein als die eigenen Koalitionspartner mit dem Mann zuletzt bekommen haben 😉

Das größte Hindernis sehe ich darin, dass viele Menschen die Intention hinter der LG gar nicht verstehen, das fängt schon beim Namen an (mit letzte Generation ist nicht gemeint, dass danach keine mehr kommt, sondern dass das die letzte ist, die das Problem lösen kann). In Kommentaren lese ich oft, dass die LG ja selbst Auto fährt oder in Geschäften einkauft, die mit Farbe beschmiert werden.

Ja, das kann gut sein, widerspricht sich aber auch nicht, denn diese Aktionen sollen (so habe ich es verstanden) nicht sagen „Fahrt nicht Auto“, sondern „Erkennt an, dass wir im Ausnahmezustand leben“. Gut, aber viele tun das ja vielleicht schon und sitzen trotzdem im Auto auf dem Weg zum Supermarkt.

Das Problem ist in meinen Augen auch, dass eine Menge Menschen diese Transferleistung aktuell nicht machen (was beim Blockieren eines Autorennens der Formel E auch noch etwas schwieriger ist) und denken, ihnen wird persönlich die Schuld an der Krise gegeben.

Aus der Kognitionswissenschaft gibt es Erkenntnisse, laut denen ein vielversprechendes Instrument für Verhaltensänderungen die Solidarisierung mit Menschen ist. Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt geht in ihren Aktionen für pflanzliche Ernährung als Einstieg auf Menschen zu und fragt sie „wollen wir zusammen etwas gegen die Massentierhaltung unternehmen?“.

Das muss niemandem gefallen, aber es ist effektiv. Deswegen plädiere ich in Klimafragen eher dazu, nicht nur auf die CO2-Emissionen einzelner Menschen zu gucken, sondern sie zuerst für die große Aufgabe im Hintergrund zu gewinnen, unser System umzustellen. Das Persönliche folgt dann oft.

Ich fürchte, dass die Aktionen der LG von vielen Menschen so verstanden werden, dass es um ihr persönliches Verhalten geht – auch wenn das nicht so gemeint ist. Kann aber auch gut sein, dass ich falsch liege und mehr Menschen eine solche Art Weckruf brauchen als ich dachte. Aber auch in dem Fall würde ich mir von der LG mehr Kommunikation wünschen, um auch Menschen außerhalb der eigenen Peer Group mit der gewonnenen Aufmerksamkeit zu überzeugen.

Kommentar der LG unter meinem Facebook-Post

Wie auch immer ihr dazu steht: Hass oder gar Gewalt gegenüber diesen Menschen geht gar nicht. Ich habe in meinem Leben schon in hunderten Staus gestanden, weil irgendwer auf dem Handy gedaddelt oder gesoffen hat. Wenn da niemand aussteigt und gewalttätig wird, wieso vergeht man sich dann an friedlichen Menschen, die schlicht die Erhaltung der eigenen Biosphäre fordern?

Das wird ein Marathon, kein Sprint. Der einfachste Weg, nervige Klimaproteste loszuwerden, ist übrigens eine glaubwürdige, Mut machende Klimapolitik. Wer sich erst bei der Fossillobby anbiedert und dann über blockierte Straßen aufregt, agiert so glaubwürdig wie ein insolventer Finanzberater.

Ihr seht, ich bin unentschlossen. Aber auch das ist okay, wir müssen nicht zu allem und jedem eine eindeutige Meinung haben.

Ergänzung: Der Kommentar der Letzten Generation in Schriftform:

Vielen Dank für den sehr guten Beitrag.

Das Gespräch mit Mitmenschen und PassantInnen wird konstant gesucht und gefördert. Wir informieren, klären auf, sensibilisieren.

Eine unserer obersten Prämissen ist Gewaltfreiheit; wir greifen nie jemanden verbal oder körperlich an, folgend wehren wir uns auch nicht bei einem Angriff. Das hat die Polizei sogar mittlerweile schriftlich bestätigt.

Es tut uns leid, das meine ich ganz ernst, dass wir „unschuldige“ Menschen im Verkehr behindern.

Es wurde jedoch jahrelang erfolglos vor Regierungsgebäuden demonstriert und protestiert, das wissen viele nicht.

Immer mehr Menschen schließen sich uns an, das spricht für sich. Zunehmend z.B. auch WissenschaftlerInnen, auch Ärzte und Professoren und zunehmend auch ältere Menschen. Somit wird auch das Klischee der „arbeitslosen Sozialschmarotzer“ widerlegt.

Das macht uns Mut !

Ich danke allen, die das Gespräch mit uns suchen, sich kritisch mit uns auseinandersetzen und uns unterstützen 💚

Diese 10 Fakten solltest Du kennen, wenn Du über Kernkraft diskutieren willst

So, Ende dieser Woche werden die letzten Kernkraftwerke abgeschaltet. Das wird vermutlich zu einigen eher nicht so sachlichen Reaktionen und Diskussionen führen (bzw. hat es schon), daher gebe ich euch hier ein paar unerwartete Fakten mit Quellen an die Hand, in der Hoffnung, dass wir diese Debatte als Gesellschaft mal einigermaßen sachlich führen können.

1. Rekord-Minister des Atomausstiegs ist Philipp Rösler von der FDP.

Im August 2011 ließ er die Reaktoren Unterweser, Krümmel, Biblis A + B, Philippsburg 1, Isar 1, Neckarwestheim 1 und Brunsbüttel stilllegen. Zusammen hatten diese eine Leistung von 8,5 Gigawatt, also mehr als alle verbliebenen Anlagen zum Amtsantritt von Robert Habeck Ende 2021.

Nach Röslers Amtszeit gingen unter Angela Merkel noch die großen Kernkraftwerke Grafenrheinfeld, Gundremmingen B und Philippsburg 2 vom Netz, die zusammen mit den 2011 abgeschalteten satte 12,4 Gigawatt Leistung erzeugt hatten. Dass diese Abschaltungen recht wenig beachtet wurden und jetzt auf den letzten Metern noch mal Streit wegen der letzten 4 Gigawatt ausbricht und Robert Habeck als unbelehrbarer Ideologe hingestellt zu werden versucht, erscheint hochgradig irrational.

2. Der Ausstieg aus der Kernkraft war breiter gesellschaftlicher Konsens

Es werden ja gerade allerlei Umfragen herumgereicht mit der Fragestellung, ob der Atomausstieg so sinnvoll war, um ihn als links-ideologisches Projekt darzustellen. Das wird der Entscheidung aber nicht gerecht, denn die Bundestagsabstimmung zum endgültigen Ausstieg war schon wirklich eine sehr harmonische Geschichte: Von den 524 Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen stimmten 513 mit ja, das entspricht 98 Prozent (nur Die Linke stimmte mit nein):

War das erste Ausstiegsgesetz von 2002 noch ein rot-grünes Projekt, das eine maximal zu erzeugende Strommenge für alle Kernkraftwerke definierte, wurden im zweiten Gesetz feste Ausstiegsdaten für die einzelnen Reaktoren definiert. Markus Söder von der CSU, die aktuell besonders heftig auf den Ausstieg schimpft, hatte mit Rücktritt gedroht, sollte nur ein einziges länger als 2022 am Netz sein.

Es ist die Ironie der Geschichte, dass ein grüner Wirtschaftsminister die Laufzeit dann noch mal um ein paar Monate verlängerte und Söder trotzdem nicht zurücktritt.

3. Diese Kritik am Atomausstieg ist berechtigt:

Das Hauptargument für den Atomausstieg war kurz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, dass ihr Einsatz zu gefährlich ist. Nun ist das mit Risiken so eine Sache: Sehe ich jeden Tag Nachrichten mit explodierenden Außenhüllen, aber wenig Berichterstattung zu den zudem noch schwer greifbaren Folgen einer unkontrollierten Erderwärmung, dann kann das mein Risikoempfinden schon beeinflussen.

Allein das Kernkraftwerk Grohnde hat in seiner Betriebsgeschichte knapp 400 Terawattstunden Strom erzeugt (Deutschland verbraucht in einem ganzen Jahr etwa 500 Terawattstunden). Hätten wir diesen Strom stattdessen mit Kohle erzeugt, wären das zusätzliche 400 Megatonnen CO2 gewesen, also deutlich mehr als ganz Großbritannien im Jahr emittiert. Das bedeutet aber auch, dass der von CDU und FDP geplante, hektische und sehr plötzliche Ausstieg deutlich klimaschädlicher als der von Rot-Grün geriet, weil die Betreiber darin deutlich weniger Atomstrom erzeugen durften.

Ich bekomme für diese Aussage häufig die Kritik, dass auch Kernkraftwerke nicht klimaneutral seien, weil Bau, Betrieb und Entsorgung der Anlagen sowie die Beschaffung und Entsorgung des Spaltmaterials nicht klimaneutral möglich sind. Stimmt, noch nicht. Aber das gilt ja leider auch noch für Erneuerbare und Speichertechnologie, solange wir Bau- und Transportsektor nicht dekarbonisiert haben. Entscheidend ist, dass bei beiden Kraftwerkstypen eine zusätzliche Kilowattstunde keine Klimagase emittiert, was sie sehr CO2-arm macht.

Nun war der Plan eben, die Kernkraft durch Erneuerbare zu ersetzen, und das hat sogar trotz der Energiepolitik der großen Koalition funktioniert, die den Wind- und Solarausbau torpediert haben. Es hätte aber noch viel besser funktionieren können, weswegen der Vorwurf hoher Emissionen aus dieser Richtung wirklich jeden Anstand vermissen lassen.

4. Diese Kritik von CDU und FDP an „Habecks Ausstieg ist erratisch und unglaubwürdig

Aktuell liest man viele heftige Vorwürfe von Union und FDP, der lange geplante Ausstieg aus den verbliebenen Anlagen sei nun auf einmal grüne Ideologie. Wir erinnern uns: Dieser Ausstieg wurde final von CDU, CSU und FDP beschlossen und von Philipp Rösler umgehend umgesetzt. Nach dieser Logik hätte die FDP dann wohl die konsequenteste Grünen-Ideologe aller Zeiten am Start.

Aber auch die einzelnen Kritiker haben für derartige Äußerungen eine wirklich seltsame Historie:

Jens Spahn, der ganz frisch gebackene „Energieexperte“ der Union, lässt sich gerade sooft wie möglich interviewen, um den Ausstieg zum „schwarzen Tag für den Klimaschutz“ zu erklären. Robert Habeck ließe nun lieber „Klimakiller“ laufen. Auf Twitter postet er diese Witzevorlage für Whatsapp-Gruppen:

Der Grund, warum das als krasse Heuchelei empfunden werden könnte: Jens Spahn hat 2011 den Atomausstieg, wie er jetzt mit Wirtschaft und Netzbetreibern organisiert ist, mit beschlossen und saß bis vor 1,5 Jahren im Bundestag, wo er ihn hätte korrigieren können. Hat er aber nicht, er hat dabei zugesehen, wie der Beschluss umgesetzt wurde, in dessen Rahmen 12,4 Gigawatt Kernkraft vom Netz gingen (also das dreifache der in ein paar Tagen abzuschaltenden Leistung).

Abstimmung im Bundestag zum Gesetzentwurf CDU/CSU, FDP 17/6070 am 30.06.2011

Dass er nun auf einmal sein Herz für den Klimaschutz entdeckt, weil Robert Habeck nach 3,5 Monaten Streckbetrieb auch die letzten 4 Gigawatt vom Netz nimmt, für die zudem das Spaltmaterial zur Neige geht, erscheint so unglaubwürdig wie populistisch: Auch im Jahr 2011 führte das Abschalten der 8 Kernkraftwerke zu einem kurzzeitigen Anstieg der Kohleverstromung um etwa 20 TWh/Jahr.

Ähnlich orientierungslos argumentiert Michael Kretschmer, Ministerpräsident des am schlechtesten auf die Energiewende vorbereiteten Bundeslands Sachsen:

Nein, lieber Michael Kretschmer, die Abschaltung ist nicht von der Ampel-Regierung geplant, sie wurde 2011 von CDU/CSU und der FDP beschlossen. Und bei diesem Beschluss, Ihr ahnt es, stimmte auch Michael Kretschmer mit ja. Wenn jemand der Regierung vorwirft, den eigenen Plan umzusetzen, weil er kurzsichtig ist, wirkt das nicht gerade wie eine Wahlempfehlung:

Auch Oliver Luksic von der FDP scheint das alles vergessen zu haben. Er teilt BILD-Artikel, die vor mehr Kohlestrom, mehr Fracking-Gas und mehr CO2 durch den Atomausstieg warnen:
Diese Warnung hätte er aber auch für die Abschaltungen seines Parteikollegen Kollegen Philipp Rösler formulieren können. Hat er nicht, komisch. 2011 stimmte auch er für den Atomausstieg, den er jetzt Robert Habeck in die Schuhe schieben will:

Und besonders lustig ist diese Personalie: Volker Wissing, unser aller Autominister, der vor viel zu schmutzigen E-Autos gewarnt hat, sollten wir aus der Kernkraft aussteigen (was ziemlicher Unfug ist), hat am 30.06.2011 im Bundestag ebenfalls FÜR den Ausstieg gestimmt.

5. Die Stromversorgung in Deutschland ist gesichert.

Der Atomstrom machte zuletzt etwa 4,6% unseres Strommixes aus, die wir mit den restlichen Kraftwerken locker ausgleichen können. Das wird direkt nach der Abschaltung mehr CO2 pro Kilowattstunde emittieren. Das ist der Nachteil daran, nicht dass wir dann zu wenig Strom haben. Wer das behauptet, betreibt populistische Panikmache.

Angst vor Strommangel ist vollkommen unbegründet, dafür haben wir viel zu viele zusätzliche Kapazitäten und hatten zudem letztes Jahr einen Export-Überschuss von etwa 30 Terawattstunden. Lustig: Die Kernkraftwerke haben im gleichen Zeitraum 32,7 Terawattstunden erzeugt, wir haben also fast genau diese Menge ins Ausland exportiert.

6. Deutschland ist nicht auf französischen Atomstrom angewiesen, im Gegenteil

Oft liest man als vermeintliche Kritik, dass wir deutsche Kernreaktoren abschalten, nur um die gleiche Menge Atomstrom zu importieren. Das ist ziemlicher Unsinn, denn so funktionieren Strommärkte nicht. Wir importieren dann Strom, wenn dieser Importstrom billiger ist als der selbst erzeugte.

In Bezug auf Frankreich ist meist das Gegenteil der Fall, deswegen hatten wir zuletzt hohe Exportüberschüsse gegenüber Frankreich:

Im Jahr 2022:

Export Deutschland nach Frankreich: 20 Terawattstunden
Import Deutschland aus Frankreich: 5 Terawattstunden

Im Jahr 2023 (Stichtag 11.04.2023):

Export Deutschland nach Frankreich: 6,6 Terawattstunden
Import Deutschland aus Frankreich: 2 Terawattstunden

Hierzu werden oft anderslautende Daten geteilt, z.B. diese von Statista, in der es genau andersrum aussieht. Der Grund ist, dass diese Statistiken nur den physikalischen Stromfluss anzeigen, nicht den bilanziellen Import. So wandern eine Menge Terawattstunden über eine Leitung von Frankreich nach Deutschland, um dann in die Schweiz zu gelangen, was nicht als deutscher Import gemessen werden sollte

Kann natürlich sein, dass sich das jetzt noch mal etwas ändert, aber das ist dann eine Entscheidung des Marktes. Es ist nicht so, dass Robert Habeck morgens in Paris anruft und da für den Tag 20 Gigawattstunden Atomstrom einkauft. Ist außerdem andersrum genauso: Frankreich hat keine Kohlekraft laufen, importiert aber Kohlestrom aus Deutschland.

Wie auch immer, wir verbrauchen im Jahr etwa 500 (!) Terawattstunden. Die Importe aus Frankreich machen also etwa ein Prozent unseres Verbrauchs aus, sie spielen eine kleine Rolle im Gesamtsystem.

7. Atomkraft wurde durch Erneuerbare ersetzt.

Die berechtigte Kritik am Ausstieg zielt darauf ab, dass ein Teil des Atomstroms direkt nach Abschaltung durch Kohle ersetzt wurde und wird, was aus Klimasicht eine schlechte Entwicklung ist. Glücklicherweise war und ist sie nur temporär und wurde jedes Mal durch den Ausbau der Erneuerbaren mehr aus ausgeglichen:

In den Debatten wird gerne so getan, als sei die Kohleverstromung heute höher als je zuvor. Zum Glück ist das populistischer Unsinn: Die Erneuerbaren haben in den letzten 20 Jahren ja schon fast alle Kernkraftwerke und zusätzlich 100 Terawattstunden aus Kohlekraft ersetzt. In den 90ern hatten wir etwa 55% Kohlestrom im Netz, heute sind es um die 30%.

8. Ob die Kernkraftwerke jetzt weiterlaufen sollen, hätte früher entschieden werden müssen.

Selbst wenn sich die Ampel-Regierung noch diese Woche in einer Sondersitzung dazu entscheiden sollte, die verbliebenen Reaktoren weiterzubetreiben, müssten sie demnächst trotzdem erst mal runtergefahren werden, weil die Brennstäbe schlicht aufgebraucht sind.

Kein Wunder, seit 11 Jahren wird mit dem Ausstiegsplan von CDU und FDP gerechnet, da kauft niemand einfach so Uranbrennstäbe fürs Lager, weil sie sich so gut neben den Petunien machen. Damit ein längerer Betrieb ökonomisch Sinn ergibt, hätten sich CDU und SPD mutmaßlich spätestens 2019 dafür entscheiden müssen, so schätzt der Pariser Kernenergie-Analyst Mycle Schneider.

Rein technisch hätte Deutschland bei Ausbruch des Ukraine-Kriegs neue Uran-Brennstäbe bestellen können (diese sind pro Reaktortyp maßgeschneidert). Die Produktion dauert laut Bundeswirtschaftsministerium 12 bis 15 Monate und bedarf in der Regel „umfangreicher Berechnungen, Begutachtungen und behördlichen Zustimmungen“. Klar, wir sind ja immer noch in Deutschland, wo die Beantragung einer Windkraftanlage mit 2 bis 4 Jahren Vogelkartierung beginnt.

Zudem wäre 2019 die letzte periodische 10-Jahres-Sicherheitsüberprüfung fällig gewesen, auf die nur wegen des Ausstiegs verzichtet wurde. Die müsste also bei einem Weiterbetrieb erst mal mit dem neuen Regelwerk von 2012 nachgeholt werden, was zeitliche Verzögerungen verursachten könnte.

Wir könnten uns also maximal dafür entscheiden, sie jetzt runterzufahren, Brennstoff nachzubestellen und sie dann 2024 wieder hochzufahren.

9. Die deutsche Windkraft erzeugt viel mehr Strom als ein einzelnes Kernkraftwerk

Im Zuge der Abschaltung geben einige Medienleute noch mal alles, um die Erneuerbaren als Alternative madig zu machen, so hat die ARD jüngst eine „Dokumentation“ veröffentlicht, zu der dieses Sharepic im Umlauf ist:

Das ist glücklicherweise ziemlicher Unsinn, denn an „machen Tagen“ bedeutet hier konkret:

0 Tage in 2018
0 Tage in 2019
0 Tage in 2020
0 Tage in 2021
0 Tage in 2022
0 Tage in 2023

An einem dieser 2191 Tage hätte es Gleichstand gegeben (am 26.06.2021).

Zur Rechnung: Isar 2 ist das leistungstärkste Kernkraftwerk in Deutschland, es schafft netto 1410 Megawatt Leistung. Bei 70 Prozent davon speist es 23,7 Gigawattstunden am Tag ins Netz, am 26.06.2021 war das genau der Wert der deutschen Windkraft.

Ja, das war wenig, wie öfters im Sommer. Windkraft erzeugt in den Wintermonaten den meisten Strom, im Sommer haben wir dafür entsprechend viel Solarstrom, so dass alle Erneuerbaren an diesem Tag mit 490 Gigawattstunden viel mehr geliefert haben (etwa 20 mal so viel wie 70 Prozent Isar 2).

Der zuständige NDR-Redakteur hat hier einfach mal eine Aussage vom AKW-Betreiber PreussenElektra übernommen – Journalismus am Limit.

Ergänzung: Die tatsächliche Aussage von PreussenElektra war, dass ihr Kernkraftwerk Isar2 stundenweise mehr Strom liefern kann, als die Windkraft bei Flaute. Das ist korrekt. Das Versäumnis ist hier beim NDR-Redakteur zu suchen, der die Aussage von PreussenElektra entweder nicht richtig wiedergeben konnte oder wollte.

10. Erneuerbare können Kernkraft ersetzen, auch wenn sie wetterabhängig sind.

Der Strommarkt wandelt sich. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Der Ausbau fossiler Kraftwerke ging in den letzten Jahren stark zurück, Solar- und Windstrom führen die Statistik jetzt mit Abstand an. Damit das in Zukunft auch ohne Fossilstrom funktioniert, der aktuell noch einspringt, wenn es dunkel oder nicht windig ist, werden Speicher zugebaut:

Um wenige Stunden zu überbrücken, werden die immer besseren Zellchemien neuer Batteriesysteme zu kleinen Kraftwerken zusammengeschlossen. Auch in Deutschland werden immer mehr solcher Projekte geplant, um die in Zukunft zu erwartenden Überschüsse aus Wind- und Sonnenkraft einzuspeichern.

Kalifornien ist da schon weiter: Die dortigen Batteriespeicher haben letzten Sommer am 06. September zur Spitzenlastzeit erstmals mehr Leistung ins Netz gespeist als zeitgleich die kalifornischen Kernkraftwerke.

Für längere Perioden werden wir mit Batterien aber nicht weit kommen. Gerade im Winter kann es passieren, dass wir mehrere Tage oder sogar Wochen zu wenig Windstromerträge haben. Damit auch diese Phasen überbrückt werden können, werden wir mit Überschussstrom Gase herstellen. Wasserstoff, Methan oder was immer der technologieoffene Markt so hergibt. Dieses Konzept nennt sich Power to Gas oder auch P2G.

Diese Gase gilt es dann in Gaskraftwerken wieder zu verstromen. Das darin gebundene CO2 wurde bei der Produktion der Atmosphäre entzogen, so dass der gesamte Vorgang wieder klimaneutral ist. Das bedeutet, dass wir unsere Gaskraftwerke weiter nutzen können, sie verbrennen nur keine Dinosaurierüberreste mehr sondern grünes Gas.

Ja, dieses Verfahren ist verlustbehaftet. Wir kämen aber auch mit 100 Prozent Kernkraft nicht ohne es aus, da wir damit auch Kraftstoffe für Schiffe und Flugzeuge, Grundstoffe für die Chemie oder Wasserstoff für Stahlwerke herstellen müssen (Seite 40 und 41).

Fazit:

Der nachvollziehbare Wunsch, erst die Kohle- und dann die Kernkraftwerke abzuschalten, kommt bei fast allen etwas sehr spät. Ich wünschte mittlerweile auch, wir hätten das andersrum gemacht, aber 2011 fanden wir diese Entscheidung gut. Das können wir jetzt noch viele Monate und Jahre bereuen und uns einen mit Nieten besetzten Lauch über den Rücken ziehen, aber das löst ja auch nichts.

Wir sind es den nachfolgenden Generationen schuldig, hier etwas mehr Resilienz zu zeigen und nach vorne zu blicken. Auch mit 17 lauffähigen Kernreaktoren hätten wir bezogen auf die Energiewende noch eine MENGE zu tun. Dafür jetzt Robert Habeck zu shitstormen, ist, als würde ich im Bad einen Schimmelfleck hinter der Waschmaschine finden, ihn ignorieren, ausziehen und dann die Nachmieterin dafür anschwärzen, dass da ein Fleck ist.

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Nein, vegane Ersatzprodukte sind KEINE „Killer“ wie ein Arzt auf RTL behaupten durfte.

Bei der RTL-Group scheinen sie ja echt Probleme mit den Einschaltquoten zu haben. Erst letzte kam von dort der verzweifelt wirkende und glücklicherweise erfolglose Versuch, den radikalen Extrem-Schwurbler Michael Wendler ins Programm zu holen und jetzt werden wieder Kampagnen gegen vegane Ernährung gestartet. Was kommt nächste Woche? Eine Debatte, ob Frauen Auto fahren sollen?

Auf der Seite von RTL News wurde das alles netterweise für die Nachwelt dokumentiert: Ein knapp 5 Minuten langer Ausschnitt aus der Sendung „Stern TV am Sonntag“ ist in einen längeren Text unter der Überschrift „Worauf Verbraucher achten sollten“ eingebettet, der mit „Diese Lebensmittel sind Killer!“ beginnt und sich explizit auf vegane Fertigprodukte bezieht.

Ich kann euch schon mal beruhigen: auf die meisten im Text genannten Behauptungen könnt ihr als Verbraucherinnen und Verbraucher getrost ähnlich wenig achten wie auf euer Horoskop, ohne dass das irgendeine Auswirkung hätte. Jack the Ripper war ein Killer. Charles Manson war ein Killer. Seitan-Aufschnitt mit Paprika ist kein Killer.

Im Stern-TV-Ausschnitt wird Internist und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl interviewt, der sehr ausführlich seine persönliche und irritierend romantisierte Sicht der Dinge darlegen darf, die dann redaktionell natürlich in keinster Weise eingeordnet wird. Hey, immerhin wurde hier doch ein Experte befragt und es wurden Witze über den ekligen Geschmack veganer Salami gemacht (höhö), das ist für RTL-Maßstäbe schon peak Journalismus. Nächste Woche wird dort Musik-Experte Dieter Bohlen erklären, was die beste Musik der Welt ist.

Nun hat Dr. Riedl natürlich durchaus mehr Ahnung von Medizin als Dieter Bohlen (Kunststück) und wenn jemand krank ist, dann fragt lieber den Doc mit dem Medizinstudium als mich mit dem BWL-Diplom. Seine Aussagen zu den Gesundheitsrisiken von veganen Ersatzprodukten sind aber leider dennoch problematisch, auch wenn RTL die eigene Überschrift abgeschwächt hat auf „bestimmte“ Produkte, zeigt da ein Arzt zur Prime Time auf einen großen Tisch mit allen möglichen Dingen, von Hafermilch bis Fake-Lachs und sagt „für mich sind das Killer“. Man muss kein Genie sein, um zu erraten, was davon jetzt beim RTL-Publikum hängen bleibt.

Auf die Frage, wie er das vegane Hackfleisch bewerten würde, antwortet er:

„Also das ist ja auf Optik gemacht und es ist mit Aromen aufgepeppt. Wir sehen, Ökotest hat bei solchen Hackfleischprodukten wiederholt Mineralölrückstände gefunden […], weil es ja Industrieprodukte sind […], sie stehen im Verdacht, Krebs zu fördern und das ist halt ein großer Nachteil. Es kommt eben aus der Industrie, es kommt durch Rohre, aus Reaktoren, aus Maschinen und du mischt sich leider auch Maschinenöl rein.“

Und als wenn das nicht schon bedrohlich genug klingt, fragt der voreingenommene Moderator noch mal im Sesamstraßen-Style nach: „Mineralöl?“

Und Dr. Riedl antwortet „Ja, Mineralöl!“.

Daraufhin wieder der Moderator: „Das klingt nicht gesund.“.

Hätte mich an der Stelle nicht gewundert, wenn an der Stelle ein paar Handpuppen den Song „Mineralöl gehört nicht in den Kaffee!“ performt hätten, damit die Botschaft auch beim allerletzten RTL-Zuschauer ankommt.

Nun muss ich aber leider etwas Wasser in das Minerälöl den Wein gießen: Wollt ihr gänzlich und komplett auf Mineralölrückstände in Lebensmitteln verzichten, dann sind die Ratschläge von Dr. Riedl dazu leider denkbar ungeeignet, denn er empfiehlt, statt des Sojahacks lieber Hackfleisch aus Tieren zu essen. Es wird leider nicht erörtert, aus welcher Fantasiewelt Dr. Riedl und der Moderator sich erhoffen, tierisches Hackfleisch zu importieren, denn hierzulande sind bei der Herstellung von Hackfleisch aus zersägten Schweinen und Kühen zahllose Maschinen beteiligt.

Auch der von ihm empfohlene Verzehr von Biofleisch hilft da wenig, denn Bio-Richtlinien bedeuten vor allem anderes Futter und mehr Platz für die Tiere, nicht dass die Zerlegung der Körper auf einmal wieder wie im 19. Jahrhundert geschieht. Grundsätzlich hat so ziemlich jedes Lebensmittel im Supermarkt Zeit in irgendwelchen Maschinen zugebracht, selbst Haferflocken werden gedämpft und bei 80 Grad getrocknet, um eine Verunreinigung mit Keimen auszuschließen.

Aber auch in Dr. Riedls Fantasiewelt, in der Lebensmittel mit bloßen Händen vom Landwirtschaftsbetrieb in den Supermarkt gelangen, wären in vielen Produkten Spuren Mineralöl zu finden. Das stammt nämlich in vielen Fällen schlicht aus den Karton-Verpackungen, die mit Farben auf Mineralölbasis bedruckt sind, die frecherweise durch die Verpackung bis zum Produkt flutschen und daran je nach Oberflächenbeschaffenheit gut kleben bleiben können.

Mineralölrückstände finden sich daher nicht nur auf veganem Hack, sondern auch in Müsli-RiegelnHandcremeSalamipizzenSchokoladeHaferflockenParmesanToastbrotKokosmilchPflanzenöl, Reis, Weizengrieß und Nudeln und mutmaßlich Dutzenden weiteren Produkten. Und in Würsten aus Tierfleisch. Stand doch alles in der Ökotest, wieso weiß Dr. Riedl das nicht? Bevor ihr jetzt aber schreiend aus dem Fenster springt: Das ist nicht zwingend eine schlimme Nachricht, denn wir reden hier wirklich von sehr, sehr geringen Mengen.

Es ist so Heutige Messmethoden sind einfach krass sensibel. Mithilfe einer Gaschromatografie können selbst minimale Substanzmengen nachgewiesen werden, die Nachweisgrenze liegt zwischen einem Milliardstel Gramm und einem Billionstel (!) Gramm. Letzteres entspricht ungefähr dem Gewicht eines E.coli-Bakteriums. Die Methode ist also so empfindlich, dass selbst die Verunreinigung mit dem Gewichtsäquivalent von einem (!) E.coli-Bakterum in einer Packung Reis gemessen werden kann.

Im Lebensmittelbereich gibt es keine Perfektion. Alle Produkte können irgendetwas schädliches enthalten, sogar Trinkwasser und frisch gepflückte Beeren. Auch deswegen hört ihr oft den Rat, sich ausgewogen zu ernähren, denn dadurch streut ihr dieses Risiko automaisch. Wir Menschen müssen also den Weg des kleinsten Übels suchen und da bevorzuge ich dann schon die maschinell erhitzten Haferflocken mit abgetöteten Keimen – die können zwar winzigste Mengen Mineralölspuren enthalten, aber für die wurde in dieser Dosis noch kein gesundheitliches Risiko erforscht. Bei einer EHEC-Infektion aus Rohwaren sieht das anders aus, die kann bei empfindlichen Menschen wie kleinen Kindern zum Beispiel zu Nieren­versagen oder Blut­gerinnungs­störungen führen.

Zugegeben, diese Abwägungen sind kompliziert, aber gerade ein Ernährungsmediziner sollte das ja einordnen können. Zwischenfazit: Ob Mineralölrückstände in dieser Dosis gefährlich sind, wissen wir schlicht noch nicht und wenn sie das sind, dann ist der Verzehr von ebenfalls mit Mineralöl verunreinigtem Tierfleisch keine sonderlich clevere Alternative.

Auch die anderen Vorwürfe wirken wenig plausibel, insbesondere, weil als Alternative jeweils Tierprodukte mit ähnlichen Problemen ins Spiel gebracht werden:

Das extrahierte Soja sei „Astronautenkost“, weil es mit Stärke, Farbstoffen und Verdickungsmitteln gemischt sei. Veganer Käse mache dick, der vegane Lachs enthalte künstliche Aromen und sei deswegen „Chemie“. O-Ton: „Er riecht chemisch nach Lachs.“.

Ah so, er riecht nicht nur nach Lachs, sondern er riecht chemisch (!) nach Lachs. Damit will er sich vermutlich darüber beschweren, dass der Geruch nicht von echtem Lachs kommt, sondern so hingebogen wurde. Aber hey, Fun Fact: Das ist bei veganem Lachsersatz ja auch gewünscht. Es ist für mich als Veganer ein Feature, wenn Fake-Lachs oder -thunfisch nur scheinbar nach Fisch riecht, denn sonst wären diese Produkte ja nicht vegan.

Der Begriff „Astronautenkost“ wirkt ziemlich emotional, denn weder hat Sojahack irgendwas mit Astronautenkost zu tun noch ist Astronautenkost per se ungesund. Im Gegenteil, seit den 60er Jahren forschen große Raumfahrt-Organisationen daran, wie sie ihr Personal bei den Missionen optimal mit Nährstoffen versorgt, auch wenn es einen 200-Tage-Einsatz auf der ISS zu absolvieren gilt.

Ein absolutes NoGo sind dabei übrigens krümelige Konsistenzen. Es macht in der Schwerelosigkeit einfach keinen Spaß, wenn ihr nachts regelmäßig die vergammelten Chips-Reste von der Kollegin durch die Nase einatmet, und genauso unbeliebt dürfte aus den gleichen Gründen Sojahack sein. Astronautenkost hingegen ist als vollwertige Mahlzeit konzipiert, sie wird deswegen sogar medizinisch eingesetzt, was den Vorwurf wirklich albern macht.

Ach und veganer Käse macht dick? Ach komm! Und ich Depp esse jeden Tag 1 Pfund davon, um abzunehmen! Scherz, natürlich hat veganer Käse einen hohen Fettanteil, genauso wie Käse aus Kuhmilch ja eben auch. Nicht ohne Grund hat sich die Wir-überbacken-einfach-alles-mit-Gorgonzola-Diät nie so richtig durchgesetzt.

Kommen wir hier mal zum zentralen Denkfehler in Dr. Riedls gesamter Herangehensweise: Natürlich gibt es hochverarbeitete, nicht vollwertige vegane Fertig-Produkte mit fragwürdigen Inhaltsstoffen. Aber das ist ja alles andere als exklusiv vegan, genau so was gibt es bei den Tierprodukten noch und nöcher. Da gibt es fertige Currywurst, Scheiblettenkäse und eingeschweißten, lange haltbaren Fertigkuchen. Ein Teil von deren Zutatenliste könnte die Bevölkerung verunsichern.

Wobei, da mache ich jetzt fast den gleichen argumentativen Fehler: Eine lange Zutatenliste sagt erst mal nichts darüber aus, wie gesund ein Lebensmittel ist, denn diese Zutatenlisten sind durch einen Umstand verzerrt: Inhaltsstoffe muss ich im Lebensmittelrecht auflisten, wenn ich sie zusetze. Wenn sie aber in einer anderen Zutat mit enthalten sind, kann ich einfach „Kuhmilch“ als Zutat aufschreiben, obwohl die wiederum aus Milchzucker, Butterfett, Milcheiweiß, Emulgatoren, Salz, Farbstoffen und mehreren E-Nummern besteht, wenn man genau hinguckt.

Das macht dann am Ende den Eindruck, das vegane Produkt sei „chemischer“, obwohl es dem Körper natürlich vollkommen egal ist, ob die Zitronensäure (E330) nun auf natürlichem Wege in der Kuhmilch entstanden ist oder ob sie einem Produkt künstlich zugesetzt wurde. Ihr könnt dem Zitronensäure-Molekül unter dem Mikroskop ja nicht ansehen, wie es entstanden ist. Es ist immer C₆H₈O₇ und hat die gleiche Wirkung.

Ich wäre deswegen immer ganz besonders vorsichtig, wenn irgendwer im Fernsehen ein Nahrungsmittel schlecht dastehen lassen möchte, indem er es „chemisch“ nennt oder pauschal die Verarbeitung hervorhebt. Alles ist chemisch, wir Menschen, die Tiere, die Umwelt. Sogar ein paar meiner besten Freunde bestehen aus Chemie und die sind echt nett!

Dr. Riedl lässt sich zur fahrlässigen Aussage hinreißen, vegane Ersatzprodukte seien Killer, weil sie das Sterberisiko erhöhten, die Studienlage sei da klar. Er bezieht sich aber auf eine Studie, die grundsätzlich nur den Zusammenhang zwischen hochverarbeiteten Lebensmitteln und Erkrankungen von US-Amerikaner:innen untersucht hat. Ob die untersuchten Lebensmittel vegan sind, spielte da überhaupt keine Rolle.

Seine Aussage spiegelt also alles andere als die Studienlage wieder, denn er ignoriert hier gleich 3 massive Ungenauigkeiten:

  1. Nicht alle veganen Fertigprodukte sind gleich hergestellt. Manche haben eine sehr lange Zutatenliste, andere bestehen wiederum nur aus Hafer, Wasser und Salz. Die pauschale Bewertung einer kompletten Produktkategorie ist dadurch irreführend.
  2. Nicht alle hochverarbeiteten Produkte sind gleich schädlich. Wenn ich einen Sojaburger mit roter Beete einfärbe ist das mutmaßlich weitaus unbedenklicher als wenn jemand seinen Flüssigkeitsbedarf hauptsächlich mit Soft Drinks deckt.
  3. Manche Verarbeitungsschritte reduzieren das Gesundheitsrisiko von Lebensmitteln (Pasteurisierung).

Unser Lebensmittelrecht besteht ja nicht umsonst aus einer Menge Regeln, die die Sicherheit unserer Nahrungsmittel gewährleisten sollen. Das heißt nicht, dass das alles gleich gesund ist, aber hier stellt sich ja immer auch die Frage nach der Dosis.

Ich kenne niemanden, dessen Abendessen zum Großteil aus Sojahack, veganem Käse oder Fake-Lachs besteht – dazu ist das Zeug ja auch meistens viel zu teuer. Meine 250 Gramm Sojahack schwimmen in der Regel in 3 Litern Bolognese herum und der Käse macht vielleicht 10% meines belegten Brotes aus.

Das ist  jetzt nur anekdotisch, aber auch eine aktuelle Studie zeigt, dass der größte Teil der hochverarbeiteten Nahrungsmittel Softdrinks, Mikrowellengerichte, Fertigbrot und Milch-Mix-Getränke sind. Fleischersatz rangiert in der Liste auf dem letzten Platz, trägt also zu welcher auch immer gemessenen Wirkung bislang nur zu einem sehr geringen Teil bei.

Wenn der Arzt bei RTL also behauptet, die Zunahme von Autoimmunerkrankungen nehme wegen veganen Fertigprodukten zu, so hat er dafür schlicht keinen Beleg. Er hat nur eine Korrelation von US-Amerikaner:innen mit generell hohem Fertigprodukte-Konsum und bestimmten Erkrankungen. Ob und wie stark daran vegane Fertigprodukte eine Mitschuld tragen, müsste mal jemand untersuchen. Es einfach zu behaupten und dann noch mit dem Wort „Killer“ zu verstärken, ist abenteuerlich.

Dr. Riedl scheint da grundsätzlich einem naturalistischen Fehlschluss zu unterliegen, benutzt für diese Einstellung typische Vokabeln wie „zu chemisch“, „leeres Lebensmittel“, „Astronautenkost“ und empfiehlt wiederholt, doch lieber das „natürliche“ Pendant zu konsumieren. Das ist insofern absurd, dass er dann z.B. bei wildem Lachs die höheren Konzentrationen von Kupfer, Cobalt und Cadmium und Mikroplastik erwähnen müsste. Da gibt es bislang glücklicherweise noch keinen Nachweis, ob das gesundheitliche Auswirkungen hat, aber das hat ihn bei winzigen Spuren von Mineralöl ja auch nicht gestört.

Natürlich heißt nicht automatisch gut. Ihr könnt auch durch ganz natürliche Hinterlassenschaften an ganz natürlichen Himbeeren krank werden. Im SPIEGEL-Interview antwortet ein Mikrobiologe vom Bundesinstitut für Risikobewertung auf die Frage, aus welche Lebensmittel er persönlich verzichte, weil ihm das Risiko zu hoch

„Rohmilch und Rohmilchprodukte. Ich verstehe nicht, warum ich auf die Vorteile der Pasteurisierung verzichten sollte. Der Genuss steht bei diesen Lebensmitteln nach meiner persönlichen Ansicht in keinem Verhältnis zum potenziellen Risiko.“

Gefolgt von

„Viele Menschen sehnen sich in Punkto Risikobewertung nach allgemeingültigen und simplen Empfehlungen. Leider ist es in der Realität oft etwas komplizierter; hundertprozentige Sicherheit gibt es besonders beim Thema Ernährung nicht. […] Gerade beim Thema Lebensmittelsicherheit scheinen uns die Gefahren aus der Natur dabei vertrauter und weniger bedrohlich.“

Dazu kommt im RTL-Interview dieser Hang, komplexe Zusammenhänge viel zu pauschal zu beurteilen: EINE Zeitschrift hat in MANCHEN veganen Produkten EINER Produktkategorie Mineralölrückstände gefunden. Daraus macht er „In veganen Fertigprodukten ist Mineralöl“, uff. Nach der Logik sind alle US-Filme unlogischer Blödsinn, weil da auch Pacific Rim gedreht wurde (gute Güte, was war das für ein Blödsinn).

Tl;dr: Vegan Fertigprodukte werden euch NICHT töten (außer eine Euro-Palette voller Veggie-Tewurst trifft euch am Kopf). Es empfiehlt sich selbstverständlich, sich nicht nur mit so was und generell ausgewogen zu ernähren, aber ob und bei welchen Produkten ein Risiko besteht, müsste erst mal irgendwer erforschen.

Bis es soweit ist suche ich mir die RTL-Beiträge auf Facebook, poste da ein Bild von mir mit Fake-Lachs, Sojahack und veganem Käse im Mund und schreibe „DARAUF ERST MAL 1 KILO VEGANE ERSATZPRODUKTE!!! OM NOM NOM!!!“

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Anti-Windkraft-Story der NZZ findet heraus, dass in Deutschland nicht immer der Wind weht

Schweizer Ökonom würfelt so lange Zahlen aus, bis Fahrräder klimaschädlicher sind als Erdölautos

„Ey, meine Frau wollte gestern allen Ernstes mit dem Rad zum See fahren! Ich natürlich voller Sorge, dass die Nachbarn uns für die letzten Klimaschmocks halten, also haben wir schließlich doch das Erdölauto genommen!“

Dieser reichlich absonderliche Satz könnte aus einer Komödie stammen, in der dem Koch eine Tüte LSD in die Suppe gefallen ist oder aus einem Gespräch zwischen Reiner Eichenberger und seinem Kolleginnen. Reiner wem? Reiner Eichenberger. Das ist ein Ökonom der Uni Freiburg (Freiburg in der Schweiz) mit einer für einen Ökonom reichlich grotesken Herangehensweise an mathematische Fragen und schreibt regelmäßig eine Kolumne namens „FREIE SICHT“ für die Schweizer Handelszeitung.

Die Ausgabe vom 13.11.2022 wirkte ironischerweise so, als sei insbesondere Herr Eichenbergers Sicht auf die Realität alles andere als frei. Der Titel lautete „Klima: Manch ein Auto schneidet besser ab als das Velo und der ÖV“ und ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich selbst überdurchschnittlich intelligente Menschen so nachhaltig in kognitive Dissonanzen verrennen können, dass sie sich in der Folge mehrfach komplett zum Narren machen. Seine Behauptung: Fahrten mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad seien schlechter für Umwelt und Klima als Fahrten mit dem Benzinauto.

„Belegt“ wird diese Behauptung, indem so absurde Grundannahmen für die Rechnung getroffen werden, dass man mit diesem Grad an Kreativität vermutlich auch die schlank machende Wirkung von Sahnetorte mit Butterglasur berechnen könnte: Eichenberger behauptet, dass die offiziellen Berechnungen zu Treibhausgasemissionen und sonstigen Belastungen der Allgemeinheit nur aufgrund von „kreativer Buchführung“ für Radverkehr und ÖPNV ausfallen.

Welche Berechnungen er konkret meint, können wir nur raten, weil für Professor Eichenberger diese verrückte, neumodische Marotte, Quellen zu verlinken, offenbar etwas zu modern ist. Er beschwert sich über die Schweizer Organisationen Amt für Raumentwicklung (ARE) und Bundesamt für Statistik (BFS), vielleicht sind also dieses und dieses Dokument gemeint, aber das ist von mir geraten.

Schweizer Ökonom kennt das Schweizer Stromnetz nicht

Gehen wir das also mal einzeln durch. Der Schweizer ÖPNV sei gar nicht so klimafreundlich, behauptet er, weil er ja gar nicht nur mit Strom aus Wasserkraft unterwegs sei:

„Beim ÖV wird angenommen, er fahre mit Strom aus eigenen Wasserkraftwerken der Verkehrsbetriebe und sei deshalb praktisch klimaneutral.“

Dieser Vorwurf dürfte bei den Straßenbahn-Betreibern in Zürich, Bern und Genf mutmaßlich für ausgedehnte Gähn-Attacken sorgen, weil dort vermutlich niemand in der Vorstellung lebt, das Schweizer ÖPNV-Netz würde ausschließlich mit Strom aus Wasserkraft versorgt.

Dazu müsst ihr wissen: Der Strommix der Schweiz ist sensationell CO2-arm, er setzt sich nahezu ausschließlich aus Wasserkraft, Kernkraft und Photovoltaik zusammen. Erdgas oder gar Kohle kommen (zumindest für die Stromerzeugung) nicht zum Einsatz. Es ist bezogen auf die Klimaemissionen also ziemlich unerheblich, ob eine Tram in Zürich allein mit Wasserkraft unterwegs war oder mit ordinärem Schweizer Strommix.

Professor Eichenberger „Logik“ ist nun: Anstatt mit dem Schweizer Strom den Nahverkehr in Zürich zu versorgen, könnte er ja auch exportiert werden, um dann im Gegenzug ein anderes Kraftwerk in Europa, er nennt sie „CO2-Schleudern“, runterzufahren. Aus diesem Grund seien Straßenbahnen in Zürich und auch E-Autos mit „stark klimabelastendem Strom“ unterwegs.

Ist euer Mofa klimaschädlich, weil euer Nachbar SUV fährt?

Wir rechnen also nicht mit dem Strom, der tatsächlich die Straßenbahn antreibt, sondern überlegen, was wir sonst so mit dem Strom hätten machen können und geben der Straßenbahn die Schuld dafür. Nach der Logik könnte ich auch sagen, dass mit der Vespa ins Büro fahren total schlecht ist, denn ich könnte die Vespa ja auch einem Typen schenken, der ansonsten mit einem riesigen Geländewagen ins Büro fährt. Für die Fahrt mit der Vespa setzte ich deswegen die Emissionen an, die ein Audi-Q7 mit extra großem Motor verbrauchen würde. Was komplett absurd wäre, weswegen diese Betrachtung auch in Fachkreisen stark kritisiert wird.

Ferner kann auch die Schweiz nicht einfach beliebig viel Strom exportieren. Die Leitungen zu den europäischen Nachbarn haben (Überraschung) eine Maximalkapazität und sind auch heute schon je nach Wetterlage komplett mit Stromexport belegt. Selbst wenn irgendwer auf die mittelmäßig durchdachte Idee käme, den ÖPNV in Zürich stillzulegen, um stattdessen mehr von dem schönen Schweizer Wasserkraftstrom in den Norden zu exportieren, dann fehlte dafür rein technisch oft die Kapazität.

Wäre außerdem echt schön, wenn gerade Ökonomen so was wenigstens grob durchrechnen könnten, bevor sie so einen törichten Stuss verfassen: Selbst eine mit reinem Steinkohlestrom betriebene Straßenbahn emittiert pro Sitzplatz und Kilometer 60 Gramm CO2 (hier mit einem NGT D12DD von Bombardier gerechnet). Je nach Auslastung wäre also selbst der Einsatz einer solchen Bahn klimafreundlicher als das typische Schweizer, mit 1,5 Personen besetzte Benzinauto, das etwa 140 Gramm CO2 pro Personenkilometer emittiert.

Züge fahren nun mal mit Stahlrädern auf Stahlschienen, was den Rollwiderstand so krass verringert, dass selbst Ranga Yogeshwar (ein Typ mit einer ähnlich schmalen Statur wie meiner) mit bloßer Muskelkraft einen 57 Tonnen schwere Waggon anschieben kann (wow). Das Rekuperieren beim Bremsen verringert den Energiebedarf zusätzlich.

Wenn ich nun den tatsächlichen Strommix der Schweiz ansetze, dann emittieren 100 Personenkilometer in der Schweizer Bahn etwa 500 Gramm CO2. Ein Diesel-PKW emittiert das bereits auf drei (!) Kilometern Fahrt. Drei, die Zahl nach zwei und vor vier. Was macht ein Ökonom noch mal beruflich? Irgendwas mit rechnen?

Auch die Benzinproduktion selbst verursacht nicht gerade wenig Klimaemissionen

Noch grotesker geraten Eichenbergers Ausführungen zum Radfahren: Wer mit dem Rad unterwegs sei, müsse dafür mehr essen (no shit Sherlock), was ja auch Emissionen verursache. Seine Rechnung sieht so aus:

„Sparsame Autos brauchen auf 100 Kilometer 5 Liter Benzin und verursachen so 12 Kilogramm CO2-Emissionen, also 120 Gramm pro Fahrzeugkilometer – und bei einer Besetzung mit 4 Personen 30 Gramm pro Personenkilometer.“

Wow. Das ist nicht etwa der Schulaufsatz eines 7-Jährigen, sondern eine ernst gemeinte Rechnung in einem Medium, das sich „Handelszeitung“ nennt. Ich hoffe für alle Abonnementinnen, dass die anderen Artikel dieser Zeitung nicht auch aus einer persönlichen Verzerrung heraus zusammengezimmert sind:

Sparsame Autos mögen nur 5 Liter Benzin pro 100 Kilometer verbrauchen, der Schweizer Fuhrpark liegt aber bei knapp 7 Liter Benzin pro 100 Kilometer Fahrt. Hinzu kommt, dass Benzin nicht von netten Fabelwesen zur Tankstelle geflogen wird, sondern erst mal aufwändig produziert werden muss. Öl sprudelt zwar in manchen Regionen immer noch einfach so aus der Erde, aber woanders muss es bereits hochgepumpt werden und an wieder anderen Stellen wird Teersand aufwändig und unter immensem Wasserverbrauch aus dem Boden gewaschen.

Wenn es aus der Erde sprudelt, müssen wir auf die Emissionen des reinen Verbrennungsprozesses „nur“ etwa 25 Prozent draufschlagen, um die Vorkette, zu berücksichtigen (also Förderung, Transport und Verarbeitung). Bei der Verwendung von Teersand können die Emissionen sogar um 30 bis 45 Prozent ansteigen. Es ist also nicht ganz trivial, den tatsächlichen Klimaschaden zu beziffern, solange wir nicht genau um die Herkunft des Benzins wissen, aber ein Wert zwischen 25 und 45 Prozent für die Vorkette ist laut diesen Daten für Europa zu erwarten.

Vorkette Benzinproduktion: Die blauen Balken sind die Emissionen der Verbrennung im Auto, die roten und gelben die Produktion des Kraftstoffs, Quelle

Der Ökonom aus der Handelszeitung rechnet hingegen mit 0 Prozent und kommt dann zusammen mit den anderen Märchen-Annahmen aus einer BP-Werbebroschüre auf 120 Gramm CO2 pro Fahrzeugkilometer. Der Durchschnitt in der Schweiz dürfte, wenn man mit echten Autos und echter Benzinproduktion rechnet, tatsächlich zwischen 207 und 240 Gramm CO2 pro Fahrzeugkilometer liegen (also 70 bis 100 Prozent mehr).

Und zur Wunschvorstellung, im Auto könnten 4 Personen sitzen: PKW in der Schweiz sind (wie in Deutschland auch) mit immer weniger Personen besetzt. Im Jahr 2015 waren es im Schnitt nur noch 1,56 Personen pro Wagen. Beim Pendeln zur Arbeit sind es nur 1,1 Personen pro PKW.

Wer isst nach einer Radtour bitte ausschließlich Rindfleisch?

Kommen wir zu den Emissionen für eine Fahrt mit dem Fahrrad: Auch das lässt sich pauschal gar nicht so leicht sagen wie die Zeitung hier behauptet, denn es kommt drauf an, wie schnell ich fahre, wie viel ich wiege, wie alt ich bin und so weiter. Aber selbst wenn wir mit der Zahl von Eichenberger rechnen und von einem recht hohen Bedarf von 2.500 Kilokalorien für 100 Kilometer mit dem Fahrrad ausgehen, gerät seine Schlussfolgerung hanebüchen, weil er diese 2.500 Kilokalorien mit dem Verzehr von EINEM KILO RINDFLEISCH zu decken gedenkt:

„Velofahrende verbrauchen auf 100 Kilometer bei normaler Fahrt rund 2500 Kilokalorien (kcal). […] So bräuchten sie für die 2500 kcal etwa 1 Kilo Rindfleisch. Das verursacht in der Produktion 13,3 Kilogramm CO2. Fleisch essende Velofahrerinnen und Velofahrer verursachen also pro Personenkilometer 133 Gramm CO2 – das Vierfache des gut besetzten Autos.“

Ja, wer kennt das nicht? Nach einer langen Radtour mit wackeligen Beinen und einem wunden Hintern freuen wir uns doch alle auf ein heißes Bad und 4 Steaks. Ohne alles. Keine Beilagen, kein Gemüse, es gibt einfach mal Fleisch mit Fleisch. Auch bei der Tour de France kann ja regelmäßig beobachtet werden, wie die Athleten eine Wurstkette tragen und nach der Bergetappe direkt an einer Metzgerei halten und sich da kopfüber für eine Druckbetankung mit Gehacktem unter den Fleischwolf klemmen. Zum Würzen oder Garen ist keine Zeit, denn danach geht es komplett ohne Ballaststoffe aufs Klo, das kann dauern.

Meine Güte, hat der Typ noch nie gesehen, was im Fahrradsport so gegessen wird? Wer das gelbe Trikot gewinnen will, sollte sich mit dem Geschmack von Nudeln anfreunden, denn sollte der Körper nicht konstant mit Kohlenhydraten versorgt werden, kann deswegen schon mal die ganze Tour verloren sein, so wie das Jan Ullrich im Jahr 1998 geschehen ist. Daher ist es üblich, auch während des Rennens Energieriegel, High-Carb-Gelpackungen oder kleine Reiskuchen mit Trockenfrüchten zu snacken.

Auch ohne 100% Rindfleisch können Menschen ganze Waggons anschieben

Dass irgendwer vom Begleitfahrzeig aus eine Portion Chateaubriand rübergereicht bekommt und sich damit dann großzügig das Trikot einsaut, klingt entweder nach Alice im Wunderland oder nun eben nach Handelszeitung.ch. Übrigens empfiehlt selbst die eher konservativ eingestellte DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) aus gesundheitlichen Gründen, pro Woche nicht mehr als 600 Gramm Fleisch zu verzehren.

Im deutlich realistischeren Fall, dass nach einer Radtour Kartoffeln oder Nudeln verzehrt werden, senken sich die Klimaemissionen auf 4 Gramm CO2 (Kartoffeln) oder 5 Gramm CO2 (Nudeln) pro Kilometer, also einen Bruchteil von der angenommenen Rindfleisch-Paleo-Diät mit 133 Gramm CO2 pro Kilometer. Und eben auch deutlich weniger als die 220 Gramm CO2, die ein Schweizer Benzinauto emittiert.

Da kann der Ökonom noch so viele Menschen in sein Fantasieauto hereinträumen: Selbst eine kleine Armee von 10 Clowns, die sich in ein Zirkusauto quetscht, wäre immer noch 4 mal so klimaschädlich unterwegs wie eine Radfahrerin, die ihre zusätzlich verbrauchten Kalorien mit Pasta deckt – es sei denn, sie schieben es und essen nicht nur Rindfleisch.

Wer ohne Auto unterwegs ist, fährt in der Regel auch kürzere Strecken

Und noch ein kolossaler Denkfehler wurde hier gemacht: Es wird angenommen, dass der Radverkehr die gleichen Strecken zurücklegt wie der Autoverkehr. Bei der Fahrt zum Büro mag man unmittelbar wenig Spielraum haben, was die Wegstrecke angeht (mittelbar aber schon). Aber zumindest in Deutschland finden die meisten Autofahrten in der Freizeit statt, und wenn dafür kein Auto vor der Tür steht, dann fährt man in der Regel nicht mal eben so aus Spaß ins Gewerbegebiet 5 Kilometer vor der Stadt, sondern kann sich Destinationen ohne Parkplätze aussuchen, die für das Auto eher unpraktisch sind.

Etwas anekdotisch: Solange ich einen Firmenwagen inkl. Tankkarte vor der Tür stehen hatte, bin ich manchmal für einen Friseurtermin von Wiesbaden nach Frankfurt gefahren oder habe für andere Dinge des täglichen Bedarfs absurde Distanzen in Kauf genommen. In der Rückschau kommt mir das relativ bekloppt vor, denn heute mache ich das alles in der Hälfte der Zeit innerhalb meines Stadtgebiets und eben oft mit dem Rad oder zu Fuß.

Etwas weniger anekdotisch: Immer mehr urbane Zentren sollen zu 15-Minuten-Städten umgebaut werden. So verfolgt z.B. Paris das Ziel, dass an jedem Ort alle Grundbedürfnisse (Leben, Arbeiten, Bildung, Einkaufen, ärztliche Versorgung , Erholung) maximal 15 Minuten entfernt sind. Die Idee ist also, den durch das Auto lang gewordenen Wegen eine kurze Alternative gegenüberzustellen. Deutsche PKW fahren täglich etwa 40 Kilometer im Schnitt. Diese Distanz nun einfach 1:1 auf ein Fahrrad umzurechnen, passt in diesem Kontext also vorne und hinten nicht.

Fazit: Die Handelszeitung beschäftigt für ihre Kolumne „Freie Sicht“ einen Ökonom, der das Schweizer Stromnetz nicht kapiert hat, der Vorketten-Emissionen dann ignoriert, wenn das zu seiner Agenda passt (beim Rindfleisch hat er sie mit berücksichtigt), der für Vergleichsrechnungen statistische Ausreißer heranzieht und sich derartig krude Annahmen ausdenkt, dass ich mich frage, warum eine Universität ihm ernsthaft Geld für einen Lehrauftrag bezahlen sollte.

Die naheliegende Schlussfolgerung, dass weniger Fleischkonsum einige dicke Vorteile hätte, liegt für den Kolumnisten leider in weiter Ferne.

Nachtrag 08.02.2023:

Es gibt zwei Aspekte, die ich peinlicherweise vergessen habe.

  1. Die Produktion eines Autos verursacht um Größenordnungen mehr CO2-Emissionen als die eines Fahrrads. Das ist doppelt lustig, weil ich das hier schon in dutzenden Artikeln sehr detailliert besprochen habe und vor Allem auch, weil Fans von Erdölautos auf diesem Umstand ansonsten sehr gerne rumreiten, weil sie darin einen vermeintlichen Vorteil gegenüber E-Autos sehen.

    Seit etwa 5 Jahren verweisen insbesondere Leute wie Herr Eichenberger bei jeder noch so kleinen Meldung rund um die E-Mobilität, dass man aber auch die Emissionen bei der Herstellung berücksichtigen müsse. Und dass das ja niemand tue (falsch), weil wir alle auf elektrisches Fahren umerzogen werden sollen und dass das ja überhaupt ein riesengroßer Skandal sei. Aber jetzt, beim Vergleich mit Fahrrädern, da will das auf einmal niemand mehr wissen.

    Das ist aber ein Faktor: Ein mittelgroßer PKW verursacht allein durch die Produktion 5,6 Tonnen CO2. Selbst mit der fragwürdigen 24/7-Rindfleisch-Diät könnt ihr auf dem Fahrrad also 42.000 Kilometer zurücklegen und habt dann genauso viel Emissionen verursacht wie bei der Produktion eines Erdölautos entstehen. Wenn Ihr die beim Radfahren verbrauchten Kalorien mit Nudeln wieder auffüllt, kommt ihr mit dem CO2-Budget einer Autoproduktion etwa 1,1 Millionen Kilometer weit. Das holt kein Erdölauto jemals wieder ein.

  2. Beim Sport verbrauchte Kalorien können nicht einfach nur als Klimaschaden bilanziert werden, dazu ist ihre Wirkung zu komplex. Wenn ich die so stark minimieren wollte wie es geht, dann bedeutete das ja, dass es am besten wäre, wenn wir alle 24 Stunden am Tag auf der Couch liegen. Bei dem Gedanken dürften die meisten Menschen, die irgendwas mit Prävention von Zivilisationskrankheiten zu tun haben, in Panik aufschreien.

    Es ist nicht möglich, den Intake auf null zu reduzieren und auch nicht sinnvoll, ihn maximal runterzuschrauben. Bedeutet in meinem Alltag: Wenn ich mit dem Rad 10 Kilometer unterwegs war, dann habe ich dabei zusätzliche Kalorien verbrannt. Wenn ich mir deswegen dann aber gönne, die Joggingrunde um 2 Kilometer verkleinern, hat das Radfahren gar keinen Effekt gehabt.

    Klar, je weniger menschliche Bewegung um so weniger Kalorien verbraucht das. Man kommt da argumentativ nur schnell in eine Ecke, in der man sich auch überlegen könnte, ob Menschen an Wänden festbinden nicht klimafreundlicher ist als wenn sie den ganzen Tag im Park spazieren gehen. Oder ob Passivrauch nicht sehr viel Emissionen einspart, weil Menschen dadurch früher sterben.

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Anti-Windkraft-Story der NZZ findet heraus, dass in Deutschland nicht immer der Wind weht

Also es gab ja schon wirklich eine Menge durchsichtiger Versuche, Windkraft schlechtzureden, aber der klägliche Take der NZZ (Neue Züricher Zeitung) ist schon ganz besonders drollig. Pünktlich zur Weltklimakonferenz scheinen ein paar Redaktionen große Sorgen zu haben, die Menschheit könnte sich am Ende doch noch auf das rechtzeitige Verhindern von CO2-Emissionen einigen und das geht ja nicht. Wo kommen wir da hin, wenn wir einfach jetzt schon die Lösungen einsetzen, die wir bereits zur Verfügung haben? Zeit, noch ein paar Zweifel zu streuen:

Einfach mal Erneuerbare installieren, das wäre ja viel zu einfach und zielführend, dachte sich die NZZ vermutlich. Sie beauftragte Simon Haas, etwas möglichst schlimm Klingendes über Windkraft ins Internet zu raunen und darüber zusätzlich die obskure Geschichte zu erfinden, es handele sich um bislang wohlbehütetes Geheimwissen. Daraus ist das absurde NZZ-Visual „Windkraft in Deutschland: Grosse Versprechen, kleine Erträge“ entstanden, das wirklich hübsch aussieht, aber inhaltlich leider komplett abschmiert. Und das, obwohl Simon Haas doch laut eigener Twitter-Bio „irgendwas mit Daten“ macht.

Ich betone das mit den Daten so, weil selbst im Statistik-Kurs meines BWL-Grundstudiums ein ganz wichtiges Kriterium von Datenerhebungen besprochen wurde, das Datenprofi Haas offenbar komplett vergessen hat: Die Validität einer Messung. Klingt kompliziert, bedeutet aber eigentlich nur, dass man auch wirklich eine Größe misst, die eine Aussage über den zu untersuchenden Gegenstand erlaubt.

Eine Selbstverständlichkeit, sollte man denken, aber der Teufel steckt da manchmal im Detail. Ein recht offensichtlicher Validitätsfehler könnte sein: Jemand möchte messen, ob heutige Filme besser sind als früher und vergleicht zu diesem Zweck, wie oft in neuen Filmen etwas explodiert. Dann könnte er/sie aufgrund der gehäuften Explosionen (allein die Transformers-Reihe dürfte tausende enthalten) zum scheinbaren Schluss kommen, dass heutige Filme sensationell gut sind. Nun ist das Kriterium „Explosionen pro Film“ aber nur leidlich geeignet, die Qualität eines Films zu beurteilen, weswegen am Ende trotz exakter Datenerhebung und korrekter Berechnung ein falsches (bzw. nur zufällig richtiges) Ergebnis vorliegt.

Mit exakt so einem Denkfehler ist auch Simon Haas unterwegs, der mit seinem Kollegen vollkommen korrekt eine Menge Daten auswertete, die aber nun mal wenig Exaktes über die untersuchte These aussagen. These war, dass Windkraft in Deutschland unrentabel ist. Um das zu belegen, untersuchen er und sein Team deutsche Kraftwerke allein auf ihre Auslastung hin und teilen sie basierend darauf in „gut“ und „schlecht“ ausgelastet ein.

Das mag ohne näheres Hintergrundwissen sogar plausibel erscheinen, ist aber tatsächlich eine ähnlich ulkige Argumentation wie bei den Filmen und den Explosionen, so dass das NZZ-Visual primär eine massive Fehlinterpretation von Daten darstellt. Aber schon eine wirklich hübsche. Ist das jetzt das neue Ding, wirklich hübsche grafische Aufbereitungen von wenig stichhaltigen Schlussfolgerungen? Dann engagiere ich eine Kartografin damit, ungemein stilvoll den Verlauf der Donau in Kambodscha einzuzeichnen und verkaufe das der NZZ als das nächste Visual.

Die entscheidende Frage: Was ist überhaupt die Auslastung eines Kraftwerks? Einfach gesagt ist das die tatsächliche Leistung eines Kraftwerks gemessen am möglichen Maximum dieses Kraftwerks im gleichen Zeitraum. Wenn zum Beispiel ein Kohlekraftwerk unter idealen Bedingungen 10 Terawattstunden Strom pro Jahr erzeugen könnte und dann tatsächlich in einem Jahr 7 Terawattstunden liefert, liegt die Auslastung für dieses Jahr bei 70 Prozent. Hier findet ihr entsprechende Werte für Kraftwerke in Deutschland und das sind beispielhaft die Wert für die deutschen Steinkohlekraftwerke (Schnitt: 37%):

Windkraftanlagen in Deutschland haben naturgemäß eine geringere Auslastung und das ist grundsätzlich erst mal für alle eine gute Nachricht, die gerne im Freien Tischtennis spielen, denn das macht ja ab Windstärke 2 schon keinen Spaß mehr. Nun ist eine hohe Auslastung bei Gütern aller Art grundsätzlich schon wünschenswert: Wir haben sie irgendwann mal angeschafft und nun wäre es schön, wenn die Investition sich auch lohnt. Wer sich schon mal für viel Geld einen Heimtrainer oder ein teures Spielzeug für die lieben Kleinen angeschafft hat, nur um dem Zeug dann beim Staub ansetzen zuzusehen, an dem nagt die niedrige Auslastung dieser Dinge.

Dennoch ist es schwierig, hier einfach einen Prozentsatz zu definieren, ab dem die Auslastung „gut“ ist. Die NZZ tut genau das, sie teilt Windkraftanlagen anhand ihrer Auslastung vollkommen willkürlich in „gut“ (über 30 Prozent) und „schlecht“ (unter 20 Prozent) ein, ohne zu verraten, wie sie zu dieser magischen Grenze überhaupt gekommen ist. Ein Heimtrainer mit einer Auslastung von „nur“ 19 Prozent wäre jeden Tag 4,5 Stunden in Benutzung, ein aus meiner Sicht schon eher sportlicher Wert. Der Großteil der Heimtrainer in deutschen Haushalten wäre in NZZ-Logik katastrophal schlecht ausgelastet, selbst wenn da regelmäßig jemand draufsitzt.

Noch schlimmer sieht es bei anderen Geräten des täglichen Bedarfs aus: Autos in Privatbesitz sind im Schnitt zu 2 Prozent ausgelastet (eine halbe Stunde Fahrt pro Tag, und das weit unter Höchstgeschwindigkeit). Mein Backofen läuft nur in etwa einem Prozent der Zeit, und das nicht mal auf höchster Stufe und auch um die Auslastung der Beleuchtung in unserem Treppenhaus ist es schlecht bestellt.

Aber auch im nicht-privaten Bereich gibt es Maschinen und andere Investitionsgüter, die im Schnitt keine Stunde pro Tag laufen, ohne dass ihre Anschaffung deswegen automatisch unwirtschaftlich wäre, z.B. Röntgengeräte, Mähdrescher oder eben eine Menge Komponenten der Stromversorgung, die auf Redundanz ausgelegt sind. Ein Notstromaggregat wird im besten Fall nur zu Testläufen eingeschaltet und steht den Rest der Zeit komplett nutzlos herum. Ist aber trotzdem sinnvoll, weil ein Krankenhaus ohne ein solches Gerät bei Stromausfall höchstwahrscheinlich Tote zu beklagen hätte.

Noch krasser: In Deutschland sind für allerlei Notfälle und Wartungsmaßnahmen knapp 5 Gigawatt Ölkraftwerke als Puffer installiert. Sie können zusammen also mehr Strom erzeugen als unsere verbliebenen drei Kernkraftwerke, dennoch laufen sie so gut wie nie: Ihre Auslastung betrug 2022 etwa ein Prozent. Die NZZ könnte auch hier meckern, wie hardcore unrentabel das ist und dass diese Anlagen nur dank eines deutschen Fördersystems „überlebensfähig“ seien.

Ja, diese Anlagen erwirtschaften ihre Investitionskosten nicht im klassischen Sinne. Ein Stromnetz ist halt etwas komplizierter, als wenn man auf dem Wochenmarkt in Zürich ein paar Rüben verkauft. Es würde uns alle nämlich viel teurer zu stehen kommen, wenn wir uns diese nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien „unrentablen“ Kraftwerke sparen, uns dafür aber regelmäßig das Stromnetz um die Ohren fliegen würde. Wir hätten dann schön den Gewinn pro Anlage maximiert und säßen im Dunklen. Was wiederum den Vorteil hätte, dass unterkomplexe NZZ-Visuals nicht abrufbar wären.

Einen ähnlichen Zusammenhang gibt es mit Windkraftanlagen im Süden Deutschlands: Wir, die Gesellschaft, fördern diese Anlagen über das EEG stärker als Anlagen im Norden über den Korrekturfaktor. Das mag in den Ohren von Simon Haas von der NZZ nach wüstem Strom-Sozialismus klingen, hat aber den ökonomischen Vorteil, dass wir dann weniger Geld in unseren Netzausbau stecken müssen: Windkraft liefert uns besonders in den Wintermonaten eine Menge Strom, was zufälligerweise auch die Zeit ist, in der unser Verbrauch am höchsten ist.

Wollten wir all den im Süden benötigten Strom im Norden erzeugen, müssten wir dutzende Milliarden Euro allein für diese Leitungen aufwenden und zudem hoffen, dass die bayerische Landesregierung sich dabei überhaupt helfen lassen will, denn Horst Seehofer fand die meisten dieser Leitungen „unnötig“ bzw. die damalige Wirtschaftsministerin Aigner kämpfte dafür, dass SuedLink kaum durch Bayern läuft, nur noch getoppt von Bayerns aktuellem „Wirtschaftsminister“ Hubert Aiwanger, dessen Ratlosigkeit in Energiefragen mittlerweile fast schon legendär ist (sachliche Kritik wird von ihm auf Twitter konsequent weggeblockt).

Jo, läuft in Bayern. Kernkraft wollte man nicht, Windkraft will man nicht, Trassen will man nicht. Aber klimaneutraler Strom soll dann schon aus der Steckdose kommen? Good luck with that… Das andere Extrem ist Simon Haas von der NZZ, der zu denken scheint, mit SuedLink sei das Thema erledigt. In seinem Visual steht:

„Deshalb werden nun riesige Stromtrassen gebaut. Sie sollen den Strom dorthin transportieren, wo er tatsächlich gebraucht wird. Doch dem grün geführten Wirtschaftsministerium reicht das nicht. Auch im windarmen und dicht besiedelten Süden sollen jetzt noch mehr, noch grössere [sic] und höhere Anlagen entstehen.“

Ja, dem grün geführten Wirtschaftsministerium reicht das nicht und es sollte auch dem bayerischen Wirtschaftsministerium nicht reichen, denn selbst wenn SuedLink hoffentlich im Jahr 2028 fertiggestellt ist, kann es 4 Gigawatt Leistung in den Süden „transportieren“. Bayern wird ab 2030 aber selbst im Schnitt 11 Gigawatt aus dem Netz beziehen müssen (also zu Peak-Zeiten im Winter entsprechend mehr als das) und kann sich daher nicht allein darauf ausruhen, dass der Norden das schon regeln wird.

Hinzu kommt: Diese Trassen sind nicht gerade preiswert: SuedLink kostet geschätzt 10 Milliarden Euro, SuedOstLink etwa die Hälfte, und zahlen tun wir das alle gemeinsam über die Netzentgelte (das ist ein Teil unseres Strompreises, der dieses Jahr etwa 22 Prozent unserer Stromrechnung ausmacht).

Hier fragt die NZZ seltsamerweise nicht, wie rentabel so eine Stromtrasse eigentlich ist bzw. wie es um ihre Auslastung bestellt ist. Bitte nicht falsch verstehen: Stromtrassen können eine sehr sinnvolle Angelegenheit sein und grundsätzlich ist der Netzausbau ein wichtiger Pfeiler der Energiewende, aber das sind nicht gerade Low-Budget-Projekte und ein Eingriff in die Natur sind sie ebenfalls. Vereinfacht könnte man sagen: Je ungleichmäßiger wir die Stromerzeugung im Land verteilen, umso mehr muss das Netz diese Unregelmäßigkeit „abfangen“.

Insofern ist das Framing der NZZ vollkommen irreführend, in dem Windkraftanlagen aufgrund ihrer Auslastung als „nicht rentabel“ dargestellt werden, weil ein Lenkungssystem sie an bestimmten Standorten besonders fördert. Sie sind für uns als Gesellschaft exakt dann rentabel, wenn wir anstatt dieser Windkraft-Förderung noch mehr Geld in Stromnetzte investieren müssen, um am Ende das gleiche Ergebnis zu bekommen. Genau deswegen fördern wir sie ja: Für uns als Gesellschaft ist das ökonomischer, als wenn Privatunternehmen nach reiner NZZ-Marktlogik einfach nur weiter die ganze Küste mit Windkraft bebauen, und dann auf die Frage, wie der Strom denn in den Süden gelangen soll, mit den Schultern zucken.

Es ist übrigens nicht so, dass eine Windkraftanlage mit 20 Prozent Auslastung zu 80 Prozent der Zeit komplett stillsteht, wie man aufgrund des Begriffs annehmen könnte. Vielmehr weht gerade auf der Nabenhöhe neuer Anlagen sehr häufig genug Wind für Stromproduktion, nur halt nicht stark genug für die Maximalleistung der Anlage. laut dieser Quelle können die Anlagen aufgrund dieses Betriebs in Teillast bis zu 6.000 Stunden im Jahr Strom erzeugen.

Was sagt die Auslastung uns also überhaupt? Wenig. Sie ist für sich genommen ein wenig aussagekräftiger Wert, denn wir erfahren durch sie wenig über die Kosten oder die Risiken der Stromerzeugung. Ein Braunkohlekraftwerk kann deutlich höhere Auslastungen erreichen, es emittiert aber auch ein Kilo CO2 pro Kilowattstunde Strom. In Simon Haas‘ Skala wäre Block Q des Kohlekraftwerks Boxberg für das bisherige Jahr 2022 vermutlich nicht nur gut“, sondern phänomenal ausgelastet: Es befand sich so oft im Bereich der maximalen Leistung, dass die Auslastung bei 86 Prozent lag.

Es hat auf Basis der Zahlen des Bundesumweltamtes in der gleichen Zeit aber auch etwa eine Milliarde Euro Klimafolgekosten verursacht, so dass diese wunderbaren Auslastung in der Gesamtbetrachtung nicht wirklich rentabel für uns ist, sofern wir die Zahlen nicht komplett gegenwartistisch interpretieren wollen. Viel entscheidender als die Auslastung ist, wie viel Strom ein Kraftwerk insgesamt erzeugt und wie viel uns das inkl. Wohlfahrtsverlusten kostet, und da erreichen gerade neue Windkraftanlagen schlicht sensationelle Werte:

Infografik: Erneuerbare Energie oft günstiger als konventionelle | Statista 

Eine Auslastung von über 30 Prozent, die diese neuen Anlagen laut NZZ-Bericht erzielen, bedeutet über 2.600 Vollaststunden. Das wären für eine moderne 6-MW-Anlage knapp 16 Gigawattstunden Stromertrag pro Jahr. Die NZZ zeigt hier vermutlich eher unfreiwillig, wie effektiv diese Technologie mittlerweile geworden ist, denn mit 30.000 solcher Anlagen (so viele stehen in Deutschland bereits) könnten wir heute bereits fast den gesamten Strombedarf Deutschlands decken (15,6 GWh*30.000 = 468 TWh).

Ja, wenn wir uns den gesamtdeutschen Bestand ansehen, sieht die Auslastung eher mau aus. Dieser Bestand ist nun aber auch bis zu 20 Jahre alt. Bei den Anlagen, die seit 2015 gebaut wurden, liegt die Auslastung bereits bei durchschnittlichen 29 Prozent. Das ist recht vielversprechend, denn hier ist der Süden ja schon mit eingerechnet und es ist halt auch schon wieder 7 Jahre her, in denen noch bessere Anlagen entwickelt wurden.

Für die seltsame NZZ-Skala sind 29 Prozent aber schon nicht mehr „gut“. Gemessen an den Börsenstrompreisen von 2021 würde eine 6-MW-Anlage mit so einer Auslastung jedoch Strom im Wert von 1,5 Millionen Euro pro Jahr erzeugen. Für eine Anlage, deren Baukosten irgendwo in der Nähe von 6 Millionen Euro liegen und die 20 Jahre betrieben werden kann, klingt das schon extrem rentabel (zugegeben: Der Strompreis lag 2021 deutlich höher als noch im Vorjahr und wird hoffentlich wieder sinken)

Aber wie auch immer: Wenn Auslastung allein wirklich DAS Kriterium für Rentabilität wäre, habe ich ein paar ganz schlechte Nachrichten für die Menschen in der Schweiz: Euer Kraftwerkspark ist zu großen Teilen gar nicht rentabel!

Die Schweiz erzeugt etwa ein Viertel ihres Strommixes mit Speicherwasser. Aber wie viele dieser Speicherwasser-Kraftwerke rentabel sind, das weiß wohl niemand. Niemand! *düstere Musik* Die Graslutscher-Redaktion hat sich dazu in finsteren Parkhäusern mit zwielichtigen Informanten getroffen und wahrlich Erschreckendes (!) festgestellt: Im Schnitt sind diese Anlagen nur zu 17,5 Prozent ausgelastet. Das entspricht in der NZZ-Skala „schlecht ausgelastet“ oder wahlweise „nicht überlebensfähig“ (das mit dem Parkhaus ist ein Scherz, ich habe einfach in die öffentliche Statistik reingeluschert).

Noch schlechter sieht es für den Schweizer Solarstrom aus: Die Auslastung für die PV-Module, die von Genf bis St. Moritz installiert sind, liegt nicht mal bei 10 Prozent und die Pumpspeicher schaffen mit Ach und Krach 8 Prozent. schockschwere Not! Kann es sein, dass große Teile des Schweizer Strommixes mit Anlagen erzeugt werden, die gar nicht „wirtschaftlich betrieben“ werden? Zudem hat die Schweiz dieses Jahr bereits 9 Terawattstunden aus Deutschland importiert, darunter auch Gasstrom, obwohl deutsche Gaskraftwerke 2022 nur eine Auslastung von etwa 20 Prozent hatten.

Da sollte irgendein aufgewecktes Medium unbedingt mal ein Visual zu machen. Die sollen ja recht hübsch aussehen.

Bitte nicht falsch verstehen: Ich bin weder gegen Speicherwasser-Kraftwerke noch gegen Solarstrom. Das soll nur zeigen, wie willkürlich die Auslastung der Anlagen von der NZZ an dieser Stelle instrumentalisiert wurde. Noch schlechter ist übrigens die Auslastung vertikaler Solarmodule an Fassaden oder auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die erzeugen aber praktischerweise genau dann den meisten Strom, wenn Photovoltaik in klassischer Südausrichtung kaum noch etwas liefert: Morgens und Abends, wenn die Last besonders hoch ist (Auslastung ist eben nicht alles).

Abgesehen von diesem gigantischen Interpretationsfehler ist auch der raunende Tonfall der gesamten Geschichte unseriös bis ärgerlich: Da wird behauptet, die Auslastung würde gehütet „wie ein Staatsgeheimnis“, niemand wisse, „wie viele davon rentabel sind, ein Betreiber im Schwarzwald sei „dubios“, als solle hier etwas verschleiert werden.

Die Erzeugungsdaten der Windkraft können für jeden Windpark öffentlich eingesehen werden. Sollte euch das zu kompliziert sein, könnt ihr die prozentuale Auslastung der Anlagen auch einfach über die nationale Stromerzeugung selbst ausrechnen: erzeugte Strommenge geteilt durch installierte Leistung geteilt durch 87,6. Die NZZ hat stattdessen in einem Modell den Wind für 18.000 Anlagen simuliert und ist zum sensationellen Ergebnis gekommen, dass im Norden öfter und beständiger Wind weht als im Süden. No shit, Sherlock!

Die Auslastung der als DIE Lösung ins Spiel gebrachten Kernkraftwerke lag in Frankreich übrigens bei bislang knapp 51 Prozent dieses Jahr. Wie rentabel war das? Hätte ich gerne mal ein NZZ-Visual zu.

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Über Ulrike Herrmanns seltsame Kritik an E-Autos und warum diese auch gegen Bahnfahren spricht

UPDATE: Der hier besprochene Videoausschnitt ist ein recht unglücklicher Zusammenschnitt, denn er gibt nicht wider, auf was sie antwortet und dass sie durchaus gegen Autos generell argumentiert. Weitaus problematischer ist Frau Herrmanns Verständnis von Erneuerbaren Energien, auf der ihre Aussagen hier teilweise berufen, siehe [EDIT]-Bereiche im Artikel:

Aktuell geht ein Videoausschnitt der NDR-Sendung „DAS!“ viral, in dem Ulrike Herrmann ihre Sicht auf Elektroautos und die Energieversorgung schildert. Er ist 53 Sekunden lang, hat über 50.000 Reaktionen, wurde über 23.000 mal geteilt (26.09. um 13:00 Uhr), enthält aber leider nicht ein einziges plausibles Argument, so dass die Redaktion die Kommentarfunktion bereits einschränken musste. Ulrike Herrmann ist Journalistin und Autorin, Anfang September erschien ihr Buch „Das Ende des Kapitalismus“.

Den Fans von Frau Hermann wünsche ich, dass das Buch auf mehr Fachexpertise beruht als der Facebook-Video-Ausschnitt, denn da wirkt sie bezogen auf die Energiewende leider nicht gut informiert. Nun muss man bei Live-Sendungen berücksichtigen, dass die Gäste ihren Standpunkt nicht immer ideal rüberbringen können. Ich bin selbst für Anfang 2023 bei DAS! eingeladen und habe jetzt schon Bammel, mich an irgendeinem Punkt sensationell zu verhaspeln.

Da es aber auch Frau Herrmanns Entscheidung war, E-Autos erst mal als „totale Sackgasse“ zu bezeichnen, muss sie sich daran schon messen lassen, denke ich. Gehen wir das also mal Schritt für Schritt durch:

„Also aus meiner Sicht ist das Elektroauto die totale Sackgasse, weil es auch zu aufwändig ist. Sie müssen ja nur rausgucken und dann diese Elektroautos sehen. Am besten ist ja […] Tesla. Ein riesiges Auto, das Tonnen wiegt.“

[EDIT: Meine Kritik wäre hier deutlich schwächer ausgefallen, wenn die vorangestellte Frage der Moderation ebenfalls im Schnitt wäre. Diese war: „Jetzt wurde uns aber gesagt, ein Elektroauto, das wäre ein guter Ersatz für das momentane Auto, was halten sie davon?“. Die Antwort von Frau Hermann zielt also durchaus darauf ab, inwieweit sich das eine Autosystem durch das andere ersetzen lässt, was meine Kritikpunkte teilweise aufhebt. Sie stehen aber der Transparenz halber weiter im Text.]

Aufwändig? Verglichen mit was? Laut den Kommentaren möchte Frau Hermann mit ihrem Satz dafür plädieren, den ÖPNV auszubauen und den Individualverkehr hinterfragen. Ja klar, verglichen mit jemandem, der einen Weg zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegt (ist übrigens auch Individualverkehr), ist so eine Autoherstellung schon aufwändig, aber was in aller Welt hat das explizit mit E-Autos (Betonung auf dem E) zu tun?

Wollte sie das Argument stringent führen, müsste sie sagen „Also aus meiner Sicht ist das Auto die totale Sackgasse“, und das können wir gerne diskutieren. Sie schießt sich aber stattdessen auf Tesla ein, ein „riesiges Auto“. Nein, das ist kein Auto, das ist eine Firma, und die Autos, die aus den Fabriken dieser Firma rauspurzeln, sind auch nicht ausnahmslos riesig. Das mit großem Abstand meistverkaufte Modell von Tesla ist das Model 3 und das ist niedriger als ein VW Golf. Es ist auch etwas breiter und schwerer, aber ob das für die Umschreibung „riesig“ taugt, naja…

Ja, in der Regel sind E-Autos aufgrund des Gewichts der Batterie schwerer als gleich große Verbrenner, aber dieser Nachteil wird aufgrund der lokalen Emissionsfreiheit ja um Größenordnungen wieder ausgeglichen. Wenn ich am ersten Ring in Wiesbaden stehe und mit meinen Kindern auf das Vorbeiziehen der Blechkolonne warte, dann sind mir die etwas schwereren Model 3s deutlich lieber als die nervtötend lauten, klimaschädlichen Verbrenner, deren giftige Abgase in unseren Lungen landen.

Kritik an den immer größer werdenden Autos äußere ich selbst gerne, aber ich mache das seit dem Jahr 2000, als BMW mit dem X5 eine Art Kühlschrank auf Rädern herausgebracht hat, von dem allein in Deutschland hunderttausende zugelassen wurden, wodurch der BMW-Chef-Aerodynamiker den vermutlichen beklopptesten Beitrag zum Weltklima leistete. Auch die immer weiter steigende Platznot in unseren Städten wird nicht gerade entschärft dadurch, dass Autos immer größer werden, aber das hat mit der Antriebsart ja nun mal null zu tun.

Grundsätzlich würde ich Frau Hermann empfehlen, sich solchen Themen nicht durch das „rausgucken“ zu nähern, sondern durch das Sichten von Zulassungsdaten. Gibt ja nicht nur Tesla, sondern auch andere Hersteller, und so dominieren eher kleine Autos die Statistik der E-Neuzulassungen 2021 (achtet auf die Unterscheidung zwischen Klein- und KleinSTwagen):

  1. Tesla Model 3 (Mittelklasse)
  2. VW E-Up (Kleinstwagen)
  3. VW ID.3 (Kompaktklasse)
  4. Renault Zoe (Kleinwagen)
  5. Smart FORTWO (Kleinstwagen)
  6. Hyundai KONA (SUV)
  7. Skoda ENYAQ (SUV)
  8. VW ID.4 (SUV)
  9. Fiat 500 E (Kleinstwagen)
  10. BMW I3 (Kleinwagen)
  11. Opel CORSA (Kleinwagen)
  12. MINI Cooper SE (Kleinwagen
  13. Audi E-Tron (SUV)
  14. Peugeot 208 (Kleinwagen)
  15. Renault TWINGO (Kleinstwagen)

Es geht weiter mit:

„Dann sitzt da ein einziger Mensch drin und lässt sich mit enormem Energieaufwand da durch das Gelände fahren.“

Ja, in vielen Autos sitzt nur ein Mensch drin, was aber auch dem Umstand geschuldet ist, dass die anderen Leute im Büro meist wenig begeistert sind, wenn man seine Kinder mit ins Budget-Meeting bringt.

Spaß beiseite: Das Thema hier ist natürlich Verkehrswende und die damit einhergehende Frage, wie viele Autos es pro Person überhaupt braucht. In Deutschland sind mittlerweile 48,5 Millionen Autos zugelassen. Das bedeutet, dass wenn sich jetzt alle Deutschen mit Führerschein gleichmäßig auf alle Autos im Land verteilen, in 80% aller Autos nur eine Person sitzt. Das ist schon etwas viel und das liegt unter Anderem daran, dass es in Deutschland im Ländervergleich sehr günstig ist, Autos im öffentlichen Raum abzustellen.

Ja, können wir gerne ändern. Die meisten Menschen wären überrascht, wie viel mehr Komfort und Freiheit ein gutes Carsharing-System im Vergleich zum eigenen PKW ermöglichen kann, wenn man entsprechend lebt. Wenn. Wenn man hingegen etwas ländlicher lebt und auf die Frage „gibt es hier Carsharing?“ hin aufgefordert wird, eine dieser Simultanübersetzungsapps zu starten, sieht das anders aus. Da ist vielleicht noch eine Fahrgemeinschaft drin, aber eine Menge Menschen ist dort ohne eigenen PKW schon recht eingeschränkt mobil.

Der Punkt ist: Das hat mit E-Autos überhaupt nichts zu tun, sondern mit unserer autozentrierten Gesellschaft. Wir können uns gerne gemeinsam Lösungen überlegen, mit denen auch Menschen im ländlichen Raum nicht darauf angewiesen sind, privat 4-stellige Beträge in große Maschinen zu investieren, um mobil zu sein. Das wird nur leider nicht von heute auf morgen gelingen, so dass in den kommenden Jahren allein in Deutschland noch Millionen Autos gekauft werden. Und je mehr von denen mit Erdöl unterwegs sind, desto schlechter.

Das bedeutet nämlich einen deutlich enormeren Energieaufwand, um mal auf das Zitat zurückzukommen, weil Verbrennungsmotoren mit lausigen Wirkungsgraden von 25 Prozent unterwegs sind und unsere gerade im kommenden Winter kostbare Energie zu 75 Prozent zum Auspuff hinauswerfen. Sich in diesem Kontext gegen E-Autos auszusprechen, die mit der gleichen Energiemenge 3,5 mal so weit kommen, weil der Energieaufwand so „enorm“ sei, ist vollkommen absurd.

Es geht weiter mit:

„Und das Ganze ist ja nur klimaneutral, wenn erstens: Der Strom echter Ökostrom ist und wenn dieses ganze Auto auch nur mit Ökostrom hergestellt wird.“

Dieses Argument ist jetzt nicht neu, wird aber sonst von der Fossil-Lobby gebracht. Weiß nicht, ob das ein gutes Zeichen für eine Kapitalismus-Gegnerin ist, wenn die eigenen Argumente aus der Trickkiste einer der aggressivsten, im Kapitalismus reich und mächtig gewordenen Lobbys stammen, aber gut.

Ja, bislang ist kein Auto wirklich klimaneutral, weil bei der Herstellung zumindest indirekt fossile Brennstoffe zum Einsatz kamen oder bei der Herstellung der Solarmodule und Windkraftanlagen, die im optimalen Fall den Strom liefern. Dinge, die so gesehen ebenfalls nicht klimaneutral sind:

Fahrräder
Schuhe
E-Busse
Straßenbahnen
Vegane Muffins
Bio-Schnittlauch
Jute-Beutel
Pädagogisches Holzspielzeug

Hey, wisst ihr, was auch nicht klimaneutral war? Wie ich letzte Woche mit dem Zug vom Hauptbahnhof in Hannover zur Messe Hannover gefahren bin, dazu tuckere nämlich ein Diesel-Aggregat in der Lokomotive. Ist das ein Argument gegen Zugfahren? Natürlich nicht, die Deutsche Bahn fährt zu einem überwältigenden Anteil (dennoch zu klein) auf elektrifizierten Strecken und die paar Dieselzüge ändern nicht den klaren Klimavorteil.

Ich könnte mich jetzt dennoch hinstellen und erklären, dass E-Loks die totale Sackgasse seien, weil die ja auch nicht klimaneutral hergestellt sind auch nicht nur mit Ökostrom laufen bzw. das tun einige Leute aus der Erdöl-Autos-für-alle-Bubble seit Jahren. Sie machen dabei den gleichen Fehler wie Frau Herrmann, weil sie übersehen, dass der Strommix eben immer besser wird und sowohl die Produktion von Zügen als auch das Zugfahren selbst damit perspektivisch klimaneutral werden, genau wie bei E-Autos nun mal auch.

Letzter (und schlimmster) Abschnitt:

„Und da ist einfach klar: Der Ökostrom wird nicht reichen. So, und wenn man dann feststellt, dass Ökostrom knapp und teuer bleiben wird, dann ist das allererste, was man aufgeben muss, das E-Auto“

[EDIT: Im direkten Anschluss sagt Frau Herrmann noch „oder überhaupt Autos“, was ihre Argumentation deutlich stringenter macht.]

Aha. Frau Herrmann ist gegen eine Umstellung auf Strom, weil der Ökostrom nicht reicht. Gut, nach der Logik kann ich auch gegen bessere Bildung sein, weil die Lehrkräfte nicht reichen. Die naheliegende Idee, mittelfristig einfach für mehr Lehrkräfte zu sorgen, scheint als Transferleistung für den Stromsektor viele zu überfordern.

Anstatt „Der Ökostrom reicht nicht, also lasst uns mehr Ökostrom-Kapazität zubauen“ wird hier der Schluss gezogen, halt einfach die Energiewende zu stoppen.

Leute, die diese Idee gut finden mögen auch „Oh, wir haben zu wenig Medikamente, na dann lasst uns doch einfach nur die Hälfte der Menschen behandeln“ oder „in dieser Stadt gibt es zu wenig Radwege, lasst uns einfach weniger Rad fahren“. Ich weiß schon, die Idee soll da sein, unnötigen Ressourcenverbrauch zu verhindern, aber Energie brauchen wir ja nicht nur für grellen Plastik-Plunder, sondern für so elementare Dinge wie warme Wohnräume, elektrisches Licht, Mobilität, Bildung, Medizin, Stahl und auch den von Frau Herrmann (und mir) geliebten ÖPNV.

Ökostrom ist auch nicht zwingend knapp, zumindest für E-Autos nicht, denn die können wir aufladen, wenn das Netz gerade vor PV- und Windstrom überläuft – gilt aber natürlich auch für E-Busse oder E-Roller. Ferner ist Ökostrom auch nicht teuer. Er ist der günstigste Strom in unserem Mix und drückt unseren Börsenstrompreis in ungeahnte Tiefen, wenn er im Rudel auftritt. Es ist mir schleierhaft, warum ausgerechnet eine Kapitalismus-Kritikerin diese Märchen der Fossillobby nacherzählt.

Fazit: Frau Hermann möchte gerne für die Verkehrswende argumentieren, schafft das aber nicht, ohne gleichzeitig die Energiewende schlechtzureden. Das wiederum lässt auch ihre eigenen Ziele fragwürdig erscheinen, da ohne Energiewende keine Mobilität jemals klimaneutral sein wird.

Selbst wenn man der Auffassung ist, dass der PKW-Bestand in Deutschland problematisch ist (bin ich), wirken ihre Argumente plump formuliert, da all ihre Kritik auf Autos generell zutrifft und nicht auf E-Autos im Speziellen. Diese Kommunikation führt immer wieder dazu, dass Menschen sich eher in der Benutzung von Erdöl-Autos bestätigt sehen, anstatt für Verkehrswende einzutreten.

Dass sie hierzu Scheinargumente aus Kohle-, Erdöl- und Erdgaslobby recycelt, die bislang weder an Klimaneutralität noch an einer Verkehrswende interessiert ist, ist besonders enttäuschend. Vielleicht erreicht sie ja meine Frage, was denn gegen die Idee spricht, unsere PKW-Flotte insgesamt zu verringern und gleichzeitig elektrisch zu machen.

Zur Frage, wie wir genug Ökostrom erzeugen können, wie das mit den Speichern und den Rohstoffen klappen soll, und warum weniger PKW dabei hilfreich wären, habe ich das Buch „Weltuntergang fällt aus!“ geschrieben. Sollte jemand hier Kontakt zu Frau Herrmann haben, lasse ich ihr gerne ein Exemplar zukommen (nicht hämisch gemeint).

Ergänzung (27.09.2022):

Wie schon weiter oben bemerkt sind Frau Herrmanns Aussagen bezogen auf Elektroautos nicht so kritikwürdig, wenn man sich den gesamten Beitrag ansieht. Worüber wir aber wirklich sprechen müssen, das sind ihre Aussagen zur Energiewende, denn da macht sie einen kolossalen Denkfehler und der strahlt auch in die Aussagen zu E-Autos rein.

Etwa 40 Sekunden nach obigem Redebeitrag sagt sie:

„aber diese Vorstellung, dann ist da unendlich viel Ökostrom und jeder kann machen was er will, die ist falsch. Aber wahrscheinlich muss man das erklären, warum Ökostrom knapp bleiben wird also obwohl das eigentlich auch banal ist: Letztlich ist die einzige Ökoenergie, die uns zur Verfügung steht entweder Solarpaneele oder Windkraft.

Jetzt ist aber das Problem, dass der Wind nicht immer weht und die Sonne scheint auch nicht immer, das heißt wenn man so eine Wirtschaft kontinuierlich am Laufen halten will, dann muss man enorme Massen an Energie zwischenspeichern und da gibt es dann eigentlich nur zwei Technologien, das eine sind Batterien und das andere ist perspektivisch grüner Wasserstoff und beides ist teuer und aufwändig. Ich sage nicht, dass es unmöglich ist, aber es ist nur teuer und aufwändig, weil wenn man erst mal feststellt, dass die Energie teuer und aufwändig ist, ist klar, das mit dem Wachstum wird nichts.“

Hier sind mehrere Fehler enthalten:

1. Die einzige Ökoenergie ist nicht Wind- und Solarkraft, es gibt auch Wasserkraft, Biomasse und Geothermie. Letztere spielt in Deutschland (noch?) keine große Rolle und auch Wasserkraft und Biomasse sind begrenzt, aber andere Länder haben hier rein geografisch große Vorteile und können diese Energien besser nutzen. Wind- und Solarkraft sind halt als einzige nennenswert skalierbar.

2. Dass Wind und Sonne nicht immer zur Verfügung stehen, ist vermutlich die am häufigsten Vorgetragene Wahrheit, die schon jeder kennt. Der Witz ist nur, dass die Zeiten, in denen das bei einem starken Ausbau der Erneuerbaren die Ausnahme ist. In der Regel hätten wir an den meisten Tagen aufgrund der Witterung ausreichend oder deutlich mehr Strom, als wir brauchen.

3. Eine Wirtschaft lässt sich so übrigens am besten am Laufen halten, wenn wir den Stromverbrauch mehr an der Erzeugung ausrichten. Das geht nicht mit allen Wirtschaftsbereichen, aber eine Menge sehr energieintensive Prozesse sind zeitlich recht flexibel, so dass es sich für Firmen heute schon lohnt, das zu berücksichtigen. In meinem Buch habe ich das betreffende Kapitel „Der Speicher, den keiner braucht“ genannt und bringe das Beispiel eines Papierherstellers, der sein Hackschnitzelwerk dann anwirft, wenn das Netz vor Windstrom überquillt, weil das 6- bis 7-stellige Beträge auf der Stromrechnung einspart.

4. Frau Herrmann geht davon aus, dass Ökostrom immer knapp bleibt, weil sie nicht zwischen Primärenergie und Nutzenergie unterscheidet. Wird bei DAS! nicht ganz so gut ersichtlich, aber hier hält sie einen Vortrag beim Schauspiel Stuttgart, in dem sie behauptet, wir müssten noch 93 Prozent unseres Endenergieverbrauchs umstellen, und das sei einfach nicht machbar:

„So und da wird es jetzt aber wirklich schwierig […], aber eine einzige Zahl macht schon deutlich, wie schwierig [die Energiewende] wird. Sie alle wissen, dass wir in Deutschland seit 20 Jahren den Ausbau der Erneuerbaren Energien fördern und subventionieren und momentan sind wir so weit, dass die Windenergie, und das ist die zentrale Energie in Deutschland, weil Sonne scheint ja im Winter nicht, […] macht im Augenblick 5,4% des Endenergieverbrauchs in Deutschland aus.

Das heißt, wir müssen, wenn wir hier klimaneutral werden wollen, noch ungefähr (lach), 95 Prozent des Endenergieverbrauchs, naja, wenn man Solar noch mitzählt, 93% des Endenergieverbrauchs umstellen auf klimaneutrale Energie. Und das alles in 15 Jahren.“

Das Argument kennen wir eigentlich schon mit dem Primärenergiebedarf, an dem der Wind- und Solaranteil ohne Hintergrundwissen tatsächlich sehr klein erscheint: Bei Windkraft liegt der Anteil bei 4 Prozent, für Photovoltaik bei 1,5 Prozent. Die scheinbare Schlussfolgerung, wir müssten diese 5,5 Prozent nun durch 20 mal so viel Wind- und Solarkraft auf 100 bekommen, ist glücklicherweise falsch, denn im Primärenergiebedarf ist eine ganze Menge Energie enthalten, die wir gar nicht brauchen.

Fossile Energie hat meist einen lausigen Wirkungsgrad und so entweicht selbst bei modernen Kohlekraftwerken 60 Prozent der Energie durch Schornstein und Kühlturm des Kraftwerks. Bei einem Verbrennerauto sind es sogar 75 Prozent und auch eine Gasheizung benötigt viel mehr Energie für die gleiche Heizleistung verglichen mit EE-Strom und Wärmepumpe.

Ich habe das im Buch so zu illustrieren versucht: Links ist unser aktueller EE-Anteil an der Primärenergie und rechts sieht man, wie viel weiter wir eigentlich schon sind, weil eine Energiewende eben auch die Menge benötigter Energie reduziert:

Frau Herrmann nimmt nun anstatt des Primärenergiebedarfs den Endenergiebedarf, da sind schon mal die Kühltürme rausgerechnet, aber es ist immer noch ein mit zahlreichen fossilen Anwendungen aufgeblähter Anteil. Zudem unterschlägt sie Wasserkraft und Biomasse, geht also von einem viel zu hohen benötigten Zubau aus.

Ohne dieses Wissen muss man natürlich davon ausgehen, dass wir kaum in der nötigen Zeit die nötige Menge Ökostrom erzeugen können. Aber das können wir. Nicht nur, weil die Menge benötigter Energie sinkt, sondern weil Wind- und Solarkraft viel effizienter und günstiger geworden sind und eine heutige 6-MW-Windkraftanlage 4 bis 5 mal so viel Strom erzeugt wie die Anlagen im deutschen Bestand.

Ihr merkt schon, das ist ein riesiges Thema, aber in diesem Fall stellt Frau Herrmann es leider verkürzt dar.

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